(Grupo Barbaria) Postmoderne oder der Schwindel einer falschen Radikalität

Geschrieben am 20 November, 2018 von Grupo Barbaria veröffentlicht, die Übersetzung ist von uns. Hier ein weiterer Text der Reihe Kritik an der Postmoderne/Postmodernismus.


(Grupo Barbaria) Postmoderne oder der Schwindel einer falschen Radikalität

Einleitung

In diesem Text wollen wir eine flüchtige Kritik an einigen ideologischen Gemeinplätzen unserer Zeit üben, Gemeinplätze, die wir der Einfachheit halber postmodern nennen. Ganz allgemein kann man sie daran erkennen, dass jeder Versuch, radikale Emanzipation anzustreben, eine Metaerzählung wäre, dass das Streben nach einem Wahrheits- oder Objektivitätskriterium ein Beweis für Arroganz und Herrschaftswillen wäre. Dass es keine allgemeinen und universellen Kriterien gibt, anhand derer man die Realität der Welt definieren kann, und daher auch keine Suche nach einer allgemeinen Befreiung existiert. Dass alles subjektiv ist, dass der einzig mögliche Kampf derjenige ist, der sich im Alltäglichen, in der Mikrophysik der Mächte abspielt, ohne Gefahr zu laufen, in Essentialismen und immer gefährliche sichere Definitionen zu verfallen, usw.

Dieser Text ist aus einer revolutionären Praxis heraus geschrieben und die Kritik basiert auf dem Einfluss, den diese Art von Ansätzen und Autoren innerhalb der radikalen Aktivisten haben, die versuchen, gegen diese Welt zu kämpfen. Deshalb scheint es uns wichtig zu sein, über den Schwindel zu diskutieren, der von dieser Art von Autoren ausgeht. Die Strömung, die diese Art von Perspektive am meisten in die „sozialen Bewegungen“ eingebracht hat, ist eine leichte (A.d.Ü., light im Originaltext) und reformistische Version der historischen autonomen Bewegung, die Toni Negri als einen ihrer wichtigsten Referenzen hat und die Werke von Deleuze, Foucault, Guattari… zu angeblichen Handbüchern des Radikalismus gemacht hat, die „gebildete“ Aktivisten durcharbeiten sollten. Das jüngste Buch von Marina Garcés, einer Universitätsprofessorin für Philosophie und Vertreterin dieser Art von Strömungen und Ideen, bringt genau das zum Ausdruck, was wir kritisieren wollen. Eine scheinbare Radikalität in Formen und Diskursen, die vorgeben, alles dekonstruieren zu wollen, und eine Ohnmacht, die sich aus den Prämissen ergibt, wie sie selbst zu Beginn des Prologs zu ihrem Buch Ciudad Princesa (S. 11) einräumt:

Ich weiß nicht, bis zu welchem Punkt wir real gekämpft haben. Ich weiß auch nicht, bis zu welchem Punkt wir gänzlich verloren haben. Ich weiß, dass die Ideen und Lebensweisen, an die ich glaube, nicht gesiegt haben, aber sie sind auch nicht verloren. Die Generation der siebziger Jahre wollte den Himmel stürmen und hat sich die Flügel verbrannt. Diejenigen von uns, die nach ihnen kamen, wuchsen inmitten ihrer Asche auf und sahen, wie die Feuer ihrer Sehnsüchte und Ideale erloschen (…). Und nur einige wenige haben die Glut des radikalen Denkens und Engagements weiter genährt.

Diejenigen von uns, die sich Ende der 1990er Jahre politisiert haben, haben nicht in den Himmel geschaut, außer um sich eine Zeit lang auszuruhen.“

Andererseits ist es wichtig zu verstehen, dass wir, wenn wir von Postmoderne sprechen, keinen drastischen Bruch mit der so genannten Moderne vollziehen. In der Realität sprechen beide „Epochen“ von der gleichen Sache, vom Kapitalismus und seiner Tendenz, Form und Inhalt, Subjektivität und Objektivität, Wissen von Moral usw. zu trennen. Der Kapitalismus ist ein System, das auf einer Form beruht (Kapital als Wert, der mit Wert aufgeblasen wird), das dazu neigt, jeden Inhalt unter seiner totalitären Ägide zu subsumieren. Alles kann in Geld als allgemeines Äquivalent des Reichtums umgewandelt werden, jede menschliche Tätigkeit kann unter das Imperium der abstrakten Arbeit subsumiert werden. Bereits mit dem Aufkommen des Kapitalismus im 17. Jahrhundert begannen sich die ersten Formen dieser Trennung auch in den Denkweisen zu entwickeln. Wir beziehen uns zum Beispiel auf Descartes‘ Ich denke, also bin ich oder Thomas Hobbes‘ Mechanismus des politischen Körpers. Das Kapital läutet eine Epoche ein, die das Leben von seiner materiellen Substanz trennt, die die Menschen sowohl voneinander als auch von innen her fragmentiert, die die menschliche Gemeinschaft zerstört… Es ist eine Metaphysik der Trennung, die uns gegeneinander stellt, wie Hobbes selbst in seinem Staat der Natur als Grundlage des staatlichen Leviathans feststellt. Dieser Krieg aller gegen alle, die Reduzierung des sozialen Lebens auf Atome, die sich in einem ständigen merkantilen Konflikt befinden, wird in der Postmoderne auf die Spitze getrieben. In der Tat wird der Krieg aller gegen alle in postmodernen Positionen zu einem permanenten Konflikt zwischen Identitäten. Rassifizierte gegen Weiße, Queer gegen Cisgender, Trans gegen Queer, usw. Je mehr Unterdrückungen, desto besser! Wer legt noch einen drauf in diesem Geschwätz von Privilegien, das festlegt, wer zu sprechen und wer zu schweigen hat! Damit entfällt nicht nur jede einheitliche Kritik an dieser Welt, sondern auch die Möglichkeit, sie zu transzendieren und sich mit den spezifischen Unterdrückungen auseinanderzusetzen, die das Kapital in seiner ganzen Bandbreite reproduziert. Nur ein Projekt der ganzheitlichen Zerstörung dieser Welt durch den Wiederaufbau der menschlichen Gemeinschaft ermöglicht ein solches Ziel.

Wenn wir von Postmoderne sprechen, beziehen wir uns auf eine Ideologie und nicht auf eine Epoche. Die Epoche bleibt dieselbe, auch wenn das für unsere vornehmen Gegner unglücklich ist: die des Kapitals und seiner kategorischen Invarianten, der abstrakten Arbeit und der Ware, des Staates und der Demokratie. Wir sprechen von einer Ideologie, weil es sich um eine verzerrte Sicht der Realität handelt, die es uns nicht erlaubt, ihren wahren Sinn und damit die Möglichkeiten ihrer Revolutionierung in einem emanzipatorischen Sinne zu erfassen. Darüber hinaus führt seine Produktion von der University of California zur Sorbonne, von der Sapienza in Rom zur Complutense in Madrid, von den Universitäten in Buenos Aires zu denen in Kalkutta. Es handelt sich also nicht um eine einfache Ideologie, sondern um eine Ideologie, deren offensichtlicher Vertreter die Mittelklasse ist. „Radikale“ Akademiker auf dem Campus übersetzen reale Unterdrückungen (patriarchalisch, rassisch…) in ihre Fachsprache, um Mittel für ihre Forschungsprojekte zu erhalten. Eine Zombie-Multitude von Universitätsstudenten, die sich von der esoterischen Sprache der Älteren verzaubern und unterhalten lassen, schwingen mit überheblicher/arroganter Sicherheit die Waffen ihrer magischen und unverständlichen Phrasen, und wehe dem, der sich ihnen widersetzt. Die Postmoderne hat etwas von Post-Mostalinismus1 an sich.

Aus all diesen Gründen ist dieser Text ein Text des Kampfes, eine Bestätigung des Kommunistischen und Revolutionären, ein Text der Negation.

