Quelle: Artikel aus Communisme, Nr. 35, französischsprachige Zeitschrift der Internationalistische Kommunistische Gruppe (IKG) – Groupe Communiste Internationaliste (GCI). Die Übersetzungensind von uns. Es gibt eine überarbeitete Version die wir zu dieser Version anhängen.
Dieser Texte hat mehrere Punkte/Positionen, die wir nicht nur als solche stehen lassen können, sondern müssen sie klar hier kritisieren, bzw. hier einige klarstellen. Um aber diese Kritiken besser zu verstehen, müssen wir die Gruppe selbst die es damals verfasste verstehen und ein paar Dinge berücksichtigen. Von der Internationalistischen Kommunistischen Gruppe (1979-2019) verfasst, hatte diese Gruppe selbst einen bordigistischen Ursprung mit sie immer mehr brach, was aber über mehrere Jahre dauerte, bis sie selbst nicht nur den konterrevolutionären Charakter der Bolschewiki und des Leninismus anprangerte, sondern auch offen und direkt angriff. Dieser Text entstand inmitten dieses Prozesses wo noch ein gewisses Hin und Her zu sehen ist, worauf wir gleich eingehen werden. In späteren Artikeln derselben Gruppe die den Leninismus kritisiert würde man dieses oszillieren nicht mehr sehen, sondern eine klare revolutionäre Position und eine klare Feindschaft gegenüber den Verteidigern der Konterrevolution wie es die Bolschewiki (am Ende alle Marxistisch-Leninistische Gruppen/Parteien/Organisationen) sind.
Nichtsdestotrotz, und dass muss auch klar und offen gesagt werden, ist dieser Text ein Meilenstein, vor allem als dieser erschien. Der Beginn der Verfassung begann Mitte der 1980er bis er 1992 in der Nr. 35 der eigenen Publikation Communisme erschien. Schon viele rätekommunistische und linkskommunistische Gruppen haben einerseits den Aufstand der Kronstädter Matrosen gegenüber der Diktatur der Bolschewiki gegen das Proletariat verteidigt, aber im Falle der aufständischen Bewegung in der Ukraine selbst (bekannt als Machnowschtschina, oder Machno-Bewegung) war dies äußerst selten, wenn es überhaupt jemals stattgefunden hatte. Dieser Kapitel der revolutionären Geschichte wurde hauptsächliche von der anarchistischen Bewegung verteidigt. Die GCI entdeckte nicht nur für sich – im positiven Sinne – anarchistische Figuren wie Archinoff und Machno, sondern verteidigte die Bewegung von damals als reale antagonistische und revolutionäre Bewegung gegenüber den Bolschewiki.
Genauso wichtig ist die Auseinandersetzung mit den Widersprüchen die damals auf dem Tisch standen, nämlich Konterrevolution oder Revolution (also die Bolschewiki und die reale kommunistische/anarchistische Bewegung). Sie entlarven zwar einerseits den Mythos der Bolschewistischen Revolution, wie die Rolle sie darin spielten, brechen konsequent mit gewissen Tendenzen der Sozialdemokratie/sozialistischen Bewegung (die nicht nur für den Ersten Weltkrieg mitverantwortlichen waren, und danach in mehreren Ländern die Konterrevolution mitorganisierten), sondern verteidigen die Revolution als eine des Proletariats (städtisch wie ländlich), schaffen aber dennoch nicht die Kritik bis zum Ende (zumindest noch nicht) zu führen. Den Bolschewiki wird eine gewisse revolutionäre Rolle zugesprochen, sei es z.B., der immer wiederkehrende Loblied auf die Oktoberrevolution.
Doch wie gesagt, hatte damals die GCI ihre leninistische Laster noch nicht hinder sich, zumindest waren sie schon auf dem besten Weg, und begangen eine Reihe fataler Fehler in ihrer Einschätzung und Darstellung der Revolution ab 1917. Es liegt am ganzen Text der Fade Geschmack eines Triumphalismus in der doch gewissen zugesprochenen Rolle der Bolschewiki und benennen das schon benannte Hin und Her als ein oszillieren von Lenin, obwohl seine Rolle klar dem Aufbau des russischen kapitalistischen Staates unter der Diktatur der Partei gewidmet war.
Für uns oszilliert eher jene revolutionäre Bewegung die im November 1917 die soziale Revolution durchsetzt, sich aber nicht der bourgeoisen Apparate mit denen sie bis Oktober 1918 koexistiert – gemeint ist die Provisorische Regierung – und diese nicht wegfegt, sowie sie es mit der vorherigen herrschenden Klasse tat und räumt das Feld für die Bolschewiki die die Machtfrage für die eigenen Interessen löst und ein Terrorregime gegen das Proletariat (städtisch wie ländlich) und gegen alle Revolutionäre etabliert. Die sogenannte Oktoberrevolution war also keine, sondern eine weitere Niederlage die mit der Zerschlagung aller aufständischen Bewegungen (in Kronstadt, in der sogenannten Ukraine, in Sibirien, usw.) ihre Kulmination erreichte um den Kapitalismus im ehemaligen Russischen Zarenreich, ab dann Sowjetunion genannt, aufzubauen.
Genauso, wie die GCI von kommunistischen Minderheiten schwafelt die eine „Internationale“ gründeten um die Revolution weltweit voranzutreiben. An dieser Stelle kann von nichts anderes die Rede sein wie von der Komintern, die nicht nur künstlich in Moskau – auf Initiative von Lenin – gegründet wurde um die kapitalistischen Interessen in Russland durch die Bolschewiki zu repräsentieren und schützen – die Kritik an der Komintern ist natürlich wesentlich extensiver – , wenn also kann nur die Rede von der „Internationale der Konterrevolution“ die Rede sein.
