Gefunden auf der Seite der Gruppe League of Internationalist Communists, die Übersetzung ist von uns, hier auch der Link einer der Texte auf Farsi.
Gegen Kriege im Nahen Osten – Für den Klassenkampf gegen alle Kapitalisten
[Anmerkung der Herausgeber: Wir veröffentlichen hier eine leicht überarbeitete Übersetzung von zwei Kommuniqués einer rätekommunistischen Gruppe im Iran, die sich einfach als ‘Anti-capitalist Workers’ (Antikapitalistische Arbeiterinnen und Arbeiter) bezeichnet und die als Antwort auf die jüngste Runde der militärischen Konfrontation zwischen dem Iran und Israel verfasst wurden.
Gegen die Illusionen, die von beiden Kriegsparteien – und ihren jeweiligen kapitalistischen Hintermännern – verbreitet werden, bekräftigt der Text die Notwendigkeit einer unabhängigen Klassenorganisation und eines unabhängigen Klassenkampfs.Er betont, dass nur die Arbeiterklasse, die auf ihrem eigenen Terrain und in ihrem eigenen Interesse kämpft, der Barbarei des kapitalistischen Krieges ein Ende setzen kann.
Nur ein antikapitalistischer Aufstand der Arbeiterinnen und Arbeiter kann diese beiden kriegstreiberischen, mörderischen kapitalistischen Kraken vernichten
1.
Wir Arbeiterinnen und Arbeiter sind in allen Bereichen beschäftigt: in Fabriken, Schulen, Krankenhäusern, öffentlichen Diensten, in der Landwirtschaft, Industrie, im Land-, See- und Luftverkehr, in der Energieversorgung und im Bauwesen, in der Forstwirtschaft und in vielen anderen Bereichen. Ob arbeitslos, im Ruhestand oder mit unbezahlter Hausarbeit belastet, wir alle gehören zur selben Arbeiterklasse – verbunden durch unsere soziale Existenz und Ausbeutung. Wir ertragen die ganze Last der kapitalistischen Herrschaft: Lohnsklaverei, Repression, Entbehrung, Genozid, Inhaftierung, Folter, geschlechtsspezifische Gewalt, ethnische Unterdrückung, Umweltzerstörung und alle anderen Katastrophen, die dieses System hervorbringt.
2.
Bis vor kurzem waren es allein die Kapitalistenklasse und das islamische Regime im Iran, die uns diese Gewalt direkt aufgezwungen haben. Jetzt, wo der Krieg im Gange ist, stehen wir zwei kapitalistischen Monstern gegenüber: der iranischen Bourgeoisie und ihrem Regime auf der einen Seite und den Regierungen Israels, der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union auf der anderen. Trotz ihrer Konflikte üben beide Seiten die gleiche genozidale Brutalität aus. Von oben und von unten, in jedem Aspekt des Lebens, werden wir von der gewalttätigen Maschinerie des Kapitals zermalmt – sei es iranisch, israelisch, amerikanisch oder europäisch.
3.
Dieser Krieg wird nicht zwischen „Staaten“ geführt – er wird gegen uns geführt. Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern tragen die Last: Vertreibung, Obdachlosigkeit, Hunger, Hungersnot, Mangel an Wasser, an Medikamenten und medizinischer Versorgung, Massensterben. Unsere Häuser werden bombardiert, unsere Angehörigen liegen unbegraben, die Zukunft unserer Kinder ist ungewiss. In Teheran, Kermanshah, Isfahan und anderswo sind die Opfer des Krieges immens. Diese Bedingungen verlangen, dass wir handeln – gemeinsam, landesweit und mit einer klassenbewussten, auf Räten bassierenden Organisation. Das ist kein Slogan. Es geht ums Überleben. Wir müssen uns dort, wo wir leben und arbeiten – in Fabriken, Schulen, Krankenhäusern, Häfen, Nachbarschaften – zusammenschließen, um Räte zu bilden. Diese dürfen nicht isoliert oder lokal sein, sondern müssen zu einer landesweiten Bewegung heranwachsen, die alle Ressourcen mobilisieren kann, um die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen: Nahrung, Sicherheit, medizinische Versorgung, Wohnraum, Bildung. Diese Räte müssen sich zusammenschließen, sich zu einer einheitlichen antikapitalistischen Kraft entwickeln und die Kontrolle über Produktion, Reichtum und Infrastruktur aus den Händen der Kapitalistenklasse und ihres Staates übernehmen. Lasst uns der Welt verkünden: Wir sehen alle herrschenden Klassen – die israelische, die islamische, die amerikanische, die europäische – als genozidale Feinde der Arbeiterklasse. Wir rufen die Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit zur Solidarität und Unterstützung auf.
