Invasion in der Ukraine, lose/lockere Meinungen.

Gefunden auf panfletos subversivos, die Übersetzung ist von uns

Invasion in der Ukraine, lose/lockere Meinungen.

Montag, 28. Februar 2022

Pablo Jiménez
genommen von Asedio

Die Welt wird von einem Gespenst heimgesucht, dem Gespenst des internationalen Krieges. Alle zentralen Mächte des Weltkapitalismus entscheiden über ihre Zukunft auf der Grundlage der Vorbereitung auf einen militärischen Konflikt, der trotz des beruhigenden Tons verschiedener internationaler Analysten durch das Wettrüsten der verschiedenen Blöcke kapitalistischer Mächte, die sich in den letzten Jahrzehnten der globalen Entwicklung des Kapitalismus gebildet haben, widerlegt wird.

Seit dem Fall des als UdSSR bekannten Regimes der verzögerten kapitalistischen Modernisierung waren militärische Konflikte ein integraler Bestandteil der ungleichen und konfliktreichen Entwicklung des globalen Kapitalismus nach dem Kalten Krieg – entgegen der These, die mit dem Sieg des westlichen Kapitalismus auf der internationalen Bühne ein ruhiges und friedliches Ende der Geschichte vorhersagte: Jugoslawien, Kosovo, Irak, Afghanistan, Syrien, Libyen, um nur einige zu nennen, ganz zu schweigen von den permanenten militärischen Konflikten in bestimmten Sektoren des afrikanischen Kontinents, die ihren Ursprung direkt in der Auseinandersetzung des internationalen Kapitals um die Territorien und natürlichen Ressourcen der Region haben. In diesem Sinne könnte man sagen, dass dieser permanente militärische Konflikt der verschiedenen kapitalistischen Mächte untereinander und auch der lokalen Nationen, die den Kriegsschauplatz für globale Interessen bilden, ein Moment oder eine Dimension des Zusammenbruchs des Modernisierungsprozesses des Weltkapitalismus zu einem Zeitpunkt ist, an dem er zunehmend an seine absolute innere Grenze stößt. In der Tat befindet sich die kapitalistische Zivilisation heute in einer allgemeinen Krise, in der die Krise der Arbeit, die Massenarbeitslosigkeit, die psychische Verwüstung und die Krise des modernen Subjekts, das ökologische Debakel – dessen Produkt und Faktor die Coronavirus-Pandemie ist -, die Beschleunigung des technologischen Wandels, die sozialen Revolten in Ländern auf verschiedenen Kontinenten und die Entfesselung eines globalen Ausnahmezustands, der sich heute in einem offenen militärischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine äußert, alle gleichzeitig zusammenkommen.

Warum marschiert Russland in die Ukraine ein? Zunächst einmal ist es ein strategischer Schachzug des russischen Imperialismus angesichts des Vormarsches des NATO-USA-Blocks nach Osten. In den letzten Jahrzehnten hat die wissenschaftliche und technologische Entwicklung der Rüstungsindustrie, zu der heute auch die fortgeschrittene Kybernetik und die Entwicklung virtueller Technologien im Dienste des militärisch-industriellen Komplexes gehören, neben anderen Fortschritten bei der Vernichtung von Menschen auch die Entwicklung von Hyperschallwaffen ermöglicht, die Atomsprengköpfe tragen können, Dies bedeutet, dass es für die Macht, die in diesem Bereich die Vorherrschaft erlangt, praktisch möglich geworden ist, einen verheerenden Nuklearangriff auf die kritische Infrastruktur – z.B. Raketenabschuss-Silos – der gegnerischen Macht zu starten, ohne einen Vergeltungsschlag gleichen Ausmaßes riskieren zu müssen, wodurch das Schema der gegenseitig zugesicherten Zerstörung (MAD), das während des Kalten Krieges vorherrschte, durchbrochen wird. Der mögliche Beitritt der Ukraine zum NATO-Militärblock und die damit verbundene Stationierung von Raketen auf dem ukrainischen Territorium ist also der unmittelbare Grund für den Konflikt. Die europäische politische und ökonomische Elite weint heute demokratische Krokodilstränen für die ukrainische Zivilbevölkerung, während sie in Wirklichkeit Schritt für Schritt diesen Konflikt vorbereitet hat, der diejenigen, die sie eigentlich verteidigen sollten, an vorderster Front in Gefahr bringt. Ebenso belügt Putin seit Wochen die ganze Welt, indem er erklärt, dass er unter keinen Umständen in die Ukraine einmarschieren wird, und dann eine groß angelegte Militäroffensive in diesem Land unter dem Vorwand vorbereitet, die russische Zivilbevölkerung in den selbsternannten Republiken Donezk und Luhansk zu schützen. Die Wahrheit liegt nicht in den öffentlichen Erklärungen einer der beiden Konfliktparteien, sondern in der Bewegung der materiellen ökonomischen, politischen und militärischen Kräfte, die die wahre Grundlage dieses Konflikts bilden.