Ein weitere Punkt der uns als sehr wichtig erscheint ist einerseits die absolut richtige Kritik an den Regionalismus oder Territorialismus der Machnowschtschina ausübt (die sozialen Revolution auf dem ukrainischen Territorium zu reduzieren), sowie seine idealisierten Vorstellungen des Kommunismus/Anarchismus (Tauschhandel, usw.), anderseits ist es nicht verständlich warum dann gerade ist eine gewisse Vermischung mit der Machnowschtschina und dem späteren Vorschlag den einigen Anarchistinnen und Anarchisten später im französischen Exil als die sogenannte „Organisationsplattform“ (bekannt als Plattformismus) vorschlagen, gerade weil unter den Verfassenden sich auch Figuren wie Machno selbst und Arschinoff befinden.
Dieser Vorschlag ist weder eine anarchistische Reflexion noch Aufarbeitung der Ereignisse während der Revolution in Russland ab 1917, sondern teils nur die Wiederholung – in Form eines Vorschlages – der Fehler die begangen wurden, aber dieses Mal leninistisch konjugiert.
Die GCI räumt diesen Vorschlag eine enorme Bedeutung, sieht aber nicht dass seit dem Vorschlag der Organisationsplattform (1926), es gerade jene Vertreterinnen und Vertreter dieser Position in Gänze (die frühstens Auswüchse dieser Deformation des Anarchismus gibt es seit den 1950er) absolute reformistische Positionen inne haben.
Viele positive Aspekte könnten an dieser Stelle dennoch erwähnt werden, der Text soll aber gelesen und diskutiert werden, genauso wie auf einige Fehler können wir eingehen, was unter dem Strich heisst dass dieser Text irgendwann, von irgendwem korrigiert und überarbeitet gehört, oder man nimmt es sich an den Herzen und schreibt mit diesem Text als Fundament einen neuen und behebt die Fehler. Dies wird aber nicht unsere Aufgabe sein, zumindest noch nicht.
Soligruppe für den sozialen Krieg der Parias.
Proletarischer Aufstand in der Ukraine (1918–1921)
Internationalistische Kommunistische Gruppe
1. Einleitung
Da sich die Vorgeschichte der Menschheit eher karikiert als wiederholt, finden sich in unseren verschiedenen Texten eine Menge Ähnlichkeiten, die sich mit dieser Periode befassen. Und das aus gutem Grund! Wir betrachten die verschiedenen revolutionären Brennpunkte nicht als voneinander getrennte Elemente, sondern als unterschiedliche Momente, die ALLE Teil derselben Dynamik, desselben revolutionären Versuchs sind. Es wäre methodisch unmöglich, sie voneinander zu trennen, um jedes Mal unterschiedliche Lehren daraus zu ziehen, indem wir hier und da objektive oder subjektive Unterschiede vorgeben, wie es die verschiedenen Schulen des Linkstums tun1.
Daher ist es normal, dass sich eine Reihe gemeinsamer Merkmale in unserer Beschreibung der Kräfte der revolutionären Bewegung dieser Zeit wiederfinden, wie in Russland, Deutschland, Ungarn, Belgien, England, Argentinien, Indien… und an so vielen anderen Orten der Welt zu dieser Zeit. Wir haben in unseren Texten die Bruchstellen betont, die es gegenüber dem Nationalismus, dem Syndikalismus, dem Parlamentarismus usw. gab. Wir haben auch versucht, jedes Mal den Prozess der Organisation revolutionärer Minderheiten aus verschiedenen politischen „Familien“, die sich in einer gemeinsamen kommunistischen Partei zusammenschlossen, zu beschreiben, diesen Prozess der Organisation in einer Partei, der in dem Versuch gipfelte, die gesamte Avantgarde zu einer einzigen zentralisierten und internationalen Kraft zu vereinen.
Aber wenn die vielen Kampfherde dieser entscheidenden Jahre 1917–1923 viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf ihre Kräfte aufweisen, gilt das auch für ihre Grenzen: die Grenze des Verständnisses von Internationalismus als bloßer Addition nationaler Parteien, die Grenze der Kritik an der Demokratie, die Grenze des Verständnisses der Diktatur des Proletariats usw. All diese Schwächen kristallisieren sich in einer allgemeinen Grenze dieser Periode heraus: dem fehlenden Bruch mit der Sozialdemokratie.
Und wir sprechen hier nicht von der „formalen“ Sozialdemokratie, wie das Kapital sie oft auf die Reihe von Parteien innerhalb der Zweiten Internationale zu beschränken versucht, sondern alle Bezeichnungen und unter jeder Fahne, von allen reformistischen Kräften, die in der Praxis und als Inhalt die Bekräftigung der Konterrevolution in Form eines bourgeoisen Programms für das Proletariat hatten. Indem sie sich mit den Farben der Revolution schmückte, gelang es der Sozialdemokratie, den Arbeitern das kapitalistische Programm aufzuzwingen.
Die Sozialdemokratie vereint in der Praxis und ganz konkret die Kräfte, die am besten geeignet sind, das Kapital zu organisieren, das Proletariat für ein Projekt zu mobilisieren, das nicht das seine ist, und gleichzeitig den proletarischen Kampf zu demobilisieren und ihn seiner revolutionären Substanz zu berauben. In diesem Sinne ist die Sozialdemokratie das Gift, gegen das das Proletariat immer gekämpft hat – auch in seinen eigenen Organisationen, Strukturen und Assoziationen, unabhängig von den Fahnen, unter denen sie stehen. Dieser erbitterte Kampf spiegelte sich jenseits aller organisatorischen Bezeichnungen wie „marxistisch“, „sozialistisch“, „revolutionär-syndikalistisch“, „anarchistisch“, „bolschewistisch“, „sozialistisch-revolutionär“ usw. im oft bewaffneten Kampf wider, der auch innerhalb all dieser Gruppen unabhängig von der Fahne, der sie sich verschrieben hatten, stattfand. Es ist in der Tat die Grenze zwischen Revolution und Konterrevolution, die die grundlegende, wesentliche Trennung zwischen der Welt der Lohnabhängigen und dem Kommunismus bildet, und nicht irgendein formaler Begriff, bei dem die Fahne die einen mechanisch in das eine Lager und die anderen in das andere einordnet. Weder das Etikett noch die Fahne sind Garantien für eine echte revolutionäre Praxis.