17. Juni 2025
Der Krieg zwischen kapitalistischen Bestien ist ein Krieg gegen uns alle
1.
Zwei genozidale Regime befinden sich derzeit im Krieg: die israelische Regierung und die Islamische Republik. Wie alle kapitalistischen Staaten sind beide arbeiternfeindlich, kriminell und kriegstreiberisch.
2.
Israel entstand aus der imperialistischen Koalition, die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorging – als strategischer Vorposten der kapitalistischen Mächte. Seit fast 80 Jahren führt es einen ununterbrochenen Genozid an den palästinensischen und im Nahen Osten lebenden Arbeiterinnen und Arbeitern. Seine Aktionen werden vom globalen Kapital voll und ganz unterstützt. Die Islamische Republik hingegen entstand aus der Niederlage der revolutionären Arbeiterbewegung im Iran Ende der 1970er Jahre. Sie war die Notlösung des Kapitals, um Arbeiteraufstände zu zerschlagen und die Ausbeutung aufrechtzuerhalten. Trotz ihrer unterschiedlichen Ursprünge dienen beide Regime den Interessen des Kapitals durch Krieg, Repression und Expansion. Ihre aktuelle Konfrontation ist ein Kampf um Einfluss, nicht um Gerechtigkeit – ein Kampf zwischen konkurrierenden kapitalistischen Fraktionen.
3.
Israel hat mit der bedingungslosen Unterstützung des US-amerikanischen und europäischen Kapitals die militärische Infrastruktur des Iran bereits schwer beschädigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass das islamische Regime zusammenbrechen wird. Es wird mit allen verfügbaren Mitteln um sein Überleben kämpfen. Seine jüngsten Niederlagen sind zwar bedeutend, reichen aber nicht aus, um seine Kapitulation sicherzustellen. Das Regime wird Widerstand leisten, bis sein Überleben bedroht ist.
4.
In diesem Krieg geht es nicht um Atomwaffen. Die Atomfrage ist nur ein Vorwand. Seit 45 Jahren besteht der Kernkonflikt darin, dass der Iran die von den USA angeführte globale kapitalistische Ordnung in Frage stellt, einen größeren Anteil an der Macht fordert und sich weigert, sich zu unterwerfen. Dieser Krieg zielt darauf ab, diesen Konflikt zu lösen – wenn nicht endgültig, dann zumindest entscheidend. Die Islamische Republik mag zwar zu Kompromissen gezwungen werden, aber ihre Rivalen haben keinen brauchbaren Ersatz für sie. Die monarchistischen Exilanten, die Anhänger einer Wiederbelebung des Pahlavi-Regimes und die Überreste der Rajavi-Sekte haben keine echte Basis. Das Regime wird nicht fallen – es wird kapitulieren und verhandeln, um seine Verluste zu minimieren.
5.
Selbst wenn dieser Krieg endet, wird die nächste Phase der Ausbeutung und Repression weitergehen. Solange der Kapitalismus existiert, wird es Krieg, Krisen, Genozid und den Kampf um Mehrwert, Kapital und Macht geben. Zu glauben, dass Netanjahu, die USA oder das islamische Regime die 60 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter im Iran „befreien“ werden, ist eine gefährliche Illusion. Jede Arbeiterin und jeder Arbeiter, die sich dieser Illusion hingeben, sind ihres Bewusstseins beraubt worden. Diese Illusion muss durch scharfe, prinzipielle Klassenkritik zerschlagen werden.
6.
Niemand kann die ökonomische Folgen des Krieges vorhersagen. Aber das wahrscheinliche Ergebnis wird Massenarmut, Hunger, Zusammenbruch der Produktion, Repression und Tod sein – nur um den Iran an den Verhandlungstisch zu bringen. Die herrschenden Klassen der USA und Israels werden nicht zögern, den Iran in ein weiteres Libyen zu verwandeln, wenn es ihren Zielen dient. Aber der Iran ist nicht Gaddafis Libyen oder Saddams Irak. Das islamische Regime wird kämpfen, um den totalen Zusammenbruch zu verhindern.
7.
Dieser Krieg wird sich wahrscheinlich verschärfen. Die Bedingungen – Hungersnot, Mangel an Medikamenten, Obdachlosigkeit, Massenarbeitslosigkeit – werden sich verschlechtern. Alle Seiten werden die Kosten des Krieges auf die Arbeiterklasse abwälzen. Das müssen wir verhindern. Wir müssen die Krise auf das Kapital selbst zurückführen. Das ist nicht unmöglich. Unsere Klasse hat die Fähigkeit dazu. Der Kapitalismus stempelt jeden Traum von Befreiung als „unmöglich“ ab – aber das ist Teil seiner ideologischen Macht, seiner Entmenschlichung der Arbeit und seiner Mystifizierung der Waren. Wir müssen diese Illusionen zerstören. Die Kosten des Krieges auf das Kapital übertragen. Den antikapitalistischen Klassenkampf eskalieren – mit Klarheit, Strategie und Entschlossenheit.
