(GCI-IKG) WIR SIND WEDER ISRAELIS, NOCH PALÄSTINENSER, NOCH JUDEN, NOCH MOSLEMS… WIR SIND DAS PROLETARIAT!

Diese Artikel erschienen in der Ausgabe Nummer 50 der Zeitschrift ‚Comunismo‘ im Oktober 2003, es handelt sich daher nicht um einen neuen Artikel, dennoch sind viele der Dinge die erwähnt werden nach wie vor gegenwärtig. Gegen alle die in diesem Konflikt (Israel – Palästina), sowie in allen anderen, sich auf der Seite reaktionärer und etatistischer Fraktionen des Kapital einreihen, sagen wir dass das Ende aller Kriege und Konflikte auf dieser Welt nur mit der Zerstörung des Kapitalismus, aller Staaten-Nationen und des Patriarchats erreicht werden kann. Die Übersetzung ist von uns.


(GCI-IKG) WIR SIND WEDER ISRAELIS, NOCH PALÄSTINENSER, NOCH JUDEN, NOCH MOSLEMS… WIR SIND DAS PROLETARIAT!

Kapitalismus ohne Krieg gibt es nicht, gab es nicht und wird es auch nie geben. Wenn wir Kriege verhindern wollen, müssen wir den Kapitalismus abschaffen. Es gibt keinen anderen Weg zu einer Welt ohne Krieg.

Um den Kapitalismus zu zerstören, ist es unabdingbar, dass der Teil dieser Gesellschaft, der das ausgebeutete Wesen ausmacht und der sich als lebendiger Widerspruch zur ökonomischen Tyrannei manifestiert, sich zu einer einzigen revolutionären Klasse gegen die Bourgeoisie konstituiert, zu einer einzigen Partei, die ihre Kraft jenseits aller Religion, aller Ideologie, aller Nationalität strukturiert.

Der Internationalismus ist die proletarische Antwort auf die Bemühungen der verschiedenen konkurrierenden Kapitalisten, die Ausgebeuteten der nationalen Ökonomie zu unterwerfen und sie dazu zu bringen, sich hinter den Fahnen ihrer jeweiligen Nationen, Regionen, nationalen Befreiungsfronten, sozialistischen Länder, antiimperialistischen Fronten, unterdrückten Völker sich gegenseitig umzubringen… Der Ausweg aus den Widersprüchen, mit denen der Kapitalismus versucht, das Proletariat in Pakete zu isolieren, es in Staaten zu spalten, liegt in der absoluten Ablehnung jeder Art von Einschreibung in ein nationales Lager.

Die Ausgebeuteten der ganzen Welt haben kein gemeinsames Interesse mit denen, die sie ausbeuten, und nichts in den innerimperialistischen Widersprüchen kann die Verschärfung ihrer Lage als Ausgebeutete beseitigen. Nichts im Kampf zwischen den innerbourgeoisen Kräften kann ihr Interesse am unermüdlichen Kampf gegen die Kapitalistenklasse relativieren.

Um das Proletariat an patriotische Werte zu binden, greift die Bourgeoisie systematisch auf ideologische Vorrichtungen (Kunstgriffe) zurück, die der nationalen Fiktion Konsistenz verleihen sollen und die die Bourgeoisie den von ihr Beherrschten verkauft. Die bourgeoise Universitätsforschung erfindet prähistorische Ursprünge für die Nation, „entdeckt“ die ersten Bewohner und verwandelt sie schnell in ein „Volk“, das sie durch eine Gemeinschaft von Sprache, Kultur und Religion zu definieren versucht. Sobald diese „Wurzeln“ definiert sind, verwandelt der Historiker bestimmte Aspekte des Klassenkampfes in „Befreiungskämpfe“, erhebt lokale Helden, die „für das Vaterland gefallen sind“, heiligt die Leiden der sogenannten Märtyrer, und so wird die Geburt der Nation begründet. Die Geschichte der „nationalen Konstituierung“ ist also von einer ganzen Reihe von Legenden durchzogen, die darauf abzielen, die nationale Mythifizierung zu rechtfertigen, eine Einheit zu konstruieren, deren einzige Funktion darin besteht, die Konstituierung des Kapitals als Staat ideologisch zu verschleiern und es dem Kapitalismus zu ermöglichen, über ein fügsames, domestiziertes Proletariat zu verfügen, das seinen Zustand im Namen der fiktiven Einheit zwischen ihm und denen, die es ausbeuten, akzeptiert.

Und im Spiel der Legenden, je mehr es den nationalistischen Ideologen gelingt, ihre patriotische Schöpfung in der Gestalt eines kleinen unterdrückten Opfers zu präsentieren, das laut und kraftvoll gegen die Unterdrückung durch eine rivalisierende Macht aufschreit, desto mehr gelingt es den kapitalistischen Agenten, die sozialen Widersprüche in die Legende der nationalen Ideologie einzuschreiben und einen nationalen Konsens um diese unterdrückte Nation herum zu bilden. „Die Unterdrückung eines Volkes“ ist der unvermeidliche Weg, den die lokalen Kapitalisten einschlagen, um ihre Verbrechen fortzusetzen und das Proletariat in die Falle der nationalen Verteidigung zu locken.

In Wirklichkeit gibt es weder „unterdrückte Nationen“ noch „unterdrückende Nationen“: Es gibt nur kapitalistische Widersprüche, die alle bourgeoisen Fraktionen zu verschleiern versuchen, um die Ausbeutung mit der nationalen Fiktion zu überdecken.

Die „Nation“ wird zu einer sehr realen und materiellen Kraft, wenn es ihr gelingt, die gesamte Zivilgesellschaft, einschließlich des Proletariats, dazu zu bringen, sich täuschen zu lassen und ihre schmutzige Fahne zu verteidigen, in einer Art ehelicher Verbindung zwischen Proletariern und Bourgeois, einer schmutzigen Verbindung, die es den Letzteren erlaubt, die Ersteren im Namen der Verteidigung des Vaterlandes zur Schlachtbank zu führen. Die patriotische Einheit, die deutlichste und wichtigste Materialisierung der nationalen Ideologie, ist entscheidend für die Entfesselung der kapitalistischen Kriege.

Unabhängig von der materiellen Stärke dieser nationalen Fiktion müssen wir in jedem Fall daran denken, dass die Ausgebeuteten konkret der polizeilichen Repression, den Steuern, der Repression, der Kretinisierung, der Arbeit, der Erpressung des Mehrwerts unterworfen bleiben… unabhängig davon, in welchem Vaterland sie sich befinden. Das Proletariat hat kein Vaterland, sein Interesse liegt in der Vereinigung seiner Kräfte jenseits seiner Grenzen, außerhalb und gegen das Terrain, das die verschiedenen bürgerlichen Fraktionen errichten, um ihre kapitalistischen Kämpfe zu führen. Der Sieg des kommunistischen Projekts, das die revolutionäre Klasse in sich trägt, hängt direkt von ihrer Fähigkeit ab, sich als internationale Partei, als staatenlose, nicht-nationale Kraft durchzusetzen. Diese Wahrheit, die von Revolutionären bekräftigt wird, seit es Lohnabhängige gibt, war nie aktueller als heute, und die Schwierigkeit, diese Perspektive durchzusetzen, führt zu immer dramatischeren Situationen.

Was sich heute im Nahen Osten abspielt, ist ein erschreckendes Beispiel für die unveränderliche und verdorbene Einheit von Kapitalismus und Krieg und für die Schwierigkeiten, auf die das Proletariat stößt, wenn es den notwendigerweise internationalistischen Weg des Kampfes zur Zerstörung der Klassen finden will. Die heftigen Widersprüche, die durch diese Situation des allgemeinen Krieges hervorgerufen werden, zwingen die Proletarier in den Lagern jedoch dazu, andere Wege zu suchen als die, in denen man versucht, sie einzusperren. Diese Wege führen zum direkten Kampf gegen den „eigenen“ Ausbeuter, zum Kampf gegen die „eigene“ Bourgeoisie, nicht gegen die Klassenbrüder zu schießen, Netzwerke aufzubauen, die es den Soldaten beider Lager ermöglichen zu desertieren, einen Widerstand gegen die „eigenen“ Offiziere, gegen den „eigenen“ Staat zu organisieren, zur Ablehnung jeglichen Krieges. Mit anderen Worten: für die Organisation des revolutionären Defätismus.

In diesem Artikel wollen wir einige Beispiele aufzeigen, die zu diesem Weg gehören, und sie in eine historische Perspektive stellen, indem wir am Ende dieses Artikels ein internationalistisches Flugblatt in jiddischer Sprache wiederveröffentlichen, das von einigen revolutionären Militanten in der Mitte des „Zweiten Weltkriegs“ in Umlauf gebracht wurde, genau zu dem Zeitpunkt, als die Polarisierung zwischen Faschismus und Antifaschismus jede proletarische Einheit zerstörte. Diese Revolutionäre lehnten den Antifaschismus und die einseitige Berichterstattung über die von den faschistischen Henkern begangenen Gräueltaten ab, um eine Vereinigung zwischen jüdischen Proletariern und der jüdischen Bourgeoisie zu erzwingen. Nach dem Abdruck dieses Flugblatts veröffentlichen wir einige historische Anmerkungen über seine Verfasser.

Ob Israeli oder Palästinenser, jeder Patriotismus ist mörderisch

Israel, Palästina, jeder Tag bringt seinen Anteil an Informationen, einige unerträglicher als andere. Unter den staunenden Augen einer Mehrheit von gleichgültigen, fast schweigenden Zuschauern, die von ihrer Ohnmacht überzeugt sind, bereiten die Medien der Verblödung der öffentlichen Meinung täglich ein Festival von Bildern vor, die es uns erlauben, die neuesten Fortschritte in der Kriegskunst fast live zu „bewundern“: Ein Haus wird durch einen Hubschrauberschuss in die Luft gesprengt, ein ermodetes Kind in den Armen seines Vaters, eine Krankenschwester sammelt mitten in einer Pizzeria Arme und Beine ein, eine Frau trauert um ihre Familie, die lebendig unter den Trümmern begraben ist, ein Kämpfer leident im Blut ertränkt. .. Im Laufe der Tage äußern sich Politiker und Intellektuelle abwechselnd zu den täglichen Massakern, den täglichen Bombardierungen, den willkürlichen Hinrichtungen, den Zerstörungen von Häusern und Stadtvierteln, den Masseninhaftierungen, den Scharfschützen, den Kamikazes, den Panzern und den Hubschraubern, die in den Städten allgegenwärtig sind, mit einer ebenso umständlichen wie unbrauchbaren Stellungnahme. Diese Äußerungen falscher Trostlosigkeit sind nicht nur Erklärungen der Hilflosigkeit, sondern haben das Ziel den Staatsbürger mit einer Gesellschaft vertraut machen, in der alle Lebensbereiche zunehmend militarisiert werden und in der überall der Terror regiert.

Um den nützlichen Idioten, der gebannt vor dem Fernseher sitzt, nicht zu stören, ihn am Handeln zu hindern und dafür zu sorgen, dass er am nächsten Tag ohne Protest zur Arbeit geht, werden die Informationen durch Berichte über Friedensbemühungen, über die Entsendung von Sonderbotschaftern, über die Abstimmung von Resolutionen ergänzt; Nobelpreisträger werden vorgeführt, ausländische Parlamentarier, europäische Pazifisten an israelischen Checkpoints. Schließlich wird jedem versichert, dass sich „autorisierte“ Personen um das Problem kümmern und ihr Bestes tun werden, um es zu lösen. Dies ermöglicht es dem Staatsbürger zweifellos, die gleichen blutigen Bilder am nächsten Tag zu akzeptieren, ohne das Bedürfnis zu haben, darauf zu reagieren.

Und die Proletarier, die sich dennoch bestimmte Fragen stellen, werden damit beruhigt, dass sie nicht in der Lage sind, den Lauf der Dinge zu ändern. Um sie zu zwingen, gegenüber dem, was ihre Klassenbrüder und -schwestern im Nahen Osten erleben, gleichgültig zu bleiben, werden sie mit Erklärungen überhäuft, die jede Reflexion über den Krieg methodisch in eine Frage rivalisierender Nationen oder säkularer und unlösbarer religiöser Konflikte verwandeln. Sowohl von der Rechten als auch von der Linken hört man die Behauptung, dass die einzige Lösung in der Schaffung eines palästinensischen Staates besteht, der friedlich mit seinem Nachbarn, dem Staat Israel, koexistiert. Das Maximum dessen, wozu demokratisches Denken fähig ist, zeigt sich, wenn es bei der Konzeption neuer Grenzen, der Organisation besserer Polizeikräfte und der Festlegung der neuen Ausbeutungsbedingungen, die sich aus dem neuen Kräfteverhältnis zwischen den Staaten ergeben werden, stehen bleibt.

Palästinensischer Staat, israelische Nation, jüdische und muslimische Religion… das ist der Feuerkreis, in dem die herrschende Ideologie versucht, jeden Versuch, das Geschehen zu verstehen, einzuschließen, und zwangsläufig, und das liegt im Interesse der Bourgeoisie, zu einer Polarisierung, zu einer Abgrenzung zwischen denen, die „die Israelis“ verteidigen, und denen, die „die Palästinenser“ verteidigen, drängt.

Niemals wird auf die Existenz gegensätzlicher sozialer Interessen, auf die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen sozialen Klassen hingewiesen; niemals wird erwähnt, dass beispielsweise zwischen einem hochrangigen Politiker und einem Soldaten, zwischen einem Waffenhändler und einem Arbeitslosen, zwischen einem palästinensischen Banker und einem Steine werfenden Jugendlichen aus Gaza ein ebenso tiefer Antagonismus besteht wie zwischen dem Raubtier und der Beute, die es begehrt. In der von den Medien dargestellten Welt gibt es einfach keine sozialen Klassen. Die Journalisten ignorieren willentlich alles, was den jungen israelischen Reservisten, der an die Front katapultiert wird, von dem Karrieregeneral unterscheiden könnte, der ihn als Kanonenfutter dorthin geschickt hat. Ganz gleich, ob der eine ein Arbeitsloser und der andere ein Großaktionär ist, die Verteidiger der Ordnung werden immer versuchen, uns einzureden, dass sie in erster Linie Israelis und/oder Juden sind. Genauso werden junge Studenten, die Selbstmord begehen, indem sie einen Bus in die Luft sprengen, als Palästinenser, als Muslime, mit den gut beschützten Mollahs assoziiert, die sie davon überzeugt haben, dass ein Märtyrer zu sein ein „Geschenk Allahs“ und der schnellste Weg ins Paradies ist.

Die mächtige demokratische Realität schafft und entwickelt permanent eine Ideologie und durchdringt methodisch den gesamten sozialen Raum bis in seine verborgensten Winkel, um das Proletariat auf allen Ebenen in „seinen“ Staat zu assimilieren, es in einer falschen nationalen Gemeinschaft zu ertränken und es im Volk aufzulösen. Die Begriffe „palästinensisches Volk“ und „israelisches Volk“ ersticken alle Klassenwidersprüche; sie materialisieren die Gleichheit der Warenwelt, einer Welt, in der es weder Reiche noch Arme, weder Banker noch Flüchtlinge, weder Grundbesitzer noch Landarbeiter gibt, sondern in der nur das gemeinsame Interesse der Verteidigung desselben Staates herrscht.

Die Macht der Bourgeoisie lässt sich nicht nur an ihrem Anspruch messen, ihren proletarischen Gegner zu negieren, sondern auch an ihrer Fähigkeit, ihre eigene Existenz als Klasse zu verbergen. Aus diesem Grund und ergänzend dazu vermeidet es die herrschende Ideologie, die Absprachen zu veröffentlichen, die die Bourgeoisie untereinander trifft, wenn sie angeblich einen Krieg gegeneinander führt. So gibt es im Hinblick auf den Nahen Osten keinen Grund, die Festigkeit des Szenarios der „unversöhnlichen nationalen Feinde“ zu stören und die bourgeoisen Hinterzimmer dieses Schwindels zu zeigen, Hinterzimmer, die mit großen kommerziellen, finanziellen und ökonomischen Vereinbarungen zwischen „Juden“ und „Muslimen“, die sich angeblich im Krieg befinden, zementiert sind. Die Informationsflut blendet fast systematisch alles aus, was in irgendeiner Weise auf die Existenz dieser gemeinsamen Interessen hinweisen könnte, die israelische Kapitalisten und palästinensische Kapitalisten, unabhängig von ihrer Nationalität, miteinander verbinden.

Als beispielsweise die Palästinensische Autonomiebehörde in Gaza eingerichtet wurde, taten die Journalisten ihr Bestes, um nicht die geringste Anspielung auf die bedeutenden monopolistischen Zugeständnisse zu machen, die von der palästinensischen Führung zugunsten israelischer Unternehmen gebilligt wurden. So wird kein einziger Hinweis auf die gigantischen Transaktionen zugunsten israelischer Unternehmen gegeben, die es einer Reihe hochrangiger Persönlichkeiten der palästinensischen Exekutive ermöglichten, sich schnell zu bereichern. Es wird auch nichts über die palästinensischen Persönlichkeiten gesagt, die sich aus Profitgier beeilten, ihre Dividenden auf die Bankkonten … des Staates Israel einzuzahlen. Da all dies nicht den von der herrschenden Ideologie vorgegebenen Mustern entspricht, haben die Medien keine Skrupel, dies zu verschweigen. Ob Israelis oder Palästinenser, die Realität zeigt, dass die Kapitalisten keine andere Heimat haben als die, die ihnen den größten Profit bringt, und dass sie kein Problem damit haben, auf der einen oder anderen Seite der Grenze ihre Landsleute auszubeuten, indem sie fröhlich Verträge miteinander unterzeichnen. Allein die Offenlegung dieser Tatsachen könnte die wirklichen Klassenwidersprüche enthüllen und die wesentliche Funktion aufzeigen, die der Patriotismus in der kapitalistischen Gesellschaftsorganisation spielt, nämlich den sozialen Antagonismus zu verschleiern. Deshalb werden diese Tatsachen nicht aus dem Munde der Journalisten der Mainstream-Medien kommen. Sie sind gute Wächter der sozialen Ordnung.

Angesichts der chaotischen Situation in dieser Region und der beeindruckenden ideologischen Absperrung wollen wir in den folgenden Zeilen daran erinnern, dass nur der Weg des proletarischen Kampfes den Krieg im Nahen Osten, wie überall auf der Welt, beseitigen kann, und dass dieser Weg unweigerlich über einen klaren und endgültigen Bruch mit den nationalen Einheit führt, die jeder Staat zu reproduzieren versucht. Die Brüche, die das Proletariat in Palästina vollzogen hat, und die Entschlossenheit, mit der es dem bourgeoisen Terrorismus weiterhin entgegentritt, sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Der Bruch mit dem sozialen Frieden in Palästina und der Widerstand gegen die nationalistische und religiöse Rekuperation

Die Kontinuität des Kampfes gegen alle Staaten, den das Proletariat in Palästina seit vielen Jahren führt, ist beispielhaft. Er hat seine Wurzeln in der unerträglichen Situation, die ihm aufgezwungen wurde. Die Proletarier, die zumeist in Konzentrationslagern wie dem in Gaza eingesperrt sind, dürfen nur als industrielle Reservearmee existieren, als unerschöpfliche Quelle von Arbeitskraft, die die palästinensische und israelische Bourgeoisie je nach Bedarf nutzt. Diese Konzentration von meist arbeitslosen Proletariern, die aufgrund der enormen Schwierigkeiten, in den Lagern zu überleben, gezwungen sind, jede Arbeit anzunehmen, ermöglicht es den Bourgeoisien auf beiden Seiten der Grenze, einen allgemeinen Druck auf die Löhne aufrechtzuerhalten. Diese Realität verleiht der israelischen Armee eine doppelte Rolle: Besatzungsarmee und echte Regionalpolizei, die der lokalen Bourgeoisie die Aufrechterhaltung der derzeitigen Ausbeutungsbedingungen garantiert.