So haben viele, die den Bruch mit der Zweiten Internationale forderten, ihr gesamtes Programm unter anderen Farben wiederholt! Das war zum Beispiel bei Lenin und anderen bolschewistischen Militanten in Russland der Fall, die, nachdem sie entschlossen an der Entwicklung der Revolution in Russland mitgewirkt hatten, den gesamten Prozess des Bruchs mit der Sozialdemokratie wieder in den Rahmen der Sozialdemokratie als Programm zurückführten und schließlich sogar den lokalen Wiederaufbau des kapitalistischen Staates übernahmen.
Diese Erinnerung ist wichtig, wenn man die Frage nach den Lehren aus der Aufstandsbewegung in der Ukraine richtig angehen will. In dieser ganzen Frage gab es nämlich eine Spaltung zwischen zwei ideologischen Polen: auf der einen Seite diejenigen, die sich als „Anarchisten“ bezeichneten und Machno, einen der Hauptführer der proletarischen Bewegung in der Ukraine, bis in seine Fehler hinein unterstützten, und auf der anderen Seite die selbsternannten „marxistischen“ Militanten, die, wenn sie nicht gerade mit Lenin offen behaupteten, der Kapitalismus sei besser, sich meist weigerten, die Augen vor dem Wiederaufbau des Kapitalismus in Russland unter der Führung der Bolschewiki zu öffnen. Sie weigerten sich somit auch, in der Bewegung in der Ukraine einen Moment des revolutionären Bruchs unserer Klasse anzuerkennen.
Die Bourgeoisie kann sich also wieder um die Geschichte kümmern: Einmal mehr setzt sie ihre dumme Methodik durch, die darauf abzielt, „ganz Gute“ und „ganz Schlechte“, blinde Massen und autoritäre Chefs zu suchen… So schafft sie es, den proletarischen Kampf in der Ukraine auf einen Krieg zwischen Bolschewiki und Machnowisten oder noch schlimmer auf einen Krieg zwischen „Kommunisten“ und „Anarchisten“ zu reduzieren, anstatt darin eine Auseinandersetzung zwischen Revolution und Konterrevolution zu sehen. Eine Auseinandersetzung, die tatsächlich zwischen der „Roten Armee“, die für die Verteidigung des sich neu formierenden russischen kapitalistischen Staates kämpfte, und der „Revolutionären Aufständischen Armee“, die auf der Grundlage des Kampfes der Proletarier in der Ukraine gebildet wurde, stattfand. Aber die Auseinandersetzung zwischen Revolution und Konterrevolution zeigte sich auch innerhalb der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine zwischen den Kräften, die die Front mit dieser oder jener bourgeoisen Armee verteidigten, und denen, die sich dem widersetzten, zum Beispiel! In diesem Sinne war derselbe Widerspruch zwischen Revolution und Konterrevolution sowohl innerhalb der Bolschewiki (siehe die „kommunistischen Linken“, die sich von ihnen abspalteten) als auch innerhalb derer, die sich zum Anarchismus bekannten (siehe den Kampf zwischen den Machnowisten und den Individualisten oder anderen sozialdemokratischen „Intellektuellen“ der Bewegung), genauso präsent.
Als Beispiel hier ein Kommentar von Archinov, der neben Machno aktiv am Aufstand in der Ukraine beteiligt war, über die Gleichgültigkeit eines Großteils derjenigen, die sich zu dieser Zeit in Russland zur Anarchie bekannten:
„Der Großteil der russischen Anarchisten, die die theoretische Schule des Anarchismus durchlaufen hatten,blieben abseits, in isolierten Kreisen, die zu dieser Zeit keinen Sinn hatten; sie versuchten, die Frage zu vertiefen, was diese Bewegung (der Aufstand in der Ukraine – Anm. d. Red.) war und wie man sie betrachten sollte; und sie blieben untätig und trösteten sich mit dem Gedanken, dass die Bewegung nicht rein anarchistisch zu sein schien.“
Und weiter über die „anarchistischen“ Individualisten:
„Aber diejenigen, die keine Leidenschaft für die Revolution haben, die in erster Linie über die Manifestationen ihres eigenen ‚Ichs‘ nachdenken, verstehen diese Idee (die Befreiung des Individuums – Anm. d. Red.) auf ihre eigene Weise.Immer wenn es um praktische Organisation und große Verantwortung geht, flüchten sie sich in die anarchistische Idee der individuellen Freiheit und versuchen auf dieser Grundlage, sich jeder Verantwortung zu entziehen und jede Organisation zu verhindern.“
Archinow in ‚Geschichte der Machno-Bewegung‘ – 1921
Man verstehe uns richtig. Wenn wir diesen Teil der Geschichte der Kämpfe unserer Klasse behandeln, der den Aufstand des Proletariats in der Ukraine ausmachte, geht es nicht (nur!) darum, zu sehen, welche Avantgarden die „Diktatur des Proletariats“ theoretisch behauptet haben, sondern vor allem darum, welche realen Kräfte versucht haben, sie praktisch durchzusetzen. So bringt die ständige Berufung der Bolschewiki auf den „Marxismus“ sie dem kommunistischen Programm nicht näher als bestimmte „anarchistische“ oder „sozialrevolutionäre“ Fraktionen, die praktisch (übrigens an der Seite von „bolschewistischen“ Militanten, die mit ihrer eigenen Organisation gebrochen hatten!) für die Ausweitung des revolutionären Krieges kämpften. In der Ukraine beging die Rote Armee unter Trotzkis Befehl unter dem Deckmantel der höheren Interessen des Proletariats die schlimmsten Verbrechen, während die Proletarier in ihrem Kampf gegen die Rote Armee im Krieg gegen den sich im Wiederaufbau befindenden russischen Staat tatsächlich versuchten, die Diktatur ihrer Bedürfnisse, die Diktatur des Proletariats, durchzusetzen.