1. Eine Ideologie der Niederlage

Zuallererst ist es wichtig, den Ursprung der Postmoderne zu beschreiben. Die postmoderne Ideologie entsteht nach einer Reihe von revolutionären Niederlagen im 20. Jahrhundert (Erster und Zweiter Weltkrieg), gekrönt von der Niederlage der Welle sozialer Revolten, die in den 1960er Jahren ausbrach: Von Frankreich bis Argentinien, von Prag bis Italien, von Uruguay bis Portugal wird das Proletariat versuchen, sich als Partei, als Klasse zu konstituieren2. In manchen Momenten wird unsere Klasse sehr breite insurrektionalistische Prozesse erleben, wie in Italien in den siebziger Jahren, Prozesse der Selbstorganisation, die schließlich untergehen, wie in Portugal, oder kurze insurrektionalistische Umstürze wie in Cordoba (Argentinien) 1969. Die Niederlage dieser Welle von Kämpfen, der zweiten oder dritten Welle des proletarischen Angriffs auf die Klassengesellschaft (wenn wir nicht nur die revolutionäre Welle von 1910 bis 1937, sondern auch die des 19. Jahrhunderts von 1848 bis 1871 betrachten), wird eine Umkehrung des Prozesses der Konstituierung des Proletariats als Klasse und ein Wiederaufleben von Ideologien begünstigen, die von Pessimismus, Individualismus und Nihilismus genährt werden und die Hoffnungen im Proletariat und in einer endlich von der Klassengesellschaft befreiten Menschheit verschlingen. Die postmoderne Ideologie basiert auf der Annahme, dass eine radikale Emanzipation des Proletariats ein böser Alptraum gewesen wäre, der nur totalitäre Ungeheuer hervorbringen konnte. Perfide Ideologen hätten den Logozentrismus der jüdisch-christlichen Religion (in kommunistischen und anarchistischen Versionen) säkularisiert und an arme, unwissende, ungebildete Proletarier weitergegeben. Wie wir sehen können, ist der Idealismus der geistigen Operation vollständig. Für die Postmoderne (wie für das gesamte moderne, bourgeoise Denken) sind Kommunismus oder Anarchismus keine reale Bewegung, die versucht, die menschlichen Bedürfnisse gegen das Kapital und seine Ausbeutung zu bestätigen, sondern eine sehr falsche und fehlerhafte gedankliche Konstruktion. Zum Glück sind unsere illustren Professoren aus Paris und Kalifornien gekommen, um uns aus unserer jugendlichen Unwissenheit zu wecken.

Die Postmoderne ist zugleich eine Ideologie des Verzichtes und des Pessimismus. Hinter ihrer scheinbaren Radikalität (was der Haken ist, mit der sie die Mittelklasse auf der Suche nach neuen Meta-Narrativen verführt) verbirgt sich nichts anderes als der Verzicht auf jeden Versuch, diese Welt real und global zu verändern. Daher der Rückzug in die Mikropolitik und in die Identitätspolitik. Das Kleine ist gut und das Totale (A.d.Ü., oder Ganze) totalitär, sagt man uns. In dem Maße, in dem die konterrevolutionäre Niederlage des Proletariats in den 1970er Jahren den notwendigen revolutionären Wandel aufschiebt, wird die Notwendigkeit zu einer Tugend und die Niederlage zu einem natürlichen Zustand. Deshalb sind Pessimismus und Verzicht untrennbar miteinander verbunden und gleichzeitig mit einer überschwänglichen Auffassung von Unterschieden, von kultureller Parteilichkeit/Voreingenommenheit und individualistischer Wahl, von Verschiedenem und Heterogenem, von Molekularem und Schizoidem, von Unbeständigem und Unbestimmtem, von Skepsis gegenüber jedem Kriterium von Wahrheit und Beziehung mit Objektivität und sozialer Totalität verbunden. Die Welt ist seltsam (A.d.Ü., oder fremd) und grausam. Sie subsumiert und entfremdet uns, aber der Grund für ihre materiellen Fundamente wird nicht verstanden, und es wird nur eine ideologische und theoretische Erklärung gegeben. Typisch für diejenigen, die es sich zum Beruf gemacht haben, isoliert zu denken (A.d.Ü., als eine getrennte Tätigkeit), als ob der Gesamtcharakter des Kapitals nur ein mentales Problem wäre und es ausreichen würde, nicht über seine unpersönliche und totale Dynamik nachzudenken, damit er unser Leben nicht subsumiert. Die Postmodernen haben etwas amüsant Kindisches an sich: Es würde reichen, die Augen zu schließen, damit das Kapital einfach aufhört zu existieren. Schade, dass es um die armen Realitäten geht, die unser Leben beeinflussen (das Kapital in seinen Bewegungen), und nicht um die Höhen der akademischen Diskurse, an die die Protagonisten unseres Feuilletons gewöhnt sind und mit deren Worten sie meinen, die Welt performativ zu konstruieren.

Diese Ideologie der Niederlage und der Differenz knüpft an die pessimistischen Philosophien des Seins an, auf die sich einige der Referenztheoretiker der postmodernen Autoren (Nietzsche, Sartre, Heidegger, Schopenhauer) beziehen. Das Sein ist ein abstraktes Wesen, von dem die Essenz einerseits und die Existenz andererseits getrennt sind. Die postmoderne Ideologie greift den Idealismus und Pessimismus dieser Philosophie auf. Sie geht davon aus, dass man von der Sprache ausgeht, um die materielle Welt zu schaffen (im Gegensatz zu einer materialistischen Sichtweise, bei der man von der realen Welt ausgeht, um die Welt zu erklären; Marx, Engels, Bakunin oder in einem anderen Sinne Aristoteles).

Der Begriff der Postmoderne geht auf ein Buch des französischen Philosophen François Lyotard zurück, der Mitglied der von Cornelius Castoriadis geleiteten französischen linksradikalen (A.d.Ü., ultra-gauche) Gruppe Socialisme ou Barbarie gewesen war. Lyotard hatte sich der Idee von Castoriadis widersetzt, eine revolutionäre Theorie denken zu können, die auf den Marxismus verzichtet, und gründete deshalb mit anderen Genossen (A.d.Ü., Weggefährten) die Organisation Pouvoir Ouvrière. Doch einige Jahre später schwor er dem Marxismus und vor allem der Revolution ab und schrieb ein kleines Buch, in dem er einige Gemeinplätze des postmodernen Denkens synthetisierte.

Frankreich und die Vereinigten Staaten sind zwei wichtige Brennpunkte dieser Überlegungen. Es handelt sich um eine bunte Gruppe von Autoren mit sehr unterschiedlichem theoretischem Niveau und Werdegang, die aber zweifellos etwas gemeinsam haben. Einer der entscheidenden Aspekte ist die Verzicht der Militanz, gegen die Zentralität des Proletariats als die revolutionäre Klasse, die allein die Herrschaft des Kapitals beenden kann (die etwas tieferes ist als ein System von Privilegien, wie unsere „Theoretiker“ es schlecht zu verstehen scheinen), oder der Verzicht auf die Realität der menschlichen Natur als das Übel aller Übel. Im Gegenteil, das Mark der Menschen ist der soziale und historische Kontext, ein kultureller Reduktionismus und die Hypertrophie der Diskurse, die das Leben der Subjekte performativ gestalten.

Wie wir zu Beginn gesagt haben, ist die Postmoderne eine Ideologie, die in der Akademie der französischen poststrukturalistischen Strömungen entstanden ist. Nach der Krise des akademischen und politischen Marxismus3 und der Krise des Strukturalismus (des absoluten Gewichts, das sie den ökonomischen und historischen Strukturen verliehen hatten, nachdem sie den Menschen zu einer bloßen Stütze, zu einem Tischbein gemacht hatten, auf dem die Strukturen aufgerichtet wurden) führen diese zu einer Flucht in das scheinbar Gegenteil: Es ist der Moment des Molekularen, des Kapillaren, des Kleinen, der Wünsche, des Peripheren, des Spezifischen, der Vorrichtungen der Subjektivierung. In Realität handelt es sich um eine Pendelbewegung, deren Hintergrund die politische Niederlage des Proletariats in den 1970er Jahren ist. Der abstrakte Universalismus des Marxismus als Ideologie, durchdrungen von Szientismus und Politismus, von der Reduzierung des Proletariats zur Stütze des Kapitals, geriet mit dem Aufstieg des Proletariats in den 1960er Jahren in eine Krise. Mit der Niederlage des Proletariats wurden seine strukturalistischen Drahtzieher (Althusser, Foucault, Derrida usw.) zu den Förderern des Poststrukturalismus und der Postmoderne. Außerdem ist es sehr wichtig zu verstehen, dass die vom marxistischen Szientismus und Progressivismus sowie vom Strukturalismus postulierte Universalität nicht die Art von Universalität ist, die das Proletariat als Negation des Eigentums und der sozialen Klassen in sich trägt. Aus dieser Wahrheit, der Pestilenz des Marxismus als Ideologie, konstruiert die Postmoderne die große Lüge des Partikularismus, dass wir nichts gemeinsam haben, dass es letztlich immer Herrschaft geben wird. Die Universalien des Marxismus haben nichts mit denen des Proletariats in Aktion zu tun.

Erklären wir es besser: Die Postmoderne stellt angesichts der Ideen der Universalität, angesichts der Geschichte, die Unmöglichkeit der Schaffung einer Geschichte und einer universellen Theorie entgegen. Dieser Aspekt ist sehr interessant, weil die akademische Kritik am Marxismus die Ablehnung jeder starken theoretischen Konzeption beinhaltet, die auf Prinzipien, auf sinnvollen Meta-Narrativen beruht (z. B. den realen materiellen Bedingungen, dass der Kapitalismus weltumfassend ist. Wenn jede Geschichte subjektiv interpretiert wird, wie könnten wir dann dem Kapitalismus die Stirn bieten, wenn wir nicht sehen, dass er eine weltweite Grundlage hat, die historisch ist?). Sie fliehen wie vor der Pest vor jeder allgemeinen Vorstellung, sie sind allergisch gegen menschliche und theoretische Universalien.