Angesichts dieser extremen Ausbeutungsbedingungen, angesichts dieser besonders gewaltsamen Repression, die notwendig ist, um diese Bedingungen aufrechtzuerhalten, führt das Proletariat einen unerbittlichen Kampf, in erster Linie gegen die israelische Armee, die der direkte Feind vor ihnen ist, die ihre Häuser zerstört, die Proletarier erniedrigt, sie täglich ermordet, aber auch gegen den Staat und die palästinensische Polizei, gegen alle Kräfte, die sich ihrem Kampf entgegenstellen.

In diesem kurzen Text, dessen Ziel es ist, einige Aktionen hervorzuheben, die sich in der Perspektive einer internationalistischen und defätistischen revolutionären Antwort befinden, werden wir nicht auf die Geschichte der vielfältigen Kämpfe eingehen, die die proletarische Kampfkraft in Palästina geprägt haben, insbesondere seit der Gründung eines offiziellen palästinensischen Staates. Abgesehen vom ständigen Widerstand gegen die Aggressionen der israelischen Polizei und der Soldaten seien hier kurz die gewaltsamen Zusammenstöße mit der palästinensischen Polizei, die Angriffe auf Gefängnisse, die Freilassung von Gefangenen, die von beiden Staaten (dem israelischen und dem palästinensischen) als Terroristen bezeichnet werden, die Angriffe auf Polizeistationen, die allgemeinen Aufstände in verschiedenen Gebieten genannt… das sind Beispiele für eine Praxis, die sich gegen Grenzen, Flaggen und die Interessen der lokalen Nation richtet.

Die jüngste Welle von Aufständen im Gazastreifen, im Westjordanland und anderswo, die anlässlich der gemeinsamen Gründung des neuen palästinensischen Staates durch den Staat Israel und die PLO ausgelöst wurde, war besonders bedeutsam. Sie zeugt von einem massiven Bruch mit der sozialen Befriedung, die der palästinensische Staat, seine Bosse und seine folternde Polizei vorgenommen haben. Seit der internationalen Entscheidung, die Existenz des palästinensischen Staates offiziell anzuerkennen, sind in den besetzten Gebieten mehrere Intifadas1 ausgebrochen, was zeigt, wie wenig das Proletariat der Region geneigt ist, die „neue“ Realität zu akzeptieren, die ihm die herrschende Klasse aufzwingen will.

So reagierten die im Gazastreifen zusammengepferchten Proletarier, sobald sie sahen, dass der neue palästinensische Staat eine Reihe von Maßnahmen zur Begünstigung der Akkumulation reicher Kaufleute, Bankiers und anderer „Dreisterne“-PLOs ergriff, die plötzlich noch reicher werden konnten: Unterstützung für die Vertreter der großen Clans, Vergabe von Ministerposten an Landbesitzer, das Auftauchen einer Kaste gut bezahlter palästinensischer Beamter, die gut untergebracht sind und in prächtigen neuen Autos herumfahren… Mit anderen Worten, in Palästina geschah das Gleiche wie in Osteuropa nach dem „Fall der Mauer“: Die Bourgeoisie wurde sichtbarer und das Elend wurde noch eklatanter. Wie jede kapitalistische Logik mussten die Zuschussgelder zur „Stimulierung von Initiative und privaten Investitionen“ verwendet werden, was bedeutete, dass palästinensische Unternehmer wie die Muwâttanîn, reiche Familien mit Abstammung und all jene, die es geschafft hatten, während der Besatzung Kapital anzuhäufen, besonders begünstigt wurden, und dass die Niederlassung palästinensischer Geschäftsleute aus der Diaspora, die neben anderem ausländischen Kapital investieren wollten, finanziell gefördert wurden. Darüber hinaus wurden die internationalen Spenden im Wesentlichen für den Bau von Hochhäusern im Zentrum von Gaza verwendet, deren Wohnungen zwischen 45.000 und 60.000 Dollar kosten. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Preise für die Region extrem teuer sind, obwohl sie billiger sind als die Luxuswohnungen, in denen die Spitzenbeamten der Palästinensischen Autonomiebehörde leben.2

Die Flüchtlinge, die Arbeiter und die Arbeitslosen im Westjordanland und im Gazastreifen haben wenig Grund, die Gründung des neuen palästinensischen Staates zu feiern. Wie sie in der Praxis und auf bittere Weise feststellen konnten, wird der ihnen zur Verfügung stehende Raum nicht nur durch die israelischen Elektrozäune zum Schutz der Siedler begrenzt, sondern auch durch die Grenzen, die der Entwicklungsbedarf der palästinensischen Kapitalisten setzt. So schreibt ein Journalist über den begrenzten Raum, der den Flüchtlingen in Gaza zur Verfügung steht: „Das Lager Khân Younis kann wegen der es umgebenden Siedlungen nicht, auch nicht vorübergehend, nach Westen hin ausgebaut werden. Das Lager Shâti hatte einen kleinen Spielraum im Norden, aber die Palästinensische Autonomiebehörde hat es vorgezogen, dieses wertvolle staatliche Land einem privaten Projekt für den Bau eines Luxushotels zuzuweisen“. Dieser elende Raum, der den Flüchtlingen überlassen wird, ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich das Proletariat in die Prognosen der kapitalistischen Expansionspläne einmischt, seien sie nun israelischer oder palästinensischer Natur. „Warum bleiben die Strände geschlossen“, fragt ein palästinensischer Flüchtling 1996, „das Meer ist der einzige Ort, an dem man ein wenig vergessen kann. Hier wird ein Hotel gebaut, dort ein Offiziersclub, und dazwischen steht das Kabinett von Arafat. Und sowohl im Süden als auch im Norden gibt es jüdische Kolonien“. Die Proletarier, die glaubten, hinter den Bannern der „palästinensischen nationalen Befreiung“ für ein Stück Land zu kämpfen, befinden sich noch immer in derselben höllischen Gefangenschaft: Die einzige Heimat, die der neue palästinensische Staat ihnen gibt, liegt zwischen den Elektrozäunen der jüdischen Kolonien und den palästinensischen Luxushotels.

Ein weiteres Beispiel für das Interesse des palästinensischen Staates an seinen proletarischen „Landsleuten“ ist das Schweigen, das während der Verhandlungen über die Friedensabkommen zur Frage der 11.000 proletarischen Palästinenser herrschte, die vom Staat Israel inhaftiert wurden. Zunächst wurde die Frage der Gefangenen schlicht und einfach „vergessen“. Nach einer Reihe von gewalttätigen Protestdemonstrationen wurde dieser Punkt in die Kairoer Vereinbarungen von 1994 aufgenommen, aber auch in Bezug auf die Gefangenen wurde nichts unternommen. Hisham Abdel Razeq, der palästinensische Verhandlungsführer in der Gefangenenfrage, bringt seine Enttäuschung zum Ausdruck: „Ich kann ihnen [den Gefangenen] keine stichhaltige Erklärung dafür geben, warum sie noch immer im Gefängnis sind. […] Sie haben den Eindruck, dass ihre Anführer sie auf dem Schlachtfeld im Stich gelassen haben. Die Gefangenen haben sich nie vorgestellt, dass der Tag kommen würde, an dem palästinensische Minister sie im Gefängnis besuchen würden“3.

Konkret bedeutete die Gründung eines neuen Nationalstaates für das Proletariat eindeutig eine Verschlechterung ihrer ohnehin miserablen Lebensbedingungen. Im Jahr 1996 stieg die Arbeitslosenquote innerhalb von sechs Monaten um 8,2 % auf 39,2 %, während 1995 die Gaza-Bewohner, die das „Glück“ hatten, im Gaza-Streifen einen Arbeitsplatz zu haben, 9,6 % ihres Lohns einbüßten, und die in Israel Beschäftigten 16 %.4 Währenddessen bereicherte sich die Kapitalistenklasse auf der Grundlage der mit verschiedenen israelischen Unternehmen geschlossenen Verträge.

Doch nicht nur die Kaufleute profitierten von den Osloer Abkommen, auch der palästinensische Staat konnte dank dieser Abkommen seine Polizei ausbauen. Es ist nur natürlich, dass die Aussicht auf eine kapitalistische Handelsexpansion mit einer Verschärfung der Repression Hand in Hand geht. Erinnern wir uns daran, dass die palästinensische Polizei seit 1994, als sie ihre Arbeit aufnahm, nicht aufgehört hat, Menschen zu inhaftieren und Folter als Mittel der Repression und des sozialen Terrors einzusetzen.5 Seitdem hat sich die Lage weiter verschlechtert. Um sein Versprechen an Rabin, den Terrorismus zu bekämpfen, zu erfüllen, hat Arafat ab Februar 1995 das Oberste Militärgericht für Staatssicherheit eingerichtet, das eine Reihe von nächtlichen Schnellverfahren durchführt. 1996 zögerten die palästinensischen Sicherheitskräfte nicht, „Aktivisten“ zu exekutieren, und 1997 waren in den Gefängnissen des neuen palästinensischen Staates bereits etwa zwanzig Menschen tot.

Das 1994 zwischen Israel und Palästina geschlossene Kairoer Abkommen sah die Entsendung von 9.000 Soldaten, darunter 7.000 Angehörige der Palästinensischen Befreiungsarmee, nach Gaza und Jericho vor. Nur zwei Jahre später zählte die palästinensische Polizei bereits 21.000 Mann, und diese Zahl ist stetig gestiegen. Die palästinensische Polizei hat sich schnell zum wichtigsten Unternehmen und zur wichtigsten Gehaltsquelle im Gazastreifen entwickelt. Zu den allgemeinen Sicherheits-, Ermittlungs- und Zivilschutzkräften, wie sie in den Abkommen vorgesehen sind, sind nach und nach die Präventive Sicherheitskräfte hinzugekommen, die unter anderem für die Kontrolle der Einreise von Palästinensern nach Israel zuständig sind – eine Aufgabe, die zuvor nur von israelischen Soldaten ausgeführt wurde – sowie die Militärpolizei, die Präsidialgarde, die Force 17 und Force 87 für „Sondereinsätze“ und die Grenzpolizei. Jede Sicherheitsabteilung hat ihre eigenen Gefängnisse (1996 gab es allein im Gazastreifen 24), ihre eigenen Ermittler, ihren eigenen Korpsgeist. Jeder Gazaner kann wiederholt von verschiedenen Sicherheitsdiensten verhaftet werden. Einigen Hamas-Dissidenten wurde auch vorgeschlagen, in die Polizei einzutreten, um eine „Moralabteilung“ zu bilden, die für die Bekämpfung von Prostitution, Alkoholkonsum usw. zuständig ist; einige von ihnen erhielten sofort den Rang eines Polizisten und das entsprechende Gehalt. Kurzum, die Proletarier brauchten nicht lange, um zu erkennen, dass in Gaza ein Polizist/Soldat auf fünfzig Einwohner kam6.

Die israelische Armee machte natürlich keine Vorwürfe wegen dieser „Verletzung“ des Kairoer Abkommens, denn sie hoffte inständig, dass die palästinensische Polizei, die zum Teil von ihr selbst gebildet wurde, in der Lage sein würde, sie in ihrer repressiven Aufgabe zu ersetzen. Ein typisches Beispiel für diese glückliche polizeiliche Zusammenarbeit war die Übergabe der Aufgabe an die palästinensischen Milizionäre (Soldaten/Polizisten), die palästinensischen Arbeiter bei der Einreise nach Israel am berühmten Erez-Kontrollpunkt zu überprüfen.

„Die palästinensische Polizei hatte die Aufgabe, die Arbeiter durch eine Reihe von gestaffelten Absperrungen zur Grenze zu schleusen. Selbst israelische Soldaten mussten zugeben, dass es für sie sehr schwierig war, den Bitten derjenigen nachzukommen, die versuchten, unerlaubt einzureisen. Die Idee war also, den Israelis diese mühsame Arbeit zu ersparen und sie an die palästinensische Polizei zu delegieren. […] Es dauerte nicht lange, bis die Menschen in Rafah die sieben palästinensischen Absperrungen, die sie passieren mussten, bevor sie den israelischen Checkpoint erreichten, bitter verspotteten.“7

Die israelische Polizei, wie alle Ordnungskräfte der Welt, wusste sehr wohl, dass eine lokale Polizei („de proximité“, wie der republikanische Euphemismus der Franzosen für ihre Nachbarschaftspolizei der Arbeiterklasse heute lautet) viel akzeptabler ist als eine Besatzungsarmee, als ein „ausländisches“ Militär. Die Ablehnung des sozialen Friedens, wie die aufeinanderfolgenden Intifadas gezeigt haben, hat jedoch die Liebesbeziehung zwischen der palästinensischen und der israelischen Polizei teilweise zerstört.8 Der palästinensische Staat, völlig überfordert und unfähig, die Ordnung aufrechtzuerhalten, hatte keine andere Wahl, als seinen „Herrn“, seine Referenz in Sachen Repression, zurückzugeben: die israelische Armee, die erneut eingreifen wird, indem sie Positionen in den selbst ernannten autonomen Städten einnimmt, Militante verhaftet und/oder ermordet und jeden Ausdruck proletarischen Zorns unterdrückt.

Der palästinensische Staat, der nach so vielen Jahren der Polizeikontrollen, Verhaftungen und Folterungen fast völlig diskreditiert ist, hatte keine andere Lösung, als erneut die Karte „der Opposition gegen Israel“ zu spielen. Wohlhabende palästinensische Geschäftsleute und Politiker aus dem Ausland, die kaum Zeit hatten, sich in Gaza ein schickes Viertel zu bauen, warfen dem Staat Israel vor, die getroffenen Vereinbarungen zu brechen und prangerten eine neue Aggression an. Um sicherzustellen, dass sie als Kapitalisten, die „weniger mächtig sind als ihre israelischen Rivalen“, nicht mit dem „zionistischen Feind“ in einen Topf geworfen werden, schickten sie ihre Milizionäre und Soldaten, die sich unter die jungen Proletarier mischten, um ein paar Kugeln auf die israelischen Panzer abzufeuern und so das Alibi für eine neue und schmutzige nationale Einheit zu schaffen.

Der antiisraelische Diskurs kann die PLO und die palästinensische Staatsführung jedoch nur knapp vor der Wut der von ihr unterdrückten Menschen schützen. Jassir Arafat hat vielen israelischen Politikern die Hand geschüttelt, er hat mit seinem so genannten Feind beim Aufbau einer lokalen Polizei zusammengearbeitet, er hat Repression und Folter zugelassen, ja sogar gefördert, er hat diejenigen inhaftiert, die der Staat Israel verlangte, er hat palästinensische Gefangene an den Staat Israel ausgeliefert…

Aber natürlich spielt der palästinensische Staat weiterhin die Karte des „israelischen Feindes“, um die interne nationale Einheit wieder zusammenzusetzen und die repressive Rolle zu verbergen, die er seit Jahren im Duo mit dem Staat Israel spielt, aber das reicht nicht aus; die patriotische Einheit, zu der die PLO aufruft, bleibt angesichts des Autonomisierungsprozesses, zu dem ein großer Teil des Proletariats in Palästina neigt, äußerst brüchig, obwohl sie ihre desorganisierende Funktion übernimmt.

Eine perverse Folge der Diskreditierung der PLO und von Jassir Arafat ist natürlich die Stärkung anderer nationalistischer und religiöser Gruppen wie der Hamas oder des Islamischen Dschihad, denen es gelingt, die in den „besetzten Gebieten“ zum Ausdruck kommende Kampfbereitschaft zu rekuperieren und in ihren eigenen Netzen zu nutzen. Diese Gruppen profitieren enorm von der verzweifelten Lage, in der sich die palästinensischen Proletarier befinden, die von der riesigen israelischen Kriegsmaschinerie erdrückt werden und jeden Tag mit dem Verlust eines Freundes, eines Verwandten, eines Nachbarn konfrontiert sind. Die ganze Wissenschaft der islamischen Gruppen beruht auf der Umwandlung des proletarischen Hasses gegen den gegen ihn geführten Krieg (Hass auch gegen seinen direkten Feind, der auf ihn schießt!) in eine mörderische Aggressivität „gegen die Juden“ selbst. Wie in Frankreich in den Jahren 1940-1945, als die Scharfschützen und Partisanen der „kommunistischen“ Partei versuchten, den antikapitalistischen Kampf mit der berühmten Parole „A chacun son boche!“ („Jedem sein Deutscher!“) zu liquidieren, rühmen sich heute Gruppen wie die Hamas und andere mit der Verzweiflung derer, die nichts mehr zu verlieren haben und ihre Wut gegen „die Juden“, „die Gottlosen“, „die Atheisten“ richten. Diese palästinensischen Banden, ob nationalistisch und/oder religiös, haben die soziale Funktion, die gewaltsame Ablehnung der den Proletariern in Palästina auferlegten sozialen Bedingungen in einen einfachen Krieg zwischen Nation und Nation zu verwandeln, und die nicht resignierten Opfer des Krieges in überzeugte Mörder der „Feinde der Nation“.

Doch der Erfolg der Märtyrer ist relativ. Viele Angehörige der jungen Proletarier, die zur Schlachtbank geschickt wurden, stellen sich den Befehlshabern entgegen. In einer Sendung des israelischen Fernsehens, die für die Familien der inhaftierten oder bei Selbstmordattentaten getöteten palästinensischen Militanten bestimmt war, riefen ein Vater und eine Mutter aus: „Mögen die Mollahs, die meinen Sohn in den Märtyrertod geschickt haben, selbst den Tod finden!“ Diese Revolte gegen die Verwendung von Proletariern als Kanonenfutter ist zweifellos viel weiter verbreitet, als die offizielle Propaganda glauben machen will. Andererseits wird die gesamte Kampfbereitschaft in Palästina nicht von diesen nationalistischen oder religiösen Strukturen vereinnahmt; mehrere militante Gruppen strukturieren sich weiterhin autonom und entziehen sich den nationalistischen und antisemitischen Vereinnahmungen. In Wirklichkeit gibt es eine allgemeine Kampfbereitschaft des Proletariats, die regelmäßig den Wunsch nach Autonomie zum Ausdruck bringt, sowohl gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde als auch gegenüber den islamischen Gruppen. So wollte beispielsweise im Oktober 2002 ein Proletarier seinen Bruder rächen, der bei einer Anti-Arafat-Demonstration von der Bereitschaftspolizei getötet worden war, indem er den Leiter dieser repressiven Polizeieinheit hinrichtete. Die palästinensischen Milizionäre machten sich auf die Suche nach ihm, konnten ihn aber nicht festnehmen, weil die Bewohner des Viertels, in dem er lebte, alles taten, um seine Verhaftung zu verhindern, ihn versteckten und ihn mit aller Kraft verteidigten und sogar Polizeifahrzeuge angriffen. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat diese Vorfälle der Hamas zugeschrieben, aber die Bewohner des betreffenden Viertels haben diese Anschuldigung ausdrücklich zurückgewiesen9. Diese Situation ist keineswegs außergewöhnlich; es gibt immer mehr ähnliche Situationen, in denen die Notwendigkeit, so zu handeln, dass man sich von all seinen Feinden unterscheidet, das Proletariat dazu zwingt, sich nur auf seine eigenen Kräfte zu verlassen.