Aber die Dinge sind noch komplizierter: Genau die, die ihre Bedürfnisse durchsetzen wollten, diese Tausenden von bewaffneten Proletariern, die gegen alle kapitalistischen Armeen rebellierten, die ihnen gegenüberstanden und versuchten, ihre Kontrolle zurückzugewinnen, diese Proletarier im Krieg gegen die Weißen Armeen von Denikin und Wrangel, die „Rote Armee“ von Trotzki, den österreichisch-deutschen Armeen, den nationalistischen Banden von Grigoriev oder Petljura, diese bewaffneten Arbeiter also, als sie die Bourgeoisie angriffen, die Banken raubten, sich den Reichtum gewaltsam wieder aneigneten und damit ihre Diktatur behaupteten. Oft weigerten sie sich, sie als „Diktatur des Proletariats“ zu bezeichnen, aus dem einfachen Grund, dass es ihnen schwerfiel, ihrer revolutionären Aktion denselben Namen zu geben wie denen, die damit beschäftigt waren, das Kapital zu entwickeln und das Proletariat zu verraten, um dessen Diktatur zu verhindern! Und diese Angst, terminologisch mit dem Feind gleichgesetzt zu werden, hat sich leider auch oft in eine andere ideologisierte Theoretisierung (damals unter dem Deckmantel des Anarchismus!) der von ihnen praktizierten Revolution verwandelt und diese Praxis damit auch eingeschränkt.
An diesem Punkt, und bevor unsere Feinde wieder mal das verdrehen, was wir sagen, ist es natürlich wichtig zu betonen, wie wichtig es ist, dass die Fahne mit der Aktion übereinstimmt! Ein unverzichtbarer Moment der Stärkung des Kommunismus als Bewegung liegt in seiner Fähigkeit, sich theoretisch in der Gesamtheit seines Ziels und damit in allen historischen Formulierungen, durch die er sich im Laufe der Geschichte des Klassenkampfs als Bewegung behauptet hat, zu erkennen. Wenn wir hier (und wenn wir so oft!) auf die Bedeutung der realen kommunistischen Bewegung bestehen, die oft unter mehr oder weniger verwirrenden Fahnen auftritt, dann deshalb, weil die vulgäre Logik eine hartnäckige und quälende Tendenz hat, „das, was erscheint“ als „das, was ist“ durchzusetzen, die Fahne mit der Bewegung zu verwechseln und damit ganze Teile der Brüche unserer Klasse zu leugnen.
Kurz gesagt, mit diesen wenigen methodologischen Hinweisen, ergänzt durch Beispiele für den echten Widerspruch zwischen den sozialen Kräften, die den Kommunismus vorantreiben, und denen, die den Kapitalismus verteidigen, wollen wir den Rahmen für unseren Bruch mit der mechanistischen bourgeoisen Methodik abstecken, die die Widersprüche um Ideologie, Chefs (Anführer) und Fahnen herum isoliert:
- Wir werden daher in diesem Text zunächst kurz den globalen Kontext des Kampfes beschreiben, in den sich der Klassenkampf in Russland einfügt.
- Anschließend werden wir – ebenso kurz – darauf eingehen, wie das Kapital im Kontext des siegreichen Aufstands des Proletariats in dieser Region genau diejenigen, die wenige Monate zuvor als Minderheit innerhalb der bolschewistischen Partei eine der Avantgarden seiner Niederlage gebildet hatten, zu erbitterten Handlangern seines Wiederaufbaus gemacht hat.
- Anschließend werden wir uns mit dem Aufstand des Proletariats in der Ukraine angesichts des Friedens von Brest-Litowsk befassen, einem weiteren Moment des Wiederaufbaus des kapitalistischen Staates in Russland.
- Und im Rahmen dieses Aufstands werden wir sehen, wie das Proletariat einen der Höhepunkte der Zentralisierung seines Kampfes in der Gründung der Revolutionären Aaufständischen Armee der Ukraine um militante „kommunistische Anarchisten“ herum findet, deren berühmtester Vertreter Machno war.
Mit dieser kurzen Beschreibung der Sichtweise, die uns leitet (das Proletariat vor seinen „Helden“, der Klassenkampf und nicht der ideologische Kampf…), wollen wir noch einmal betonen, dass das, was die Revolution wirklich und wesentlich von der Konterrevolution unterscheidet, die Praxis ist, die reale Praxis der Zentralisierung des Kampfes um ein revolutionäres Programm.
Wie wir oben schon gesagt haben, stieß diese Praxis in diesen Jahren des Kampfes, unabhängig von ihren Protagonisten, auf eine enorme Grenze in der mangelnden Loslösung von der Sozialdemokratie, verstanden als Inhalt, als Programm, als Praxis: Die Sozialdemokratie, verstanden als historische Partei des Kapitals für das Proletariat, ist die Kraft, die das Kapital verteidigt, aufrechterhält und weiterentwickelt, indem sie sich mit den Insignien ihrer eigenen Feinde schmückt, die Fahnen ihrer Feinde hisst und sich im Fleisch ihrer Feinde verkörpert! Das sozialdemokratische Programm wird so von „Anarchisten“, „Bolschewiken“, „revolutionären Sozialisten“, … Pseudokommunisten verteidigt. Die überzeugtesten Gegner des konterrevolutionären Friedens von Brest-Litowsk werden zu seinen glühendsten Verteidigern! Es sind die besten Anführer der Aufständischen Armee der Ukraine, die sich auf monströse Weise mit den kriegführenden Kapitalisten der Roten Armee verbünden!