2. Eine Ideologie des Individuums

Die Postmoderne geht von der Subjektivität jedes Einzelnen aus, von der individuellen Wahrheit, weshalb es keine absoluten Wahrheiten gibt. Sie wirft den universellen Wahrheiten sogar vor, totalitär zu sein, dass sie erzwingend sind. All dies ist das Ergebnis der Skepsis einer Theorie, die nicht versucht, unsere eigene soziale Existenz in einen breiteren Rahmen zu stellen, denn das hieße, die Besonderheit des Individuums und der verschiedenen Identitätsgruppierungen einzuschließen; für die Postmoderne wird die Tatsache, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, als etwas rein Diskursives und nicht als etwas real Materielles erklärt. Es ist die Welt des Kapitals, die uns einschließt. Vielleicht gibt es an den kalifornischen Universitäten eine größere Auswahl an Möglichkeiten, aber Millionen von uns Proletariern haben nicht das Glück, diese Perspektive wählen zu können. Unser Leben wird von einer verborgenen, aber sehr realen materiellen Form bestimmt (wir sind täglich mit immer schlechteren Überlebensbedingungen konfrontiert: Arbeitsplätze, die uns erdrücken, Wohnungen, die unbezahlbar sind oder uns von anderen isolieren, oberflächliche Beziehungen, die durch Waren vermittelt werden, usw.).

Dieses Weltbild kann nicht die globale Emanzipation der Menschen anstreben, es kann nicht danach streben, als Ganzes, in einer realen Gemeinschaft zu denken, es kann nur identitär gedacht werden, getrennt vom Rest. Dies ist in den sozialen Kämpfen der letzten Jahre spürbar, das Unvermögen, andere Proletarier im Rest der Welt als diejenigen zu verstehen, die dieselben Bedürfnisse haben und Ausdruck desselben Kampfes sind, was zu einem Mangel an Solidarität seitens des restlichen Proletariats führt, im Gegensatz zu dem, was unsere Klasse im Laufe der Geschichte getan hat.

Zu glauben, dass wir alle gleich werden können (wie es die Demokratie vorgibt) oder zu denken, dass wir alle völlig unterschiedlich sind (wie es die Postmodernen tun), ist ein klares Beispiel für eine falsche Dichotomie: Innerhalb unserer Unterschiede gibt es Dinge, die uns vereinen und die wir als Spezies teilen, wir haben die gleichen Bedürfnisse, um zu leben. Die ideale demokratische Gleichheit besteht darin, dass alle gleich sind, der Kommunismus kämpft nicht für die Gleichheit oder die Gleichheit der Rasse oder des Genders, denn diese Konstruktionen sind gesellschaftlich funktional für dasselbe System, das sie braucht; daher sollte die Revolution nicht ihre Bewahrung und „positive Transformation“ ins Auge fassen, denn ihr Kampf gegen die merkantile Zivilisation/Gesellschaft bedeutet die Zerstörung aller ihrer Grundlagen. Der Kommunismus kämpft nicht für die Gleichheit oder die Gleichberechtigung von Gender oder Rasse, denn diese Konstruktionen sind gesellschaftlich funktional für dasselbe System, das sie braucht; daher sollte die Revolution nicht ihre Bewahrung und „positive Umwandlung“ ins Auge fassen, denn ihr Kampf gegen die merkantile Zivilisation/Gesellschaft bedeutet die Zerstörung all ihrer kategorischen, moralischen, wissenschaftlichen, religiösen und juristischen Grundlagen. Der Kommunismus zielt nicht darauf ab, die Unterdrückung in dieser Welt durch die Zutaten des Warenkuchens zu beenden (indem er proportionale Quoten nach Rasse oder Gender verteilt), er will die Zutaten des „Kuchens“ des menschlichen Lebens radikal verändern. Die Ausbeutung besteht überall auf der Welt aus derselben Sache – die Extraktion des Mehrwerts – dies vereint alle Arbeiter, unabhängig von ihrer Sprache, ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung. Der Kapitalismus ist kein System der „Unterdrückungen“, sondern ein Ausbeutungssystem, das routinemäßig Diskriminierungen und Unterdrückungen schafft, weil es, wie bei jedem Ausbeutungssystem, in seiner Natur liegt, dies zu tun, um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten.

Er ist eine liberale Ideologie, weil er das Recht des Einzelnen einfordert, frei zu wählen, was er oder sie sein möchte (natürlich im Rahmen der Optionen des Kapitals). Es ist die Revolution des Individuums, das die Freiheit hat, sich als Frau, als Mann, als genderneutral oder genderuntypisch zu bezeichnen, und das danach strebt, anerkannt und sichtbar gemacht zu werden. Von wem? Durch den Staat, den alten Staat, mit seinen Institutionen und Klasseninteressen, die ein wenig aus der Mode gekommen sind. Von der Mikrophysik der Macht bis zur Rechtfertigung des Rechtsstaates gibt es nicht nur eine logische Beziehung, sondern auch einen Weg, den unsere brillanten Postmodernisten eingeschlagen haben: vom verbalen Radikalismus zur Faktizität der Macht des Kapitals. Zu glauben, dass soziale Probleme individuell gelöst werden können, ergibt keinen Sinn; es reicht nicht aus, eine extremistische Sprache zu verwenden oder individuelle Gewohnheiten zu ändern. Wie Cuadernos de Negación bereits gesagt hat: „Wir würden niemals individuelle „Lösungen“ für soziale Probleme empfehlen. Die individuelle Wahrnehmung eines Problems macht das Problem nicht zu einer individuellen Frage“. (Cuadernos de Negación, Nr. 8). Dies zu tun, würde nur alles Konkrete auf etwas Abstraktes reduzieren: die individuelle Entscheidung, das zu sein, was man will, die Wahl zwischen den angebotenen Waren. Wir verstehen, dass es frustrierend ist, dass wir uns klein fühlen, wenn wir jeden Tag Probleme haben, die wir nicht isoliert und einzeln lösen können. Anders zu denken, würde nur die Illusion hervorrufen, dass unser Leben radikal ist und wir die Macht haben, darüber zu entscheiden, ob die Fleischindustrie den Bach runtergeht oder die globale Erwärmung beendet wird, indem wir z.B. zu Fuß zur Arbeit gehen. Abgesehen von der Tatsache, dass es nicht möglich ist, soziale Probleme individuell zu lösen, ist das auch Scheiße. Selbst wenn wir die Dinge individuell lösen könnten, würden wir es so tun, wie es Individuen tun: isoliert, unsolidarisch, mit wettbewerbsorientierten und meritokratischen (A.d.Ü., leistungsorientierten) Dynamiken (all die verinnerlichten Schuldgefühle, die sich zum Beispiel im ökologischen Bewusstsein ausdrücken: Du tust nicht genug, du musst dich mehr anstrengen, schau, wie ich Erfolg habe…). Das Individuum stinkt, es ist die Grundlage dieser Gesellschaft. Die Tatsache, dass das soziale Problem kollektiv gelöst werden muss, macht es möglich, unser reales menschliches Leben, die globale menschliche Gemeinschaft, wiederherzustellen.

Das Kleine wird gegen das Große verteidigt, das Subjektive gegen das Objektive, das Molekulare gegen das Molare, das Multiple gegen das Eine, und so weiter. Das macht es unmöglich, über etwas so Wichtiges wie die menschliche Spezies und ihre Bedürfnisse zu sprechen. Die Postmoderne ist eine Ideologie der Trennung und Fragmentation, der Uneinigkeit und virulenten Ablehnung unserer Fähigkeit, uns als Klasse zu konstituieren. Es ist eine Ideologie, die von der Vielfalt menschlicher Kulturen besessen ist und nicht von der Einsicht, dass der Mensch von Natur aus kulturell ist, die von der Vielfalt der Sprachen besessen ist und nicht von der Tatsache, dass wir sprachliche Wesen sind, die von den Unterschieden besessen ist und nicht von dem, was uns in unserer Diversität eint. Darüber hinaus reduziert sie uns auf den Lokalismus und verhindert so einen realen Internationalismus, einen Internationalismus, der nichts mit dem postmodernen multikulturellen Spektakel zu tun hat. Diese Beschäftigung mit der Singularität ist letztlich immer die Singularität isolierter und konkurrierender Individuen, da unterschiedliche Subjekte (weiblich, rassifiziert, homosexuell) miteinander konkurrieren.

In Realität wird die Postmoderne eine verständliche Reaktion auf die soziologische Vision des Proletariats der Sozialdemokratie sein. Sie wird jedoch mit neuen Formen der Sozialdemokratie reagieren, denn die alte ist durch die relative Delegitimierung der KPs und des Stalinismus dank 1968 bereits „abgenutzt“. Zu diesem Zweck wird eine Rundreise vom Identitarismus des Blaumanns im Arbeiterdiskurs bis zu den verschiedenen Identitäten unternommen, die in Verbindung mit anderen Subjekten der Unterdrückung entstehen, um sie zu vollenden. Wenn also die Arbeiterbewegung die Frauen ausschließt, alles geregelt! Die Identität der Frauen wird hinzugefügt. Wenn die nicht-Weißen ausgelassen wurden, dann siehe hier, die rassische Identität… Jetzt, wo die Identität der Arbeiterklasse an Gewicht verloren hat, kommen immer mehr Subjekte der Unterdrückung hinzu: die Unterdrückung der Autisten, die Identität der Verrückten, die Identität der Dicken, usw. Es ist interessant, die enge Beziehung zwischen dem Aufkommen dieser Ideologien und den Schwächen und Grenzen der proletarischen Bewegung selbst hervorzuheben, vor allem in Bezug auf das Gewicht des Arbeitertums und des Ökonomismus in früheren Kampfperioden, worauf wir schon weiter oben hingewiesen haben. Wenn man nicht mit der sozialdemokratischen Konzeption des Proletariats bricht, wird die Entstehung all dieser Kategorien ermöglicht, die nach derselben fetischistischen Logik des Arbeitertums funktionieren.

