Das „Nebelige“ als Organisationsformel für den Anarchismus

Auf a las barricadas gefunden, die Übersetzung ist von uns. Hier ein weiterer historischer Text von Agustín Guillamon zum Thema Verteidigungsgruppen (grupos de defensa), Affinitätsgruppen und Aktionsgruppen innerhalb der anarchistischen Bewegung im spanischen Staat in den 1920er und 1930er.

Nicht nur dass es wichtig ist, die historische Komponente verschiedener Arten des sich organisierens innerhalb der anarchistischen Bewegung und Geschichte zu zeigen und ihre Richtigkeit zu verteidigen, sondern auch das Engagement eines Guillamons zu würdigen der zu der Geschichte der Arbeiterinnen-, Arbeiterbewegung (vor allem der anarchistischen) so viele Bücher und Texte schon gewidmet hat.


Das „Nebelige“ als Organisationsformel für den Anarchismus

Am 15.05.2023 veröffentlicht. von Agustín Guillamón

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UNTERSCHIEDE ZWISCHEN GRUPOS DE DEFENSA, GRUPOS DE AFINIDAD UND GRUPOS DE ACCIÓN (A.d.Ü., VERTEIDIGUNGSGRUPPEN, AFFINITÄTSGRUPPEN UND AKTIONSGRUPPEN)

Ángel Carballeira und im Hintergrund Salvador Sarrau

Es muss zwischen cuadros de defensa, grupos de afinidad und grupos de acción1 unterschieden werden.

Die cuadros de defensa waren ab Oktober 1934 die geheime und anonyme Miliz des Syndikats der CNT Cenetista, die zuvor Aufgaben syndikalistischer Verteidigung oder dem Streikpostendienst bis hin zu aufständischen Versuchen übernommen hatte. Man könnte sie als die klandestine Armee der Revolution bezeichnen, die voll und ganz in die Aufgaben der Information, Bewaffnung, Ausbildung, Strategie und Vorbereitung des Aufstandes der Arbeiter eingebunden war. Sie waren ein Organismus, der von der CNT abhängig war, denn es waren die Syndikate, die sie finanzierten und mit ihren Militanten versorgten. Diese Struktur primärer cuadros de defensa, die aus sechs Mitgliedern bestand, war bereit, sich mit der massiven Aufnahme von Tausenden von Syndikalisten zu erweitern und auch andere sekundäre Gruppen aufzunehmen, wie z. B. die Affinitätsgruppen der FAI, Juventudes Libertarias und der Ateneos (A.d.Ü., es handelt sich hier um libertäre Kulturzentren). Aber die Verteidigungskomitees waren nie eine Organisation der FAI und hatten auch nie einen unabhängigen und autonomen Charakter; sie waren die bewaffnete Organisation der CNT und unterlagen immer den Entscheidungen und Initiativen des regionalen (oder nationalen) Komitees der CNT.

Die CNT war nicht nur das Syndikat. In fast jedem Viertel Barcelonas gab es das Nachbarschaftskomitee, das das gesamte soziale, kulturelle und familiäre Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter umfasste und einen sehr gut definierten und bekannten Raum des Kampfes und der Solidarität schuf2, der eine natürliche Beziehung zu Nachbarn, Freunden und Gefährten ermöglichte und ideologische Schulungen, Informationen und Plattformen für Forderungen ermöglichte.

Juan García Oliver definierte seine Vorstellung von der revolutionären Armee folgendermaßen: „Wir befürworteten [in García Olivers Papier über den libertären Kommunismus, das er auf dem Kongress in Saragossa im Mai 1936 vorstellte] die Schaffung einer revolutionären Armee, die meines Erachtens von da an als solche betrachtet werden sollte. Das, was wir in Barcelona mit den cuadros de Defensa Confederal gemacht hatten, sollte in eine Taktik umgewandelt werden, die in ganz Spanien anwendbar war. Das war alles, nicht mehr und nicht weniger“3.

García Olivers Position zur revolutionären Armee stieß auf heftigen Widerstand innerhalb der FAI, die ihm vorwarf, anarchistische Prinzipien aufzugeben und ein Militarist zu sein: „Cipriano Mera (ein sehr guter Gefährte aus dem Madrider Bausyndikat) rief, während ich [auf dem Kongress in Saragossa] neben anderen Glossen auch die über die Armee machte: „Der Gefährte García Oliver soll uns sagen, welche Farbe er den seidener Faden geben will! „Und es ist ein paradoxer Umstand, dass gerade Cipriano Mera der erste war, der die Militarisierung und die seidenen Faden der Armee akzeptierte“4. (A.d.Ü., mit seidenen Faden wird Bezug auf die Dienstgradgruppe, bzw. den Dienstgrad von Offizieren in Armeen genommen.)

