Von Tridni Valka/Klassenkrieg erhalten, die Übersetzung ist von uns.
Das schlimmste Produkt des Faschismus? Der Antifaschismus!
Anmerkung von Klassenkrieg/Tridni Valka: Hier sind ein paar „Arbeitsthesen“ zur bourgeoisen Polarisierung zwischen Faschismus und Antifaschismus. Sie sind weder absolut noch eine Bibel und schon gar kein „heiliger Text“, den man unbedingt unterschreiben muss, sondern nur ein Vorläufer für eine ausführlichere Diskussion zu diesem Thema.
Wir haben diesen alten Text, der vor über 20 Jahren geschrieben wurde und damals hauptsächlich in Ost-Europa, aber auch in Frankreich und Spanien auf Englisch kursierte, aus dem Archiv eines Gefährten ausgegraben. Wir haben ein paar kleine Korrekturen vorgenommen, möchten aber auf die im Text verbliebene ideologische Kategorisierung hinweisen, nach der die Diktatur des Kapitals um die Pole „Demokratie“ und „Diktatur“ herum artikuliert wird (auch wenn Anführungszeichen verwendet werden), eine Kategorisierung, die die tiefe Natur der sozialen Diktatur des Kapitals zu verschleiern versucht, die genau und wirklich Demokratie ist (d. h. SEINE Demokratie!), vor allem als Negation des Klassenantagonismus und seiner Konfliktualität.
Wie alle politischen Texte unserer Klasse und unseres Kampfes muss auch dieser Text lebhaft kritisiert werden. Diskutiert ihn also und bringt Widersprüche ein, um unsere Gemeinschaft der Kritik am Kapital zu stärken.
1/ Das Wesen des Antifaschismus besteht darin, den Faschismus durch die Förderung der Demokratie zu bekämpfen, das eine dem anderen entgegenzusetzen, d. h. nicht dafür zu kämpfen, den Kapitalismus zu zerstören, sondern ihn zu zwingen, auf den Totalitarismus zu verzichten. Durch die Förderung dieser Utopie lenkt der Antifaschismus ganz konkret von den Klassenantagonismen ab; es stehen sich nicht mehr zwei Klassen gegenüber: Proletariat gegen Bourgeoisie, zwei gegensätzliche Projekte: Kommunismus/Anarchie gegen Kapital, Zerstörung der alten Welt gegen Erhaltung dieser Welt, Abschaffung der Klassengesellschaft und Durchsetzung der menschlichen Bedürfnisse gegen die Diktatur des Werts; stattdessen gibt es bourgeoise Polarisierungen: „Demokratie“ gegen „Faschismus“, „Verfassungsstaat“ gegen „Polizeistaat“, „Zivilisten“ gegen „Militär“, „Parlamentarismus“ gegen „ein-parteien-diktatorisches Regime“. Im „besten Fall“ wird Faschismus mit staatlichem Totalitarismus gleichgesetzt. All diese bourgeoisen Kampagnen sind die Negation der Klassenantagonismen, ihres säkularen und unversöhnlichen Kampfes in Taten; in diesem Sinne sind sie die Herrschaft der Demokratie. Das Spiel des Antifaschismus zu spielen bedeutet, das zu stärken, was wir bekämpfen. Die aktuellen antifaschistischen Kampagnen der Bourgeoisie (zusammen mit den faschistischen Kampagnen) zielen darauf ab, die nationale Einheit um den Staat herum wiederherzustellen, um die Proletarier dazu zu bringen, sich der Reproduktion der kapitalistischen sozialen Beziehung anzuschließen. Sie ermöglichen es auch heute wie gestern, eine Polarisierung wiederherzustellen, um einen neuen Krieg auszulösen, der (nach Ansicht unserer Klassenfeinde) einen neuen Akkumulationszyklus ankurbeln soll…
2/ Das Problem ist also nicht, dass die „Demokratie“ eine mildere Ausbeutung gewährleistet als die „Diktatur“ (um die von der Sozialdemokratie eingeführten konventionellen Kategorien zu verwenden): Jeder „würde es vorziehen“, auf schwedische Weise ausgebeutet zu werden, als auf brasilianische Weise gefoltert zu werden. Aber haben wir eine Wahl? Tatsächlich haben wir keine Wahl, wie wir ausgebeutet werden. Es ist immer der Staat des Kapitals, der die Formen seiner Diktatur entsprechend seinen Verwertungsbedürfnissen ändert. Diese „Demokratie“ wird sich in eine „Diktatur“ verwandeln, sobald es notwendig ist. Der Staat kann nur eine einzige Funktion haben, die er „demokratisch“ oder „diktatorisch“ ausübt.