Andererseits sind wir der Meinung, dass auch eine Reflexion gegen die Integration interessant wäre. Wie wir weiter unten in Bezug auf die rassifizierende Ideologie analysieren werden (die eine der vielfältigen Strömungen der Postmoderne ist), ist ihr Endziel die Integration in die Welt des Kapitals. Das Streben nach Anerkennung, um die Lebensbedingungen innerhalb des Kapitals zu verbessern, bedeutet, sich in die Dynamik des individuellen Überlebenswettbewerbs zu begeben, anstatt eine gemeinsame Emanzipation anzustreben. Dies gilt auch für einige der Diskurse, die in Spanien in Bezug auf die Rasse aufkommen, im Gegensatz zur Stärke von Bewegungen wie den Banlieues im Jahr 2005, deren Stärke gerade darin lag, dass sie keine Integration anstrebten. In diesem Sinne wird die Rassifizierung in Realität nichts anderes sein als eine objektive Form der Domestizierung der Kämpfe der „rassifizierten“ Proletarier. Was wir über die Rassifizierung sagen, ist analog zu dem, was wir über den postmodernen Feminismus und seinen Versuch, die „Kategorie“ Frau zu dekonstruieren, sagen können.

Es ist also nicht weit hergeholt, hochzuhalten, dass die postmoderne Ideologie eine liberale Theorie ist, eine Theorie des Individuums, die den Kapitalismus stärkt.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Theorien eine Möglichkeit sind, die Radikalität zu rekuperieren, die viele der Menschen, die sich in sie vertiefen, suchen. Diese Rekuperation ist nicht ideal, sondern real, wie sie im konterrevolutionären Charakter der Rassifizierung zum Ausdruck kommt, denn sie strebt nicht nach der totalen Befreiung der Klasse und der menschlichen Spezies. Im Gegenteil, sie machen es unmöglich und schwächen den Kampf, indem sie ihn auf eine legalistische und institutionelle Ebene kanalisieren.

3. Frontismus und Intersektionalität

Im aktivistischen Milieu ist die Vorstellung weit verbreitet, dass es eine Reihe von heterogenen Kämpfen gibt, die in „Kampffronten“ zusammengefasst werden, als ob es sich um getrennte und dissoziierte, parallele und autonome Kämpfe handelte, die im Prinzip nichts miteinander zu tun haben (Rasse, Geschlecht, Anti-Speziesismus, Ökologismus usw.). Die Vereinigung dieser Kämpfe in Fronten wird als Intersektionalität bezeichnet (jene Menschen oder Orte, an denen eine Reihe von Unterdrückungen zusammenkommen). Es gibt keine Vorstellung von der Universalität und Einzigartigkeit dieser Kämpfe, denn das wäre essentialistisch.

Dadurch wird der Begriff der Klasse völlig eliminiert, denn von dort aus ist es undenkbar, den gleichen materiellen Kampf zur Befriedigung analoger menschlicher Bedürfnisse zu führen, der die proletarischen Kämpfe in Marokko mit denen im Jemen, die in der spanischen Region mit denen in Argentinien, die des afroamerikanischen Proletariats mit denen der kurdischen Proletarier verbindet. Alles ist partikular und bruchstückhaft. Das ist ein weiterer Grund, warum diese Ideologie defätistisch ist: Ein Denken, das von dem ausgeht, was uns trennt, ist nicht in der Lage, über universelle Emanzipation nachzudenken. Wie wir in Notas sobre el patriarcado en el capitalismo (Anmerkungen zum Patriarchat im Kapitalismus) gesagt haben:

Diese Trennung kann nur im Hinblick auf die menschliche Gemeinschaft und den Kommunismus als historische Bewegung verstanden werden. Gegenwärtig setzt die Sozialdemokratie alles daran, den Klassenkampf und die Spaltung zwischen Männern und Frauen sowie die Trennung der Rassen, der sexuellen Praktiken usw. auf die gleiche Ebene zu stellen. Diese Behauptung ist jedoch die beste Art und Weise, die Möglichkeit menschlicher Gemeinschaft zu leugnen, denn um sie zu erreichen, müssten nicht nur der Kapitalismus und die sozialen Klassen, sondern auch die gesamte Diversität, die in der Spezies existiert (vgl. Queer-Theorie) negiert werden. Im Gegenteil: Der einzige Weg, die Todes- und Elendsmaschine, was das Kapital ist, zu zerstören, ist der Klassenkampf und damit die Negation aller Klassen. Dieser Kampf ist jedoch nicht nur der Kampf des Proletariats gegen das Kapital, sondern auch sein Kampf zur Vereinigung dessen, was innerhalb der Klasse getrennt wurde. Die einzige Möglichkeit für das Proletariat, dies zu tun, besteht darin, die von den Klassengesellschaften auferlegten Spaltungen zu überwinden, einschließlich der Spaltung Mann-Frau.“

Die Postmoderne hat die Idee verbreitet, dass das, was man mit den Unterdrückungen tun muss, ist sich selbst dekonstruieren, was nichts anderes bedeutet, als sich selbst diskursiv und konzeptionell zu analysieren. Was ist die Dekonstruktion? Es ist ein absolut nominalistisches Konzept. Sie verkündet die allmächtige Fähigkeit des (natürlich individuellen) Bewusstseins, mit den sozialen Beziehungen zu brechen, die uns „konstruieren“, die uns konstituieren. Das Problem besteht nicht darin, anzuerkennen, dass das, was wir sind, zu einem großen Teil von den sozialen Beziehungen bestimmt wird, die wir festlegen und die uns sozusagen festlegen, auch wenn dies der Postmoderne erlaubt, jede Idee von Natur oder Biologie zu negieren. Das Problem besteht darin, zu glauben, dass Denk- und Handlungsweisen, die nach einer Lösung suchen, um die gegenwärtigen Beziehungen zu ersetzen, die „nach und nach“ die Totalität der Beziehungen verändern können, die durch den historischen und sozialen Kontext dieser Epoche vermittelt werden und diesem unterliegen, und so weit zu gehen die Absurdität zu behaupten, dass es keines internationalen Klassenkampfes bedarf, um die herrschenden Strukturen und ihre Methoden zu zerstören, die in Mode sind. Dies ist, nebenbei gesagt, die beste Art und Weise, sich in seiner eigenen materiellen Funktion zu rechtfertigen: als Reproduzent*in der herrschenden Ideologie von einem Universitätslehrstuhl aus.

Aber was passiert, wenn ich mein Geschlecht dekonstruiert habe, wird es sich atomar, materiell auf das auswirken, was ich bin, wird es meine Hautfarbe oder meine Gesichtszüge verändern, wenn ich meine „Rasse“ dekonstruiere? Wir werden auf diese Fragen zurückkommen, wenn wir uns mit der postmodernen Heiligen Dreifaltigkeit beschäftigen: Klasse, Rasse und Gender.

4. Was wäre, wenn der Kapitalismus nicht nur eine weitere Unterdrückung wäre?

Die Postmoderne ist allergisch gegen Totalität. Ohne sie gäbe es kein Zentrum, das unsere gesellschaftliche Realität konfiguriert. Ihr Interesse für das Exotische, das Kleine, das Anomale, das Abweichende, das Unvergleichliche, das Groteske usw. führt dazu, dass sie das zentrale konfigurierende Element, das Kapital als strukturierendes soziales Verhältnis dieser Gesellschaft, ohne das man nichts versteht, auch wenn es nicht alles erklärt, aufgibt.

Die Postmoderne gibt als Resultat eine andere Konzeption des Kapitalismus als die, die von Marx und der proletarischen Bewegung konzipiert wurde. Wie wir bereits gesagt haben, ist es für die Postmodernen falsch, totalitär und faschistisch, etwas als eine totale Wahrheit festzumachen. Aber leider ist der Kapitalismus weltweit, so dass er nicht teilweise bekämpft werden kann. Und in der Tat ist es wichtig zu verstehen, dass wir nicht über eine ästhetische Option sprechen, dass es nicht darum geht, zu postulieren, wie schlecht große Erzählungen sind und dass eine Welt, die in mehrere molekulare Dasein fragmentiert ist, die auf föderale und harmonische Weise durch die begehrenden Ströme ihrer Körper konvergieren, vorzuziehen ist, und dass dies nicht aufgrund eines schrecklichen theoretischen Fehlers, der seinen Ursprung in der Dekadenz der griechischen Philosophie oder im jüdisch-christlichen Denken hat, der Fall war. Wir sprechen nicht über Ideen, die von globalen materiellen Prozessen getrennt sind. Das Kapital ist eine Gesamtheit (Totalität) für sich, es ist nicht das Produkt menschlicher Gruppen, die einen Sinn in globalen Metaerzählungen finden müssen.