Die Affinitätsgruppen bildeten die Organisationsstruktur der Anarchisten in der FAI. Sie waren im Grunde eine Gruppe von Freunden und/oder Militanten, die durch eine ideologische Affinität verbunden waren und die sich gemeinsame Aufgaben, Postulate und Taktiken gaben, die sie anderen Affinitätsgruppen entgegensetzen konnten. Die Opposition zwischen der Gruppe Nosotros und der Anti-Nosotros-Front, die sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzte, die die Gruppe Nervio unterstützten, war von großer Bedeutung. Die Iberische Anarchistische Föderation (FAI) war nicht mehr als eine gemeinsame Plattform oder Koordination von Gruppen, die oft nicht mit dem Halbinsel- oder Regionalkomitee übereinstimmten. Im Juli 1937 wurde die FAI in eine weitere antifaschistische Partei umgewandelt, als die organische Umstrukturierung die Affinitätsgruppen als organisatorische Zelle der FAI ersetzte (oder verdrängte), zugunsten einer neuen territorialen Organisation, die in der Stadt Barcelona auf nur 23 Militante reduziert wurde. In der FAI wurde so gut wie nie abgestimmt, und die Beschlüsse der Plenarsitzungen wurden immer einstimmig gefasst, wobei ein Konsens der verschiedenen Positionen in einem Text angestrebt wurde, der von allen akzeptiert werden konnte, andernfalls blieben sie in der Schwebe5.

Die Affinitätsgruppen zeichneten sich durch ihre Vergänglichkeit, Selbstfinanzierung, Dezentralisierung, Autonomie und Föderalismus aus. Die klandestinen Bedingungen, aber auch ihre eigene Berufung führten dazu, dass diese Gruppen entstanden, um eine bestimmte Aktion oder eine bestimmte Aufgabe durchzuführen, und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst wurden. Einige Personen trafen sich in anderen Gruppen wieder, um eine andere Aufgabe zu erfüllen. Diese permanente Volatilität und Klandestinität waren das Ergebnis der notwendigen Anpassung an die ständigen polizeilichen Repressionen und auch des anarchistischen Vorurteils gegen jede Organisationsstruktur, was eine historische Untersuchung sehr schwierig macht. Obwohl es ausnahmsweise auch langlebige Affinitätsgruppen gab, waren sie die wenigsten. Sie bestanden in der Regel aus mindestens vier und höchstens etwa zwanzig Gefährtinnen und Gefährten, und wenn sie diese Zahl überschritten, wurden sie in zwei getrennte Gruppen aufgeteilt. Das war zum Beispiel bei der Faros-Gruppe in den 1920er Jahren der Fall. Die extreme Autonomie der Affinitätsgruppen machte sie sehr unabhängig von der FAI. So trat zum Beispiel die Gruppe Nosotros, die auf Kundgebungen im Namen der FAI sprach, erst sehr spät offiziell der FAI bei, nach einigen Angaben Ende 1933, nach anderen Quellen Anfang 1934. Ein weiteres Merkmal der Affinitätsgruppen war ihr ständiger Mangel an finanziellen oder materiellen Mitteln. Ihre Ziele waren sehr vielfältig und heterogen und umfassten ein breites Spektrum an kulturellen, assoziativen, Freizeit- und gegenseitigen Unterstützungsaktivitäten, die von der Verbreitung und Diffusion von Wissenschaft und Literatur über Theater, Chöre, Publikationen, Debatten, Konferenzen, Ausflüge, Genossenschaften usw. bis hin zur Unterstützung eines Ateneos oder einer rationalistischen Schule reichten. Andere Affinitätsgruppen hatten syndikalistische (von anarchistischer Ausrichtung) oder solidarische Aktionen mit Gefangenen oder die Finanzierung von Presse und Ateneos zum Ziel. Die Affinitätsgruppen konnten in den Syndikaten, in der Libertären Jugend (A.d.Ü., Juventudes Libertarias) oder in den Ateneos entstehen, und ihr Hauptanliegen war es, alternative ethische und soziale Werte bereits in der Praxis zu leben.