3/ Der Faschismus lässt sich nur erklären, wenn man die vorangegangene Periode berücksichtigt: die Niederschlagung der revolutionären Welle von 1917-21 durch die Sozialdemokratie (Russland, Deutschland, Italien, Ungarn, Bulgarien usw.). Es war in erster Linie die Sozialdemokratie, die das Proletariat ideologisch und praktisch entwaffnete und seine Aufstände militärisch unterdrückte. In Deutschland waren die Freikorps unter der Führung des Sozialisten Noske die Speerspitze der Kampagne zur Wiederherstellung der Ordnung. Der Faschismus hat, wie sein großer Bruder Stalinismus, „nur“ das Werk der Konterrevolution vollendet, indem er ein besiegtes Proletariat endgültig vernichtet hat. Die sogenannte Diktatur kommt immer nach der Niederlage der Proletarier durch die Demokratie mit ihren Gewerkschaften/Syndikaten und ihren linken Parteien. Der Antifaschismus verschleiert diese grundlegende Realität, indem er den Faschismus mit den „Mächten des Bösen“ gleichsetzt und ihn auf eine „irrationale“, ahistorische „Reaktion“ reduziert, die aus dem Nichts kommt. Die Glaubwürdigkeit des Faschismus in den 1930er Jahren lässt sich dadurch erklären, dass er teilweise das Programm der Sozialdemokratie umsetzte: „Verbesserung“ des „Lebensstandards“, wichtige öffentliche Bauvorhaben, Abbau der Arbeitslosigkeit usw.
4/ Die wesentliche Taktik aller antifaschistischen Fronten besteht darin, dem Staat lautstark das Etikett „faschistisch“ anzukleben (zum Beispiel in Frankreich die Parole: „CRS = SS“), was denselben Effekt hat wie die Denunziation der politischen Parteien an der Spitze des Staates. In beiden Fällen wird die Kritik am Staat hinter der Denunziation derjenigen versteckt, die ihn führen. Darüber hinaus bedeutet Antifaschismus die Förderung und Stärkung der Demokratie und damit ihres Staates.
5/ Der Antifaschismus erinnert ständig an die Massaker der Nazis, was dazu dient, diesen Krieg zu rechtfertigen, indem man ihm einen humanitären Charakter verleiht und damit die Realität verschleiert, dass der Krieg eine materielle Notwendigkeit für das Kapital ist, um in kurzer Zeit einen Überschuss an Produktivkräften zu liquidieren. Aber jeder Krieg braucht eine Rechtfertigung, um Proletarier für sich zu gewinnen. Der Kampf gegen den Faschismus ermöglichte es, das Massaker an mehr als 50 Millionen Proletariern zu rechtfertigen, indem ein Kampf gegen den „Totalitarismus“ propagiert wurde. Und trotzdem waren selbst nach einer pazifistischen und bourgeois-humanistischen Analyse die Todeslager der Nazis nicht die einzigen „Schrecken“ des Krieges: zum Beispiel die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, die mörderischen und massiven Bombardierungen großer deutscher Städte, die Massaker von Sétif in Algerien durch die französische Armee im Mai 1945, genau am Tag der „Befreiung“, usw.
6/ Die Entwicklung des Kapitals hat zwei wesentliche Konsequenzen: die Unterwerfung der Arbeiterinnen und Arbeiter und damit die sanfte oder gewaltsame Zerstörung der revolutionären Bewegung sowie den Wettbewerb mit den anderen nationalen Kapitalen und damit den Krieg. Die kapitalistischen sozialen Beziehungen sind auf Wettbewerb und die Etablierung von Nationen als Stütze, als materielle Grundlage für Kriege aufgebaut und strukturiert. Jede Nation entwickelt ihren Nationalismus, der mit dem Nationalismus ihrer Nachbarn konkurriert; jede Nation versucht, den Marktanteil ihrer Nachbarn zu monopolisieren. Jeder Nationalismus ist von Natur aus imperialistisch und trägt daher zu Kriegen bei. Jede Nation trägt den Keim des Imperialismus in sich, selbst die sogenannten fortschrittlichen Nationen der „Dritten Welt“ wie Vietnam, Nicaragua usw.
7/ Der Triumph des Kapitals ist nie so vollständig wie dann, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter dafür mobilisiert werden, weil sie glauben, dass er „das Leben verändern“ kann. „Diktatur“ und „Demokratie“ sind vielmehr zwei Mittel, um das Proletariat zu kontrollieren, entweder durch gewaltsame Integration oder durch Assoziierung über „seine“ Organisationen: Gewerkschaften/Syndikate, Parteien, Assoziationen usw. Konsequenter Antifaschismus besteht darin, den Staat zu stärken, der immer als „demokratisch“ und „konstitutionell/verfassungsmässig“ dargestellt wird, während das Proletariat durch „Beteiligung der Bevölkerung“ (oder des Volkes, A.d.Ü.) an ihn gebunden wird.