Und eine der Charakteristiken des postmodernen Denkens ist sein Formalismus. Er trennt das Untrennbare in eine Vielzahl von Fragmenten, und wenn er versucht, sie wieder zusammenzufügen, nennt man das Intersektionalität. In Realität wird eine Leiche seziert und dann künstlich wieder zusammengesetzt, ohne dass sie aufhört, eine Leiche zu sein, so konzeptionell der ganze Vorgang auch sein mag. Wir sollten uns ein wenig besser erklären, denn wir sind mit einem der Gemeinplätze des postmodernen Denkens konfrontiert.

Das Kapital ist ein historisches soziales Verhältnis, das aus zwei kombinierten Prozessen hervorgeht. Einerseits wird die Welt zum Kapital durch die Schaffung kapitalistischer gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse, die die Bauern vom Land trennen und sie zwingen werden, ihre Arbeitskraft als neue Proletarier zu verkaufen. Dieser Prozess hat seinen Ursprung (Genesis) im feudalen Europa und vor allem in England. Andererseits wird das Kapital durch seine Ausdehnung auf den gesamten Globus global, was mit der Ankunft der Kastilier und Portugiesen in Amerika und dem damit verbundenen Genozid einen Qualitätssprung erfahren wird. Das Kapital entsteht aus Blut und Plünderung, wie Marx betonte, und es ist wichtig, diese beiden Prozesse nicht voneinander zu trennen, denn ohne die Kombination von beidem wäre das gegenwärtige System der Ausbeutung einfach nicht entstanden.

Der Kapitalismus, der sich dann ab dem 16. Jahrhundert herausbildet, ist eine ganz andere Realität als die antediluvianischen und unvollkommenen Formen des Kapitals, die in früheren vorkapitalistischen Gesellschaften existieren konnten. Die Formen des Wucherkapitals oder des Handelskapitals verfügten nicht über eine gesellschaftliche Substanz, die abstrakte Arbeit, die alle konkreten Arbeiten und Tätigkeiten auf gesellschaftlicher Ebene gleichsetzt, die es dem Wesen des Kapitals (ein durch den Wert aufgeblasener Wert) ermöglicht, sich dank der gesellschaftlichen Substanz, die in dem durch die Lohnarbeit produzierten Mehrwert enthalten ist, zu reproduzieren. Das Kapital ist also ein unpersönliches und scheinbar automatisches gesellschaftliches Verhältnis (das sich aber in Realität aus der abstrakten Arbeit als gesellschaftlicher Substanz speist, was den Antagonismus zwischen Kapital und Proletariat zentral macht), das in seinen verschiedenen gesellschaftlichen Metamorphosen in den gesamten Bereich der alten vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen eindringt und diese rekonstruiert. Dies ist nicht der richtige Ort, um sich mit einer detaillierten und tiefgreifenden Erklärung aufzuhalten. Es ist wichtig zu verstehen, dass das Kapital nicht etwas Ökonomisches ist, sondern das soziale Verhältnis, das in seinen Metamorphosen die soziale Totalität der Moderne konfiguriert, die die soziale Welt trennt und mit den vorkapitalistischen Gemeinschaften, der privaten und der öffentlichen Welt, der Ökonomie und der Politik, die Arbeitswelt des Staatsbürgers bricht, und so weiter. In gleicher Weise formt es nach seinem Bild und Gleichnis, nach der abstrakten Logik des Geldes und des Tausches, das Patriarchat vorkapitalistischer Gesellschaften (dieses kann nicht verstanden werden, außerhalb des Rahmens des Kapitals, wenn man nicht weiß, wie das Kapital es geformt hat, und dieses Unverständnis ist eine der theoretischen Erklärungen für die sozialdemokratischen Grenzen des gesamten Feminismus) oder die rassifizierten Spaltungen der kapitalistischen Moderne. Man kann die Sklavenunterdrückung der kapitalistischen Moderne nicht verstehen, ohne sich mit dem Dreieckshandel zwischen den verschiedenen Regionen des Kapitals seit dem 16. Jahrhundert zu befassen.

Das Kapital erscheint uns dann als ein einziges, aber differenziertes Ganzes. Natürlich negieren wir nicht die Besonderheit der patriarchalischen Herrschaft oder des typisch kapitalistischen Rassismus. Wir weigern (A.d.Ü., im Form einer Negation) uns jedoch zu akzeptieren, dass diese Teile vom Ganzen getrennt werden können. Getrennt sind sie unverständlich. Die Summe der Teile ist nicht gleich dem Produkt. Und das ist es, was allen postmodernen Theoretikern mit ihrer Besessenheit von rassifizierten, neokolonialen und genderspezifischen Studien widerfährt… Sie sind nicht in der Lage, die Realität von Herrschaft und Ausbeutung, die uns ergreift, theoretisch wiederherzustellen. Sie können nur eine leblose Leiche rekonstruieren, die nur in ihren Köpfen existiert.

Die unpersönliche und halbautomatische Brutalität der Herrschaft des Kapitals wird so auf eine bloße Frage des Privilegs reduziert. Ich als weißer cisgender Arbeiter habe mehr Privilegien als die weiße cisgender Arbeiterin, die angesichts einer weißen lesbischen Frau schweigen muss, die aber ihrerseits Privilegien gegenüber einer rassifizierten arabischen Frau aufrechterhält… Und so weiter in einem absurden und ohnmächtigen Spiel mit Matroschkapuppen.

Die zwanghafte Parteilichkeit/Voreingenommenheit dieses mentalen Mechanismus ist nicht in der Lage, die Gesamtheit des Kapitals zu verstehen und zu verändern. Wie wir zu Beginn unseres Textes sagten, handelt es sich dabei um eine im Wesentlichen pessimistische Auffassung, die nicht an die Möglichkeit einer totalen Veränderung glaubt. Sie sind gegen große Erzählungen, Utopien existieren nicht mehr, die Welt kann nicht global verändert werden, also muss man im Kleinen handeln, durch Mikropolitik, kleine Geschichten, kleine Erzählungen, kleine körperliche Erzählungen. Sind sie wirklich davon überzeugt, dass es möglich ist, das kapitalistische System nur in einem Teil der Welt zu verändern? In Realität haben sie diesen Anspruch schon lange aufgegeben. Darüber hinaus wird der Kapitalismus auf ein Privileg unter anderen, den Klassismus, reduziert, wodurch er zu einer weiteren Unterdrückung unter anderen wie Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit usw. verwandelt wird.

Auf diese Weise ist das Kapital allmächtig. Das Einzige, was man tun kann, ist, sich der Macht zu widersetzen, einer Macht, die durch ihre Normen konfiguriert ist und gegen die man sich wehrt, indem man sie durch Identitätsdiskurse herausfordert: das Geschlecht zu ändern, alles in Worten zu untergraben, damit sich nichts Substantielles und Reales ändert, weil es in Realität, von den Voraussetzungen her, unmöglich ist.

Haben die Postmodernen irgendeine Vorstellung von Emanzipation, einen Ort, an den sie gehen wollen? Sie kritisieren alles, aber was streben sie an? Wahrscheinlich streben sie nicht danach, irgendwo anzukommen, sondern wollen einfach nur die Möglichkeit haben, Situationen zu wählen. Sie scheinen darauf zu warten, dass die neue Unterdrückung entdeckt wird, und das Radikalste ist, die Kritik des letzten Philosophen an der Universität zu kritisieren. Die Postmoderne ist ein Abdriften in fließende Fragen, in denen man sich selbst dekonstruiert und entmaterialisiert erscheint, ohne überhaupt zu wissen, wie man in diese Welt gekommen ist oder ob es überhaupt eine gibt. Es gibt keine Wahrheit, auf die man sich stützen könnte. Wenn es darum geht, gegen den Strom zu schwimmen, nur um gegen den Strom zu schwimmen, ergibt das keinen Sinn, denn es gibt keinen festen Boden, auf dem man stehen kann; Worte und Realität müssen übereinstimmen, sonst ist es ein leerer Diskurs. Sie nennen sich selbst Radikale, aber dadurch, dass sie sich so nennen, sind sie nicht plötzlich radikal.

5. Eine nominalistische Ideologie

Wie wir bereits gesagt haben, ist für die Postmodernen die Realität das, was gesagt wird. Die Postmodernen leben in einer kulturellen und sprachlichen Hypertrophie. Der Mensch ist ein unbeschriebenes Blatt, das von der Kultur des jeweiligen Ortes und von sprachlichen Diskursen geprägt ist. Die idealistische Musik dieses Liedes dürfte uns inzwischen vertraut sein.