Während des Bürgerkriegs erreichten die Affinitätsgruppen ihre größte Präsenz und Wirksamkeit in den Versammlungen der lokalen Föderationen (vor allem in der Stadt Barcelona), wo sie ihre Kritik und ihre Meinungsverschiedenheiten mit den höheren Komitees nachdrücklich zum Ausdruck brachten; letztere dominierten jedoch vollständig die regionale und nationale Ebene. Die organisatorische Umstrukturierung der FAI im Juli 1937 führte zu einer bürokratischen Marginalisierung der Splittergruppen, die zwar nominell weiter bestanden, aber nicht mehr in der Lage waren, ihre Positionen in den lokalen Plena zu halten. Das bedeutete ihre Isolation und ihre Handlungsunfähigkeit. Die FAI war nun nur noch eine weitere antifaschistische Partei, die territorial von Einzelpersonen organisiert wurde. Das Wichtigste bei dieser organischen Umstrukturierung der FAI war die Stärkung des Propagandaapparats, die Ausbildung von Personen, die in der Lage waren, Verwaltungs- und Regierungsposten zu bekleiden, und natürlich, auch wenn dies nie zugegeben wurde, die Kontrolle und Vernachlässigung der revolutionären Affinitätsgruppen, die unfolgsam sich mit den höheren Komitees anlegten und diese kritisierten.

Die Aktionsgruppen wurden in den Jahren des Pistolerismo (1917-1923) als Selbstverteidigungsgruppen für die Syndikalisten und die Organisation gegründet, denn angesichts des brutalen Staatsterrorismus, der Militarisierung der Bürgerwehr und der Finanzierung der Killer des Sindicato Libre durch die katalanischen Arbeitgeber bestand die einzige Aufgabe darin, das Überleben des Militanten der CNT zu sichern, um das Verschwinden der CNT durch die Ermordung ihrer Mitglieder und die damit einhergehende massenhafte Austritte zu verhindern. Die Bezeichnung als Terroristen, die Marxisten diesen Aktionsgruppen in der Zeit des Pistolerismo in Barcelona üblicherweise geben, ist nicht nur ungerecht, sondern zeugt auch von mangelndem Verständnis für die sehr harte reale Situation, in der sich die Arbeiterbewegung befand.

Nach der Ermordung von Salvador Seguí y Peronas (10. März 1923) beschloss eine Exekutive, bestehend aus Juan Peiró, Ángel Pestaña, Camilo Piñón und Narciso Marcó6, die Bildung von Aktionsgruppen, um auf den Terrorismus des Staates und der Arbeitgeber mit persönlichen Anschlägen7 auf Martínez Anido und den karlistischen Prätendenten Don Jaime zu reagieren. Diese Ziele wurden nicht erreicht, aber es wurden Anschläge auf Kardinal Soldevila (4. Juni 1923) und den ehemaligen Gouverneur von Bilbao, Regueral, verübt, und es kam zu Zusammenstößen mit Schützen der Libre und Requetés.

Das geheime Nationale Plenum der Regionalräte, das im Sommer 1923 in Valencia stattfand, warnte vor dem bevorstehenden Militärputsch und billigte die Vorbereitungen zur Konfrontation mit den Putschisten durch Raubüberfälle, um Mittel für den Kauf von Waffen und das Gießen von Handgranaten bereitzustellen. Aber es war zu spät, um Primo de Riveras Staatsstreich entgegenzutreten, und die CNT trat in eine weitere lange Periode der organisatorischen Klandestinität und der Verfolgung, Inhaftierung und/oder Verbannung ihrer Militanten ein.

Diese Aktionsgruppen wurden in den 1930er Jahren von bestimmten Sektoren (den Treintistas) vehement abgelehnt, weil sie die CNT diskreditierten und revolutionäre Aktion mit bewaffneter Kriminalität verwechselten; vor allem aber, weil die Bilanz der Jahre des Pistolerismo mit der Niederlage der Arbeiterinnen und Arbeiter geendet hatte. Der Staat und die Bosse kriminalisierten irrationalerweise diese Aktionsgruppen, aber auch die Einzelsyndikate (A.d.Ü., in syndikalistischen Organisationen wie die der CNT, organisieren sich Arbeiterinnen und Arbeiter aus verschidenen Branchen und Berufen innerhalb einer selben Gewerkschaft/Syndikat. Dies nennet man in der CNT sindicato unico) , Ateneos und Affinitätsgruppen. Jedes Einzelsyndikate brachte ihre eigenen Aktionsgruppen hervor, die als unverzichtbare Organe für direkte syndikalistische Aktionen angesichts von Missbräuchen auf der Arbeit8 durch Vorarbeiter und Bosse, der Nichteinhaltung von Vereinbarungen, Streikposten, Selbstverteidigung und sogar als Faktor für die Ersetzung oder Verkürzung von Streiks, denen oft die Widerstandsboxen fehlten, dienten.