In der Vervielfachung dieser Widerstandsaktionen und in der Ausweitung der politischen Autonomie, die dies impliziert, liegt zweifellos die Möglichkeit, die antikapitalistische und damit internationalistische Antwort zu entwickeln, die das Proletariat allen grausamen Bedingungen entgegensetzt, denen es unterworfen ist. Eine Antwort, die auf der Differenzierung der Klasse und nicht der Nation basiert; eine Antwort, die den totalen Gegensatz zwischen Soldaten und Offizieren, zwischen Arbeitern und Bossen, zwischen Proletariern und Bourgeoisie berücksichtigt; eine Antwort, die die bestehenden Gegensätze anregt und ermutigt und die die Proletarier unter der Uniform der israelischen Armee dazu bringt, sich im sozialen Kampf ihrer Brüder in Palästina zu erkennen und nicht in den mörderischen Befehlen ihrer Offiziere. Eine Antwort, die vor allem die Programme abgrenzt, indem sie die falschen Freunde des Proletariats aus ihren Reihen ausschließt, all jene, die versuchen, den Klassenhass zu rekuperieren und ihn in einen nationalen oder religiösen Kampf für einen neuen Staat, einen neuen kapitalistischen Raum, der besser an ihre Bedürfnisse angepasst ist, zu verwandeln.

Es ist klar, dass der Weg des Internationalismus in Palästina heute die unmittelbare Antwort auf die auferlegten Demütigungen und Folterungen ist. Es geht nicht darum, selig darauf zu warten, dass die internationalistische Solidarität spontan aus den Köpfen der mordenden israelischen Soldaten hervorgeht. Gerade die direkte Aktion der Proletarier in Palästina gegen die israelischen Soldaten, die auf sie schießen, sie in den Lagern einsperren und foltern, ist der stärkste Ansporn für die Soldaten im anderen Lager, mit der nationalen Einheit zu brechen und sich gegen ihre Offiziere zu erheben.

Zweifellos nimmt diese direkte Aktion des Proletariats heute verschiedene Formen an, mehr oder weniger verworren, mehr oder weniger gezielt. Die Siedler und die israelische Armee sind eindeutig Ziele erster Ordnung für diejenigen, die sich dem militärischen Terror widersetzen, aber es ist klar, dass die verzweifelte Situation, in der sich das Proletariat befindet, eingesperrt in den Lagern angesichts der systematischen Ermordung seiner Kinder, Verwandten, Freunde, Gefährten, sein tiefes Bedürfnis, den Feind zu treffen, in einem solchen Maße verschlimmert, dass das Ziel, auf das man abzielt, sowie die Methode, die man anwendet, manchmal verschwommen und unklar werden10.

Wir möchten hier jedoch die Heuchelei und den Zynismus derjenigen unterstreichen, die einen Teil der Proletarier, die versuchen, Widerstand zu leisten und ihre Verzweiflung in eine mehr oder weniger selbstmörderische Aktion gießen, und den Klassenfeind, der die Form von entschlossenen, perfekt ausgebildeten und überfütterten Attentätern annimmt, die nicht zögern, Kinder zu erschießen, die in den Armen ihrer Eltern geborgen sind, die Verwundeten, die in Krankenwagen transportiert werden, zu liquidieren, die Bewohner, die ihre Häuser nicht verlassen wollen, lebendig zu begraben, Raketen auf Gebäude voller Proletarier zu schießen .…

Wie zynisch muss die internationale Bourgeoisie sein, wenn sie versucht, die wenigen Reaktionen des Lagerproletariats als „Terrorismus“ und die Aktionen der Soldaten, die Häuser demolieren, Menschen einsperren und foltern oder die Bevölkerung in den Flüchtlingslagern regelrecht bombardieren, als „Antiterrorkampf“ zu bezeichnen, wie erst kürzlich in Rafah und Khân Younis, den ärmsten Gebieten aller palästinensischen Gebiete. Wie vergleichbar ist der Terror, den diese Soldaten verbreiten, wenn sie Wassertanks auf den Dächern ins Visier nehmen, mit Gewehrkolben gegen Haustüren schlagen, um Kinder zu terrorisieren, Ausweise unter dem geringsten Vorwand konfiszieren und Gefangene mit dicken Elektrokabeln verprügeln? Wie kann man das mit der Situation in den Lagern vergleichen, wo die einfache Bewegung eines Proletariers von einer Stadt in die andere, von einem Dorf in das andere Gegenstand endloser Schikanen ist? Ganz zu schweigen von den täglichen Demütigungen: der Grenzwächter, der den Tomatenstand eines kleinen Händlers auf den Boden wirft, die Soldaten, die ihren Müll in bewohnten Vierteln entsorgen, die Beamten, die wegen der einen oder anderen unbezahlten Rechnung ganzen Stadtvierteln den Strom abstellen… Die israelischen Kriegstreiber wissen sehr wohl, dass ein Krieg gewonnen wird, indem man den Gegner entmutigt, umso mehr, wenn dieser eher auf sozialem als auf nationalem Gebiet auftritt, und das ist der Grund, warum die Armee absichtlich eine so große Anzahl von Zivilisten, Kindern, Arbeitern ermordet…, Verbrechen bei denen sie vorgeben es handelte sich um schreckliche Fehler.11 Eine Studie der israelisch-palästinensischen Organisation Physicians for Human Rights (PHR) zeigt, dass in den fünf Jahren der ersten Intifada alle zwei Wochen ein Kind unter sechs Jahren durch einen Kopfschuss getötet wurde. Und vor kurzem erklärte ein Scharfschütze der israelischen Armee einer Journalistin, dass der Befehl laute, auf Kinder zu schießen, die älter als zwölf Jahre sind und gefährlich aussehen12. Kann man ernsthaft noch von einem Fehlverhalten sprechen?

Was für eine Heuchelei ist es, sich auf den „Terrorismus“ zu berufen, um die wenigen proletarischen Kugeln zu disqualifizieren, die als Antwort auf diesen Terror ihre Ziele erreichen! Was für eine finstere Komödie, die vom „Kampf gegen den Terrorismus“ spricht, um die Tricks der israelischen Siedler zu bezeichnen, die in regelrechten Todesschwadronen organisiert sind, die nicht zögern, unbewaffnete Proletarier zu ermorden, ihre Gefangenen zu foltern und zu töten, unter dem wohlwollenden Auge und dem Segen der Armee!

Die Proletarier in Palästina gehen den Weg des revolutionären Defätismus, indem sie „ihrer“ Bourgeoisie nicht gehorchen, den sozialen Frieden und die ihnen auferlegten Lebensbedingungen ablehnen und mit Klassenautonomie handeln. Durch ihre Aktion ermutigen und stimulieren sie in der Praxis die Proletarier in Israel, auch ihren eigenen Anführern ungehorsam zu sein, die erste Etappe, die eine internationalistische Kampfgemeinschaft ermöglichen wird, in der der Kampf gegen die Bourgeoisie beider Lager, gegen die Armeen beider Seiten, gegen die Kapitalisten eines jeden Landes, bekräftigt wird.

Brüche in der nationalen Einheit des Staates Israel

Die Diskreditierung der offiziellen palästinensischen Anführer, die Ablehnung des sozialen Friedens in Palästina und die Kampfbereitschaft des Proletariats gegen die israelische Gendarmerie haben nicht verhindert, dass die Situation des Proletariats in den besetzten Gebieten sowohl wegen der Politik der palästinensischen Anführer als auch wegen der Politik des Terrors des Staates Israel schrecklich bleibt. Nach dem Wiederaufflammen einer neuen Intifada in Palästina im September 2000 ist dieses Gebiet fast täglich Schauplatz von Massakern, Massakern, die das enorme Missverhältnis der militärischen Kräfte zugunsten der israelischen Armee zum Ausdruck bringen, wie die nüchterne Zählung der Toten auf beiden Seiten zeigt: seit September 2000 gab es etwa 1.800 Tote auf palästinensischer Seite und 600 auf israelischer Seite13.

Diese militärische Macht hat ihren Ursprung in der unermüdlichen Unterstützung, die der Staat Israel aus dem westlichen Lager und insbesondere aus den Vereinigten Staaten erhält, eine Unterstützung, die in direktem Zusammenhang mit der ihm zugeschriebenen Hauptfunktion steht: der allgemeinen Repression des Proletariats nicht nur in Palästina und Israel, sondern in der gesamten Region, die für ihre sozialen Unruhen bekannt ist. Die dem israelischen Staat zugeschriebene Gendarmenfunktion, d.h. die Unterdrückung jeglicher sozialer Bewegung in der Region, ermöglicht es der westlichen Bourgeoisie, sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene, im Sinne eines relativen sozialen Friedens die Ölquellen des Nahen Ostens auszubeuten, die für die internationale Industrie lebenswichtig sind14. Die Zahlen der westlichen Unterstützung in finanzieller Hinsicht sind ein Abbild der in der Region konzentrierten imperialistischen Interessen. Seit 1984 beläuft sich die jährliche offizielle Hilfe der US-Bourgeoisie allein für den Staat Israel auf 3 Milliarden Dollar, die sich in 40 % ökonomische und 60 % militärische Unterstützung aufteilen. Rechnet man zu dieser Summe die zusätzlichen 2 Milliarden Dollar an indirekter Hilfe hinzu (verschiedene militärische Sonderprogramme, militärische Unterstützung durch das Verteidigungsministerium, nicht verlangte Garantieleistungen…), so kommt man auf einen jährlichen Betrag von etwa 5 Milliarden Dollar, was ungefähr einem Drittel des US-Auslandshilfebudgets entspricht15.

Aber wenn wir die direkte westliche Militärhilfe außer Acht lassen, worauf beruht dann das Kräfteverhältnis, das so günstig für den Staat Israel ist? Wie in allen Kriegen stützt es sich vor allem auf die Kraft der nationalen Einheit, einer Einheit, die über die Grenzen des offiziellen Staates hinausgeht und die, angeheizt durch internationale Antiterrorkampagnen, murmelt, dass „auch Israel jedes Recht hat, sich gegen den Terrorismus zu verteidigen“, ein Recht, das auch vom palästinensischen Staat anerkannt wird. Der Kampf „gegen den Terrorismus“ ist das Eingangstor für die Repression, er ist eine echte Erlaubnis zum Töten auf internationaler Ebene, die von all jenen Parteien erteilt wird, die die vom israelischen Staat ausgeübte Repression permanent unterstützen, insbesondere von den USA und den europäischen Staaten.

Die internationale Unterstützung für die repressive Rolle, die der Staat Israel in der Region spielt, macht diese nationale Einheit offensichtlich unverzichtbar, eine Einheit, die besonders um die Armee herum organisiert ist: allgegenwärtige Militarisierung, extrem langer und hochgeschätzter Militärdienst, Rechtfertigung der Rolle des Tsahal als Beschützer, Aufbau von Vorurteilen zugunsten der Soldaten, militarisierte Ökonomie, militarisierte Bevölkerung, gigantischer Militärhaushalt?

Leider stellt das Proletariat in Israel diese super-militarisierte Situation wenig in Frage, trotz der Entwicklung, die der Kampf in Palästina genommen hat und immer noch nimmt. Konkret haben die wiederholten Aufstände im Westjordanland und im Gazastreifen die Proletarier in Israel nicht daran gehindert, angesichts der von der israelischen Armee verübten Massaker eine schuldige Haltung einzunehmen, wenn sie sich nicht schlicht und einfach hinter die Pläne der israelischen Bourgeoisie zur Zerschlagung der aufeinanderfolgenden Intifadas gestellt haben. Es muss festgestellt werden, dass die Proletarier in Israel die meiste Zeit nichts anderes getan haben, als die Ideologie des Klassenfeindes zu reproduzieren, was im Kontext der sozialen Auseinandersetzungen in Palästina besonders schwerwiegende Folgen für ihre Klassenbrüder und -schwestern hat.

Die Rechtfertigungen der von der israelischen Armee durchgeführten Aktionen sind je nach den sie verteidigenden Fraktionen mit unterschiedlichen Ideologien ausgestattet: Die Rabbiner segnen die Waffen, mit denen die Palästinenser im Namen des „Kampfes gegen das Böse“ ermordet werden, während die Säkularisten mit dem Friedensnobelpreisträger Schimon Peres an der Spitze den „Kampf gegen den Terrorismus“ stigmatisieren; Aber sie alle behaupten, das „Mutterland“ zu sein, in Wirklichkeit „die Mutterarmee“, die nicht mehr „Armee“ genannt wird, sondern mit ihrem Spitznamen Tsahal, als ob sie sich von den anderen Armeen unterscheiden würde, um ihr einen schützenden und wohlwollenden Charakter gegenüber diesen Mördern zu verleihen!

Allen diesen Erklärungen für den vom israelischen Staat geführten Zerstörungskrieg ist übrigens gemeinsam, dass sie in dieser Art mystischer Rechtfertigung der historischen Leiden des „jüdischen Volkes“ eine unbestreitbare Garantie für die Gültigkeit der gegenwärtigen repressiven Maßnahmen sehen. Wie überall, aber in diesem Fall mit viel mehr Nachdruck, zwingt der Staat die tiefgreifende Rechtfertigung seiner Existenz in einer Mischung aus Ideologien und Religionen auf, die jede Antwort, jede Infragestellung der offiziellen Version der Gründe für sein Handeln verhindern. „Der Holocaust ist die neue Staatsreligion in Israel“, erklärte ein jüdischer israelischer Künstler um die Schwierigkeit, jegliche Kritik an diesem Staat zu formulieren.16 Indem er die gleichen Rechtfertigungen wie bei den meisten Kriegen des westlichen Lagers in den letzten Jahrzehnten wiederholt, legitimiert der Staat Israel den Terror, den er derzeit mit dem Vormarsch seiner Armee sät, indem er von der angeblichen Kluft spricht, die seine eigenen Verbrechen von den Gräueltaten trennt, die das besiegte Lager, der deutsche Staat, während des so genannten Zweiten Weltkriegs an dem jüdischen Proletariat begangen hat. Diese schäbigen Vergleiche auf der Skala der kapitalistischen Gräuel sind, abgesehen von dem, was sie verbergen17, die Grundlage eines großen nationalen Konsenses, in dem jede Infragestellung des lokalen Staatsterrorismus mit dem außergewöhnlichen Dogma kollidiert, dass „es kein Leid gibt, das irgendjemandem zugefügt wurde, das mit der Verfolgung des jüdischen Volkes unter dem Nationalsozialismus verglichen werden kann“. Ein Student der Universität Tel Aviv, der gegen den vom Staat Israel geführten Krieg kämpft, prangerte kürzlich den Zynismus dieser unerbittlichen Argumentation an, die er als „die Logik von Auschwitz“ bezeichnet:

„Hier ist die Logik von Auschwitz in einer Nussschale. Ramallah ist nicht Auschwitz, Israel ist nicht das Dritte Reich. Wir haben keine Vernichtungslager und wir haben nicht ein Drittel der palästinensischen Bevölkerung in Gaskammern massakriert. Was wir tun, ist also richtig. Wir können die besetzten Gebiete mit Tränengas und Blut überziehen, wir können morden und verletzen und foltern und bedrohen und enteignen, wir können Millionen von Menschen mit Elektrozäunen und Panzern in winzigen Enklaven einschließen, wir können täglich belagern und bombardieren, wir können Frauen auf reihenweise ins Krankenhaus schicken, und wir können auch auf Krankenwagen schießen, denn solange wir auch nur 10 Zentimeter unter den Grausamkeiten von Nazideutschland bleiben, wird alles besser und besser werden, und wagen Sie nicht, einen Vergleich anzustellen. Es wird manchmal gesagt, dass das Beste ein Freund des Guten ist. Israel zeigt, dass das Schlechteste der beste Freund des Bösen ist. Und vielen Dank an Adolf Hitler, dass er solche unübertroffenen Maßstäbe gesetzt hat“.18

Diese Notizen gehen nicht vom proletarischen Standpunkt aus, aber sie brachten ihrem Autor eine ganze Reihe von Drohungen und Einschüchterungen ein, die die eiserne Logik bestätigen, der sich unsere Klasse jedes Mal stellen muss, wenn die geringste Kritik am Staat Israel geäußert wird. Es ist noch schlimmer, die Holocaust-Religion in Israel anzugreifen als den demokratischen Fundamentalismus in Westeuropa in Frage zu stellen. Wenn man zum Beispiel sieht, wie jede Reaktion, die aus dem Parlamentarismus19 ausbrechen will, als „philo-faschistisch“ disqualifiziert wird, kann man sich vorstellen, welchen Terror es für einen Proletarier in Israel bedeuten muss, eine Kritik an der Religion des dortigen Staates zu üben, was natürlich nicht den Mangel an praktischer Solidarität dieses Proletariers mit seinem Bruder in Palästina entschuldigt.

Ganz zu schweigen von der Kritik an der Armee und all jenen, die sich der allgemeinen Wehrpflicht widersetzen. Kriegsdienstverweigerung gilt insbesondere in Kriegszeiten als Verbrechen, das als „Hochverrat“ eingestuft wird20, der Pazifismus nimmt in Israel andere Dimensionen an, das Verteilen eines einfachen Flugblatts, das zur Beendigung des Krieges aufruft, oder der Widerstand gegen die Ausbreitung der Siedlungen ist gleichbedeutend mit der Gefährdung des eigenen Lebens im Angesicht der Kach-Militanten oder der Siedler.

Auf dieser Grundlage ist die nationale Einheit in Israel sehr mächtig und, wie wir bereits betont haben, ist das Proletariat praktisch darin aufgelöst. Umso interessanter sind die wenigen Brüche in der lokalen Sozialordnung, die in letzter Zeit gemeldet wurden; Brüche, die von den israelischen Soldaten ausgehen und sich auf andere Sektoren auszuweiten scheinen.

So erklärten am 26. Januar 2002 53 Offiziere und Reservesoldaten der israelischen Armee öffentlich ihre Weigerung, „in diesem Krieg für den Frieden der Siedlungen zu kämpfen […], in den besetzten Gebieten zu kämpfen, um ein ganzes Volk zu beherrschen, zu vertreiben, auszuhungern und zu demütigen“. Der Aufruf wurde in der israelischen Tageszeitung Haaretz veröffentlicht.

Dies ist nicht die erste derartige Reaktion. Im August 2001 kündigten 62 Studenten ihre Entscheidung an, aus politischen Gründen nicht auf eine eventuelle Entsendung in die besetzten Gebiete zu reagieren. Aber diese neue Reaktion, die in einer israelischen Zeitung wie eine Anzeige veröffentlicht und direkt von diensthabenden Militärs unterzeichnet wurde, brachte eine Realität ans Licht, die normalerweise sorgfältig verborgen wird.

So haben, wie die 53 Unterzeichner, mehr als 400 israelische Reservisten oder Soldaten seit Beginn der neuen Intifada im September 2000 öffentlich erklärt, dass sie sich weigern, in den „besetzten Gebieten“ zu kämpfen, und 40 wurden dafür inhaftiert. Der achtzehnjährige Yair Hilu wurde kürzlich zu einer Militärstrafe verurteilt, weil er den Militärdienst „in diesem gewalttätigen Gebilde, das die Armee ist“, verweigert hat, wie er selbst sagt. Es ist daher schwierig, die genaue Zahl der Proletarier, die sich dem Krieg widersetzen, zu ermitteln, aber man kann auf der Grundlage von Schätzungen der Armee selbst davon ausgehen, dass auf eine Person, die ihre Weigerung, dem Staat zu dienen, öffentlich gemacht hat, acht oder neun Soldaten kommen, die denselben Standpunkt vertreten, ohne sich zu trauen, ihre Vorgesetzten direkt zu konfrontieren. Während der ersten Intifada, von 1987 bis 1991, weigerten sich mehr als 2.500 Soldaten eindeutig, sich an ihren vereinbarten Bestimmungsort zu begeben: das Westjordanland und Gaza. Auf der Grundlage der oben dargelegten Berechnungen würde dies bedeuten, dass es etwa 20.000 Soldaten gab, die sich weigerten, an die Front zu gehen und auf die eine oder andere Weise mit staatlicher Repression konfrontiert wurden.