8.
Dies ist nicht unser Krieg. Es ist ihrer. Wir befinden uns im Krieg mit beiden Regimes, beiden Blöcken, dem gesamten globalen kapitalistischen System. Jede Annäherung an eine Seite ist Verrat. Anti-Kriegs-Aktivitäten sind nur dann sinnvoll, wenn sie eine revolutionäre, antikapitalistische Agenda vorantreiben. Demonstrationen gegen den Krieg müssen mit dem Klassenkampf verbunden sein – nicht als leere Proteste, sondern als Herausforderung für beide Pole der imperialistischen Macht. Sonst werden sie zu einem Appell an das islamische Regime, sich seinen mächtigeren, genozidalen Rivalen zu ergeben. Wir müssen diese Erzählung ablehnen. Unser Kampf richtet sich gegen alle Staaten und alles Kapital.
9.
Ein entscheidender Punkt: Der Kampf gegen den Krieg muss antikapitalistisch sein. Ohne dies werden wir zu Fußsoldaten für eines von zwei Lagern von Mördern. Zum Beispiel ist es notwendig, sich gegen die Kriegspolitik der Islamischen Republik zu stellen – aber nur, wenn dies mit der Opposition gegen den genozidalen israelischen Staat und den westlichen Imperialismus einhergeht. Das Gleiche gilt für Atomwaffen. Wir müssen jede Finanzierung von Kriegen aus unserer Arbeit ablehnen, aber nicht auf eine Weise, die rivalisierenden kapitalistischen Fraktionen dient. Unsere Kritik muss gleichermaßen allen Kriegstreibern, allen Staaten und allen Flügeln der globalen Bourgeoisie gelten.
10.
Wo auch immer wir sind – in Fabriken, Schulen, Krankenhäusern, Häfen, Nachbarschaften – müssen wir uns vereinen. Lasst uns Arbeiterräte aufbauen. Lasst uns diese verbinden, nicht als Träume, sondern als materielle Werkzeuge des Widerstands. Warum nennen wir das utopisch? Weil das Regime brutale Repression einsetzt, um das zu verhindern? Macht es das nicht bei jedem Streik? Hat es nicht versucht, jeden Protest zu zerschlagen – vor allem die von Frauen, Jugendlichen und Arbeitslosen? Trotzdem haben wir gekämpft. Warum also jetzt zögern? Dieses Zögern ist nicht unser eigenes – es wurde uns von der kapitalistischen Ideologie eingeimpft. Wir müssen uns dagegen auflehnen.
11.
Machen wir Räte zu unserer Waffe. In normalen Zeiten sind Streiks und Arbeitsniederlegungen mächtig. Aber in Kriegszeiten können Streiks von einer Seite kooptiert werden. Wir müssen weiter gehen: die Produktionsmittel beschlagnahmen. Nicht nur die Arbeit niederlegen, sondern die Kontrolle übernehmen. Das erschreckt sowohl das islamische Regime als auch das westliche Kapital mehr als alles andere. Ja, wir werden unterdrückt werden. Aber wir müssen anfangen. Kontakt aufnehmen. Koordinieren. Baut etwas auf. Verbindet unsere Räte zu einer Bewegung, die in der Lage ist, die Kontrolle über Arbeit, Leben und Produktion zu übernehmen.
12.
Was ist mit unseren unmittelbaren Bedürfnissen – Medizin, Unterkunft, Strom, Lebensmittel? Diese können im Rahmen des kapitalistischen Handels nicht gesichert werden. Unser Motto muss lauten: Besetzen. Vorbereiten. Ausweiten. Je besser wir darauf vorbereitet sind, das Leben gemeinsam zu ergreifen und zu organisieren, desto mehr Macht haben wir, um Forderungen durchzusetzen und unser Überleben zu sichern.
13.
Wir müssen als Klasse handeln. Wir haben Generationen damit verbracht, diesen Weg zu vermeiden, getäuscht von falschen Hoffnungen: Syndikalismus/Gewerkschaftswesen, Demokratie, NGOs, Regenbogenrevolutionen, Antiimperialismus, Föderalismus. Das hat uns erschöpft, verraten und ruiniert. Eines Tages müssen wir anfangen. Dieser Tag ist längst überfällig. Lasst ihn jetzt kommen.
15. Juni 2025
Anti-capitalist Workers (Iran) (Antikapitalistische Arbeiterinnen und Arbeiter (Iran))