Zweitens marschiert Russland in die Ukraine ein, nicht um sie militärisch und territorial zu besetzen wie beim deutschen Einmarsch in Polen 1939, sondern um die dortige NATO-freundliche Regierung zu stürzen und eine mit den russischen Interessen sympathisierende Regierung an deren Stelle zu setzen. Ein langwieriger Krieg würde auf beiden Seiten eine Reihe von Opfern fordern, was die ohnehin schon schwache Zustimmung Putins in der öffentlichen Meinung im eigenen Land weiter schwächen würde, und zwangsläufig die Tötung europäischer Zivilisten als Folge der Gebietsbesetzung nach sich ziehen. Wir wissen, wie die internationale Meinung funktioniert: Man kann im gesamten Nahen Osten und in Afrika ungestraft Menschen töten, aber man kann keine weißen europäischen Staatsbürger in großem Stil töten. Die wichtigen Toten sind die Toten der herrschenden Länder.

Zumindest in erster Linie ist es schwierig, auf Anhieb zu wissen, wie dieser Konflikt enden wird, denn er hat nicht in der Ukraine begonnen und wird keineswegs mit einem Waffenstillstand oder dem Sturz der ukrainischen Regierung enden. Wir befinden uns in einem globalen Konflikt, der sich lokal in der Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine manifestiert hat, der aber durchaus andere Mächte in den Konflikt hineinziehen und einen größeren Krieg auslösen könnte. Die internationale Bourgeoisie, die in den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts alle Skrupel verloren hat und durch Genozid und die Ausrottung ganzer Völker weltweit geprägt wurde, macht bekanntlich vor humanitären Gefühlen nicht halt, es sei denn, es ist gut fürs Geschäft. Eine internationale herrschende Klasse, die den gesamten Planeten der Kapitalakkumulation opfert, wird auch vor Millionen von Toten nicht Halt machen: Sie hat ihre Wahl längst getroffen, und jede Aktion, die sie international unternimmt, bestätigt sie.

Hinzu kommt die pro-russische Position Chinas in diesem Konflikt. Die beiden Mächte haben sich seit Jahrzehnten einander angenähert und bilden heute einen gemeinsamen ökonomischen und militärischen Block, der auf allen Ebenen mit dem westlichen Block und seinen Verbündeten in Asien und im Nahen Osten konkurriert. Das desintegrierte Denken unserer Zeit, das nur den Ereignissen hinterherlaufen kann, ohne sie jemals aus einer Gesamtperspektive zu erklären, ist heute vom Einmarsch Russlands in die Ukraine überrascht und vergisst den globalen Charakter dieses Konflikts, der sich bald auf dem asiatischen Kontinent offen manifestieren wird. Der Streit zwischen China, das auf dem Weg zur führenden kapitalistischen Weltmacht in allen Entwicklungsbereichen ist, und den westlichen Mächten, Taiwan, Japan, Indien und Australien in der asiatischen Region ist ein explosionsfähiges Pulverfass. Im Moment versuchen alle, Zeit zu gewinnen, Allianzen zu schließen, Kräfte zu mobilisieren und ihre Industrie zu entwickeln. Zwei Jahre globaler Pandemie haben die Ökonomien der Weltmächte hart getroffen – auch wenn sich der Reichtum in immer weniger Unternehmen konzentriert – und die steigende Inflation, die Unterbrechung der Versorgungsketten und die Zunahme sozialer Unruhen innerhalb der Grenzen jedes Landes zwingen jede nationale herrschende Klasse nicht nur dazu, sich mit den Problemen zu befassen, die sich aus dem globalen Wettbewerb ergeben, sondern auch dazu, eine zunehmend fragile Ordnung innerhalb ihrer eigenen Nationen aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang spielt die Förderung des Krieges und der Rüstungsindustrie eine Schlüsselrolle für den ökonomischen Aufschwung der Großmächte, was wiederum die verschiedenen kapitalistischen Mächte näher an einen globalen militärischen Konflikt heranführt, der nur die materielle und logische Folge des bereits zwischen ihnen tobenden globalen ökonomischen Konflikts wäre.

Delirium der Linken.