Die israelische Armee relativiert diese Realität und wiederholt trotz der Zeugenaussagen und der zunehmenden Zahl von Stellungnahmen in dieser Richtung unaufhörlich, dass „die Moral gut ist“ und dass die „Soldaten motiviert sind“. Die Reaktionen des Staates lassen jedoch keinen Zweifel an der Befürchtung, dass der Ungehorsam verallgemeinert wird. Ein offensichtliches Symptom dafür ist, dass die israelischen Militärbehörden es systematisch vermeiden, widerspenstige Personen in ihren Gefängnissen einzusperren und sie offen dafür zu beschuldigen. Gerade um zu vermeiden, dass die Sache der Kriegsverweigerung aufgewühlt wird, werden die Verweigerer oft eines anderen Verbrechens beschuldigt. Andererseits haben diejenigen, die sich ganz offensichtlich gegen den Staat gewehrt haben, Anspruch auf eine besonders erniedrigende Behandlung wegen ihrer generellen Ablehnung des Systems, um ein Exempel zu statuieren und andere Widerspenstige zu entmutigen. Ein weiteres Symptom ist das ausdrückliche Verbot für alle ausländischen Journalisten, eine andere als die von der israelischen Armee bereitgestellten offiziellen Informationen zu verwenden. Diese Entscheidung wurde getroffen, nachdem mehrere Wehrpflichtige, die auf dem Schlachtfeld selbst interviewt wurden, vor laufender Kamera ihre Fassungslosigkeit und ihr Unverständnis über die Ziele dieser Kämpfe zum Ausdruck brachten. Doch der Terror des sozialen Ungehorsams des Proletariats nahm mit der Verabschiedung des von Scharon vorgelegten Sparplans am 22. Mai 2002, der eine Kürzung der Zulagen für Familien vorsah, deren Söhne keinen Militärdienst geleistet hatten, eine noch deutlichere Form an. Das Ziel dieser Maßnahme ist eindeutig die bedingungslose nationale Einheit im Hinblick auf den vom Staat Israel geführten Krieg.

In der Tat geht es darum, jegliche Unterstützung für diejenigen zu verhindern, die als „Saboteure der Moral der Nation“ denunziert werden. Das eigentliche Problem der israelischen Bourgeoisie besteht heute darin, zu verhindern, dass die von den Proletariern, denen die Uniform aufgezwungen wird, aufgeworfenen Probleme in eine soziale und revolutionäre Antwort des Proletariats als Ganzes umgewandelt werden. Zweifellos enthalten diese Reaktionen der Proletarier in Israel auf den Krieg, so widersprüchlich und verstreut sie auch sein mögen, den Keim einer sozialen Polarisierung, die den Krieg zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Staat in eine Klassenkonfrontation verwandeln kann, eine Konfrontation zwischen den Verteidigern der Nation und des Kapitalismus auf der einen Seite und einer sozialen Klasse auf der anderen Seite, die sich bewusst wird, dass die Verteidigung der Nation, zu der sie gezwungen wird, nur den Interessen derjenigen dient, die sie ausbeuten.

Um diese Saat der sozialen Polarisierung zu veranschaulichen, genügt es, den ersten Aufruf von 53 israelischen Soldaten, nicht „in den besetzten Gebieten“ zu kämpfen, und die Reaktionen, die er hervorrief, zu lesen. Wenn wir nur einen Blick auf den Text werfen, können wir sehen dass dieser eine große Anzahl an Schwächen beinhaltet. Die Unterzeichner rechtfertigen die in der Vergangenheit zugunsten des Staates Israel erbrachten Opfer, nehmen die Sicherheit des Staates als Bezugspunkt, bedauern die Verschlechterung des „menschlichen“ (sic) Bildes des Tsahal (der israelischen Armee) und beabsichtigen, ihm weiterhin zu dienen. Interessant ist jedoch nicht nur, was der Text formal zum Ausdruck bringt, sondern auch die Weigerung, auf Befehl der Vorgesetzten zu massakrieren, was der Aufruf impliziert. Um die Bedeutung dieser Gegenposition voll zu würdigen, muss man den Kontext der kompakten nationalen Einheit berücksichtigen, die in Israel herrscht, und darf nicht vergessen, dass die Verweigerung dieser Soldaten gegenüber den Befehlen ihrer Vorgesetzten in diesem Land eine Reihe sehr harter Konsequenzen nach sich zieht: soziale Repression, Beleidigungen, Verachtung, Isolation… Es handelt sich nicht um eine antimilitaristische Reaktion im Rahmen des sozialen Friedens oder im Rahmen der „Freizügigkeit“ der parlamentarischen Demokratie, sondern um einen Bruch mit einem der am stärksten national geeinten Staaten der Welt, einem Staat, der in der gesamten Region eine entscheidende Rolle als Gendarm spielt. Sich dem von der Tsahal auferlegten Kampf zu widersetzen, der die den Proletariern in Palästina zugefügten Leiden anprangert, ist gleichbedeutend mit einer direkten Konfrontation mit all der politischen Kohärenz, die aus der Mythologie des Märtyrervolkes geschöpft und mit der Ideologie des internationalen Antifaschismus bewaffnet ist, dem ideologischen Fundament der siegreichen und dominierenden Staaten seit dem so genannten Zweiten Weltkrieg. Deshalb darf diese Konfrontation nicht bagatellisiert werden.

Ihre Verfasser wurden sofort als „Revisionisten“, „Verräter“, „boshafte Juden“, „Antisemiten“ bezeichnet. Diese Beschimpfungen wurden auch auf all diejenigen angewandt, die den so genannten Aufruf unterstützt hatten21, und die Zeitung, die sie veröffentlicht hatte, wurde denunziert, und zahlreiche „Intellektuelle“ distanzierten sich sofort von diesem Dokument. Um den defätistischen Auswirkungen dieses Aufrufs und der Begeisterung, die er bei zahlreichen Proletariern auslöste, entgegenzuwirken, die endlich klar und deutlich niedergeschrieben sahen, was viele bereits dachten, aber nicht zu formulieren wagten, reagierte der Staat schnell mit dem ihm eigenen Terrorismus. Der Bildungsminister, Limor Livnat, forderte die Anklage von 200 Universitätsstudenten, die diese Soldaten unterstützten, die bourgeoise und religiöse Presse rief dazu auf, die Moral der Soldaten zu unterstützen, die Tageszeitung Yediot Aharonot veröffentlichte am 7. Mai 2002 Briefe von Kindern religiöser öffentlicher Schulen, die die Soldaten aufforderten, „so viele Araber wie möglich zu töten“, „die Palästinenser mit F-16 zu durchbohren“… Ebenso prüft das israelische Parlament Gesetzesentwürfe, die eine fünfjährige Gefängnisstrafe für jeden vorsehen, der „die Unterstützung einer terroristischen Organisation zum Ausdruck bringt“, und somit jeden Kontakt mit jeder Art von palästinensischer Organisation verurteilt.

Auch wenn es noch zu früh ist, um von einer allgemeinen Bewegung zu sprechen, hat dieser kleine Text auf die eine oder andere Weise so viele Reaktionen seitens des Staates hervorgerufen, weil er die Lücken aufzeigt, die sich gegen die nationale Einheit zu bilden drohen. Seit der Veröffentlichung dieses Textes im Januar 2002 hat sich die Zahl der Unterzeichner erhöht; die letzten uns vorliegenden Zahlen stammen vom März 2002 und weisen 357 Unterzeichner aus. Aber über diese Initiative hinaus gibt es weitere Informationen über mehr als tausend israelische Proletarier, die auf die eine oder andere Weise ihren Militärdienst nicht ableisten, seien es Wehrpflichtige, Reservisten oder sogar Offiziere. Diese werden Refuzniks genannt, und nach Angaben verschiedener Verbände – und bei aller gebotenen Vorsicht bei der Nennung dieser Zahlen – würden sie in der Gesellschaft einen Rückhalt von 25 % haben.

Es gab weitere öffentliche Initiativen, die im Sinne der 53 Unterzeichner waren. So zum Beispiel der Brief von Sergio Yahni, Co-Direktor des Alternative Information Center22, der am 19. März 2002 an den Verteidigungsminister Ben Eliezer geschickt wurde, der ein gewisses Echo fand und den Widerspruch gegen den Staat vertieft, nicht nur wegen der Weigerung, in den besetzten Gebieten zu kämpfen, sondern generell in der israelischen Armee: „Als Jude widern mich die Verbrechen an, die diese Miliz gegen das palästinensische Volk begeht. Meine Pflicht als Jude und als Mensch ist es, jede Art der Beteiligung an dieser Armee kategorisch abzulehnen. Als Sohn eines Volkes, das Opfer von Pogromen und Zerstörung war, weigere ich mich, eine Rolle in Ihrer ungesunden Politik zu spielen. Als Mensch ist es meine Pflicht, die Mitarbeit in einer Institution, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, abzulehnen“. Dieses Schreiben ist in dem unten stehenden Kasten wiedergegeben.

Die Verweise auf „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und andere fetischistische Ausdrücke des Staates Israel, die von jüdischen Proletariern immer häufiger verwendet werden, um die Politik der israelischen Bourgeoisie anzuprangern, zeigen, dass der nationale Zusammenhalt, der auf der Vergangenheit als Märtyrer aufbaut, immer weniger solide wird. Dies ist ein interessantes Zeichen für die Erosion der nationalen Einheit. Die israelische Nation, auch wenn sie durch eine Reihe äußerst mächtiger Faktoren gut abgedichtet und in der aklasistischen Legende eines jüdischen Volkes verwurzelt ist, das eine immense historisch-religiöse Tragödie trägt, deren Funktion es ist, alle sozialen Widersprüche zu fixieren, kann jedoch nicht verhindern, dass sich das Proletariat gegen die materielle Verschlechterung seiner Existenzbedingungen auflehnt.

Viele von denen, die gestern noch ihre bedingungslose Unterstützung für den Staat Israel verkündet haben, gestützt auf den Mythos des gelobten Landes, des auserwählten Volkes, der Schwierigkeiten, dieses kleine Heimatland inmitten der Wüste zu schaffen, der Leiden, die während des Zweiten Weltkriegs erlitten wurden…, haben heute große Schwierigkeiten, die terroristischen und mörderischen Aktivitäten des israelischen Staates zu rechtfertigen. Der Krieg und die Verschlechterung der sozialen Lage führen dazu, dass sich immer mehr Proletarier im Widerspruch zur Ideologie „ihrer“ Bourgeoisie befinden. Streichung von Subventionen, Erhöhung der Schulgebühren und Gesundheitskosten, immer schmerzhaftere Sparpläne, vollständig militarisierter Lebensraum, Repression jeglicher Infragestellung, immer größerer scheinbarer Unterschied zwischen Arm und Reich, sichtbarer und spektakulärer Anstieg der Selbstmordrate23 …, all dies sind die Elemente der aktuellen nationalen Landschaft, die die Proletarier in Israel unweigerlich dazu bringen, sich materiell als Ausgebeutete und nicht als Juden oder Israelis zu definieren. Und auf dieser Ebene, sobald die spezifischen Mythen, auf denen er beruht, unterschiedliche Mythen in jedem Staat, in Frage gestellt werden, enthüllt der Staat Israel seine wahre Natur und zeigt sich als das, was er ist: eine Unterdrückungsmaschine wie jeder kapitalistische Staat, mit der Besonderheit, ein Gendarm in der gesamten Nahostregion zu sein.

Jenseits des egalitären Mythos der „Gründerväter von Zion“ und der Projekte des Heiligen Landes bezeichnet er einfach die Forderung einer herrschenden Klasse, die, um das reibungslose Funktionieren des Kapitalismus in der Region zu gewährleisten, ihre Entwicklung um die Suche nach Profit strukturiert, mit allen Konsequenzen, die dies in Bezug auf die Politik des Terrors im In- und Ausland mit sich bringt. Wie jede herrschende Klasse braucht die israelische Bourgeoisie nicht nur Ordnung innerhalb ihrer Grenzen, damit ihre Geschäfte funktionieren, sondern sie muss auch über die Mittel verfügen, um ihre Expansion gegenüber ihren Konkurrenten durchzusetzen. Um „ihr“ Proletariat zu disziplinieren, die kapitalistische Ordnung in der Region aufrechtzuerhalten und eine imperialistische Entwicklung zu ermöglichen, ist es daher notwendig, über eine kompakte und disziplinierte Armee zu verfügen, die Wehrpflicht einzuführen, einen starken Staat zu entwickeln, der in der Lage ist, Repression, Expansion, Kolonisierung, Deportationen, Massaker … zu begehen, kurz gesagt, eine Reihe von Verbrechen zu begehen, die denen, die er gegen die Juden anprangert, völlig ähnlich sind und die genau als Rechtfertigung für die Gründung des Staates Israel in Palästina gedient haben.

Die zwingende Notwendigkeit, Gebiete zu erobern, zwingt den Staat, in Israel wie überall auf der Welt, die unmenschliche Natur seines Wesens zu offenbaren. Infolgedessen sind Beamte und Minister gezwungen, ihre Parolen und Absichten klar zu formulieren, und der Mythos der Märtyrernation beginnt zu platzen. „Brecht ihnen die Knochen“, befahl Yirtzhak Rabin zu Beginn der ersten Intifada, und seine Soldaten handelten ohne zu überlegen. Heute ist schlicht und einfach von Deportation oder massenhaften Morden an den in den Lagern eingesperrten Proletariern die Rede. Der ehemalige General Efi Eitam, der gerade von Scharon zum Minister ernannt wurde, findet die Idee des „Transfers“ politisch „attraktiv“; im Falle eines allgemeinen Krieges, so das ehemalige Mitglied der Arbeitspartei, „werden nur noch wenige Araber übrig sein. […] Wir erleben derzeit eine intellektuelle Debatte der schlimmsten Art unter den Israelis: eine Diskussion über die Möglichkeit der Deportation und des Massenmords an den Palästinensern.“24

„Ethnische Säuberung“, „Transfer“, „Deportation“, „Apartheid“… sind die Begriffe, die in den internationalen Diskussionen der Bourgeoisie in Bezug auf die Proletarier in Palästina immer häufiger als endgültige Lösung verkündet werden. Der Kapitalismus bleibt Kapitalismus, unabhängig von seiner Art oder Farbe, und er kommt zu jeder Art von Karikatur: Die israelischen Beamten haben die nicht sehr originelle Initiative ergriffen, den verhafteten Palästinensern Nummern auf die Arme zu tätowieren.25

Kurz gesagt, die israelischen Proletarier hören weniger leichtgläubig auf die Märchen, die ihnen die Bourgeoisie erzählt, um sie und ihre Kinder regelmäßig an die Front zu schicken. Der menschliche Preis, den sie für die Verteidigung der nationalen Idee zu zahlen haben, steht in immer heftigerem Widerspruch zu den Auswirkungen der materiellen Schrecken des Krieges auf ihr eigenes Leben.

Natürlich haben diese Widerstände derzeit große Schwierigkeiten, die Schranken der nationalen Vorurteile zu überwinden. Wir haben bereits gesehen, dass sich die seltenen Reaktionen in den meisten Fällen auf einen Standpunkt beschränken, der die „gute“ Politik der „schlechten“ Politik für das Land gegenüberstellt. Ohne die Gefahr zu unterschätzen, die das Fehlen eines echten revolutionären Programms mit sich bringt, bleiben wir jedoch bei unserer Auffassung, dass diese ideologischen Illusionen weniger wichtig sind als die Tatsachen selbst. Im heutigen Israel verweigern junge Proletarier den Militärdienst und stellen sich entschlossen der sozialen Verachtung, der sie ausgesetzt sind. Wehrpflichtige geben öffentlich die Gründe bekannt, warum sie nicht kämpfen wollen; Soldaten im Ruhestand rufen dazu auf, nicht in die besetzten Gebiete zu gehen; ganze Familien unterstützen widerspenstige Reservisten, obwohl es für die Familie ein schwerer Schlag sein kann, ihr gesamtes Gehalt zu verlieren.26

Die Abneigung gegen den Krieg nimmt verschiedene Wege, von der Verweigerung aus Gewissensgründen bis hin zur reinen Ablehnung, und jenseits der unvermeidlichen Verwirrung, die jeder Skizze des Widerstands gegen den Kapitalismus und den Krieg innewohnt, ist die Realität da: in einem Raum, der auch ideologisch und militärisch kontrolliert wird, wie Israel, beginnen die Proletarier, ihre elementaren Interessen zu bekräftigen – wie zum Beispiel, sich nicht in die Luft zu sprengen – und beginnen, sich zu organisieren, um sie zu verteidigen.

Der Brief eines jungen israelischen Soldaten an „seinen“ General, in dem er sich weigert zu kämpfen, zeigt viel deutlicher diesen Klassenstandpunkt und den Interessengegensatz zwischen bourgeoisen Generälen und proletarischen Soldaten. Dieser Brief mit dem Titel „Meine Antwort an den General“ ist ein weiteres, zwar noch zaghaftes, aber interessantes Zeugnis jenes Prozesses, der überall und zu allen Zeiten dazu führt, dass Soldaten, die von ihren Vorgesetzten in den Hass des benachbarten Proletariats getrieben wurden, sich irgendwann umdrehen und eher auf die Seite der mörderischen Emissäre, auf die Seite der Patrioten, auf die Seite der Militärbehörde schauen.

Der Reservist Yigal Bronner antwortet dem General, der ihn im Oktober letzten Jahres auffordert, „an militärischen Operationen“ im Gazastreifen teilzunehmen, dass er weiß, dass eine solche Mission bedeutet, Befehle zu befolgen, und dass er sich irgendwann in einem Panzer vor einem Offizier wiederfinden wird, der ebenfalls Befehle von oben befolgt und ihm befiehlt, eine Granate auf Palästinenser abzufeuern. „Ich bin ein Kanonier, ich bin die kleinste Schraube in einer perfekten Kriegsmaschine. Ich bin das letzte, kleinste Glied in der Befehlskette. Ich soll einfach nur Befehle befolgen, meine Existenz auf eine Reiz-Reaktion reduzieren, auf den Befehl des Kommandanten ‚Feuer‘ hören und den Abzug drücken, um den ganzen Plan zu beenden. Ich soll all dies mit der Einfachheit und Natürlichkeit eines Roboters tun, der höchstens das Zittern des Panzers spürt, wenn die Granate abgefeuert wird und in Richtung seines Ziels fliegt…. Aber ich habe einen Makel, sagt er, Brecht paraphrasierend, ich bin ein Mensch und ich kann denken. […] Deshalb bin ich gezwungen, Ihrem Befehl nicht zu gehorchen. Ich werde nicht abdrücken“.

Siehe unten Kasten den vollständigen Text.

Zur Belohnung für seine Offenheit wurde Yigal Bronner zu 28 Jahren Gefängnis verurteilt, in denen er ununterbrochen misshandelt und gedemütigt wurde. Er muss vierzehn Stunden am Tag in der Küche einer Kaserne für junge Wehrpflichtige arbeiten, darf nicht mit den anderen Gefangenen sprechen, seine persönlichen Gegenstände werden konfisziert, er hat weder ein Kissen noch eine Decke zum Schlafen und wird gedemütigt, indem er den ganzen Tag einen Hut tragen muss27. Kurzum, er erträgt, wie alle, die man einem schwachsinnigen Gehorsam zu unterwerfen versucht, die gegenwärtige Niedertracht aller Armeen der Welt, aller Staaten der Welt. Aber nach dem Vorbild dessen, was viele andere Proletarier in Palästina, in Israel oder anderswo in der Welt ertragen, bilden diese Demütigungen die Entschlossenheit von morgen, die heute die israelischen Refuzniks dazu bringt, sich morgen in internationalistische Revolutionäre zu verwandeln. Und wenn sie sich als solche konstituieren, wird das Proletariat nicht nur mit Briefen auf die Gewalt der Generäle reagieren.

