(Chile) Verantwortung übernehmen. Auszug aus der Erklärung des anarchistischen Gefangenen Francisco Solar

Quelle: publicación refractario, die Übersetzung ist von uns

(Chile) Verantwortung übernehmen. Auszug aus der Erklärung des anarchistischen Gefangenen Francisco Solar

Auszug aus der gerichtlichen Erklärung des anarchistischen Genossen Francisco Solar, in der er die Verantwortung für die Versendung von Sprengstoffpaketen an das 54. Polizeirevier und gegen den ehemaligen Innenminister Rodrigo Hinzpeter im Juli 2019 übernimmt, eine Aktion, für die sich „Cómplices sediciosos/Fracción por la Venganza verantwortlich machte, sowie für den Doppelanschlag auf das Tánica-Gebäude am 27. Februar 2020, mitten in der Revolte, eine Aktion, für die sich „Afinidades Armadas en Revuelta verantwortlich machen.

(…) Im November 2017 hatten wir die Idee, aus den großen Städten, vor allem aus Santiago, wegzuziehen, weil dort das Leben so hektisch ist, und ein Projekt zu gründen, das selbsttragend ist. Obwohl ich mich für diese Lebensweise entschieden hatte, habe ich nie aufgehört zu denken, dass der Kampf gegen ein übermächtiges System, das auf Autorität und Ausbeutung beruht, am besten durch gewaltsame revolutionäre Aktionen geführt werden kann. Nur so ist es möglich, Momente der Destabilisierung zu erreichen, die, auch wenn sie flüchtig sind, die Verwundbarkeit der Macht offenbaren.

Mitte 2018 beschloss ich, diese Art von Aktionen zu starten (…) Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, begann ich, über ein Ziel nachzudenken, denn mir war klar, dass die Aktion, die ich durchführen wollte, schlagkräftig sein musste, wenn ich ein großes Risiko eingehen wollte. Ich dachte an eine Aktion als Antwort, als Rache gegen Personen, die mit der Repression und der Macht der Unternehmen verbunden sind. Beides wurde von Rodrigo Hinzpeter voll erfüllt, der 2019 Manager der Quiñenco-Gruppe war, deren Präsident Andronico Luksc ist, und davor war Hinzpeter Innenminister in der ersten Piñera-Regierung und hinterließ eine Spur der Repression, die schwer zu vergessen sein wird. Er unterdrückte soziale und studentische Mobilisierungen mit aller Härte und versuchte, ein von Verboten aller Art geprägtes Gesetz, das so genannte Hinzpeter-Gesetz, durchzusetzen. Als Innenminister war er politisch verantwortlich für die Ermordung des jungen Manuel Gutiérrez, er unterdrückte die sozialen Mobilisierungen in Aysén und Freirina mit aller Härte, er militarisierte das Mapuche-Gebiet, was Hunderte von Verletzten, darunter viele Kinder, und unzählige Gefangene zur Folge hatte.

Im August 2010 waren wir zusammen mit dreizehn anderen Personen den repressiven Wahnvorstellungen von Hinzpeter ausgesetzt, der in seinem Bestreben, den Bombenanschlägen, die sich seit 2005 vor allem im Ostteil der Hauptstadt ereignet hatten, ein Ende zu setzen, uns inhaftierte, indem er Beweise erfand und Gefangene anstellte, die bereit waren, die These der Staatsanwaltschaft zu bestätigen, die von der Existenz einer illegalen terroristischen Vereinigung sprach.

Aus diesen Gründen beschloss ich, Hinzpeter anzugreifen, da ich fand, dass er ein völlig legitimes Ziel darstellte. Ich begann, Hinzpeter zu untersuchen (…) ich ging zum Itaú-Gebäude, um die Menschenströme zu beobachten, die Leute, die dort ein- und ausgingen; ich versuchte, in den 14. Stock zu gelangen, wo sich die Büros der Quiñenco-Gruppe befanden, was mir wegen der strengen Kontrollen am Eingang nicht möglich war (…) also hielt ich es für das Beste, ein an das Büro von Rodrigo Hinzpeter adressiertes Sprengstoffpaket zu schicken, um sicherzugehen, dass er derjenige war, der das Paket öffnete.

An dieser Stelle ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wahllose Angriffe noch nie Teil der anarchistischen Praxis waren, unsere Ziele sind klar definiert und richten sich gegen die Verantwortlichen für Unterdrückung und Repression. Da ich vorhatte, eine größere Aktion durchzuführen (…), beschloss ich, Dynamit zu verwenden.

Im Jahr 2018 und Anfang 2019 war der Kontext von Polizeigewalt gegen Schüler*innen geprägt, die gegen das Gesetz zum sicheren Klassenzimmer (Ley Aula Segura) und andere Forderungen demonstrierten. Immer wieder waren Bilder von Carabineros zu sehen, die Schüler*innen verprügelten, die ihnen in die Quere kamen, und sie sogar aus ihren Klassenzimmern holten, um sie auf die Polizeiwache zu bringen. Es ist wichtig festzuhalten, dass dieser Kampf gegen das Gesetz über sichere Klassenzimmer der direkte Vorläufer des Aufrufs zum Ausweichen war, den die Schüler*innen angesichts der Erhöhung der U-Bahn-Preise machten, die der Auslöser für den Aufstand war, der am 18. Oktober begann.