8/ Für alle Reformer der kapitalistischen Gesellschaft ist Demokratie ein Element des Sozialismus, das in der heutigen Welt bereits vorhanden ist. Sozialismus wäre in ihrer Vorstellung eine totale Demokratie. Der Kampf für den Sozialismus würde darin bestehen, innerhalb des Kapitalismus immer mehr demokratische Rechte zu erlangen. Das ist eine sozialdemokratische Ideologie, die man Gradualismus nennt. Antifaschismus wird immer zu mehr Totalitarismus führen; sein Kampf für einen „demokratischen“ Staat (der ist es ja von Natur aus!) festigt den Staat. Für Revolutionäre bedeuten Sozialismus, Kommunismus und Anarchie die totale Zerstörung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und damit ihrer Klassen, ihres Staates und ihrer Demokratie. Wir müssen nicht verbessern und damit letztlich stärken, wogegen wir kämpfen. Faschismus und Antifaschismus sind Teil eines Ganzen; sie sind die beiden Kiefer derselben Falle, die uns zerquetscht.
9/ Wenn Proletarier freiwillig und militant auf die Seite der Demokratie, des Antifaschismus und des Staates treten, verlieren sie jede Fähigkeit, ihre eigenen Klasseninteressen zu verteidigen, sie verleugnen sich selbst als revolutionäre Klasse, die diese Klassengesellschaft zerstört, sie stärken das, was sie zu bekämpfen vorgeben: den Staat. Es gibt keine (das heißt keine mehr) autonome proletarische Bewegung von dem Moment an, in dem sie sich in die Grenzen des Staates einschließt.
10/ Die kommunistische Bewegung kann nur siegen, wenn die Proletarier über den bloßen Aufstand (auch bewaffneten) hinausgehen, der das Lohnsystem selbst nicht angreift.
11/ Der Spanische Bürgerkrieg wurde genutzt, um Proletarier aus aller Welt, aus „faschistischen Ländern“ wie aus „demokratischen Ländern“, um die Opposition Faschismus-Antifaschismus zu polarisieren und so die Heilige Allianz von 1939-1945 vorzubereiten. Es war eine allgemeine Wiederholung des Zweiten Weltkriegs, so wie der Balkankrieg für 1914–1918. Die Bourgeoisie versucht immer, Bündnisse zu formalisieren, konkurrierende Seiten zu polarisieren und die Proletarier dazu zu bringen, sich ihren Fahnen anzuschließen, um ihrer Lösung eine starke materielle Basis zu geben: nämlich Krieg.
12/ Durch die Unterstützung des bestehenden Staates in seiner „demokratischen“ Form, um zu verhindern, dass er die „diktatorische“ Form annimmt, entwaffnet der Antifaschismus die Proletarier ideologisch und materiell, indem er den Antagonismus, der sie dem Staat, dem Staat des Kapitals, entgegensetzt, verfälscht und leugnet. Der Antifaschismus liefert die Proletarier somit der Repression aus, indem er dazu aufruft, den Kampf gegen den Klassenfeind einzustellen. Dieser ist jedoch entschlossen, bis zum Ende weiterzukämpfen. Das hat er unter anderem während der blutigen Kämpfe in Barcelona im Mai 1937 getan. Es ist das Versäumnis der Proletarier und Revolutionäre, mit dem Antifaschismus und ganz allgemein mit der Sozialdemokratie zu brechen, das sie in die Niederlage und in den Tod geführt hat.
13/ Für einen radikalisierten Flügel des Proletariats wird der Spanische Krieg als Rechtfertigung für den (zukünftigen) Krieg gegen den Faschismus dienen. Die Proletarier, die sich bisher der Heiligen Allianz verweigert hatten, selbst gegen Nazi-Deutschland, akzeptierten sie schließlich als „kleineres Übel“ im Vergleich zum Sieg des Faschismus. Die große ideologische Funktion des Spanischen Krieges wird daher darin bestehen, die Schwankenden um die Alternative „Demokratie“ gegen „Faschismus“ zu polarisieren, die auf beiden Seiten als einzige mögliche Antwort auf den „plutokratischen“ oder „faschistischen“ Totalitarismus präsentiert wird. Und 1936 wie 1940 oder 1914 ist es immer die Sozialdemokratie, die an vorderster Front die Proletarier für den Krieg mobilisiert.
Antifaschismus ist eine Formel der Verwirrung!
Faschistisch oder antifaschistisch, die Diktatur des Kapitals ist die Demokratie!
Der Kampf gegen den Faschismus beginnt mit dem Kampf für die soziale Revolution!