Aber die falsche Polarisierung zwischen „Anarchisten“ und „Kommunisten“ als Sichtweise auf die Geschichte, die auch heute noch vorherrscht, ist der Triumph der sozialdemokratischen Konzeption. Die Art von Kritik, die die soziale Bewegung in der Ukraine mit der Flagge verwechselt und sich auf die Kritik der Anarchie-Flagge beschränkt (eine Kritik, die sich aufgrund der Existenz bestimmter sozialdemokratischer Ideologien, die schwarz gemalt werden, um besser täuschen zu können, verallgemeinert hat), ergänzt perfekt die dummen umgekehrten Kritiker der „Anarchisten“, die die „Marxisten“ kritisieren. Sie setzen alles, was sich „marxistisch“ nennt, gleich, was bedeutet, dass sie alle Revolutionäre, die sich „Marxisten“ nannten, in denselben Topf werfen, zusammen mit dem „Marxismus“, der dank der Arbeit der sozialdemokratischen Parteien (vor allem der deutschen und russischen) zu einem Zweig der politischen Ökonomie oder zu einer vollkommen integren Staatsdoktrin geworden ist. Angesichts dieses ganzen Durcheinanders ist es wichtig, klar zu sagen, dass die echte Grenze zwischen dem kommunistischen Projekt und dem kapitalistischen Projekt nicht zwischen „Anarchismus“ und „Marxismus“ verläuft, sondern zwischen dem Kampf der Arbeiterklasse und der Entwicklung des Kapitals, zwischen Revolution und Konterrevolution.
Die Sozialdemokratie, ein Produkt des Kapitals für die Arbeiter, schert sich nicht um Etiketten wie „anarchistisch“ oder „marxistisch“, egal was die Verfechter des ideologischen Formalismus sagen, und es gibt keine Fahne, hinter der sie sich nicht verstecken würde, um die Arbeiter zu täuschen. In diesem Sinne sind die Kriegstreiber Kropotkin und Kautsky ebenso tödliche Feinde der kommunistischen Bewegung, der echten und praktischen Bewegung zur Abschaffung der bestehenden Ordnung, wie die Minister Bela Kun in Ungarn oder Federica Montseny in Spanien.
2. Krieg und Revolution… bis in die Ukraine!
Der Ausbruch des allgemeinen Gemetzels von 1914 entspricht der Notwendigkeit der Weltbourgeoisie, die Überproduktionskrise zu lösen, mit der das Kapital konfrontiert ist. Um ihre Widersprüche zu überleben, muss die Bourgeoisie das Proletariat vernichten. Sie muss den Teil der Proletarier, der für ihre Wertsteigerung nicht mehr gebraucht wird, physisch beseitigen und dafür auch sein kommunistisches Projekt der Abschaffung des Geldes und des Tausches ersticken, die einzige Alternative zur kapitalistischen Barbarei. Der Übergang von dieser Vernichtung des Proletariats durch die Bourgeoisie wird einerseits durch die Heilige Nationale Union (l´Union Nationale et Sacrée) erfolgen, diese abscheuliche Umarmung, die die Sozialdemokratie zwischen den Proletariern und jeder der Nationen, in denen sie ausgebeutet werden, durchzusetzen vermag, und andererseits durch die physische Vernichtung von Millionen von Proletariern, die so dazu gebracht werden, sich in Schlachten militärisch gegenüberstehen, in denen die verschiedenen kapitalistischen Lager ihren erbitterten Wettkampf um die Eroberung dieses oder jenes Teils des Weltmarktes in Form von Territorien fortsetzen…
Die imperialistischen Widersprüche waren also wie immer der Übergangspunkt dieses Krieges gegen das Proletariat, den die Weltbourgeoisie vier lange Jahre lang geführt hat.
Über Jahrhunderte hinweg hatten der französische und der englische Staat ein gigantisches Imperium aufgebaut, aus dem sie enorme Gewinne ziehen konnten, während der deutsche Staat als aufstrebender Imperialist im Wettlauf um Profite sich in seinen nationalen Grenzen eingeengt fühlte. Da er keine neuen Absatzmärkte in fernen Kolonien finden konnte, musste die deutsche Bourgeoisie auf den europäischen Kontinent zurückgreifen, um ihren Expansionsdrang zu stillen. Das strategische Ziel war die Route vom Herzen des deutschen Reiches in den heutigen Irak, symbolisiert durch die Eisenbahnlinie Berlin-Bagdad, die über Istanbul und den Bosporus führte. Die Expansion des Kapitals in Deutschland musste zwangsläufig den Handelsinteressen des Zarenreichs auf dem Balkan entgegenstehen, das nach einem Zugang zum Mittelmeer suchte. Die politisch-militärischen Blöcke bestanden aus einer Reihe von Allianzen und Gegenallianzen. Die Explosion konnte daher zwischen den englischen und französischen Staaten, unterstützt vom Zarenreich, die die deutsche Nation als neuen Konkurrenten auf dem Weltmarkt fürchteten, und dem deutschen ökonomischen Koloss und seinen österreichisch-ungarischen Verbündeten, die auf Kosten anderer, weniger wettbewerbsfähiger Kolosse Gewinne erzielen wollten, stattfinden.
An Gelegenheiten, in den Krieg zu ziehen, mangelte es natürlich nie. Die so gebildeten Blöcke standen sich mehrmals gegenüber (Tanger 1905, Agadir 1911, Balkan 1912), aber das zentrale Problem für die Bourgeoisie bestand darin, dem Proletariat der verschiedenen Nationen Krieg und Tod als Perspektive aufzuzwingen. Das war die zentrale Rolle der Sozialdemokratie: Alle politischen Familien, von den verschiedenen nationalen sozialistischen Parteien bis zu den Anarchosyndikalisten, von der „sozialistischen“ Zweiten Internationale bis zum „anarchistischen“ Internationalen Manifest der Sechzehn, von Syndikalisten aller Ideologien bis zu „sozialistischen“ Abgeordneten… alle verschiedenen sozialdemokratischen Strömungen riefen zur Teilnahme am Krieg auf. In einem Lager (dem Block um Deutschland) war von einem demokratischen Kampf gegen den reaktionären und despotischen Zarismus die Rede, im anderen (dem Block um Frankreich) wurde das Bild des militaristischen Germanen herangezogen, um die republikanische und demokratische Republik Frankreich mit Blumen im Gewehrlauf zu verteidigen.