Die radikalsten Syndikalisten oder Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich bei einem Streik hervorgetan hatten, wurden dem Hungerpakt der Bosse unterworfen, und wenn sie einmal entlassen waren, wurden sie in keinem Unternehmen wieder eingestellt, wodurch die Reihen der Aktionsgruppen, die sich der Durchführung von Raubüberfällen widmeten, immer größer wurden9.

In den 1930er Jahren war der Staat viel schwächer als heute; es gab keinen sozialen Schutz, keine Arbeitslosen-, Kranken- oder Altersversorgung. Auch die Sicherheitsmaßnahmen in den Banken waren weniger effektiv. Die Ressourcen und die Ausbildung der Polizei waren denen von heute weit unterlegen. Große Teile der Bevölkerung lebten in extremer Armut, am Rande aller ökonomischen Aktivitäten. Der Straßenhandel war in dieser Elendsökonomie sehr wichtig, nicht nur, weil er einer großen Gruppe von Verkäufern dank der Solidarität der Bevölkerung das Überleben ermöglichte, sondern auch, weil er die Kosten für einige Grundbedürfnisse in den Arbeitervierteln senkte. Und vor allem sollte die massive und dauerhafte Arbeitslosigkeit während der gesamten republikanischen Zeit, einschließlich der Kriegszeit, hervorgehoben werden. Sowohl die Forderungen der Streikenden als auch die notwendigerweise radikalen und illegalen Proteste oder Lebensmittelenteignungen der Arbeitslosen im Namen des „Rechts auf Leben“ sowie die Aktionen der Aktionsgruppen wurden von der Polizei und der bourgeoisen Presse stets kriminalisiert; doch für die populäre Ethik war der Unterschied zwischen Legalität und Illegalität bedeutungslos in einer elenden und erbärmlichen Welt, die einer ungezügelten Ausbeutung unterworfen war und in der die Menschen um ein karges Auskommen kämpften.

Es waren der Staat und die Bosse, die mit unterdrückerischer Grausamkeit gegen Syndikalisten, Arbeitslose, Bedürftige und Bewaffnete vorgingen; es waren die Justiz und die Polizei, die den einen oder die andere ächten und verfolgten. Der Unterschied zwischen einer Gruppe, die Enteignungen durchführte, um Gefangenen zu helfen oder die Presse zu finanzieren, und einer Aktionsgruppe, die sich von der Beute ernährte (im wahrsten Sinne des Wortes) oder davon profitierte, lag nur in der Endbestimmung dessen, was enteignet wurde. Auf der anderen Seite passt das Leben normalerweise nicht in das Schwarz-Weiß einer abstrakten theoretischen Definition, und die Skala der realen Grautöne kann unendlich sein. Einige Aktionsgruppen lebten auf Messers Schneide zwischen dem Klassenkampf gegen den Staat, die Bosse und die bourgeoise Gesellschaft auf der einen Seite und der millenarischen oder antisozialen Rebellion der Marginalen, Bohemiens und Elenden auf der anderen.

Wir dürfen niemals die vorrangige kulturelle Perspektive und die effiziente pädagogische Tätigkeit der libertären Bewegung vergessen, die permanent ein umfangreiches Netzwerk von Ateneos, Genossenschaften10, rationalistischen Schulen und Kulturzentren für all diese Gruppen bildete, die ausnahmsweise und vorübergehend auch Aktionsgruppen sein konnten. Andererseits war die CNT in der Zeit des Pistolerismus damit einverstanden, dass jeder Militante der CNT eine Pistole besaß (oder wusste, wie und wo er sie leicht bekommen konnte), denn sie war für die Selbstverteidigung unverzichtbar und ein wirksames Mittel, um die Zahl der ermordeten Syndikalisten zu verringern. Später, in den 1930er Jahren, verlieh die Pistole ihrem Träger einen Halo der Autorität, des Engagements und des Ansehens unter der Arbeiterklasse, die eine alternative Ethik und Gesellschaft zur bourgeoisen Gesellschaft der damaligen Zeit lebte und aufbaute. Die politische Gewalt der Arbeiterbewegung war das Ergebnis eines Staatsterrorismus, der in den Institutionen verwurzelt und neben der Polizei im Sindicato Libre organisiert war, einer Organisation von Bewaffneten, die im Sold der Bosse standen und von den Zivilgouverneuren geduldet und geschützt wurden.