Für unsere Postmodernen ist die Realität, die wir bewohnen, im Grunde aus der Welt der Ideen oder dem berühmten „Ich denke, also bin ich“ abgeleitet, sogar aus der Welt, die durch die Idee Gottes geschaffen wurde. Sie sind gar nicht so weit von der Vorstellung entfernt, dass die Natur durch unsere Sprache geschaffen wird. Für die Postmodernen ist alles Sprache, alles ist kulturell. Die Realität wird durch Sprache und Kultur konstruiert, oder vielleicht sollte man sagen, erschaffen: Realität ist das, was gesagt wird. Auf diese Weise werden wir dazu gebracht, an allem Materiellen zu zweifeln, wir werden sogar dazu gebracht, daran zu zweifeln, ob Hormone und Geschlecht etwas mit dem Mann- oder Frausein zu tun haben, wir werden dazu gebracht, so sehr an der Materie zu zweifeln, dass wir uns fragen, ob wir vielleicht morgen als Kängurus aufwachen werden. Es wird uns immer wieder gesagt, dass die Natur durch unsere Sprache geschaffen wird, aber nur weil der Mensch in die entlegensten Winkel der Welt vorgedrungen ist und das Wachstum und die Verbreitung von Pflanzen rund um den Globus beeinflusst hat, bedeutet das nicht, dass wir die Natur erschaffen haben.

Da alles Sprache ist, hängt alles von der Subjektivität des Individuums ab. Die Postmoderne ist der typische Ausdruck der Anthropologie des Kapitals, seines Individualismus und seiner Trennung. Alles ist eine Repräsentation, daher gibt es keine Realität und alles ist subjektiv. Was ist dann die materielle Realität? Was ist es, Hunger zu haben, Schmerz zu empfinden, sind das nicht Dinge, die wir alle fühlen?

Wie man sieht, handelt es sich um eine merkwürdige Ideologie, die sich zwar auf der einen Seite als materialistisch bezeichnet, in Realität aber mit idealistischen Grundlagen gespickt ist. Eine Konzeption, die den Schwerpunkt des Interesses vom Kapital als gesellschaftliches Gesamtverhältnis (das sich daher nicht auf etwas Ökonomisches reduzieren lässt, wie Marxisten und Postmoderne mit dem gleichen Glauben glauben) auf Sexualität und Sprache verlagert. Und zwar nicht, weil Sexualität nicht ein enorm wichtiger Aspekt des Nachdenkens über die menschliche Befreiung unter der Ägide von Klassengesellschaften ist, sondern weil die Vorstellung von Sexualität als einer Substanz, die von einer globaleren Dynamik getrennt ist, sie zu einer toten Substanz macht, die vom Kapital performativ geformt wird. Genau das passiert mit den Protagonisten unseres Feuilletons. Und was ist von einer selbstreferentiellen Konzeption der Sprache zu halten, die, anstatt offen und in ständiger Kommunikation mit der Welt und unserer Praxis in ihr zu sein, uns von ihr distanziert und trennt und sie dann neu erschafft. Am Anfang war das Wort4, heißt es in der biblischen Genesis, und das Gleiche wird von unseren Postmodernen wiederholt. Ihre theoretischen Grundlagen sind, wie die der kapitalistischen Moderne, weitgehend scholastisch, und sie findet ihre Bezüge in Nominalisten wie Ockham und Formalisten wie Scotus, wie einige von ihnen, etwas bewusster, wie Deleuze selbst, erkannt haben.

6. Gender, Rasse… Klasse?

Wir haben bereits über das berühmte Triptychon „Gender, Rasse, Klasse“ als getrennte Elemente gesprochen, die a priori keine Beziehung zueinander haben und erst a posteriori durch weise intersektionalistische Akademiker miteinander verbunden werden. Ein solcher Dreiklang ist für Katholiken so etwas wie die Heilige Dreifaltigkeit, eine Glaubenssache, die nicht in Frage gestellt werden darf, wenn man nicht aus der akademischen und politisch korrekten linken Kirche (in all ihren Versionen, einschließlich der „anarchistischen“) exkommuniziert werden will. In Realität hat die Postmoderne auf der Ebene des politischen Aktivismus viel vom Post-Mostalinismus, wie wir bereits vorausgesehen haben. Aus diesem Dreiklang ergeben sich viele andere Unterdrückungen (Fronten, die sich auftun): Speziesismus, Ableismus, Fettaktivismus usw. Es ist wichtig, in diesem endlosen Spiel von Privilegien und Gegenprivilegien keinen von ihnen zu vergessen.

Gender

Zunächst ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir uns um die Existenz intersexueller Menschen bewusst sind, die über Geschlechtsorgane, die zwischen männlich und weiblich liegen, sowie über Hormone verfügen. Wir sind jedoch nicht der Meinung, dass der kleine Prozentsatz dieser Menschen den Maßstab der Reflexion diktieren sollte, der bereits typisch postmodern ist und die Ränder zum Zentrum der Theorie macht. Die postmodernen Gendertheorien werden vom Feminismus der dritten Welle angeführt.

Es ist eine Tatsache, dass die Gesellschaft uns als Männer und Frauen stereotypisiert – man muss sich nur die Werbung und Filme ansehen, um das zu erkennen. Ändert sich dieses Stereotyp im Laufe der Zeit? Ja. Gibt es unterschiedliche Arten, ein Mann und eine Frau zu sein, gibt es unterschiedliche Sitten? Ja. Kann man aufhören, ein Mann oder eine Frau zu sein, weil man dies anders nennt? Nein, männlich und weiblich zu sein ist keine Identität, es ist ein materieller Faktor, es ist auf untrennbare Weise eine biologische, kulturelle, soziale und historische Realität.

Monique Wittigs Heterosexuelles Denken und andere Schriften ist ein klares Beispiel dafür, was die Postmoderne ist. Ein Text, der davon ausgeht, dass Lesben keine Frauen sind. Lesbische Frauen sind keine Frauen, sie sind Deserteure ihres Genders?, weil sie lesbisch sind. Sie sind keine Dienerinnen der Männer, deshalb sind sie Rebellinnen. Dies ist ein Beispiel für einen falschen revolutionären Diskurs, der von der Benutzung von Identität und Parteilichkeit/Befangenheit ausgeht, um eine Gruppe von Frauen durch ihre Praktiken zu „vereinen“. Erneut führt dies zu einer individuellen Lösung des Problems, das, wie wir bereits sagten, die liberale Ideologie des Kapitalismus reproduziert: „Eine Lesbe zu sein bedeutet, andere Welten zu erschaffen, es bedeutet, neue Realitäten zu gestalten“.

Wie lässt sich der Übergang von der Forderung von universellen Rechten („Wir die Frauen“) zu einer Theorie des Diskurses und der Machtnormen erklären, die so weit geht, dass sie die Begriffe „Frau“ und „menschliche Natur“ selbst in Frage stellt? In ihrem Cyborg-Manifest bietet Donna Haraway in ihrem charakteristischen poetisch-delirischen Stil eine synthetische Darstellung dieser Entwicklung: „Wenn man erst einmal mit großer Anstrengung erkannt hat, dass sie sozial und historisch bedingt sind, können weder Gender, Rasse noch soziale Klasse eine Grundlage für den Glauben an eine „wesentliche“ Einheit bieten. Das „Frausein“ hat nichts mit einer natürlichen Bindung zwischen Frauen zu tun. Denn es gibt nicht einmal so etwas wie ein Frau-„sein“, eine Kategorie, die selbst äußerst komplex ist und in wissenschaftlichen Diskursen konstruiert wurde, die selbst kontrovers sind“ (Donna J. Haraway, The Cyborg Manifesto).

(„La ofensiva de los estudios de género“. „Die Offensive der Genderforschung“, Cul de Sac)

Die Unterdrückung der Frauen ist zweifellos sozialer Natur (das, was die akademischen Modestudien als Gender bezeichnen), aber sie werden als Frauen unterdrückt, was die Art des Körpers impliziert, den sie haben. Und das ist es, was diese postmodernen Vorstellungen von der pathologischen Angst unterscheidet, die sie vor allem haben, was biologisch, natürlich klingt (Trennung zwischen Geschlecht und Gender). Die Kontrolle des Körpers, der Sexualität, der Fähigkeit, Leben zu schenken und Kinder großzuziehen, ist die natürliche Grundlage, auf der das Patriarchat historisch und in allen Formen, die es angenommen hat, konfiguriert worden ist. Um die Entstehung und die Realität der patriarchalischen Unterdrückung der Frau zu verstehen, ist es daher unerlässlich, sich vom postmodernen Dualismus zu lösen, der das Biologische vom Kulturellen trennt und Ersteres faktisch auf Letzteres reduziert und damit die typische idealistische Reduzierung des Körpers auf die Seele betreibt. Um es deutlicher zu sagen: Für die Postmodernen ist die kulturelle Form das Wichtige, der physische und biologische Körper ist nur ein Epiphänomen des Willens. Für uns ist es von fundamentaler Bedeutung, diese Trennung abzulehnen. Körper und Geist, materielles Leben und Kultur können nicht als unabhängige Substanzen verstanden werden. Es ist die biologische und unveränderliche Realität der Frauen über die Jahrtausende und die verschiedenen Kulturen hinweg, die ein gemeinsames Substrat bildet, das in einigen Fällen als positiver sozialer und gemeinschaftlicher Prius wirkt (man denke an die kommunistischen Gesellschaften des Paläolithikums oder Neolithikums) und in anderen Fällen als Motiv für Streit und Unterdrückung, mit der Entwicklung patriarchalischer, klassistischer und etatistischer Gesellschaften. Diese komplexe Verflechtung von natürlichen und sozialen Aspekten hat im Laufe der Menschheitsgeschichte zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Formen des Frauseins geführt. Aber die Vielfalt der Formen leugnet nicht die Tatsache eines gemeinsamen Frauseins, so wie auch die Vielfalt der Kulturen, in denen wir Menschen gelebt haben, nicht unser gemeinsames Menschsein leugnet.