Dies ist nicht der Ort, um den gesamten Prozess zu beschreiben, durch den es der Sozialdemokratie gelang, mit ihrer demokratischen Antikriegsrhetorik die Notwendigkeit durchzusetzen, sich auf den Schlachtfeldern massakrieren zu lassen. Wir werden auf diese Frage bald zurückkommen, wenn wir uns mit der Revolution und der Konterrevolution in Deutschland befassen.
Jedenfalls diente der Tod eines unbekannten Erzherzogs von Österreich-Ungarn durch einen noch unbekanntesten serbischen Nationalisten als Vorwand, um alles in Gang zu setzen. Da sie sich ihres schnellen Sieges sicher waren, zumal die anderen Bourgeoisien militärisch noch nicht ganz bereit waren, einen allgemeinen Krieg zu führen, beschlossen die deutschen Generäle, im Westen zuzuschlagen. Innerhalb weniger Wochen hoffte das Kapital in Deutschland, den siegreichen Kraftakt Bismarcks zu wiederholen, der 1870 Napoleon III. gestürzt und in Versailles unter der Herrschaft des preußischen Königs das gesamte Deutsche Reich vereinigt hatte. Durch die Zerschlagung der französischen Bourgeoisie könnte Deutschland dann mit seinem ganzen industriellen und militärischen Potenzial der gigantischen „russischen Menschenflut“ begegnen, die sich anschickte, über das Land hereinzubrechen.
Innerhalb von zwei Wochen sollte die Rechnung beglichen sein. Aber die deutsche Bourgeoisie verlor ihre Wette; ihr französisches Pendant war nicht besiegt, und mit Tränen in den Augen sah sie die Milliarden Mark Gewinn, die ihr dieses Abenteuer einbringen sollte, in Rauch aufgehen. Ein Abenteuer für die Bourgeoisie, zweifellos, aber sicherlich nicht für die Millionen von Proletariern, die dieser Krieg für die Interessen der Bourgeoisie vier lange und schreckliche Jahre lang in Kälte, Regen, Sonne, Schlamm und Krankheiten unter Tonnen von Eisen und Stahl zermalmen, zerfetzen und töten sollte…
Wenn es den Bourgeois der ganzen Welt gelungen war, den Proletariern die Notwendigkeit einzureden, sich für ihre Interessen die Haut wegschießen zu lassen, dann nur unter der Bedingung, dass das Gemetzel fröhlich und vor allem sehr kurz sein würde. Das war aber nicht wirklich der Fall! Nach zwei Jahren gegenseitiger Massaker sträubten sich die militarisierten Proletarier, sich zum Klang der Nationalhymne in den Tod schicken zu lassen. Streiks im Hinterland, Gehorsamsverweigerungen bis hin zur Verbrüderung an der Front in der Champagne 1915, in Verdun 1916, an der Aisne 1917 … zwischen deutschen und französischen Proletariern, Meutereien, revolutionärer Defätismus … führten sogar zum Ende des Gemetzels. In einer gemeinsamen Vereinbarung beschlossen die beiden Generalstäbe, „die Ordnung wiederherzustellen“. Dieselbe bourgeoise Ordnung, die darin besteht, dass wir uns gegenseitig als Brüder derselben Klasse umbringen. Aber nach fast zwei Jahren Gemetzel war das Proletariat nicht mehr bereit, pfeifend auf die Schlachtfelder zu gehen.
Das Jahr 1916 markierte somit einen qualitativen Wandel. Aus dem Massengrab entstand die gewaltigste revolutionäre Welle, die dieser Planet je gesehen hat, die zum Oktoberaufstand in Russland führte, sehr zum Leidwesen der verschiedenen Fraktionen des Kapitals, die gezwungen waren, dieses Gemetzel zu verkürzen, um das Proletariat zu unterdrücken, das sich darauf vorbereitete, Jahre der Ausbeutung und des Elends in Frage zu stellen.
Man kann sich heute kaum vorstellen, welche Auswirkungen die Nachricht vom erfolgreichen proletarischen Aufstand in Russland auf die Proletarier aller Länder hatte. Überall auf der Welt bekam die kommunistische Bewegung neuen Schwung. Dieser erfolgreiche Aufstand kam mitten in einer revolutionären Hochphase, zu einer Zeit, als die Jahre voller Schweiß und Blut für Arbeit und Krieg die Proletarier dazu brachten, alles in Frage zu stellen.
Wir wollen hier nicht näher darauf eingehen, wie sich überall auf der Welt immer entschlossenere (und immer zahlreichere!) Minderheiten bildeten und zusammenschlossen, um die alte Welt endgültig zu zerstören; wir wollen auch nicht näher auf die Verbindungen eingehen, die diese Minderheiten knüpften, und auf ihre Bemühungen, sich mit einer internationalen Organisation auszustatten, um die alte Welt gewaltsam zu stürzen. Ebenso können wir unsere Leser nur auf die verschiedenen Texte verweisen, auf die in der Einleitung dieser Zeitschrift hingewiesen wird, um zu vertiefen, wie die bolschewistische Partei, nachdem sie aktiv an der Organisation und Führung des Aufstands beteiligt war, sich nach und nach von allen revolutionären Elementen reinigte, um auf der Grundlage der demokratischen Illusionen dieser alten sozialdemokratischen Organisation zum Handlanger einer mächtigen Konterrevolution in Russland zu machen.
Die Verwandlung der bolschewistischen Partei in einen erbarmungslosen Handlanger des kapitalistischen Wiederaufbaus findet eine ihrer ersten und wichtigsten Kristallisationen im Sieg, den Lenin über alle seine Gegner errang, indem er die Unterzeichnung der Verträge von Brest-Litowsk mit Deutschland durchsetzte.