Unter diesen sozialen und politischen Bedingungen konnten reformistische oder sozialdemokratische Organisationen in Katalonien nicht Fuß fassen. Der Radikalismus der Militanten der CNT war nur eine weitere Folge des Terrors von Staat und Bossen. Die Ermordung von Evelio Boal im Jahr 1921 und von Salvador Seguí im Jahr 1923 bedeutete, dass eine rein syndikalistische und kompromissbereite Entwicklung der CNT völlig ausgeschlossen war. In den 1930er Jahren scheiterte der Republikanismus am troglodytischen Widerstand der Rechten und der Kirche gegen jede bedeutende Reform und an der Unfähigkeit, das schreckliche Problem der Massenarbeitslosigkeit zu lösen oder zu lindern, das die Menschen in die Ausgrenzung, die Illegalität und den Insurrektionalismus trieb, die nichts anderes wollten, als etwas Brot zu essen, und die keine anderen Waffen hatten als ihre Verzweiflung.

Als zwischen Ende 1933 und Januar 1934 die Befugnisse der öffentlichen Ordnung auf die Regierung der Generalitat übertragen wurden, verdrängte das Binom Dencás-Badía die gemäßigteren Nationalisten aus den Bereichen der Regierung. Dencás vom Innenministerium und Badía von der Polizei verfolgten eine repressive Politik gegen die CNT, die faschistisch und rassistisch geprägt war. Sie griffen systematisch und entschlossen in die Streiks ein, um sie zu brechen und niederzuschlagen, sie misshandelten und folterten die verhafteten Militanten der CNT methodisch in der Polizeiwache, sie verstärkten die Verfolgung gegen die zahlreichen Raubüberfälle der Aktionsgruppen und sie wandten das geltende Gesetz „de vagos y maleantes“ missbräuchlich gegen die Organisation und Aktionen der Arbeitslosen an. Gleichzeitig belebten sie die Bürgerwehr wieder und förderten die Organisation und Bewaffnung der „Escamots“, der katalanistischen Milizen, als eine paramilitärische Organisationen gegen die CNT. Die Ereignisse vom 6. Oktober und die anschließende Auflösung der Generalitat-Regierung durch die Zentralregierung brachen eine Dynamik, die wahrscheinlich zu einer ähnlichen Konfrontation wie in den Jahren des Pistolerisme führte.

Im Mai 1935 verurteilte ein Plenum der anarchistischen Gruppen die Aktionsgruppen, die sich auf Raubüberfälle stützten, sei es, um die Organisation zu finanzieren oder damit ihre Täter, ob arbeitslos oder nicht, überleben konnten. Durruti argumentierte, dass die Zeit der individuellen Enteignung vorbei sei, weil die Zeit der kollektiven Enteignung bevorstehe: die Revolution11.

Der bourgeoise „investigative“ Journalismus12 hatte sich auf die bourgeoise, nationalistische und rassistische Denunziation dieser Aktionsgruppen die aus „Murcianos“ und „Kriminelle“ konzentriert, die er selbstherrlich und verächtlich auf die anarchosyndikalistische Bewegung insgesamt verallgemeinerte, ohne auf ihren marginalen und außergewöhnlichen Charakter hinzuweisen, mit dem Ziel, die CNT zu diskreditieren. Die Gefahr der Einmischung dieser Welle von „besonderen“ Überfällen in die populäre revolutionäre Vorbereitung war sehr real und beunruhigend.