In Realität arbeitet das postmoderne Denken mit sehr einfachen und dichotomen Binomien. Da „Gender“ im Laufe der Menschheitsgeschichte auf vielfältige Weise dargestellt und gelebt wird, leiten sie daraus ab, dass Frausein dekonstruiert werden und als Kategorie verschwinden kann. Aber eine Frau zu sein ist viel mehr als eine Kategorie, genauso wie das Menschsein. In Realität ist die gesamte postmoderne „Gender“-Theorie, ausgehend von Butlers „verfeinerter“ Vision, eine Form des „sozialen Konstruktivismus“, der von den Foucaultschen Theorien geerbt wurde und der schwere materielle Realitäten auf bloße diskursive Aussagen reduziert: Der Arzt mit seinem Machtinstrument ist derjenige, der das Gendersystem anordnet, wenn er verkündet, dass du ein Junge bist und du ein Mädchen bist, so Butler.

Rasse

Der Kapitalismus ist rassistisch, weil er eine Identität auf der Grundlage der Nation konstruiert: Die „Rasse“ ist, anders als das, was wir vorhin über das Mann- und Frausein erklärt haben, kein materieller Faktor im biologischen Sinne. Vielmehr handelt es sich um eine Fetischisierung einer Reihe von physiognomischen Merkmalen (Hautfarbe, Gesichts- oder Haarform usw.), um Ähnlichkeitsgruppen zu bilden, auf deren Grundlage eine national-rassische Hierarchie durchgesetzt werden kann. Das Hauptziel dieser Hierarchie ist das aller Nationalismen: die Spaltung des Proletariats, um es besser ausbeuten zu können. Die historische Rolle des Rassismus macht dies deutlich: siehe beispielsweise den Aufstand des schwarzen und weißen Proletariats in den Vereinigten Staaten Ende des 18. Jahrhunderts und die darauf folgende staatliche Politik der Rassentrennung, die mit der Entwicklung der weißen Demokratie einherging.

Diese Rolle wird jedoch allzu leicht vergessen, um zu behaupten, dass die „Rasse“ eine eigenständige und unassimilierbare Achse der Unterdrückung durch die Klasse ist. Auf diese Weise werden Rasse und Klasse als getrennte, sich intersektionalisierende Substanzen verstanden, in derselben forensischen Logik, wie wir bereits oben dargestellt haben. Das Rassifizieren ist also der Teil der Postmoderne, der die national-rassische Gruppe über alle Klassenüberlegungen stellt.

Ein großes Problem mit rassifizierenden Ideen ist, dass sie dazu führen, Kultur und Geschichte über alles andere zu verteidigen, unabhängig davon, ob diese machistisch sind oder die Klassenherrschaft reproduzieren. Auf diese Weise werden auf die Figur des Atahualpa oder die Rolle der Religionen ungeachtet der schrecklichen Ausbeutung, die von ihnen ausgeht, Bezug genommen. Die Rasse impliziert, wie wir sagen, das gleiche Spiel wie das der Nation, sie ist eine Rechtfertigung für die Ausbeutung des Proletariats, solange es „unsere“ Ausbeutung ist und nicht die einer anderen, stärkeren Bourgeoisie.

In diesem Teil erscheint es uns wichtig, kurz auf ein Buch einzugehen, das für seinen reaktionären Charakter symptomatisch ist. Es ist das Buch von Houria Boutedja: Die Weißen, die Juden und wir5. Ein Buch, das auch in „radikalisierten“ Kreisen hohe Wellen schlägt. In Wirklichkeit ist das Buch eine Sammlung stalinistischer Banalitäten, in denen der ranzige Arbeiterismus, die „antiimperialistische“ und „Anti-Yankee“-Logik der kommunistischen Parteien und des Marxismus-Leninismus verschiedener Schattierungen in einem Sinne sozialer Rasse umgewandelt wird. Was immer meine Rasse tut, ist im Kampf gegen andere Rassen in Ordnung. Wenn Ahmadinejad sagt, dass es im Iran in Realität keine Homosexuellen gibt, müssen wir ihn bewundern, denn er dekonstruiert die Logik des Imperiums und der Vereinigten Staaten, wenn er sagt, dass er nicht foltert. Meine Freunde sind meine Freunde, und man muss bis zum Ende zu ihnen halten, und Freundschaft ist eine Frage der Rasse. Die Logik des geringeren Übels ist beständig. Diejenigen, die es wagen, das Venezuela von Chávez und Maduro zu kritisieren, sind nichts anderes als Weiße, die sich als Dekolonialisten verkleiden… In einer „liebenden Logik“ (Zu einer Politik der revolutionären Liebe lautet der Untertitel dieses Textes) schlägt sie auch eine Allianz zwischen Juden und nicht-rassifizierten Weißen vor (vergessen wir nicht, dass die Welt vor allem aus Rassen konstruiert ist), da es zunächst darum geht, autonome rassifizierte Bewegungen aufzubauen, wonach eine Allianz mit der weißen Linken möglich sein wird. In Realität ist die scheinbare Radikalität des Diskurses lediglich eine postmoderne Version des sozialdemokratischen Volksfrontdiskurses alten Stils. Es ist notwendig, die eigene Macht zu akkumulieren, um eine Integration in die kapitalistische Gesellschaft auszuhandeln, eine Gesellschaft, die kaum erwähnt wird, und wenn, dann nur, um sie als ein bloßes Epiphänomen der westlichen Zivilisation zu betrachten. In reinster postmoderner Manier folgt die Materialität auf die Ideen.

Kurzum, das Buch ist, wie gesagt, nichts anderes als eine Ansammlung von Gemeinplätzen, die an das Schlimmste der bourgeoisen nationalen Befreiungsbewegungen, mit stalinistischem Charakter, der sechziger und siebziger Jahre erinnern, gewürzt mit religiösen und homophoben Parolen und einem Verständnis für den eigenen Machismus, weil es der Machismus der Eigenen ist. Natürlich ist es besser, nicht darüber zu sprechen, dass es in den von ihnen geliebten Gemeinschaften Klassengrenzen gibt, die sie spalten. Kurz gesagt, die Rassifizierung ist eine Ideologie, die objektiv im Dienste des Kapitals steht und versucht, uns als Proletariat, als eine einzige, globale Klasse zu spalten und zu fragmentieren.

Klasse?

Die Postmodernen haben nichts als eine naive Vorstellung von Klasse. Von den drei Begriffen ist dies derjenige, in dem die Postmoderne ihre Kontinuität mit der Moderne, mit dem bourgeoisen Fortschrittsdenken, am deutlichsten zeigt, ob es ihnen gefällt oder nicht. Ihr Klassenbegriff ist nichts anderes als der soziologische Begriff der Klasse, derselbe wie der der klassischen Sozialdemokratie und des Leninismus. Eine andere Sache wäre es, zu untersuchen, wie sie letztlich zwischen diesen alten Kleidern und neu abgestimmten Binomien oszilliert, die noch mehr zur Verwirrung beitragen: Eliten/Leute (Podemos), Integrierte/Marginalisierte (Insurrektionalismus), usw.

Darüber hinaus wird in den naivsten Versionen der Postmoderne die Klasse auf eine bloße Frage des Status, des Privilegs reduziert, wobei jegliche strukturelle Realität aus den Augen verloren wird, was an die traditionelleren Ansichten der bourgeoisen Soziologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, erinnert. Diese Vision ist gleichzeitig mit einer Kritik des Klassismus verbunden, die sich mit einer verächtlichen Sicht auf die armen Proletarier vermischt. Unfähig, die materiellen Grundlagen unserer Gesellschaft auch nur annähernd zu erfassen, reduzieren sie alles auf eine Form der Kultur, der Wahrnehmung der Welt, des In-der-Welt-Seins durch einen Diskurs. Auf diese Weise wird das Proletariersein auf das diskursive Spiel reduziert, mit dem wir Proletarier zu Macarras, Chonis oder Chavs6 gemacht werden. Die Vorstellung, dass wir eine materielle Klasse sind, die darum kämpft, sich zu behaupten und diese Welt zu zerstören, kommt diesen bourgeoisen Akademikern nicht in den Sinn. Dennoch sollten sie sich vorsehen, denn die Metaerzählung lauert immer.