Zu dieser Zeit – Anfang 1918 – spielte sich der Widerspruch zwischen Revolution und Konterrevolution zwischen den Anhängern des Friedens und den Anhängern des revolutionären Krieges ab. Lenin, Sinowjew, Kamenew und Stalin setzten ihr ganzes Gewicht ein, um der Mehrheit ihrer Organisation und dem gesamten ihnen entgegenstehenden Proletariat ein Ende der Revolution aufzuzwingen. Für die Revolutionäre war klar, dass der Aufstand in Russland nur der Ausgangspunkt der Weltrevolution war, und alle wussten, dass das Kapital seine Diktatur durchsetzen würde, wenn sich die Revolution nicht weiterentwickelte. Die Fortsetzung des revolutionären Krieges war daher direkt mit dieser Herausforderung verbunden.
Aber die kapitalistische Notwendigkeit des Wiederaufbaus des Staates in Russland findet ihre verbissensten Verteidiger in der pazifistischen Ideologie Lenins, der Russland als Ökonomie, als Nation, als Regierung, als „Bastion“ erhalten will, wie er es rechtfertigt. Unter dem Vorwand, nicht mehr die nötige Kampfkraft für die Fortsetzung eines revolutionären Krieges zu haben, ließ Lenin im März 1918 einen Friedensvertrag unterzeichnen, der die Besetzung von Kurland, Belarus, Lettland und Estland durch den deutschen Staat anerkannte und die Ukraine buchstäblich den imperialistischen Schlächtern auslieferte. Aber über die abgetretenen Gebiete hinaus wird die bourgeoise Ordnung in der Region von den Bolschewiki ratifiziert und gegengezeichnet, die gesamte proletarische Bewegung erhält einen heftigen Schlag: Der kapitalistische Frieden, der Frieden der Gräber, der soziale Frieden werden die wahren Sieger dieser Verhandlungen sein. Außerdem ermöglicht der Vertrag der deutschen Armee, riesige Truppen von der Ostfront abzuziehen und so eine gewaltige Offensive gegen Frankreich zu starten, die erst 60 km vor Paris gestoppt wird und die für die Arbeiter in der Region sicher sehr blutig war. Die Bourgeoisie, die noch nicht ganz beruhigt ist, kann aufatmen: Der imperialistische Krieg wird eine Zeit lang weitergehen und damit revolutionäre Entwicklungen hinauszögern.
Man neigt im Allgemeinen dazu, den Widerstand gegen diese Abkommen zu unterschätzen. Er war jedoch besonders stark und heftig, entsprechend den Widersprüchen, die er in sich vereinte. Die meisten proletarischen Organisationen waren gegen den Vertrag. Auch die Mehrheit der bolschewistischen Organisation. Trotzki, der eine entscheidende Rolle bei der Unterzeichnung des Vertrags spielte, berichtet:
„Nachdem der Rat der Volkskommissare die lokalen Sowjets aufgefordert hatte, ihre Meinung zu Krieg und Frieden kundzutun, antworteten bis zum 5. März mehr als 200 Sowjets. Nur zwei der wichtigsten Sowjets, der von Petrograd und der von Sewastopol, sprachen sich (mit Vorbehalten) für den Frieden aus.Dagegen sprachen sich eine Reihe großer Arbeiterzentren (Moskau, Jekaterinburg, Charkow, Jekaterinoslaw, Iwanowo-Wosnesensk, Kronstadt usw.) mit überwältigender Mehrheit für den Abbruch der Verhandlungen aus. Die gleiche Stimmung herrschte in unseren Parteiorganisationen. Von den Sozialrevolutionären braucht man gar nicht zu reden.“
Trotzki, in „Mein Leben“.
Die „linken Sozialrevolutionäre“ waren besonders aggressiv und organisierten nach der Unterzeichnung ein Attentat auf den deutschen Botschafter in Russland, um die Ergebnisse der unheilvollen Unterzeichnung praktisch zunichte zu machen. Kurz darauf führten sie in Petrograd einen Aufstand gegen die Friedensabkommen an. „Anarchisten“ gründeten in Moskau die Schwarze Garde, um den Widerstand gegen diese Abkommen zu organisieren. Und innerhalb der bolschewistischen Partei scheinen Radek und Bucharin sogar ernsthaft erwogen zu haben, Lenin mit Hilfe der „linken Sozialrevolutionäre“ zu verhaften!
Natürlich waren die Verträge von Brest-Litowsk nicht nur das Ergebnis des subjektiven Willens der bolschewistischen Anführer, die sie durchsetzen konnten. Sie waren vielmehr das Ergebnis eines objektiven Kräfteverhältnisses, das für das Proletariat noch sehr ungünstig war und zu diesem Zeitpunkt beispielsweise dadurch geprägt war, durch die Verspätung des deutschen Aufstands (das Proletariat in diesem Land war nicht in der Lage, die Fortsetzung des Krieges zu verhindern!) und ganz allgemein durch die Begrenztheit der Brüche mit den pazifistischen und reformistischen Ideologien, die die Bourgeoisie als Alternative zu den revolutionären Bestrebungen des Proletariats ins Feld führte. Wir wollen hier aber nicht weiter auf die ausführlichen Erläuterungen zu dieser Frage eingehen, die wir in unserem Artikel „La paix, c’est toujours la paix du Capital“ (Der Frieden ist immer der Frieden des Kapitals) über die Verträge von Brest-Litowsk in den Ausgaben 22 und 23 unserer französischen Zentralzeitschriften gegeben haben.
***
Wir schließen diese Einführung über die Entwicklung des Krieges und seinen revolutionären Antagonismus mit einigen Hinweisen auf die imperialistische Bedeutung der Ukraine für die verschiedenen Blöcke und Nationen, die damals aufeinanderprallten.