In den sozialen Netzwerken positioniert sich die chilenische Linke in diesem Konflikt zugunsten Russlands, das als antiimperialistische Macht gilt, die die leninistische Losung vom Selbstbestimmungsrecht der Völker verteidigt. Die Dummheit dieser Position und derjenigen, die sie heute vertreten, ist eklatant und würde kaum eine Erwähnung verdienen, wäre da nicht die Tatsache, dass diese Mystifizierung Teil einer wahnhaften Tendenz ist, die seit langem die Linke und insbesondere den Anarchismus parasitiert. Letztere erlebt in dieser Region ihre Dekadenz; die Bewegung hat größtenteils jede revolutionäre Perspektive verloren, ihre letzten realen und wertvollen Militanten, die angesichts der globalen Entwicklung der Ereignisse ernsthafte und revolutionäre Positionen aufrechterhalten, haben mit ansehen müssen, wie sich einige ihrer ehemaligen Gefährt*innen im Namen des Antifaschismus zunächst in die ranzigste Sozialdemokratie der chilenischen Linken gestürzt haben und dann an verschiedenen Fronten in den Wahnsinn abgedriftet sind: konspirative Positionen angesichts der Pandemie, die sich in nichts, außer in der Ästhetik und der liberalen Ideologie, von denen der Neorechten unterscheiden; Antifaschismus, der offen jede einzelne der demokratischen Errungenschaften der Revolte unterstützt; und jetzt sind viele zu einer Art „Anarcho-Putinismus“ oder, in anderen Fällen, zur Unterstützung einer der Konfliktparteien übergegangen. Eine lobende Erwähnung gebührt den Antifaschisten und pro-russischen „Tankies“, die in Putin die Wiederbelebung der UdSSR zu sehen glauben und die zum x-ten Mal zeigen, dass sie weder verstanden haben noch jemals verstehen werden, worin der Kapitalismus oder seine gepriesene revolutionäre Praxis besteht. Sie gehören zu den Mächten der Barbarei, auch wenn sie glauben, dass sie gegen das Schlimmste der Menschheit kämpfen. Natürlich würde das Delirium dieser Leute in den sozialen Netzwerken Putin oder jeden anderen völkermordenden Staatschef zum Lachen bringen, und wir erwähnen es hier nur, um ein Delirium, das in der chilenischen Linken auf dem Vormarsch ist und das für die Entwicklung jeder echten sozialen Emanzipationsbewegung gefährlich ist, nicht im Dunkeln zu lassen. Angesichts dieses Deliriums, das den Tod der revolutionären Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts zum Ausdruck bringt, bleibt nichts anderes übrig, als die Fahne eines neuen Paradigmas der sozialen und territorialen Emanzipation hochzuhalten, das alle Kämpfe mit revolutionärem Potenzial in seine Bewegung integriert und dessen Achse die radikale Kritik des Kapitals als historische Produktionsweise und als Form der Vergesellschaftung ist.

Was tun?

Angesichts dieser komplexen und schrecklichen Entwicklung des Modernisierungsprozesses bis in unsere Zeit, der eine Reihe von kritischen Momenten in sich vereint, die in dem gegenwärtigen Katastrophenszenario zusammenlaufen, wird die radikale Kritik an allem Bestehenden notwendig. Es wird uns, die wir die kommunistische Revolution bejahen, nichts nützen, außer vielleicht, um inmitten des Massendeliriums die Vernunft zu bewahren, den proletarischen Internationalismus in den sozialen Netzwerken zu proklamieren, wenn der Einzelne und die Massen sich durch die Entwicklung der kapitalistischen Vergesellschaftung erdrückt, isoliert und atomisiert finden, in „konformistische Rebellionen“ (Fenichel) getrieben, wie die fremdenfeindlichen Aggressionen im Norden der chilenischen Region, die mit dem aktualisierten Bewusstsein der Machtverhältnisse und der Ohnmacht sowie der Stellung des Einzelnen darin zusammenhängen, da sie es diesen enteigneten Massen ermöglichen, sich sowohl gegen diejenigen aufzulehnen, die eine soziale Position der Hilflosigkeit einnehmen – wie die Migranten – als auch gegen die gefügige Verstärkung der gegebenen sozialen Ordnung. Der gegenwärtige globale Kapitalismus – der nicht aufgehört hat, eine „Überflussgesellschaft“ zu sein – verlangt von den Individuen immer mehr Verzicht und Opfer, während das Maß an sozialer Integration, Anerkennung oder die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, das er ihnen im Gegenzug bietet, immer prekärer und fragiler wird. Angesichts dieser Verschärfung der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse nimmt die Suche nach Formen der Selbstbestätigung und Kompensation für den verletzten Narzissmus und vor allem das Bedürfnis nach Sündenböcken zu: Der oben kritisierte linke Wahn und das Aufkommen xenophober Bewegungen haben also dieselbe Logik.

Stärkung der Subjektivität, des von der kapitalistischen Vergesellschaftung erdrückten Selbst, radikale Kritik an der bestehenden Gesellschaft, radikale, d.h. an der Wurzel ansetzende Bekämpfung von Xenophobie (A.d.Ü., Fremdenfeindlichkeit) und allen anderen Ausdrucksformen des Elends, Bildung von Gemeinschaftsbanden und Stärkung der Freundschaftsbande zwischen den Menschen, Einbringung von Kritik, wo immer sie nötig ist, sind notwendige Prozesse für die Bildung einer größeren Emanzipationsbewegung, bis sich die auseinandergefallenen und noch nicht wieder zusammengekommenen Kräfte zu einer praktischen Kritik der krisengeschüttelten kapitalistischen Zivilisation aufraffen können, die heute mit einem Krieg im internationalen Maßstab droht.

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