Das ist Knast, von Hülya

Das ist Knast

Ein Brief von Hülya, mit einer Einleitung von Lisa

Hier einen der letzten Artikel, den wir in der Nummer 415 der Gefangenen Info veröffentlicht haben.

Von der Soligruppe für Gefangene

Brief von Lisa, April 2018, JVA Willich II

Wir haben uns entschieden, diese Geschichte zu veröffentlichen, obwohl es schon über 2 Jahre her ist. Leider war es meiner mitgefangenen Freundin damals nicht möglich die Geschichte rauszubringen und auf die Schikanen des Knastes zu reagieren, da sie alleine da stand und vom Knastsystem kalt gemacht werden sollte. Täglich sterben unzählige Menschen im Knast, sei es mit oder ohne Fremdeinwirkung, sei es durch „unerklärliche“ Todesfälle oder durch sogenannte Selbstmorde; jedesmal liegt die Hauptverantwortung aber beim Knast und dem Staat, der uns Menschen einsperrt und uns unserer Selbstbestimmung und unserer gegenseitigen Unterstützung beraubt oder berauben will. Wenn sich Gefangene füreinander einsetzen, ihre Menschlichkeit nicht verlieren und die täglichen Schikanen und Ungerechtigkeit nicht einfach zulassen, sondern sie anprangern und sich gegen den Knast, den Staat und die Justiz stellen, versucht man sie immer zu isolieren, als „unzurechnungsfähig“ oder „psychisch-Krank“ hinzustellen und kaputt zu machen.
Doch wir werden nicht schweigen oder uns kaputt machen lassen, und ganz besonders diesem menschenfeindlichen und perfiden-miserablen Knastsystem immer die Stirn bieten!
In Erinnerung an Claudia und alle diejenigen, die den Knast nicht überlebt haben.
Kraft und Solidarität allen, die sich gegen die Ausbeutung, die Unterdrückung und die Herrschaft des Staates und des Knastsystems stellen!

Nieder mit allen Knästen – Freiheit für alle!

 