Die obige Unterscheidung und theoretische Kodifizierung zwischen cuadros de defensa, Affinitätsgruppen und Aktionsgruppen ist als Momentaufnahme angemessen. Aber die Realität ist immer komplexer und variabler, wie ein Film; daher müssen wir bedenken, dass die Schemata eines starren Fotos nicht berücksichtigen, wie man von einem Etikett zum anderen oder zu einer anderen Klassifizierung übergehen konnte, um sich der Entwicklung der Organisationen und dem historischen Wandel anzupassen, je nachdem, ob man eine Zeit der Klandestinität durchlebte, die Zeiten der rechtlichen Anerkennung der CNT nutzte oder dank der „revolutionären Eroberungen“ vom Juli 1936 neue Perspektiven eröffnete.

Das geschah zum Beispiel mit dem revolutionären Komitee von San Martín zwischen 1936 und 1937. Es war an sich schon ein besonderes Nachbarschaftskomitee, denn es war radikaler als die anderen und diente in der Rambla Volart 7, dem Sitz des Komitees, als spezielles Verhaftungs- und Verhörzentrum für die Verteidigungskomitees. Nach dem schweren Zwischenfall, den Antonio Conesa in einem Bezirkskrankenhaus provoziert hatte und für den er verhaftet und vor Gericht gestellt wurde, beschloss die Kerngruppe, die das Verteidigungskomitee des Revolutionären Komitees von San Martín anführte, die der FAI angeschlossene Gruppe „El Nuevo Porvenir“ zu gründen. Dies wäre ein außergewöhnliches historisches Beispiel für eine Aktionsgruppe, die vor dem Juli 1936 die Seele eines Verteidigungskomitees und nach dem 19. Juli die treibende Kraft eines revolutionären Nachbarschaftskomitees wurde und dann ihre Aktivitäten als Affinitätsgruppe fortsetzte13.

A.d.Ü., ab hier ist der Text von Agustín Guillamon derselbe den wir am 28. Januar schon veröffentlichten, nämlich Die Affinitätsgruppe, die die anarchistische klandestine Zeitung Alerta! veröffentlichte…!


1Ich habe einen amüsanten Artikel, der auf Englisch verfasst war, gelesen, etwas absurd und prahlerisch, der zwischen (Gruppe) und agrupación (Gruppierung) differenziert, als ob diese keine Synonyme wären, sondern zwei entgegensetze Formen der sich organisierens.

2SANZ, Carles: La CNT en pie. Anomia, Barcelona-Sabadell, 2010, p. 91.

3GÓMEZ, Freddy: “Entrevista con Juan García Oliver, registrada el 29-6-1977 en París (Francia)”. Broschüre. Fundación Salvador Seguí, Madrid, 1990, S. 20.

4Ebenda.

5PEIRATS, Josep: De mi paso por la vida. Memorias. Flor del Viento, Barcelona, 2009, S. 257.

6GARCÍA OLIVER, Juan: El eco de los pasos. Ruedo Ibérico, París, 1978, Seiten. 629-633.

GÓMEZ, Freddy: “Entrevista con Juan García Oliver, registrada el 29-6-1977 en París (Francia)”. Broschüre. Fundación Salvador Seguí, Madrid, 1990, p. 9.

Die vier Mitglieder dieser Kommission unterschrieben im August des Jahres 1931 den Manifiesto de los Treinta.

7Die CNT Mitglieder waren immer gegen Attentate auf Personen, weil die historische Erfahrung ihre Nutzlosigkeit bewiesen hatte, aber 1923 entschieden sie sich auf diese angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation zurückzugreifen, und sie taten dies auf einer einmaligen, kontrollierten und eingegrenzten Art.

8Manchmal sogar auch sexuell, vor allem in der Textilindustrie, wo die Mehrheit der Arbeitskräfte weiblich war.

9BENGOECHEA, Soledad: Reacció en temps de canvi, La patronal catalana davant la República (1931-1936). D´ahir per vui (3), Barcelona, 2005, Seiten. 114-116.

10Es gibt eine wunderschöne und rigorose Untersuchung über diesen Arbeitergenossenschaften in DALMAU, Marc y MIRÓ, Iván: Les cooperatives obreres de Sants. Autogestió proletària en un barri de Barcelona (1870-1939). La Ciutat Invisible, Barcelona, 2010.

11PAZ, Abel: Durruti, el proletariado en armas. Bruguera, Barcelona, 1978, S. 310-315.

12Hervorstechen taten die Namen von Carlos Sentís (2011 mit 99 Jahren gestorben), Josep Maria Planes und “Tisner”.

13Sumario de la Causa criminal contra Antonio Conesa Martínez, José Conesa Martínez y Antonio Ordaz Lázaro.

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