Wir sind keine Israelis, keine Palästinenser, keine Juden, keine Muslime, … wir sind das Proletariat!

Der Slogan, der als Titel dieses Artikels diente, ist inspiriert von der vernichtenden Antwort, die britische Streikende ihren eigenen Ausbeutern gaben, die sie während des sogenannten Ersten Weltkriegs beschuldigten, Komplizen des Feindes zu sein: „Wir sind keine Engländer, wir sind keine Deutschen, wir sind das Proletariat!“ Diese politische Präzision, die hier mit Nachdruck und Stolz an die Fratze der britischen Nationalisten gerichtet wird, bedeutet in einer Situation des imperialistischen Krieges einen wesentlichen Qualitätssprung für die Entwicklung der Revolution. Nicht nur, weil sie sich von der nationalen Einheit distanziert und damit die Konfrontation mit der „eigenen“ Bourgeoisie beinhaltet, sondern auch, weil die Proletarier, wenn sie die nationale Identität ablehnen, mit der unsere Feinde uns zu fesseln versuchen, gleichzeitig die natürlichen Bande bekräftigen, die sie mit den Proletariern anderer Nationen verbinden…. Das ist die grundlegende Essenz des revolutionären Defätismus. Die „eigene“ Bourgeoisie als ihren direkten Feind anzuprangern und ihr entgegenzutreten („wir sind keine Engländer…“) und sich gleichzeitig als revolutionäre Klasse zu behaupten („wir sind das Proletariat…“), ist ein phänomenaler Anreiz für die Verallgemeinerung des Klassenkampfes, selbst im so genannten gegnerischen Lager.

Es ist auch die Herausforderung, die diese Lücken enthalten könnten, d.h. sich innerhalb jener nationalen Einheit zu entwickeln, die für den Staat Israel so unabdingbar ist, um weiterhin seine Rolle als Gendarm im Nahen Osten wahrnehmen zu können. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Wehrpflichtigen, die den Dienst in der Armee verweigern, dem Staat offenkundig lästig sind, aber damit sie mehr sind als bloße „Verweigerer aus Gewissensgründen“, die der Staat relativ gut ertragen und einrahmen kann, müssen sie mit einer sozialen Perspektive ausgestattet werden. Eine soziale Perspektive, die nicht nur in der Ausdehnung der Refuzniks liegt, sondern vor allem in der Tatsache, dass diese Proletarier ihre Ablehnung der Armee offen als Konfrontation gegen den Kapitalismus definieren, als Konfrontation nicht nur gegen „korrupte“ Minister und „schlechte“ Generäle, sondern gegen das ganze System, das sie hervorbringt, gegen „ihre“ Bourgeoisie, gegen den Staat als Ganzes.

„Wir sind keine Israelis…“: die Ausbeutung hat keine Grenzen, wir können keine Grenzen verteidigen, die unsere Ausbeutung lenken; wir haben keine gemeinsamen Interessen mit den Bourgeois, die uns ausbeuten und die uns in den Kampf schicken; wir wollen die Niederlage „unserer“ Ausbeuter, „unserer“ Bourgeois, „unseres Landes“, um alle Ausbeutung und alle Grenzen abzuschaffen…

„Weder die Palästinenser…“: Wir rufen unsere Klassenbrüder, die im gegnerischen nationalen Lager unterdrückt werden, auf, sich als Klassenbrüder zu erkennen, sich in die Reihen derer einzureihen, die sie Refuzniks nennen, ihren eigenen Offizieren nicht zu gehorchen, unsere Netzwerke zu nutzen, um zu desertieren, sich mit uns zu verbrüdern, unsere eigenen Räume zu nutzen, um die gesamte Bourgeoisie gemeinsam zu besiegen…

„Wir sind das Proletariat! …. Unsere Identität ist nicht national, sondern sozial, aber wir sind mehr als die Bauarbeiter in Gaza oder Tel Aviv, mehr als die Steinewerfer in Palästina oder die israelischen Refuzniks; viel mehr als die soziologischen Kategorien, in die man uns zu stecken versucht… Als Proletarier sind wir mehr als eine Masse von Ausgebeuteten, wir sind ein revolutionäres soziales Projekt, das auf die Abschaffung aller sozialen Klassen abzielt, wir sind der Kommunismus.

Zweifellos ist das Proletariat in Israel noch nicht in der Lage, eine revolutionäre Praxis zu entwickeln, die sich um diese kühnen Formulierungen herum artikuliert (wie heute weder in Palästina noch im Rest der Welt), aber die Brüche, die wir in diesem Text begrüßt haben, wie isoliert oder verworren sie auch sein mögen, zeugen von der unausweichlichen Entwicklung der Gegenposition zu den morbiden und barbarischen Projekten des kapitalistischen Staates und formieren sich entlang dieses Weges.

Wie wir bereits festgestellt haben, liegt die Stärke dieser Brüche darin, dass sie von innen heraus entstehen, dass sie sich praktisch mit ihrer eigenen Armee, ihrem eigenen Staat, ihren eigenen Ideologien auseinandersetzen…, und all dies trotz der Tatsache, dass es immer noch dramatisch an programmatischer Klarheit fehlt, dass die Formulierungen nicht nur nicht klar sind, sondern völlig unzureichend. Der Weg des Klassenkampfes wird durch die Entwicklung der kapitalistischen Katastrophe selbst vorgezeichnet, durch die Unfähigkeit des Kapitalismus, etwas anderes als eine Verschärfung der Ausbeutung und der Kriege anzubieten, und es sind diese Festlegungen, die das Proletariat zwingen werden, sich offener als revolutionäres Subjekt zu erkennen und die Abschaffung des Staates als Perspektive voll und ganz zu bejahen.

Auch wenn dies gesellschaftlich noch nicht der Fall ist, versuchen einige Minderheiten bereits jetzt, gegen den Strom bestimmte Aspekte dieser Perspektive zu verteidigen. So zum Beispiel ein Flugblatt mit der Unterschrift „Juden gegen Zionismus“, das am 18. Mai 2002 in London anlässlich einer linken Demonstration „für die Rechte der Palästinenser“ verteilt wurde und in dem „Juden“ die Verbrechen „ihres“ Staates anprangern, und zwar im Rahmen einer viel umfassenderen Perspektive, die sie mit der Abschaffung aller Staaten in Verbindung bringen:

Der Zionismus ist ein immanentes Produkt des Weltnationalismus, des Kolonialismus und des Etatismus. Der Zionismus, der in einer Zeit geboren wurde, in der die Welt geteilt und das europäische nationalstaatliche System konsolidiert werden soll, ist der Komplize des Westens und eine Katastrophe für die Palästinenser. Die zionistische Allianz mit Macht und Tyrannei macht sie nicht zum Beschützer der Juden. Er kollaboriert ständig mit den Rassisten und Mördern, um die Kolonisierung Palästinas fortzusetzen. Im Gegensatz dazu unterstützen wir all jene, die versuchen, „ihre eigenen“ Regierungen, „ihre eigenen“ Anführer zu stürzen. Wir unterstützen die Kämpfe, die den Staat und den Kapitalismus zu besiegen suchen […]. Die Begründer des Zionismus lehnen die Möglichkeit ab, den Antisemitismus durch populäre Kämpfe und soziale Revolution zu überwinden […]. Es gibt nichts Außergewöhnliches an dem Rassismus und der Unterdrückung, die der Staat Israel an den Tag legt. Der historische Verrat des Zionismus ist nichts Außergewöhnliches: Er ist das Los aller Formen des Nationalismus. Unser Antizionismus gründet sich auf den Widerstand gegen jeden Staat, jede Grenze, jede Nation; er gründet sich auf den Widerstand gegen die Beherrscher und Ausbeuter der ganzen Welt.

Für eine globale Intifada und für die Abschaffung aller Grenzen!“28

Die permanenten Schlachtfelder, die den israelischen und den palästinensischen Staat als Lebensraum konstituieren, als makabre Nutzung des Märtyrertums, um ihren jeweiligen Bedarf an Kanonenfutter zu decken, treiben die Proletarier mehr und mehr dazu, mit der Religion des jeweiligen Staates zu brechen und den gemeinsamen Feind zu benennen. Ein gemeinsamer Feind, der in jeder Epoche und unabhängig von „unserer Nationalität“ ist der Kapitalismus, der Staat, der ihn strukturiert, die Armee, die ihn verteidigt, die Bourgeoisie, die ihn verkörpert.

Gegenüber all jenen, die versuchen, unsere antikapitalistische Revolte auf ein nationales Terrain zu lenken, lasst uns laut und stark das Banner der Staatenlosen, den Kampf derer ohne Abschluss, die internationale Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft einfordern.

Entwickeln wir unsere Organisationen ohne Rücksicht auf „unsere Nationalitäten“. Kämpfen wir für die Verbrüderung, um Kontakte auf beiden Seiten der Grenze zu knüpfen und militante Verbindungen zu entwickeln, die es den Proletariern beider Seiten ermöglichen, den Offizieren, den Mollahs oder den Rabbinern zu entkommen, die uns anwerben wollen.

Entwickeln wir gemeinsam den Kampf gegen „unsere“ Bourgeoisie! Drehen wir unsere Waffen und zielen wir auf diejenigen, die uns schicken, um uns zu massakrieren! Entwickeln wir den revolutionären Defätismus!

Vor diesem Hintergrund des umfassenden Kampfes des Proletariats in Palästina, vor dem Hintergrund der ersten Brüche in der nationalen Einheit, die im Staat Israel geschehen, schlagen wir im Folgenden in „Arbeitergedächtnis“ ein Flugblatt aus dem Jahr 1943 vor, in dem revolutionäre Militante die „jüdischen“ Proletarier zum Kampf gegen „ihre eigene“ Bourgeoisie aufrufen und offen mit dem Antifaschismus und dem Stalinismus brechen, die jeden Deutschen als ihren Feind bezeichnen wollten.

„Glaubt nicht den nationalistischen Lügnern. Die deutschen und italienischen Arbeiter sind wie wir Opfer, sie sind unsere Klassenbrüder“, erklärten die Militanten der Revolutionären Kommunisten, als sie sich auf Jiddisch an die „jüdischen“ Arbeiter wandten.

Gestern, heute und morgen, gegenüber all jenen, die versuchen, uns zu spalten, unsere Kämpfe zu verzerren, „Unterschiede“ in der Situation zu finden, um die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk, sei es das der „Auserwählten“ oder das der „Märtyrer“, besser zu rechtfertigen, lasst uns wie die Verfasser des Flugblattes antworten: „Die Kapitalisten vereinigen sich gegen uns, vereinigen wir uns gegen die Kapitalisten!

März 2003


Jüdische Arbeiter, Genossen:

Der 1. Mai ist der Tag des internationalen Proletariats, der Tag der proletarischen Verbrüderung. Der neue Weltkrieg dauert nun schon vier Jahre an. Es ist ein Krieg, der die Reichen kaum berührt und in dem die Armen die Opfer sind. Sie werden verfolgt, misshandelt, ausgebeutet und ausgerottet.

Klasse gegen Klasse

Der internationale Kapitalismus ist ständig auf der Suche nach frischem Kanonenfutter, nach billigen Arbeitskräften. Die französischen, deutschen, polnischen, italienischen, tschechischen und viele andere Arbeiter werden unterdrückt wie wir, die Juden. In Afrika, in Amerika, in Russland werden die Arbeiter, ob gläubig oder nicht, ob Latinos, Araber, Schwarze, Gelbe oder Weiße, von ihren eigenen Unterdrückern in Stücke gerissen. Überall auf der Welt hat der Imperialismus die Proletarier in ein riesiges Konzentrationslager eingesperrt.

Wie viele jüdische Kapitalisten wurden deportiert? Nicht ein einziger. Sie haben alle Frankreich verlassen, während die Massen der jüdischen Proletarier aus allen Nähten platzen und in gepanzerten Wagen in die Todeslager deportiert werden. Viele leben in der Klandestinität, ohne Papiere und Geld, im Stich gelassen von den jüdischen Bourgeois und Bürokraten.

Klasse gegen Klasse

Kein französischer Kapitalist wurde deportiert, kein deutscher oder italienischer Kapitalist ist an der Ostfront gefallen, kein anglo-amerikanischer Kapitalist wurde in den Wüsten Afrikas in die Luft gesprengt.

Alle Proletarier werden von ihren Kapitalisten verkauft und ausgebeutet. Alle Sklaven sind unsere Brüder, alle Kapitalisten und alle Verräter sind unsere Feinde. Nie wieder Volk gegen Volk, sondern Klasse gegen Klasse.

Die deutschen, jüdischen und anderen Sklaven müssen arbeiten, in der Organisation Todt, unterdrückt von der SS und manchmal kontrolliert von den jüdischen Bullen. Die französischen mobilen Wachmannschaften verfolgen die französischen Arbeiter. Die Gestapo macht Jagd auf deutsche Deserteure und Flüchtlinge. Die GPU erschießt russische Kommunisten. Britische und amerikanische Milizionäre unterdrücken Streiks in England und Amerika.

Aber die Arbeiter antworten

In Arcachon streiken 400 deutsche Arbeiter und 1.000 französische Juden für bessere Lebensmittel. 10 Deutsche und 25 Juden werden erschossen, aber der Streik geht weiter. Die Deutschen teilen das Essen mit den Juden, da die SS die Verteilung von Lebensmitteln an Juden verboten hat. Französische und ausländische Arbeiter schließen sich dem Kampf gegen die französische und deutsche Gendarmerie an.

Die deutschen Arbeiter desertieren, der passive Widerstand breitet sich im ganzen Land aus. Überall auf der Welt kommt es zu Streiks und Kämpfen.

Der imperialistische Krieg verwandelt sich in einen Bürgerkrieg gegen die kapitalistischen Henker.

Jüdischer Arbeiter, Genosse, wo gehörst du hin?

Zu den jüdischen Bourgeois? Sie haben dich immer gehasst und verraten. Sie profitieren vom Krieg, während dein Blut fließt. Sie sind immer mit den nichtjüdischen Kapitalisten verbündet. Welche Ziele verfolgen die Zionisten, wenn man ihnen ein Bündnis mit der jüdischen Bourgeoisie vorschlägt, für ein „jüdisches Land“? Heute sind Churchill, Roosevelt und Goebbels gleichermaßen für ein jüdisches Land, das ein neues Konzentrationslager für die jüdischen Massen sein würde. Danke für ein solches jüdisches Land! Die Judenfrage kann nur durch die Verbrüderung aller Arbeiter, durch die Revolution in der ganzen Welt gelöst werden. Ohne den Sieg der verallgemeinerten proletarischen Revolution werden die Juden immer ausgebeutet und verfolgt werden. Ihr Platz ist bei den Proletariern der ganzen Welt.

Die zionistische Bewegung schafft Kolonien und viele junge Menschen gehen dorthin, ohne viele Lebensmöglichkeiten für diese Jugend. Wohin geht das Geld für die Jugend? Die Bürokratie der UGIF-Föderation reißt alle Verantwortung an sich. Jüdische Jugendliche, lasst euch nicht von den Zionisten und der jüdischen Bürokratie ausbeuten.

Genossen

Denkt an unsere Toten, denkt an eure Brüder, die in den Lagern auf euch warten, denkt an eure Brüder, Schwestern, eure Männer und Frauen, eure Freundinnen, eure Kinder, Väter und Mütter, die mit Millionen von Polen, Tschechen, Russen, Franzosen und Deutschen in den Lagern sind, deportiert in der Hölle. Sie warten auf eure Aktion für ihre Befreiung.

Sie haben verstanden, dass nur die Aktion aller Unterdrückten uns retten kann. Sind unsere Genossen umsonst gefallen? Könnt ihr unsere Brüder in den Todeslagern vergessen?

Erwartet nichts von Roosevelt, Churchill oder Stalin! Zählt nur auf eure eigenen Kräfte, auf die revolutionären Proletarier aller Länder.

Glaubt nicht mehr an nationalistische Lügner. Die deutschen und italienischen Arbeiter sind wie wir, Opfer. Sie sind unsere Klassenbrüder. Die SS ist für sie, wie für uns, der Hauptfeind.

Die Kapitalisten vereinigen sich gegen uns, vereinigen wir uns gegen sie! Wir sind die Stärksten, wir sind die Massen!

Nieder mit dem imperialistischen Krieg! Nieder mit dem Nationalismus! Schluss mit Pogromen, Massakern und Deportationen! Es lebe der 1. Mai, der Tag der internationalen proletarischen Verbrüderung! Vorwärts mit der internationalen proletarischen Revolution! Frieden! Freiheit! Brot!

Der 1. Mai 1943 – Die revolutionären Kommunisten


Über das Flugblatt und seine Verfasser: die „Revolutionären Kommunisten“!

Die Spuren der Erfahrungen, die die Kommunisten aus unserem historischen Kampf gezogen haben, sind rar und gleichzeitig äußerst wertvoll. Die Bourgeoisie ist sich des Wertes dieser historischen Materialien bewusst und wendet immense Energie auf, um die Erinnerung an unsere Klasse zu verbergen, unsere alten Gefährten zu diffamieren, ihre Kämpfe zu denaturalisieren, ihre Presse zu zerstören.…

Im Rahmen des Kampfes um die Wiederaneignung unserer Vergangenheit präsentieren wir dieses Flugblatt, das mit „Die revolutionären Kommunisten“ unterzeichnet ist und am 1. Mai 1943, mitten im Krieg, in Südfrankreich verteilt wurde29.

Die wenigen Informationen, die uns über das Dokument und die Gruppe, die es in Umlauf gebracht hat, vorliegen, stammen aus den folgenden Quellen:

Zunächst haben wir die französische Übersetzung dieses Flugblatts in Maurice Rajfus‘ Buch „L’an prochain la revolution. Les communistes juifs immigrés dans la tourmente stalinienne. 1930-1945“ („Nächstes Jahr die Revolution. Immigrierte jüdische Kommunisten in den stalinistischen Wirren. 1930-1945“) Editions Mazarine, Paris, 1985. Die einzige Bemerkung dieses Historikers ist die folgende:

Dieses Flugblatt ist, abgesehen von der Terminologie und den Slogans, die aus der „Dritten Periode“ der Kommunistischen Internationale übernommen wurden, ein bemerkenswertes Dokument, da es mit dem absoluten Vertrauen in die Strenge bricht, die den „großen Alliierten“ entgegengebracht wurde“.30

Unsere Nachforschungen über die kommunistischen Minderheiten in dieser Periode der Niederlage des Proletariats haben uns dann dazu gebracht den geschichtlichen Werdegang der Gruppe, die dieses Dokument verfasste, viel genauer einzugrenzen. „Jüdische Arbeiter, Kameraden!“ wurde von Militanten, die in der RKD-Gruppe „Revolutionäre Kommunisten Deutschland“ organisiert waren, geschrieben, veröffentlicht und in Umlauf gebracht.

Die organisatorische und programmatische Zugehörigkeit der mitteleuropäischen Kommunisten, die zur Bildung der RKD-Organisation führte, ist interessant und soll im Folgenden zusammengefasst werden.