Brief von Hülya A., JVA Willich II

2015 kam Claudia nach Köln – Ossendorf in U-Haft ins Haus 10, ich lag auf der Beobachtungszelle 111 und sie kam auf die 112. Sie lag neben mir und wir wurden nach einer Zeit sehr gute Freundinnen, was es im Knast sehr sehr selten gibt. Sie war seit über 20 Jahren im Methadon Programm und wurde runterdosiert. Die letzten Wochen war sie garnicht mehr so lebensfreudig wie am Anfang, sie ging auch nicht mehr in die Freistunde und hat keinen Umschluss mehr mit mir gemacht. Dann kam der 11.01.2016. Morgens beim Aufschluss um 6:00 Uhr gingen unsere Zellentüren auf. Claudia fragte mich nach Kaffee. Die Justizbeamtin sagte: „Nein“. Ich konnte sie aber überreden und habe Claudia etwas Kaffee gegeben. Claudia fragte daraufhin die Beamtin Frau Bürger ganz freundlich, da es ihr nicht gut ging, ob sie dem Hausmädchen etwas helfen dürfe, um etwas aus der Zelle rauszukommen. Natürlich kam ein direktes „Nein“. Die Türen wurden wieder zugeschlossen. Claudia rief mich aus dem Fenster. Sie erzählte mir, dass sie sich gestern versucht hat zu erhängen, aber das Band oder Tuch oder womit sie es auch versucht hat, wäre gerissen. Es verging am gleichen Morgen etwas Zeit. Ich ging duschen und habe dort ein ganz komisches Bauchgefühl bekommen. Ich duschte, zog mich an und bin in meine Zelle. Keine Minute später habe ich eine Polterei gehört. Ich habe, glaube ich, sogar meinen Namen gehört, dachte ich für einen Moment. Ich bin an mein Fenster und habe zweimal „Claudia“ gerufen. Es kam keine Antwort von ihr. Da meine Zellentür noch offen war, lief ich raus, klopfte bei ihr, es gab keine Reaktion. Daraufhin habe ich die Klappe hochgemacht und sah sie mit einem Radiokabel um ihren Hals am Gitter hängen, an ihrem Zellenfenster. Ich schrie ganz laut: „Sie hängt. Sie hängt.“ Ihre Augen werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Der Beamte kam, hat auch die Klappe hochgemacht und schrie laut, er bräuchte eine Schere. Ich habe gesagt: „Schließen Sie die Tür auf!“ – „Nein“. Bis Freu Bürger mit der Schere kam, vergingen mindestens 10 Minuten. Die haben die Zellentüre aufgeschlossen, sie raus aus der Zelle geholt, aber es war viel Zeit vergangen. Ich wollte sie beatmen, doch die Drecksbeamten haben mich in ihre Zelle geschlossen. Ich konnte alles aus dem Türloch sehen und wusste, dass es zu spät war. Es kamen irgendwann die Ärzte und nach etwa 15-20 Minuten wurde sie weggebracht.
Ich hatte tiefe Schuldgefühle und war unter Schock. Die haben alle so getan als wäre nichts gewesen. Später kamen die restlichen Gefangenen vom Sport wieder. 2 Tage habe ich nicht geredet, beschimpfte nur die Beamten: „Ihr Schweine! Ihr herzlosen Wichser! Ihr seid Schuld, wenn ihr die Türe vorher aufgeschlossen hättet, hätte sie es überleben können“. Einzelne Beamte und die Seelsorge versuchten an mich heranzukommen, sagten, dass ich abschließen sollte, aber ich konnte nicht.
Die nächsten Tage vergingen wie im Film. In der Freistunde meinte eine Gefangene nur: „Konnte sie sich nicht nach dem Einkauf umbringen? Sie hatte für mich mit eingekauft.“ Ich hörte es, stand auf, bin auf sie zu und habe auf sie eingeschlagen … mit ganzer Kraft. Der Hausalarm wurde ausgelöst. Die Beamten reagierten direkt, wir wurden auseinander gerissen, ich wurde auf meine Zelle gebracht, habe dort alles um mich herum kaputt geschlagen.
Im tiefsten Herzen erhoffte ich mir, dass Claudia aus dem Koma (in dem sie gelegen hatte) noch erwachen würde, aber die Seelsorge und die Psychologin sagten mir, dass sie es nicht überlebt hatte und die Maschinen abgestellt wurden. Wow, für mich ist die Welt untergegangen!
Später kam Frau Bürger und versuchte mit mir zu reden. Ich sagte ihr, dass sie an allem Schuld sei, dass ich gegen sie aussagen würde und der Staatsanwaltschaft erzählen würde, wie es war. Sie drohte mir, wenn ich das machen würde, werde ich das zu spüren bekommen. Ich lies mich nicht einschüchtern von der scheiss Justiz. Die Staatsanwaltschaft sollte kommen um Spuren sicher zu stellen und ich hätte als Zeugin befragt werden sollen, doch am gleichen Tag an dem sie kommen sollte, wurde mir plötzlich eine Psychose diagnostiziert, ohne dass ich mit Ärzten gesprochen habe. Sie wollten mir Medikamente verschreiben, die ich ablehnte. Die wollten mich foltern, die Drecksjustiz, weil sie wussten, dass ich das ernst meinte. Meine Türe ging auf, ich wurde von mehreren Beamten aufgefordert meinen Haftraum zu verlassen und mit ihnen mitzugehen. Ich weigerte mich und schrie. Die haben sich ihre Handschuhe angezogen, schwarze Lederhandschuhe. Sie hielten mich fest und gaben mir eine Spritze. Ich hatte plötzlich keine Kraft mehr. Ich konnte nicht laufen, bin aufgestanden, aber wieder auf den Boden gefallen. Es war eine Haydolspritze.
Sie haben mich in den Bunker verschleppt, mich ausgezogen, ein Nachthemd angezogen und wie einen Hund hineingeschmissen. Soweit ich mich erinnern kann, als ich meine Augen öffnete, bekam ich große Angst. Ich schrie, dass sie mich herausholen sollten. Es kam keine Reaktion. Die Angst in mir war so groß, ich habe sowas von gelitten. Ich bekam (täglich) nur 2 Scheiben trockenes Brot, wie ein Hund. In dem Moment dachte ich mir: „Das ist die Justiz. Das ist der Staat.“ Ich dachte an die Worte der Beamtin, und dass sie ihre Drohung wahr gemacht hatte.
Ich war 14 Tage ganz alleine im Bunker. Die haben mich mit Medikamenten und Spritzen ruhig gestellt. Ich war machtlos, hilflos. Das sind halt Drecksbeamte. Es hätte nur noch körperliche Gewalt gefehlt. Die Erinnerung für mich ist megakrass und wird mich mein Leben lang nicht loslassen.
Nach 14 Tagen durfte ich raus aus dieser Hölle. Zwei Tage später ging meine Zellentüre auf. Frau Bürger und noch eine Beamtin hielten mir Unterlagen vor, die ich unterschreiben sollte. Ich fragte sie, worum es ginge. Es ging um meine Überweisung in die Psychiatrie Bedburg-Hau. Ich fragte: „Wofür?“ Die wollten mich doch wirklich dazu zwingen, meine Zustimmung dafür zu geben! Ich war mega sprachlos, weigerte mich natürlich und beschimpfte und spuckte Frau Bürger an. Ich dachte mir, sie verdient wirklich den Tod. Erst starb Claudia und weil ich das alles mitbekommen hatte und mich nicht brechen lies, musste ich dafür büßen.
Frau Bürger sagte mir, dass es ein Nachspiel für mich geben, und sie mich anzeigen würde. Ich sagte ihr: „Machen sie, was sie wollen.“ Die JVA Köln – Ossendorf zeigte mich nicht an, nur Frau Bürger. Der Prozess gegen mich wurde fallengelassen, sie haben wohl gemerkt, dass ich im Recht bin und mir alles egal war. Ich habe mich nicht einschüchtern lassen. Das ist die Justiz und die Gerechtigkeit, dass ist der scheiss Staat. Das ist Ossendorf.

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