Ohne die Beharrlichkeit der Schüler*innen wäre vielleicht nichts von dem passiert, was nach diesem Datum geschah, und so beschloss ich, auf diese Polizeibrutalität zu reagieren, indem ich die Carabineros auf ihrem eigenen Gelände angriff; meine Idee war, sie als Institution anzugreifen, für das, was sie repräsentieren, für ihre Geschichte von Blut, Folter und Tod. Ich beschloss, die 54. Polizeiwache in Huechuraba anzugreifen, um mich für den Mord an meiner Gefährtin Claudia López im September 1998 zu rächen.

Obwohl mir klar ist, dass die Beamten, die 2019 in diesem Polizeirevier arbeiteten, nicht dieselben waren, die die Gefährtin ermordeten, diente dieser Ort damals als Einsatzort und tut dies auch heute noch an jedem Tag des Protests. Damit wollte ich ein Zeichen der Resonanz setzen, dass niemand und nichts vergessen ist.

Meine Absicht war es, nur einen Polizisten zu verletzen, den ranghöchsten, und das war Major Manuel Guzmán. Wenn ich also nur einen Polizisten verletzen wollte, durfte der Sprengstoff nicht sehr stark sein, also habe ich Schwarzpulver in einem Stahlnippel verwendet.

(….)

Die Absicht dieser Aktion, auf die Aggressionen sowohl der Carabineros als auch eines ehemaligen Innenministers, der für seine repressive Art bekannt ist und heute einen Wirtschaftskonzern leitet, dem praktisch ganz Chile gehört, zu reagieren, wurde vollständig erfüllt.

(…)

Bezüglich der so genannten Tat 2 (Tánica) kann ich zur Kontextualisierung darauf hinweisen. Der Aufstand, der am 18. Oktober 2019 begann, war in den letzten Monaten des Jahres 2019 und Anfang 2020 immer noch lebendig, viele Proteste fanden Tag für Tag statt, trotz der starken Unterdrückung durch die Polizei. Der März zeichnete sich als ein Schlüsselmonat ab, in dem viele Dinge passieren konnten, einschließlich des Rücktritts von Piñera, und in diesem Zusammenhang beschloss ich, mit der Platzierung von zwei Sprengsätzen zu diesem Aufstand beizutragen.

Der östliche Teil der Hauptstadt war Ziel einiger Demonstrationen, die die Ablehnung der dort lebenden Menschen hervorriefen, da sie befürchteten, bedroht zu werden und sogar ihre Privilegien zu verlieren. Es war zu beobachten, wie Menschen, die in La Dehesa friedlich demonstrierten, beleidigt und sogar angegriffen wurden, und wie die Armee und die Polizei diese Viertel in einer eindeutigen Komplizenschaft zwischen der repressiven Gewalt und der wohlhabenden Klasse schützten. Deshalb beschloss ich, diese Gemeinden zu treffen, aber speziell ein Viertel in ihnen, das Viertel Santa María de Manquehue, wo die Zeitung El Mercurio, historisches Sprachrohr der konservativsten Sektoren dieses Landes, ihren Sitz hat. Ich betone nachdrücklich, dass es nicht meine Absicht war, Menschen zu verletzen, sondern dass es meine Absicht war, die Normalität dieses Viertels zu verändern. Ein Beweis dafür ist, dass ich zunächst daran dachte, die Sprengsätze in den Toiletten des Café Kant im Tanica-Gebäude zu platzieren, aber wegen der Gefahr, Menschen zu verletzen, habe ich das schließlich verworfen und beschlossen, einen Sprengsatz im Parkbereich der Tánica-Immobiliengesellschaft zu platzieren, und zwar unter einer Zementbank, die die Explosion dämpfen würde.

Bei diesem Anschlag wurde ein weiteres Ziel ins Auge gefasst, nämlich der Angriff auf die Carabineros GOPE durch die Explosion eines weiteren Sprengsatzes, der so angebracht werden sollte, dass er eine halbe Stunde nach dem ersten explodieren würde. (….), die zu einem Zeitpunkt explodieren sollten, zu dem das GOPE in der Nähe seine Arbeit verrichtete, mit dem einzigen Ziel, ihnen einen gehörigen Schrecken einzujagen.

(…)

Ich beschloss, die Carabineros anzugreifen, weil sie nicht nur historische Feinde von uns Anarchisten waren, sondern weil sie damals schon Hunderte von Augäpfeln1 verstümmelt hatten (…) Ich beschloss, die Carabineros auch deshalb anzugreifen, weil sie gefoltert, geschlagen und Folterzentren eingerichtet hatten, wie das in der U-Bahn-Station Baquedano, was, obwohl die Justiz es geleugnet hat, wir alle wissen, dass dies der Fall war.

Von Beginn des Aufstandes an war ich bei den verschiedenen Demonstrationen dabei, die jeden Tag stattfanden, und ich konnte sehen, wie junge Menschen wenige Meter von mir entfernt durch die Kugeln und Tränengasbomben der Carabineros blutig geschlagen wurden. Aus diesem Grund hat der Aufstand die Carabineros als einen seiner Hauptfeinde identifiziert, weshalb ein Angriff auf sie unerlässlich und völlig gerechtfertigt war“.

 

1A.d.Ü., mittels Gummigeschosse und anderem.

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