In Österreich schlossen sich 1935 mehrere Gruppen von jungen Militanten der „Kommunistischen Partei Österreichs“ (KPÖ) zu einer Fraktion zusammen, die der stalinistischen Partei zunehmend offen kritisch gegenüberstand. Sie spaltete sich ab und wurde zu einer autonomen Organisation unter dem Namen RKÖ „Revolutionäre Kommunisten Österreichs“. 1936-37 gab die RKÖ das Organ Bolschewik heraus, dessen Motto lautete: „Der Feind steht im eigenen Land!“ Ihre Militanz stellte eine unbestrittene Referenz für viele Militante dar, die wie sie dabei waren, mit der trotzkistischen Strömung zu brechen, unter anderem mit der Gruppe der „Bolschewiki-Leninisten“. Von 1937-38 bekräftigte die RKÖ, die der trotzkistischen Strömung äußerst kritisch gegenüberstand, ihren internationalistischen Charakter in der Zeitschrift „Der Einzige Weg“, die sie gemeinsam mit Revolutionären aus der Schweiz und der Tschechoslowakei herausgab.

1938 wurden sie durch Repressionen ins westeuropäische Exil gezwungen. Sie näherten sich daraufhin den Positionen der RWL (Revolutionary Workers League) in den USA an, die in offener Opposition zur trotzkistischen Strömung den revolutionären Defätismus während des Kampfes unserer Klasse in Spanien verteidigte. Zu dieser Zeit veröffentlichten sie einige Broschüren, die „Juniusbriefe“ von Rosa Luxemburg.

In den Jahren 1939 und 1940 gibt die RKÖ in Antwerpen (Belgien) die Zeitschrift „Der Marxist“ und in Frankreich das „Bulletin oppositionnel“ (Bulletin der Opposition) heraus. Um 1941 konstituierte sich die RKÖ als Bruchstelle für eine bestimmte Anzahl deutscher trotzkistischer Militanter im Exil und änderte ihren Namen von RKÖ in „Revolutionäre Kommunisten Deutschlands“ (RKD).

Im Jahr 1941 entwickelt die RKD, die hauptsächlich in Südfrankreich ansässig ist, eine bedeutende militante Aktivität, indem sie trotz Exil, Klandestinität und Repression regelmäßig ihre Presse herausgibt: das „RK-Bulletin“ von 1941 bis 1943 und „Spartakus“ von 1943 bis 1945, zehn internationalistische Flugblätter (auf Deutsch, Jiddisch, Französisch und Italienisch), unter extrem unsicheren Bedingungen. Die Ausgabe des „Spartakus“ vom April 1945 enthält einen „Appell der Revolutionären Kommunisten Deutschlands an das deutsche Proletariat“, aus dem wir einige wertvolle Auszüge wiedergeben:

Vergessen wir nicht, dass es der Kapitalismus ist, der Hitler an die Macht gebracht hat. Es ist der Kapitalismus, der den neuen Weltkrieg provoziert hat …. Die Ausbeuter aller Länder vereinigen sich, trotz ihrer imperialistischen Unterschiede, gegen die „Gefahr“ der proletarischen Revolution, die für sie die tödliche Gefahr darstellt.…

Die alliierten und russischen Kapitalisten eilen der deutschen Bourgeoisie gegen das deutsche Proletariat zu Hilfe. Die russischen Kapitalisten, mit Stalin an der Spitze, ersticken jede revolutionäre Bewegung, nachdem sie zuvor in Russland die proletarischen und revolutionären Errungenschaften des Oktober 1917 liquidiert hatten. Die Kommunisten in Russland wurden eingekerkert und erschossen. Das Proletariat wurde zu Sklaven degradiert, wie hier.

So ist es logisch, dass die Mörder der russischen Revolution heute Ihre Väter und Söhne, Ihre Ehemänner und Brüder zur Zwangsarbeit deportieren. Sie verbieten ihren eigenen Soldaten, mit euch zu sprechen, sie beschimpfen euch als „Nazis“, weil sie eine Verbrüderung zwischen deutschen und russischen Arbeitern fürchten und um jeden Preis verhindern wollen.

Im Gegenteil, sie schließen Frieden mit einem Teil der deutschen Kapitalisten und Henker, mit dem Nazimarschall von Paulus.

Sie unterstützen die Nazi-Bonzen und jene SS-Henker, die sie begnadigt haben. Ihrer Meinung nach hätten nur die deutschen und russischen Proletarier die Pflicht, sich gegenseitig zu hassen und zu ermorden, während sich die kapitalistischen Herren bereichern: Das ist der Wille der Hitlers, Stalins, Churchills und Co.

Die englische, amerikanische und französische Bourgeoisie handeln nicht anders ….“.

Sich zu kommunistischen Positionen zu bekennen, bedeutet auch, sich von seinen Feinden abzugrenzen:

Wir sind weder Sozialdemokraten, noch Stalinisten, noch Trotzkisten. Die Frage des Ansehens interessiert uns nicht. Wir sind Kommunisten, revolutionäre Spartakisten“.

1942 bildeten sich in Frankreich CR-Gruppen, „communistes révolutionnaires“, die in den Jahren 1943 und 1944 in der Zeitschrift „Fraternisation prolétarienne“ (Proletarische Verbrüderung) ähnliche Positionen vertraten wie die RKD.

Trotz der organisatorischen Autonomie, die die beiden Gruppen bewahrten, versuchten sie, ihre Kräfte zu vereinen und ihre Aktivitäten gegen das Kapital zu zentralisieren. Sie organisierten im Geheimen Treffen, Diskussionen, Debatten usw. Gemeinsam gründen sie eine internationale Kommission und geben ein Organ heraus, „L’Internationale“ (Die Internationale).

1944 wird die OCR „Organisation Communiste Révolutionnaire“ (Revolutionäre Kommunistische Organisation) gegründet, die zwei gemeinsame Organe mit den bereits bestehenden CR-Gruppen herausgibt: „Rassemblement communiste révolutionnaire“ (Revolutionäre Kommunistische Versammlung) und „Pouvoir ouvrier“ (Arbeitermacht). Zusammen mit der OCR gibt die RKD 1944 und 1945 die „Vierte Kommunistische Internationale“ heraus. Im Laufe der 1940er Jahre entsteht ein revolutionärer Raum, in dem diese drei Gruppen, CR, OCR und RKD, ihre programmatischen Positionen durch die Konfrontation (und Abgrenzung) mit den Bordigisten, „Anarchisten“, Rätekommunisten und linken Trotzkisten bekräftigen.

1945 wird die Repression endgültig über die Militanten der RKD hereinbrechen, die sich gegen die Grenzen, die politischen Familien, die Repression und die Demoralisierung wehren und die außergewöhnliche Fähigkeit besitzen, unser Programm, das kommunistische Programm, zu verteidigen.

Trotz der langen Isolation und der Repression in den dunkelsten Jahren der Konterrevolution (1930er und 1940er Jahre) entwickelten diese drei Gruppen kommunistischer Militanter von Bruch zu Bruch eine Klassenaktivität. Sie arbeiteten am programmatischen Wiederaufbau nach der Niederlage der Kampfwelle 1917-2331 und widersetzten sich den Fraktionen, die sich zwar kommunistisch nannten, aber in der zentristischen Opposition (hauptsächlich Trotzkismus und Bordigismus) verharrten und in dem Problem der Unterstützung und Unterwerfung unter die Politik der UdSSR verhaftet blieben, die ihre Vorherrschaft in der Niederlage der Revolution und in der Wiederbelebung der „Kommunistischen Internationale“ begründet hatte. Letztere, die seit ihrer Konstituierung durch die Konterrevolution am Boden lag, wurde schließlich zu einer ihrer internationalen Speerspitzen. Kurz gesagt, die in den CR, OCR und RKD organisierten Militanten leisteten Widerstand gegen den historischen Prozess der Konterrevolution.

In diesem Kontext und gegen den Strom haben diese Gruppen die Front angeführt:

* die notwendige Bilanz der revolutionären Kämpfe der Jahre 1917-23, die sie dazu brachte, durch ihre verschiedenen Brüche die Organisation des …

* … … revolutionären Defätismus, vor allem durch die Verbreitung von Aufrufen zur Entwicklung und Vereinheitlichung des Kampfes gegen den Krieg in verschiedenen Sprachen und Ländern, die klare Anklagen der Solidarität aller bourgeoisen Fraktionen, aller Länder gegen das Proletariat und organisatorische Parolen enthielten, die dem einzigen und weltweiten Interesse des Proletariats entsprachen.

* Die Arbeit der Umgruppierung und internationalen Zentralisierung der revolutionären Kräfte.

Gegen den damals extrem dominanten Stalinismus wandten sich Tausende von Proletariern dem Trotzkismus zu, um ihren Kampf gegen die Bourgeoisie zu strukturieren. Wenn der Trotzkismus global das reformistische Programm der Bourgeoisie verteidigt, sammelt die trotzkistische Strömung zu dieser Zeit eine große Anzahl von kämpferischen Proletariern in einem teilweisen Bruch mit dem Stalinismus (die Erfahrung der Revolution und Konterrevolution in Spanien ist in diesem Sinne wertvoll) und versucht, ihnen die selbstmörderische und konterrevolutionäre Politik ihrer „kritischen Unterstützung“ aufzuzwingen. Die kommunistische Bewegung, die die gesamte bourgeoise Gesellschaft durchdringt, wird sich dann in jenen Minderheiten ausdrücken, die nicht beim trotzkistischen Pseudobruch stehen bleiben, sondern auch mit dem Trotzkismus selbst brechen, den sie als zentristischen Ausdruck, als Teil der Konterrevolution denunzieren, und auf dieser Grundlage die unveränderlichen und unnachgiebigen klassistischen, internationalistischen Positionen bekräftigen. Die RKD war ein klares Beispiel für diese kommunistische Bejahung, die zunächst innerhalb der Linken der offiziellen trotzkistischen Opposition organisiert war und sich dann als Trägerin revolutionärer Positionen etablierte, in einem totalen Bruch mit der trotzkistischen Strömung. Die ganze Stärke und Klarheit ihres Bruchs, wie auch die der CR und der späteren OCR, liegt in der Notwendigkeit, eine klare Position zum Krieg zu beziehen, in der Infragestellung ihres eigenen Weges und in den programmatischen Lehren, die sie daraus zogen. Grundlegend in dieser Hinsicht ist der Bruch mit der trotzkistischen Konzeption der kritischen Unterstützung des Stalinismus und der UdSSR, die als Arbeiterstaat („deformiert oder degeneriert“) definiert wird, der von einer Bürokratie beherrscht wird, die aus der Arbeiterschaft stammt, während (wie wir im obigen Auszug gesehen haben) die RKD die UdSSR eindeutig als kapitalistisch und die herrschende Klasse in diesem Staat ebenfalls als kapitalistisch definiert. Dies war nicht nur eine theoretische Diskussion; sie würde den Trotzkismus und seine kritische Unterstützung der UdSSR dazu bringen, sich völlig vom proletarischen Internationalismus zu trennen, am Krieg teilzunehmen und dafür zu rekrutieren, offen ein bourgeoises Lager gegen die Interessen des Weltproletariats zu integrieren und so zur Konterrevolution und dem größten Gemetzel des Jahrhunderts beizutragen.32

Die Gefährten der RKD, die das Flugblatt unterzeichnen, das zur proletarischen Solidarität und zum revolutionären Defätismus gegen alle bourgeoisen Lager aufruft, gehören zu jener kleinen Minderheit von Militanten, die von Bruch zu Bruch als eine der wenigen militanten Organisationen hervortraten, die den revolutionären Defätismus während des fälschlicherweise als „zweiter“ Weltkrieg bezeichneten Krieges als die lebendige Materialisierung des proletarischen Internationalismus bekräftigten. Die Militanten von heute und morgen können viel von der Tätigkeit dieser revolutionären Militanten lernen. Die Wiederveröffentlichung dieses Dokuments ist aus mehreren Gründen, die wir hervorheben wollen, von entscheidender Bedeutung.

Obwohl es an „jüdische“ Proletarier gerichtet ist, die sich hauptsächlich auf Jiddisch ausdrücken, ist es eines der seltenen Dokumente, das über die jüdische Besonderheit hinausgeht und sie kritisiert. Sich als pro- oder antijüdisch, pro- oder antizionistisch, pro- oder antiisraelisch zu definieren… ist immer eine rassistische, konterrevolutionäre Haltung, es bedeutet, sich einer bourgeoisen Polarisierung zu unterwerfen. Der folgende Absatz aus dem Flugblatt ist außerordentlich klar und subversiv und hat auch heute noch nichts von seiner Kraft eingebüßt:

„Jüdischer Arbeiter, Genosse, wo ist dein Platz?

Bei der jüdischen Bourgeoisie? Sie haben dich immer verabscheut und verraten. Sie profitieren vom Krieg, während dein Blut fließt. Sie sind immer mit den nicht-jüdischen Kapitalisten vereint.“

Das Proletariat ist weder jüdisch, noch deutsch, noch französisch, noch amerikanisch, noch chinesisch, es ist eine Weltklasse mit identischen Interessen: die kommunistische Revolution für das Aufkommen einer humanen Gesellschaft, es ist eine Klasse, die die gleiche Ausbeutung erträgt, die von einer einzigen Weltklasse, der Bourgeoisie, aufrechterhalten wird. Diese Bourgeoisie zerfällt in tausend Gesichter … im Wettbewerb auf dem Markt unserer Ausbeutung, aber im Grunde hat sie auf allen Seiten die gleichen Interessen: die Aufrechterhaltung des Kapitalismus. Diese Realität im Jahr 1943 darzulegen, hat eine Kraft, die hervorgehoben werden muss.

Die Anprangerung der Ideologie des „jüdischen Volkes“ ist aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Die Ideologie der Judenverfolgung hat während und vor allem nach dem Krieg in Bezug auf zwei Achsen viel Struktur gegeben:

* Schaffung einer Rechtfertigung für die Errichtung eines jüdischen Gendarmeriestaates in der Nahostregion.

* Schaffung/Verstärkung der bourgeoisen Polarisierung Faschismus/Antifaschismus. Diese Polarisierung ist noch heute die Grundlage zahlreicher proletarischer Reaktionen auf bourgeoisem Terrain, sie ist eine Karte, die die Bourgeoisie noch nicht ausgeschöpft hat.

Nur Klassenpositionen erlauben es Kommunisten, diesen soziologisch-historischen antiproletarischen Unsinn, der die angebliche jüdische Besonderheit darstellt, zu leugnen/überwinden.

Dieses Flugblatt heute zu veröffentlichen, das eindeutig auf unserem Klassenterrain des Kampfes gegen Nationen und Vaterländer, … gegen das Kapital und alle seine Kriege angesiedelt ist, bedeutet, an der unveränderlichen Verteidigung der historischen Position der Kommunisten, des Internationalismus, teilzunehmen. Die Losung: „Nie wieder Volk gegen Volk, sondern Klasse gegen Klasse“ ist eine internationalistische Losung.

Es stimmt, dass die Stalinisten bei ihren ständigen Bündniswechseln den letzten Teil dieser Losung verwendet haben. Aber in einer völlig verzerrten Form, denn der wirkliche Kampf gegen die internationale Bourgeoisie beinhaltete logischerweise den Kampf gegen den internationalen Stalinismus und gegen alle „kommunistischen“ Parteien in allen Ländern der Welt, die auf Russland reagierten und die ausnahmslos bereits bourgeoise Parteien waren, die logischerweise bereits für den imperialistischen Krieg rekrutierten. Im gleichen Zeitraum war der Stalinismus der Hauptverantwortliche für die Hinrichtung der sozialen Revolution in Spanien, der letzten großen Bremse für den Krieg. Später förderte die internationale stalinistische Fraktion der Bourgeoisie auf demselben konterrevolutionären Weg unter dem Deckmantel des Antinazismus Rassismus und Nationalismus und brachte das internationale Gemetzel auf das uns bekannte Niveau. Zitieren wir den stalinistischen Dichter Ilja Ehrenburg, der während des Krieges zu Mord und Vergewaltigung aufrief:

Wir sagen nicht mehr guten Morgen oder guten Abend! Am Morgen sagen wir: ‚Tötet den Deutschen!‘ am Abend: ‚Tötet den Deutschen! Tötet den Deutschen, ist die Aufforderung eurer alten Mutter … Brecht mit Gewalt den Rassehochmut der germanischen Frauen. Nehmt sie als rechtmäßige Beute. Tötet, ihr tapferen, vorwärtsstürmenden Rotarmisten! …“.33

Die Wiederaneignung der von den Militanten der RKD 1943 lancierten Losung „Nie wieder Volk gegen Volk, sondern Klasse gegen Klasse“ ist also nicht, wie der Historiker Rajfus es verstehen lässt, eine „aus der „dritten Periode“ der Kommunistischen Internationale abgeschriebene Losung“, sondern Ausdruck des Kampfes des Proletariats, das seinen Kampf auf seinem eigenen Terrain, dem Internationalismus, durchzusetzen versucht!

Das Proletariat wurde durch die Polarisierung Faschismus/Antifaschismus zerstört. Zig Millionen Proletarier wurden in die Lager des Faschismus und des stalinistischen Antifaschismus, der Sozialdemokraten, der „Anarchisten“, der Christen usw. gesteckt und verschluckt. Nach der Niederlage der Revolution um 1923 bereitete diese Polarisierung die Massenvernichtung des Proletariats in den Jahren 1938-45 vor.

Die RKD-Strömung versuchte, das programmatische Erbe der Kommunisten der Kampfwelle von 1917-23 weiterzuführen. Zur Veranschaulichung unseres Vorhabens wollen wir aus einem so genannten makhnowistischen „Aufruf der Aufstandsarmee“ vom Mai 1919 zitieren. Dieser Aufruf war Teil des kompromisslosen Kampfes unserer Gefährten in der Ukraine gegen die Judenpogrome und für den internationalistischen Kampf:

Wir müssen verkünden, dass unsere Feinde die Ausbeuter und Unterdrücker aller Nationalitäten sind: der russische Fabrikant, der deutsche Gießereibesitzer, der jüdische Bankier, der polnische Gutsbesitzer … Die Bourgeoisie aller Länder und aller Nationalitäten hat sich zu einem erbitterten Kampf gegen die Revolution, gegen die werktätigen Massen der Welt und aller Nationalitäten zusammengeschlossen“. Peter Archinoff „Die Geschichte der Machno-Bewegung (1918-1921)“.

Wenn wir die Stärken dieses Flugblattes hervorgehoben haben, ist es zwingend, dass es Verwirrungen oder Grenzen gibt, die wir mit den Waffen der Kritik überwinden müssen, um die militanten Brüche unserer Klasse zu stärken. Schauen wir mal:

Die SS ist für sie, wie für uns, der Hauptfeind“. Unser Hauptfeind, unser einziger Feind, ist das Kapital und alle konkurrierenden Fraktionen, die es reproduzieren. In Frankreich war es nicht die SS, sondern die französische Polizei und Gendarmerie, die während der Kriegsjahre den Großteil der Repression übernahm. Diese bewaffneten Kräfte der Bourgeoisie zählten unter anderem auf den Beitrag der Stalinisten, die mehrere unserer historischen Gefährten ermordeten oder bei der Gestapo denunzierten. Die Ideologie des Hauptfeindes impliziert das Vorhandensein von Nebenfeinden und somit unterschiedliche proletarische Antworten je nach Fall, was gleichbedeutend ist mit der Definition eines … Minimalprogramm des Widerstands und ein Maximalprogramm für die Zeit nach der Revolution.