7. Der Kommunismus und die Anarchie als reale Bewegung

Nachdem wir die postmoderne heilige Dreifaltigkeit (Gender, Rasse und Klasse) durchgegangen sind, müssen wir noch weitere Kritikpunkte anbringen. Die Trilogie kann in eine faktorielle Unendlichkeit von Kämpfen und Konflikten umgewandelt werden, von denen jeder seine eigene Parteilichkeit/Voreingenommenheit hat (speziesistisch, vegan, usw.). Für uns sind Kommunismus und Anarchie von Anfang an eine totale Bewegung. Die Tatsache, dass er immer irgendwo und von einem unmittelbaren Konflikt ausgeht, negiert nicht seine globale und historische Verallgemeinerung. Die Postmodernen neigen dazu, diese reale Bewegung zu negieren, indem sie die Einheit zwischen dem Unmittelbaren und dem Globalen, dem Partikularen und dem Universellen aufbrechen, um sie a posteriori auf eine tote Weise zu rekonstruieren. So wird die feministische Rekonstruktion zu einer Verteidigung der Gleichstellung von Rechten im Kapitalismus; die rassifizierende zu einer Verteidigung der Integration und Anerkennung zwischen den verschiedenen „Rassen“; der Kampf der Arbeiter zu einer Forderung an das Kapital, einen Teil der Einkommenspyramide zu verteilen… Insofern jeder unmittelbare Kampf von einer globalen Perspektive der Überwindung dieser Welt getrennt ist, ist jede Parteilichkeit/Befangenheit eine reformistische Parteilichkeit/Befangenheit und so auch ihre Summe. Und damit das klar ist: Wir sprechen nicht von idealen Perspektiven oder bloßen Prinzipien, es sind unsere realen Bedürfnisse als Proletarier, die uns dazu bringen, uns mit dieser Welt global und aus jeder unserer Unmittelbarkeiten heraus zu konfrontieren.

Es liegt auf der Hand, dass der Rassismus, ebenso wie das Patriarchat, unsere Klasse spaltet und fragmentiert und ein eindeutiger Faktor/Agent bei der Reproduktion der Welt des Kapitals ist. Was wir ständig und unabänderlich bekräftigen, ist, dass es nur in einem einheitlichen Prozess der Konstituierung des Proletariats als Klasse, als historische Kraft, möglich sein wird, diese Spaltungen real und materiell zu überwinden, die unsere Klasse frakturieren und unsere Konstituierung als Partei zur Zerstörung des Kapitals und des Staates verhindern. Der Kommunismus ist eine reale und einheitliche Bewegung, die von menschlichen Bedürfnissen ausgeht und von dort aus Spaltungen und Fragmentierungen überwindet. Er ist nicht das Ergebnis von Allianzen und der Summe verschiedener Parteilichkeiten/Voreingenommenheiten, die miteinander verhandeln und eine Intersektion bilden. Nur das Proletariat kann dem Kapital ein Ende setzen, indem es sich selbst als Klasse negiert, denn es ist das verborgene Geheimnis des Kapitals, das offenbart, dass das Kapital keine natürliche Realität, sondern eine gesellschaftliche Substanz ist. Die Klasse ist jedoch kein soziologisches Faktum, sondern eine kollektive, partikuläre Konstitution als historische Kraft, und um eine solche zu sein, muss sie mit allen Spaltungen brechen, die sie binden (nationale, rassisch, patriarchalisch…). Das Proletariat ist eine Klasse, das keine Klasse ist, und in seiner realen Bewegung zum Kommunismus drückt es die Macht aus, nicht nur die Klassengesellschaft zu eliminieren, sondern auch die Vielzahl der Unterdrückungen, die das Kapital mit sich selbst reproduziert.

Rassische Unterdrückung, sexuelle Unterdrückung, Umweltzerstörung,… gab es in allen Klassengesellschaften, aber nie erreichte sie ein so systemisches und gigantisches Ausmaß wie im Kapitalismus und vor allem mit dem Fortschritt der kapitalistischen Zivilisation in ihrer gegenwärtigen Phase. Nur ein globaler Kampf kann die Grundlage zerstören, die sowohl die Entfremdung des Menschen als auch die ganze Palette der unmenschlichen Erscheinungsformen und Grausamkeiten der kapitalistischen Gesellschaftsbeziehungen reduziert. Nur eine soziale Klasse – das Proletariat – enthält in ihrem Wesen ein solches Projekt und seine Verwirklichung – die kommunistische Revolution. Im Gegenteil, die Liquidierung des Kampfes durch seine Parteilichkeit/Voreingenommenheit und die Schaffung spezifischer Bewegungen, die darauf abzielen, eines dieser getrennten Probleme zu verringern oder zu lösen, ohne daher in der Lage zu sein, ihre gemeinsame und tiefgreifende Ursache (Feminismus, Antirassismus, Ökologismus,…) mit unabänderlichen zusätzlichen Versuchen, das System anzupassen, zu verbessern, zu reparieren und somit die Diktatur des Kapitals zu verstärken, anzugreifen. Praktisch dienten und dienen diese Bewegungen nur dazu, die revolutionäre Energie des Proletariats abzulenken, die Mechanismen der Herrschaft und Unterdrückung zu verbessern und die Ausbeutungsrate des Proletariats noch zu erhöhen.“

(Thesen zur programmatischen Orientierung, Internationalistische Kommunistische Gruppe)

 

Wir hoffen, auf diesen Seiten einen Teil der in vielen Kreisen herrschenden Verwirrung zu diesen Fragen geklärt zu haben, so dass sie vor allem dazu dienen, gegenwärtige und künftige Debatten, Diskussionen und Klarstellungen zu speisen.

 

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Rülpser der Postmoderne

„Die modernen [ökonomischen] Verträge sind nichts anderes als linguistische Formen; wenn ein Vertrag in irgendeiner Weise manipuliert wird, kann man sagen, dass die Sprache manipuliert wird.“

„Statt von Ideologie spreche ich lieber immer von Subjektivierung, von der Produktion von Subjektivität.“

„Das Subjekt ist nach einer ganzen Tradition der Philosophie und der Humanwissenschaften etwas, das wir als être-là vorfinden, etwas im Besitz einer angenommenen menschlichen Natur. Ich schlage im Gegenteil die Idee einer Subjektivität industrieller, maschineller Natur vor, die im Wesentlichen hergestellt, modelliert, rezipiert und konsumiert wird“.

„Aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit verpfändet das Queere permanent das für selbstverständlich Gehaltene und bekräftigt seine Identität auf der Grundlage von Unterschieden und wechselnden Aspekten, die durch die Begriffe Klasse, Gender, Rasse und Geschlecht artikuliert werden. So verstehe ich das Queere als eine anti-assimilatorische, politisch aktive und ständig sich selbst hinterfragende Haltung…“.

„In einem Womanist-Raum kann ich schwarze Frauen und andere Frauen aus anderen Kulturen aufwerten, denn in diesem Paradigma werde ich anerkannt. Ich werde aufgrund meiner dunklen Hautfarbe und meines Frauendaseins als Teil davon anerkannt. Ich als schwarze Frau kann mich in einem Raum entfalten, in dem meine Vitalität nicht übersehen, ignoriert und abgetan wird.
Mit meiner eigenen Selbstbestätigung brauche ich keinen Feminismus (intersektional oder nicht), um meine Beteiligung oder meinen Wert oder den Wert anderer Frauen im Kampf für rassische und genderbezogene Gleichheit zu definieren.

Kurz gesagt: komm mir nicht mit dem Feminismus. Ich muss nicht so sein wie ihr, um mich für die Rechte und Möglichkeiten der Frauen einzusetzen“.

„Diese weiße universalistische Sicht auf die ganze Welt […] ist Teil dieser weißen Vorherrschaft, die alles definiert und alles universalisiert“.

 

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1A.d.Ü., ein Wortspiel, oder Neologismus zwischen Postmoderne (Post-Mo) und Stalinismus, also Post-Mostalinismus.

2Im letzten Abschnitt des Textes erklären wir, was wir unter Klasse oder Partei verstehen, wir empfehlen auch den Text von Comunismo #65: ¿Proletario yo?

3Der Marxismus ist eine sozialdemokratische Rekuperation von Marx, die versucht, das Proletariat in das Kapital zu integrieren. Sie ist die Partei der Arbeit im Kapital. Im Gegenteil, der Kommunismus ist die reale Bewegung, die für die Durchsetzung der menschlichen Bedürfnisse des Proletariats durch die Abschaffung des Wertes, der Klassen und des Staates kämpft. Marx war ein herausragender Militanter unserer Partei, aber wie er selbst sagte: „Ich bin kein Marxist“.

4A.d.Ü., auf spanisch fängt die Bibel anders an, nämlich „Am Anfang war das Verb“.

5A.d.Ü., unseres Wissen nach gibt es dieses Buch nicht auf Deutsch, hier der Originaltitel: „Les Blancs, les Juifs et nous – Vers une politique de l’amour révolutionnaire“ („Die Weißen, die Juden und wir – Zu einer Politik der revolutionären Liebe“)

6A.d.Ü., Macarras und Chonis sind Bezeichnungen für das, was im Allgemeinen im deutschsprachigen Raum als Prolos und Halbstarke nennt, wobei Choni die weibliche Definition ist, die eine „gewisse“ Affinität und Neigung zum „halbkriminellen“ Leben haben. In der Regel Jugendliche aus proletarischen und marginalisierten Stadtteilen und Vororten. Chavs ist ungefähr dasselbe, nur halt auf Englisch.

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