Dieser Ideologie von Haupt- und Nebenfeinden wusste das Proletariat die Parole „der Feind ist in unserem eigenen Land, es ist unsere eigene Bourgeoisie“ entgegenzusetzen. Die Position der Revolutionäre angesichts des kapitalistischen Krieges ist immer dieselbe: die soziale Revolution dem Krieg entgegenzusetzen, gegen die „eigene“ Bourgeoisie und den „eigenen“ Nationalstaat zu kämpfen. Historisch gesehen wurde diese Position als revolutionärer Defätismus bezeichnet, da sie offen verkündet, dass das Proletariat gegen den Feind, der ihm in „seinem“ Land gegenübersteht, kämpfen muss, dass es handeln muss, um seine Niederlage zu provozieren, und dass es nur auf diese Weise an der revolutionären Vereinigung des Weltproletariats teilnimmt, nur auf diese Weise entwickelt sich die proletarische Revolution in der Welt.34

Eine weitere Position des Flugblattes erscheint uns problematisch, die Schlussparole „Frieden“. Es gibt keinen Frieden an sich, die Bourgeoisie erzwingt den sozialen Frieden durch ausgedehnte Massaker … an Proletariern und die Zerstörung unserer Klassenkräfte. Wir wissen, dass der Frieden des Kapitals die Fortsetzung seines Krieges gegen unsere Interessen, unser eigenes Leben, unser soziales Projekt der Revolution ist. Um den Massakern und Deportationen ein Ende zu setzen, muss das Proletariat seinen Klassenkampf intensivieren, die Welt revolutionieren, die Macht des Geldes und des Terrors, die von der Bourgeoisie verkörpert wird, zerstören. Das Proletariat, das dem bourgeoisem Terror gegenübersteht, ist gezwungen, seinen Klassenterror einzusetzen und kämpft gleichzeitig historisch für die Abschaffung jeglichen Terrors, jeglichen Staatsterrors.

Die Losung „Brot, Frieden und Freiheit“ ist im Allgemeinen eine Losung der Sozialdemokratie. Aber während sich die Bourgeoisie unbestreitbar hinter der Parole „Frieden“ versteckt, ist es auch wahr, dass das Proletariat die Parolen „Frieden und Freiheit“ im Kampf für seine Interessen benutzt hat. Die Tatsache, dass in vielen Ländern proletarische Kämpfe dieses Banner hochgehalten haben, bedeutet jedoch nicht, dass wir es nicht kritisieren sollten, denn unser historischer Kampf für die Bestätigung des revolutionären Programms impliziert die Notwendigkeit, uns klar von unseren Feinden abzugrenzen und ihrer politisierenden und desorganisierenden Demagogie präzise Slogans zur Ausrichtung unseres Kampfes entgegenzusetzen.

In einer Zeit der totalen Niederlage dieser revolutionären Welle, mitten in der Periode des intensiven weißen Terrors und des bourgeoisen Krieges (1938-45), haben uns unsere Gefährten der RKD gezeigt, dass das Proletariat immer noch versuchte, etwas zu sein, das der Rolle des Kanonenfutters, die ihm die Ausbeuter zugewiesen hatten, entgegengesetzt war, und dass es die kommunistische Herausforderung im Angesicht der bourgeoisen Welt wieder aufnahm.

Als Ausdruck der kommunistischen Avantgarde hat die Gruppe der „Revolutionären Kommunisten“, weit davon entfernt, sich entmutigen zu lassen und den Kampf aufzugeben, klare Perspektiven für unseren historischen Kampf aufgezeigt, die auch heute noch ihre volle Gültigkeit haben. Trotz der Tatsache, dass diese Periode insgesamt eine Periode der Niederlage und der Zerschlagung des Proletariats ist, sehen wir, dass es sogar hier Überreste des Kampfes der Kommunisten in der Minderheit gibt.

Gefährten und Genossen, wenn ihr zusätzliche Informationen über diese Gruppe und allgemein über jeden Ausdruck unseres Kampfes während und nach der Periode 1939-45 habt, bitten wir euch, sie uns mitzuteilen.

Gegen die Amnesie, mit der uns die Bourgeoisie zu schlagen versucht, lasst uns an der Wiederaneignung unseres Klassengedächtnisses teilnehmen!


Das Meer in Gaza trinken

Amira Hass

Die glänzenden Aufkleber auf den fetten Autos, die vor den nagelneuen Immobilien und Luxushotels in Gaza-Stadt geparkt sind, haben angesichts des gigantischen Kontrasts zwischen dem spektakulären und rasanten Aufstieg und dem allgemeinen Verfall der Ökonomie für viel Gesprächsstoff gesorgt.

Seit der Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde hat deren Führung eine Reihe von wichtigen Monopolverträgen mit israelischen Unternehmen unterzeichnet. Die ersten beiden Verträge wurden mit dem Unternehmen Nesher geschlossen, das damit die ausschließliche Lieferung von Zement in allen von der Autonomiebehörde verwalteten Gebieten erhielt, und mit Dor Energy, das damit ein Monopol auf Benzin, Heizöl und Haushaltsgas erhielt. Diese Geschäfte verstießen nicht nur gegen den Grundsatz des freien Wettbewerbs, zu dem sich die Behörde nach eigenen Angaben verpflichtet hat, sondern verdrängten auch Hunderte von palästinensischen Einzelhändlern, Importeuren und Spediteuren, die ihre Produkte bisher in den besetzten Gebieten verkauft hatten, vom Markt. Auch die Verbraucher waren von diesen Vereinbarungen betroffen, da die Preise erhöht wurden, selbst wenn die Behörde Rabatte auf die Produkte gewährte.

Ähnliche Vereinbarungen wurden mit israelischen Unternehmen geschlossen, die Gefrierfleisch, Mehl, Farben und Holz herstellen; die Vermarktung wurde einer Handvoll palästinensischer Vertreter anvertraut. All diese umfangreichen Transaktionen wurden über Al-Bahr abgewickelt, ein palästinensisches Unternehmen, das kurz nach der Einrichtung der Autonomiebehörde gegründet wurde und in einem undurchsichtigen, halb privaten, halb staatlichen Bereich tätig war. Laut mehreren glaubwürdigen Quellen handelt es sich bei den anonymen Eigentümern von Al-Bahr um hochrangige Persönlichkeiten der palästinensischen Exekutive und der Sicherheitsdienste, die bei allen politischen Verhandlungen entscheidenden Einfluss haben. Sie verfügen natürlich über besondere VIP-Genehmigungen, die ihnen die Probleme des Ausschlusses ersparen, denen andere Geschäftsleute unterworfen sind.

Al-Bahr hat Tochtergesellschaften gegründet, die jeweils von einem Dutzend lokaler Geschäftsleute geleitet werden und für den Vertrieb von Waren im gesamten Gebiet unter palästinensischer Verwaltung zuständig sind …

Al-Bahr und die Company for Commercial Service kontrollieren einen wichtigen Teil der Kommunikations- und Computerindustrie in den von der Autonomiebehörde verwalteten Gebieten. Beamte der Autonomiebehörde oder Mitglieder ihrer jeweiligen Familien sind an diesen Unternehmen beteiligt oder auf vielfältige Weise involviert.…

Neben den persönlichen Vorteilen sichert sich die Autonomiebehörde durch die Ausschaltung des Wettbewerbs beträchtliche Einnahmen, eine bessere Kontrolle über die Gewinnverteilung und die Möglichkeit, Preise festzulegen. An den Grenzübergängen sorgen palästinensische Sicherheitspolizisten für die Wahrung der Interessen der Behörde und stellen sicher, dass die Fracht nicht mit den unter Monopolkontrolle stehenden Waren in Wettbewerb tritt. Außerdem gibt es eine spezielle Einheit, die Economic Security, die für die Kontrolle von Waren und Transportunternehmen zuständig ist.…

Ein großer Teil, wenn nicht sogar der gesamte Gewinn aus diesen Geschäften gelangt nie in die Staatskasse und erscheint nicht in der Einnahmenspalte des Haushalts. Viele glauben, dass ein großer Teil des Geldes auf Bankkonten in Israel umgeleitet wird.…

Aus Das Meer in Gaza trinken, Kapitel 12, von Amira Hass. Hrsg. La fabrique, 1996.


Eine gewöhnliche Nacht

Wir befinden uns in einem kleinen Dorf, mitten in der Nacht. Es herrscht Ruhe, nur ein Hund bellt, gestört durch ein leises Klimpern, das sich nähert. Die Stille weicht schnell einem dröhnenden Geräusch. Gepanzerte Fahrzeuge blockieren alle Eingänge des Dorfes. Soldaten der Spezialeinheiten treten die Türen der Häuser ein. Kinder schreien, auch Erwachsene sind verängstigt. Die Soldaten sortieren und klassifizieren das menschliche Vieh. Einige Dorfbewohner werden an Ort und Stelle erschossen, andere werden verhaftet und in staatlichen Gefängnissen gefoltert. Gleichzeitig platzieren die Angreifer Dynamit und sprengen die Häuser der Familien der Verhafteten in die Luft.

Diese Schreckensszene hätte sich auch 1903 in Russland, in der „Reichspogromnacht“ 1938 in Deutschland, 1973 in Chile oder 1994 in einem ruandischen Dorf abspielen können…. Aber nein, diese Szene spielt sich heute, im Oktober 2001, in Dutzenden von Dörfern im so genannten palästinensischen Gebiet ab! Der lokale Akteur dieser terroristischen Aktion ist niemand anderes als die israelische Regierung. Um die Situation noch zynischer zu machen, tauft das Militär diese Intervention als Operation Gandhi. Diese Razzia ist nicht die erste und wird auch nicht die letzte sein, sondern das tägliche Brot des Proletariats in dieser Region. Diesem Terror des israelischen Staates steht der Terror der palästinensischen nationalistischen und/oder islamistischen Gruppen gegenüber, die nicht die letzten sind, die widerspenstige Proletarier einschüchtern, erpressen und sogar ermorden. Sowohl in Friedenszeiten als auch in Kriegszeiten bedeutet das Leben unter dem Kapital für das Proletariat täglichen Terror.

19. März 2002


An den Verteidigungsminister, Ben Eliezer

Herr Verteidigungsminister

Ein Ihnen unterstellter Offizier hat mich heute zu 28 Tagen Militärgefängnis verurteilt, weil ich mich geweigert habe, den obligatorischen Reservedienst zu leisten. Ich habe mich nicht nur geweigert, in den besetzten palästinensischen Gebieten zu dienen, wie ich es in den letzten fünfzehn Jahren getan habe, sondern ich weigere mich auch, in der israelischen Armee in irgendeiner Funktion zu dienen. Seit dem 29. September 2000 führt die israelische Armee einen „schmutzigen Krieg“ gegen die Palästinensische Autonomiebehörde. Zu diesem schmutzigen Krieg gehören außergerichtliche Hinrichtungen, die Ermordung von Frauen und Kindern, die Zerstörung der ökonomischen und sozialen Infrastruktur der palästinensischen Bevölkerung, das Abbrennen von landwirtschaftlichen Flächen, das Abholzen von Bäumen.

Sie haben Terror und Verzweiflung gesät, aber Sie haben Ihr grundlegendes Ziel nicht erreicht: Das palästinensische Volk hat seinen Traum von Souveränität und Unabhängigkeit nicht aufgegeben. Sie haben auch nicht die Sicherheit Ihres eigenen Volkes erreicht, trotz all der zerstörerischen Gewalt der Armee, die Sie zu verantworten haben.

Angesichts Ihres weit verbreiteten Versagens erleben wir jetzt eine intellektuelle Debatte der schlimmsten Art unter den Israelis: eine Diskussion über die Möglichkeit der Deportation und des Massenmords an Palästinensern.

Das Scheitern des Versuchs der Führung der Arbeitspartei, dem palästinensischen Volk eine Einigung aufzuzwingen, hat uns in einen „schmutzigen Krieg“ hineingezogen, den sowohl Palästinenser als auch Israelis mit ihrem Leben bezahlen.

Die rassistische Gewalt der israelischen Sicherheitsdienste, die nicht Menschen, sondern nur „Terroristen“ sehen, hat den Teufelskreis der Gewalt für Palästinenser und Israelis noch verschärft. Auch Israelis sind Opfer dieses Krieges, Opfer der unverantwortlichen und fehlgeleiteten Aggression der Armee, für die Sie verantwortlich sind. Trotz Ihrer schrecklichen Angriffe auf das palästinensische Volk sind Sie Ihrer Pflicht, die israelischen Staatsbürger zu schützen, nicht nachgekommen. Die Panzer in Ramallah waren nicht in der Lage, Ihre monströseste Schöpfung zu stoppen: die in den Cafés explodierende Verzweiflung. Sie und die Ihnen unterstellten Militäroffiziere haben Menschen hervorgebracht, deren Menschlichkeit in Verzweiflung und Demütigung untergegangen ist.

Sie haben diese Verzweiflung geschaffen, und Sie können sie nicht mehr aufhalten.

Es ist mir klar, dass Sie unser Leben riskiert haben, damit der illegale und unmoralische Bau der Siedlungen in Gush Etzion, Efrat und Kedumim fortgesetzt werden kann: um das Krebsgeschwür zu entwickeln, das den israelischen Sozialkörper verzehrt. Im Laufe der letzten fünfunddreißig Jahre haben die Siedlungen die israelische Gesellschaft in eine gefährliche Zone verwandelt. Der israelische Staat hat Verzweiflung und Tod unter Israelis und Palästinensern gesät. Aus diesem Grund möchte ich nicht in Ihrer Armee dienen.

Ihre Armee, die sich Israelische Verteidigungskräfte nennt, ist nichts anderes als der bewaffnete Flügel der Siedlungsbewegung. Diese Armee existiert nicht, um die Sicherheit der Staatsbürger Israels zu verteidigen, sie existiert nur, um die Fortsetzung des Diebstahls von palästinensischem Land zu gewährleisten.

Als Jude empören mich die Verbrechen, die diese Armee gegen das palästinensische Volk begeht. Es ist meine Pflicht als Jude und als Mensch, jegliche Beteiligung an dieser Armee kategorisch abzulehnen. Als Sohn eines Volkes, das Opfer von Pogromen und Zerstörung war, weigere ich mich, eine Rolle in Ihrer ungesunden Politik zu spielen. Als Mensch ist es meine Pflicht, die Beteiligung an einer Institution, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, abzulehnen.

Mit freundlichen Grüßen, Sergio Yahni


Meine Antwort an den General

General, dein Tank ist ein starker Wagen. Er bricht einen Wald nieder und zermalmt hundert Menschen. Aber er hat einen Fehler: Er braucht einen Fahrer. Bertolt Brecht

Sehr geehrter General:

In Ihrem Brief schreiben Sie, dass ich „angesichts des Krieges in Judäa, Samaria und im Gazastreifen und in Übereinstimmung mit den militärischen Erfordernissen“ einberufen werde, „um an bewaffneten Operationen“ im Gazastreifen teilzunehmen.

Ich schreibe Ihnen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich nicht die Absicht habe, Ihrer Einberufung zu folgen.

In den 1980er Jahren errichtete Ariel Sharon Dutzende von Siedlungen im Herzen der besetzten Gebiete, eine Strategie, die letztlich auf die Unterwerfung des palästinensischen Volkes und die Enteignung seines Landes abzielte. Heute kontrollieren diese Siedlungen fast die Hälfte der besetzten Gebiete und strangulieren palästinensische Städte und Dörfer, indem sie die Bewegungsfreiheit ihrer Bewohner behindern, wenn nicht gar gänzlich unterbinden. Scharon ist heute Premierminister und hat sich im letzten Jahr der Vollendung eines Projekts gewidmet, das vor zwanzig Jahren begonnen wurde. Scharon hat seinem Lakaien, dem Verteidigungsminister, Befehle erteilt, die von dort aus in der Befehlskette weitergegeben werden.

Der Generalstabschef erklärte, dass die Palästinenser eine Bedrohung durch Krebs darstellten, und gab die Anweisung, sie einer Chemotherapie zu unterziehen. Der Brigadier verhängte eine unbefristete Ausgangssperre, und der Oberst befahl die Zerstörung von palästinensischen Lagern. Der Brigadekommandeur stationierte Panzer in den Hügeln zwischen den palästinensischen Häusern und verbot Krankenwagen die Evakuierung von Verwundeten. Der Oberstleutnant verkündete, dass die Regeln des Eindringens durch ein willkürliches „Feuer frei“ ersetzt würden, und der Panzerkommandant zielt auf eine bestimmte Anzahl von Menschen und befiehlt der Artillerie, eine Granate abzufeuern.

Ich bin ein Kanonier, ich bin die kleinste Schraube in einer perfekten Kriegsmaschine. Ich bin das letzte und kleinste Glied in der Befehlskette. Ich soll einfach nur Befehle befolgen, meine Existenz auf eine Reiz-Reaktion reduzieren, auf den Befehl des Kommandanten „Feuer“ hören und den Abzug betätigen, um den ganzen Plan zu beenden. Ich soll all dies mit der Einfachheit und Natürlichkeit eines Roboters tun, der höchstens das Zittern des Panzers spürt, wenn die Granate ausgeworfen wird und auf sein Ziel zufliegt.

Aber, wie Bertolt Brecht schrieb: „General, der Mensch ist sehr brauchbar. Er kann fliegen und er kann töten. Aber er hat einen Fehler: Er kann denken.“

In der Tat, mein General oder wer auch immer es sein mag – Oberst, Brigadier, Stabschef, Verteidigungsminister oder alle zusammen – ich bin in der Lage zu denken. Ich gebe zu, dass ich als Soldat nicht besonders begabt oder mutig bin, ich bin kein hervorragender Schütze und meine technischen Fähigkeiten sind begrenzt. Ich bin auch nicht sehr sportlich, und die Uniform passt mir nicht.

Aber ich bin in der Lage zu denken.

Ich kann sehen, wohin Sie mich bringen wollen, ich verstehe, dass wir töten, zerstören, verwundet werden und sterben werden, und dass es niemals enden wird. Ich weiß, dass der „laufende Krieg“, wie Sie ihn nennen, sich immer weiter hinziehen wird. Ich kann verstehen, dass, wenn „militärische Notwendigkeiten“ uns dazu bringen, ein ganzes Volk zu belagern, zu jagen, zu töten und zu verhungern, etwas in diesen „Notwendigkeiten“ steckt, das überhaupt nicht richtig ist. Deshalb sehe ich mich gezwungen, Ihrem Aufruf nicht zu gehorchen. Ich werde den Abzug nicht betätigen.

Natürlich habe ich keine Illusionen. Sie werden mich rauswerfen und einen anderen Kanonier finden …, einen, der gehorsamer und fähiger ist als ich, an solchen Soldaten herrscht kein Mangel. Euer Panzer wird weiterrollen; ein summendes Insekt wie ich kann einen fahrenden Panzer nicht aufhalten, geschweige denn eine Panzerkolonne und schon gar nicht diese ganze Parade des Wahnsinns. Aber eine Wespe kann schwirren, irritieren, verärgern und manchmal sogar stechen. Und irgendwann werden auch andere Schützen, andere Fahrer und Kommandanten, die Zeuge dieser sinnlosen Tötungen und des endlosen Kreislaufs der Gewalt werden, anfangen zu denken und zu summen. Wir sind bereits viele Hunderte, und wenn der Tag vorbei ist, wird unser Summen zu einem ohrenbetäubenden Brüllen werden, einem Brüllen, das in ihren Ohren und in den Ohren unserer Kinder widerhallen wird. Unsere Proteste werden in die Geschichtsbücher eingehen, und zwar über Generationen hinweg.

Also, General, bevor Sie mich rauswerfen, könnten Sie vielleicht auch ein wenig nachdenken.

Mit freundlichen Grüßen, Yigal Bronner


Abschließend möchten wir einige Elemente hinzufügen und unterstreichen, die die Schwierigkeiten des Staates Israel, seine Politik der Massaker fortzusetzen, bestätigen.

Aus El Periódico – Internationale Printausgabe, September 2003: „Der Chef der israelischen Luftwaffe, General Dan Halutz, ordnete gestern den Ausschluss von neun Piloten aus der Armee an, die zu der Gruppe von 27 gehörten, die am Mittwoch eine Rebellion inszenierten, indem sie einen Brief schrieben, in dem sie ihn über ihre Entscheidung informierten, den Befehl zur Bombardierung ziviler Gebiete in den besetzten Gebieten nicht zu befolgen und keine gezielten Tötungen durchzuführen. Bei den neun sanktionierten Piloten handelt es sich um aktive Piloten. Bei den übrigen handelt es sich um Reservepiloten, die nicht mehr fliegen müssen und gegen die vorläufig keine Sanktionen verhängt wurden“.

Nach Angaben der offiziellen israelischen Zeitungen hungern heute eine Million Menschen in Israel, und nach Angaben der Opposition ist eines von vier Kindern unterernährt. Um die finanzielle Lücke, die der Krieg hinterlassen hat, zu schließen, fährt der israelische Staat fort, soziale Subventionen zu streichen und die Steuern auf Grundnahrungsmittel zu erhöhen: Kartoffeln, Gemüse.…

Gegen diese Zunahme der Armut gab es eine Reihe von Demonstrationen, Besetzungen und anderen Formen des Kampfes, von denen wir einige für wichtig halten, um sie hervorzuheben:

– In Jerusalem haben alleinerziehende Mütter vor dem Finanzministerium ein Lager aufgeschlagen und prangern ständig die unwürdige Situation an, in der sie leben.

– In Tel Aviv, auf einem Platz inmitten von Luxusgeschäften, lebt seit mehr als einem Jahr eine Gruppe von „Obdachlosen“ und Elendsgestalten, die diesen Platz in Bread Square umbenannt haben, auf einem Platz, der früher State Square hieß.

– Demonstrationen, Kundgebungen und andere Formen des Kampfes werden systematisch wiederholt. Dem Slogan der Regierung „kämpfen und die Fahne unserer Sicherheit hochhalten“ wird der Slogan „unsere Sicherheit ist, dass unsere Kinder essen und wir ein Dach über dem Kopf haben“ entgegengesetzt. Der Hunger wird angeprangert, „als Zerstörer unserer Intelligenz, der Terrorismus, der in ihm steckt: Übelkeit im Magen, Angst, etwas zu essen zu finden, Eltern verkaufen das Wenige, das sie noch haben, um ihre Kinder zu ernähren…“.


1„Intifada“ bedeutet auf Arabisch: Aufstand, Revolte.

2Vor dem erneuerten Zentrum von Gaza-Stadt kommen Journalisten und diplomatische Delegationen, um die Dynamik der Region zu begrüßen. Und in der Tat ist dies der Ort, an den internationale Spenden fließen und an dem sich Institutionen und hochrangige Beamte konzentrieren.

3Aus Boire la mer à Gaza, Kapitel 9, von Amira Hass. Editions La fabrique (1996).

44. Economic and Social Conditions in the West Bank and Gaza Strip, von dem UN-Generalkoordinator für die besetzten Gebiete (UNESCO). Gaza, Oktober 1996.

5Siehe Subrayamos: Palestina: los acuerdos de paz contre el proletariado, in: Comunismo 37, August 1995.

6Boire la mer à Gaza, a.a.O., Kapitel 12.

7Ebenda.

8Wir sagen teilweise, weil die Liebesgeschichten zwischen Staaten nie wirklich enden, wenn es um die Unterdrückung des Proletariats geht. So verhindert der Krieg zwischen dem Staat Israel und dem Staat Palästina nicht die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten, und nach dem 11. September hatte der palästinensische Staat keine Skrupel, vom Staat Israel Waffen zu kaufen, die zur Repression der Gruppen verwendet werden sollten, die ihre Zustimmung zu den Anschlägen in New York bekundet hatten. Wenn es darum geht, das Proletariat zu unterdrücken, zeigt der bourgeoise Staat ganz offen sein wahres supranationales Gesicht.

9Auszug aus Dazibao, Escenas de la lucha de clases. Herausgegeben von UHP Madrid, Sommer 2002. E-Mail: uhpmadrid@yahoo.es.

10Wir beziehen uns hier natürlich nicht auf die islamischen Gruppen, die wir soeben angeprangert haben und die die in den Lagern herrschende Verzweiflung eiskalt ausnutzen, um die armen Teufel, die sie mit ihrem religiösen Opium betäuben, zu Kanonenfutter, zu „Judenmördern oder Ungläubigen“ zu machen.

11„Am Wochenende waren neun der zwölf Palästinenser, die von der Tsahal während einiger Kämpfe getötet wurden, unschuldige Zivilisten. So wurden in Toubas, am Rande von Jenine, vier Jugendliche durch Raketen aus zwei Hubschraubern pulverisiert, die einen Anführer der Märtyrerbrigaden von Al Aksa „liquidieren“ wollten. Wenige Stunden später wurden in Kyriat Arba, in der Nähe von Hebron, vier Landarbeiter ohne ersichtlichen Grund getötet. Und schließlich stirbt in Gaza ein junger Mann durch einen grundlos abgefeuerten Kopfschuss“, Le Soir, belgische Tageszeitung, 3. September 2002.

Diese Art von Informationen, die zufällig aus den jüngsten Nachrichten übernommen wurden, sind so alltäglich geworden, dass man sich jedes Mal fragt, ob es sich nicht um Informationen handelt, die man schon am Vortag gehört hat.

12Al-Ahli Krankenhaus (Hebron), [¼] im Inneren befinden sich mehrere Verletzte, darunter ein kleines Mädchen, das aus einem tiefen Koma erwacht, mit einem Schädelbruch durch ein „Gummigeschoss“, das in Wirklichkeit ein gummibeschichtetes Stahlgeschoss ist, die Art, die, böswillig eingesetzt, schon viele Kinder getötet oder blind gemacht hat. Die Bösartigkeit liegt jedoch nicht in der Bösartigkeit dieses oder jenes Soldaten, sondern in den Befehlen, die von der Haaretz-Journalistin Amira Hass in einem Interview mit einem Eliteschützen der Armee dokumentiert wurden.

Der Befehl lautete, auf Kinder über zwölf Jahren und von gefährlichem Aussehen zu schießen. Die Analyse der Wunden und die Umstände der Todesfälle, die von verschiedenen Quellen beschrieben werden, bestätigen die Bereitschaft zu schießen, um zu töten“. Siehe Lettera dai territori, Marina Rossanda in Questione palestinese, Ausgabe 13, Januar 2001.

13Offizielle Zahlen vom 6. September 2002: 1.835 Tote auf palästinensischer Seite und 604 auf israelischer Seite.

1499% der konstanten und durchschlagenden Unterstützung der amerikanischen Bourgeoisie für den Staat Israel stammt aus der Zeit nach 1967, d.h. als Israel seine Macht in der Region durch den Sieg im so genannten Sechstagekrieg bewies. Heute wird diese Unterstützung mit der „historischen Pflicht zur Verteidigung Israels“ begründet und bezieht sich ausdrücklich auf „das Recht der Juden, über ein Land zu verfügen“. Was der US-Staat jedoch streng unter Verschluss hält, sind die Gründe, warum Israel zwischen 1948 und 1967, als es wirklich am verwundbarsten war, nicht die gleiche Unterstützung erhielt. Die Wege der Heuchelei sind endlos.

15„Israel erhält, grob gesagt, ein Drittel des gesamten Budgets für ausländische Hilfe, während sein Territorium weniger als 0,001% der Weltbevölkerung ausmacht. [Mit anderen Worten: Israel, ein Land mit etwa sechs Millionen Einwohnern, erhält mehr Hilfe von den Vereinigten Staaten als Afrika, Lateinamerika und die Karibik zusammen, mit Ausnahme von Ägypten und Kolumbien.“ Matt Bowles in Left Turn, Ausgabe 4, März-April 2002. Weitere Informationen finden Sie unter http:/www.sustaincampaign.org.

16Aus dem deutschen Dokumentarfilm Balagan von 1993, der um das Stück Arbeit macht frei herum von einer israelischen Theatergruppe aus palästinensischen und israelischen Schauspielern gedreht wurde.

17Nach dem Krieg zwingen die Sieger den Besiegten nicht nur ihre ökonomischen und politischen Bedingungen auf, sondern auch ihren ideologischen Rahmen, innerhalb dessen sie ihren Sieg rechtfertigen und Geschichte „denken und schreiben“ müssen. So hatten die Sieger des Konflikts von 1940-1945 keine Skrupel, die Errungenschaften, die ihnen der imperialistische Krieg einbrachte, als einen gewaltigen „antifaschistischen“ Kampf darzustellen, der zur Befreiung der Welt vom Antisemitismus und den Konzentrationslagern der Nazis geführt wurde. Um diese Version zu vermitteln, war es natürlich notwendig, die Aspekte, die dieser Wahrheit widersprechen, auszublenden: die zahlreichen Bündnisse mit den Nazis (der Hitler-Stalin-Pakt war eines davon), die Ablehnung der „antifaschistischen“ Staaten, die aus Deutschland vertriebenen Juden aufzunehmen, die Existenz von Konzentrationslagern in den Vereinigten Staaten, England, Frankreich, Griechenland, die Unterstützung von Winston Churchill für Mussolinis Massaker in Abessinien, die offene Kollaboration der westlichen Staaten bei den Deportationen von Juden nach Deutschland…

18Aus dem Letter from Israel von Ran HaCohe, den man auch in englischer Sprache auf der Website lesen kann, die seine Reaktionen versammelt (http:/www.antiwar.com/hacohen/). The Auschwitz Logic wurde im März 2002 geschrieben, während des Protests, der durch den Vergleich ausgelöst wurde, den der portugiesische Schriftsteller José Saramago zwischen den Konzentrationslagern der Nazis und der Situation in den besetzten Gebieten zu ziehen wagte, als er als Teil einer Delegation des Internationalen Schriftstellerparlaments (IPW) nach Ramallah reiste.

19Dies wird deutlich, wenn man sieht, wie der letzte Wahl-Absentismus in Frankreich disqualifiziert wurde: Verschleierung der tatsächlichen Zahlen, Gleichsetzung der Nichtwähler mit den Nazis, ideologische Verfolgung des Wahl-Absentismus. Jeder, der nicht gewählt hat, wurde als Feind des Vaterlandes, der Republik und der Demokratie beschuldigt und musste daher ein mea culpa machen und sich öffentlich verpflichten, im zweiten Wahlgang zu wählen. Die demokratische Inquisition existiert, die Abstentionisten haben sie gefunden!

20Der Neffe des ehemaligen israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu erklärte sich zum Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen und erklärte öffentlich seine Weigerung, in den besetzten Gebieten zu dienen. Seine Verwandtschaft mit Netanjahu verschaffte ihm etwas mehr Publizität, hinderte das israelische Militär aber nicht daran, ihn ins Gefängnis zu stecken, wo er seit vier Monaten inhaftiert ist (Dezember 2002).

21Die 76-jährige israelische Sängerin Yaffa Yarkoni, das lokale und weibliche Äquivalent zu Frank Sinatra in den Vereinigten Staaten, wurde von einem Tag auf den anderen von einem „nationalen Denkmal“ zu einer „Verräterin“ und „Verleugnerin“ bezeichnet, weil sie öffentlich „all jene unterstützt hat, die sich heute weigern, in den palästinensischen Gebieten zu dienen“.

22Das Alternative Informationszentrum (AIC), das israelische und palästinensische Militante zusammenbringt, die gegen die israelische Besatzung kämpfen und von denen viele Zielscheibe einer Reihe von Gerichtsverfahren waren. Um diese Organisation oder Sergio Yahni zu kontaktieren, schreibt an: AIC, POB, Jerusalem, Israel. E-Mail: rtic@alt-info.org.22

23In einem Bericht der Tageszeitung Yerdioth Ahronoth wird auf die steigende Zahl von Problemen und emotionalen Störungen unter jungen Menschen in Israel hingewiesen. Im Jahr 2001 haben mehr als tausend Jugendliche einen Selbstmordversuch unternommen, darunter gut hundert Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren. Diese Zahlen bedeuten einen Anstieg von 10 % gegenüber dem Vorjahr.

Was die Kluft zwischen Arm und Reich angeht, so zeigt ein dieser Tage im Knesset vorgestellter Bericht, dass Israel nach den Vereinigten Staaten das zweitwestlichste Land der Welt ist, was das Einkommensgefälle betrifft“. La Repubblica, 4. Dezember 2002.

24Im Bezug auf die Entwicklung der Idee des „Transfers“ innerhalb der verschiedenen Teile der israelischen Gesellschaft und der bourgeoisen Parteien siehe „Das Krebsgeschwür der israelischen Kolonien“ und „Die Israelis, die vom Transfer träumen“ in Le Monde Diplomatique, Juni 2002 und Februar 2003.

25A.d.Ü., wir haben dazu mehrere Artikel gefunden die darüber berichteten wie Palästinenser in Check-Points und als Gefangene mit Nummern markiert sein sollen. Israeli Military Stops Controversial Marking of Palestinian Prisoners, Arafat Accuses Israel of Tattooing Numbers on Prisoners‘ Arms, Palestinians Marked With Numbers

26Soldaten, die sich weigern zu kämpfen, werden inhaftiert und erhalten im Gegensatz zu denen, die den Militärdienst akzeptieren, nicht mehr den Lohn, den sie für ihre reguläre Arbeit erhalten. Diese Drohung ist offensichtlich ein großes materielles Hindernis, das vom Staat eingeführt wurde, um die Proletarier davon abzuhalten, sich im Lager der Refuzniks zu melden.

27Dennoch verliert er nicht den Mut und erklärt in einem Brief: „Es ist zweifellos besser, im Gefängnis zu verrotten, isoliert, den Hut auf dem Kopf, schweigend, Geschirr spülend, Zwiebeln schälend. Ich würde viel lieber Tränen vergießen, wenn ich Zwiebeln schäle, einen Sack nach dem anderen, als die Tränen, die mir jedes Mal kommen, wenn ich die Bilder der Besatzung vor meinem inneren Auge sehe“.

28Die Autoren selbst bezeichnen die Demonstration „für die Rechte der Palästinenser“, bei der sie dieses Flugblatt verteilten, als „links“. Und sie verbanden sich mit „antikapitalistischen Spielverderbern“, indem sie an der Spitze der Demonstration mit einem Plakat standen, auf dem zu lesen war:

„Juden gegen Zionismus … und gegen alle Staaten“. Kontaktadresse: JewsAgainstZionism@hotmail.com.

Abgesehen von der Kritik, die an diesem Flugblatt zu üben ist (es stellt das Proletariat nicht explizit als revolutionäres Subjekt dar, und obwohl es dies tut, um sie in Frage zu stellen, bleibt es sehr stark auf dem Terrain der bourgeoisen Kategorien verhaftet: die Palästinenser, die Juden). Wir veröffentlichen ihn, weil die israelische Staatsreligion hier von Proletariern angegriffen wird, die ihr unterworfen sein sollen, was den von ihnen vertretenen Positionen noch mehr Nachdruck verleiht. Man wird einwenden, dass das Proletariat kein Heimatland hat und dass es a priori keinen Grund gibt, sich ausdrücklich auf die Länder oder Kulturen zu beziehen, aus denen diese Militanten, die die Zerstörung des Staates fordern, stammen. Doch der Widerspruch ist nur scheinbar, denn diese Gefährten bezeichnen sich nicht als israelische Staatsbürger, sondern als Antinationale, als Feinde der israelischen Nation, jeder Nation, des gesamten Nationalismus. Das ist die Dynamik des revolutionären Defätismus. Letztlich ist es gerade der Weg, der zwischen dem Ursprung der Autoren (jüdische Religion oder israelische Nationalität) und dem Ziel (gegen jeden Staat, jeden Nationalismus) eingeschlagen wird, der ihren Ansatz zutiefst internationalistisch und ihren Aufruf nicht opportunistisch oder platonisch macht. Anders ausgedrückt: Das Hissen eines Banners mit der Parole „Nieder mit dem Staat Israel, nieder mit allen Staaten“ hat eine viel stärkere politische Dimension als das gleiche Banner in Palästina.

29 Dieses Flugblatt wurde ursprünglich auf Jiddisch veröffentlicht, aber in lateinischer Schrift gedruckt. Anlässlich der Veröffentlichung dieses Flugblattes, also dieser Präsentation, in der zweiten Ausgabe unserer zentralen deutschsprachigen Zeitschrift Kommunismus, Februar 2000, haben wir die uns vorliegende französische Fassung ins Deutsche übersetzt. Die englische Version ist die Übersetzung der französischen Version.

30Die Bezugnahme des Autors auf die „Dritte Periode“ der Kommunistischen Internationale, um die „Klasse gegen Klasse“-Aussagen des von uns wiedergegebenen Flugblatts zu relativieren, zeigt einen deutlichen Einfluss der trotzkistischen oder allgemein demokratischen Kritik am Stalinismus. In der Tat hat die KI in dieser berühmten dritten Periode nur auf opportunistische und völlig vorübergehende Weise die Slogans rekuperiert, die immer dem Proletariat gehört haben, und es ist völlig konterrevolutionär, sie jetzt den bourgeoisen Fraktionen, die sie benutzt haben, zu assimilieren. Die Denunziation der Sozialdemokratie als bourgeoise Partei oder der Aufruf zum Kampf Klasse gegen Klasse sind also Teil der historischen Brüche und der seit langem bestehenden Behauptungen des Proletariats. Die Tatsache, dass der Stalinismus diese Slogans vorübergehend für seine eigenen bourgeoisen, verfälschenden Bedürfnisse bei den Veränderungen und Verschiebungen der Bündnisse benutzt hat, entkräftet diese Positionen nicht ein bisschen.

31 Der Text der Revolutionären Kommunistischen Organisation, der 1946 in „Le Prolétaire“ erschien, „Révolution et contre-révolution en Russie“ (Revolution und Kontrrevolution in Russland), den wir in „Communisme“ Nr. 18 veröffentlicht haben, ist ein unschätzbarer Beitrag zum Verständnis des Prozesses der programmatischen Wiederaneignung des Proletariats in Russland während der Welle der Kämpfe 17-23, einer Periode der großen Kämpfe und der Grenzen der Brüche, die seine tragischen Niederlagen erklären. Dieser Text ist ein grundlegender Meilenstein in der internationalistischen, klassenbasierten, militanten Kritik dieser gigantischen und schrecklichen Erfahrung revolutionärer Konfrontationen unserer Klasse, der wir mit einer Darstellung der Tätigkeit der OCR in Frankreich während der 1940er Jahre vorausgegangen sind

32Wir empfehlen dem Leser, unseren Artikel „Trotzkismus: Produkt und Agent der Konterrevolution“ Comunismo Nr. 3 zu lesen.

33A.d.Ü., es muss aber darauf hingewiesen werden das Ilja Ehrenburg bestritten hat dies jemals gesagt noch geschrieben zu haben, ein Stalinist war er dennoch.

34Wenn der Leser an einer konsequenteren Entwicklung dieser zentralen Frage interessiert ist, empfehlen wir ihm die Lektüre unseres Textes „Invarianz/Unveränderlichkeit der Haltung der Revolutionäre zum Krieg – Bedeutung der alten Parole des „revolutionären Defätismus“ (A.d.Ü., hier der Link zu der Übersetzung des Textes.), veröffentlicht in unserer zentralen Zeitschrift Comunismo Nr. 44, September 1999.

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