In diesem riesigen Chaos, das der allgemeine Zerfall der kapitalistischen Nationen im Krieg zu dieser Zeit darstellte, spielte die Ukraine eine grundlegende strategische Rolle. Als Kornkammer Europas sollte der Besitz dieser riesigen Gebiete Deutschland ermöglichen, der von England verhängten Seeblockade zu trotzen. Ihre Eroberung wurde zu einem entscheidenden strategischen Faktor für das deutsche Kapital, das „seine“ Proletarier sowohl an der Front als auch in der Heimat ernähren musste, um den für die Verfolgung seiner Kriegsziele so wichtigen sozialen Frieden aufrechtzuerhalten.
Ebenso sollten die verschiedenen Bodenschätze, wie die bedeutenden Kohle- und Eisenminen, an denen die Ukraine so reich war, die von der französischen und englischen Marine beschlagnahmten Kolonialimporte ersetzen.
Von den ersten Kriegstagen an war die Ukraine somit ein grundlegender Streitpunkt, den alle Fraktionen des Kapitals begehrten. So kam es, dass alle Armeen der Region nacheinander einmarschierten, um diese riesige Region buchstäblich zu plündern und sich heftig darum stritten: Russland gegen Österreich-Ungarn und Deutschland, der Block um Deutschland gegen die Regierung Kerenski und später derselbe Block zusammen mit den ukrainischen Nationalisten gegen die Armeen des rot bemalten russischen Staates, noch später dieselben „Roten“ Armeen gegen die Weißen Armeen…
In diesem ganzen widersprüchlichen Kontext also, in dem die Entwicklung der Revolution noch auf der Tagesordnung steht, mit dem Kampf des Proletariats gegen den bourgeoisen Krieg und der fortschreitenden Durchsetzung seiner Perspektiven, aber auch in dem Moment, in dem die Konterrevolution sich entwickelt und bei den Bolschewiki nützliche Agenten für ihre Entwicklung findet, in diesem Kontext also , dass sich nach den Vereinbarungen von Brest-Litowsk und dem Einmarsch der deutschen Armeen in die Ukraine das Proletariat dieser Region erhebt und einen Aufstand organisiert, der fast drei Jahre andauert, gegen alle bourgeoisen Armeen, die versuchen, die Kontrolle zurückzugewinnen.
3. Revolutionärer Krieg in der Ukraine gegen Brest-Litowsk (März 1918 – Dezember 1918)
Der revolutionäre Kampf in der Ukraine begann natürlich nicht erst mit den Reaktionen auf den Krieg. Diese Reaktionen sind Teil einer besonders fruchtbaren Geschichte und eines besonders fruchtbaren Kampfes, die wir hier nur kurz zusammenfassen können.
Die große Hungersnot von 1891 und die darauf folgende Choleraepidemie von 1892 haben den Zorn des landwirtschaftlichen Proletariats gegen die Ausbeutung durch die Bourgeoisie wieder geweckt. Auf diesem günstigen Boden haben sich revolutionäre „anarchistische“ Minderheiten organisiert, die den Kommunismus als Perspektive vertraten und für ihn kämpften.
Im Jahr 1902 brach der proletarische Aufstand von Charkow und Poltawa aus, bei dem die Landproletarier sich weigerten, Steuern zu zahlen, und massenhaft Enteignungen und Umverteilungen von Landbesitz durchführten.
Im Jahr 1905 läuteten proletarische Aufstände auf dem Land, in denen die „sozialrevolutionären“ Minderheiten einen großen Einfluss hatten (siehe die Gruppen, die sich zu „Zemlia i Volia“ – Land und Freiheit – bekannten), die revolutionäre Phase ein. In den Städten kam es vor allem in Jekaterinoslaw zu Arbeiteraufständen. Auf dem Land gab es regelrechte Bauernaufstände: Brandstiftung auf Landgütern und in großen herrschaftlichen Anwesen, Zerstörung von Rechnungsbüchern, Enteignung und Umverteilung von Land, die „Schwarze Teilung“ oder „Das Land denjenigen, die es bearbeiten“.
Das Dekret von Stolypin aus dem Jahr 1906 versucht, wie später auch die Bolschewiki, die Solidarität der landwirtschaftlichen Proletarier gegen die Großgrundbesitzer zu brechen, indem es eine Zwischenklasse von Bauern (die Kulaken) schafft, um der ständigen Unruhe auf dem Land ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Die Geschichte dieser sehr gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Bourgeoisie und die trotz dieser Kämpfe weiterhin extrem harten Lebensbedingungen sorgten dafür, dass der Kriegseintritt nicht gerade „fröhlich“ war! Viele Proletarier sträubten sich, ihr armseliges Stück Land zu verlassen, um Tausende von Kilometern entfernt für eine Sache zu sterben, die ihnen ziemlich unklar war. Die Kriegserklärung an Deutschland am 2. August 1914 kam kurz vor der Getreideernte, und so wurde das Proletariat auf dem Land mit Hilfe der Gendarmerie mobilisiert.
Wie wir oben gesehen haben, reichen zwei Jahre Krieg aus, um den sozialen Zusammenhalt zu zerstören. Vorbei ist es mit dem Russisch-, Deutsch-, Österreichisch-Ungarisch- oder Französischsein… In den Jahren 1916-1917 bricht alles zusammen, und im Februar 1917 entstehen ähnliche Bewegungen wie in Petrograd gegen die Regierung Kerenski und ihre lokalen Ausprägungen in der Ukraine. Überall entstehen Sowjets und ein ukrainisches Parlament (die Rada), in dem die nationalistischen Tendenzen der lokalen Bourgeoisie zum Ausdruck kommen. In dieser Rada waren die Petljura-Anhänger2, diese ukrainischen Nationalisten, am aktivsten. Auf dem Land blieben jedoch die „Sozialrevolutionäre“ und verschiedene „anarchistische“ Fraktionen vorherrschend. Die „Anarchisten“ unter der Führung von Semeniuta leisteten bis 1910 umfangreiche Propagandaarbeit und führten verschiedene direkte Arbeiteraktionen durch: Plünderungen von Banken, Enteignungen von Großgrundbesitzern, Racheakte gegen kleine Chefs3…
In der Verwirrung nach dem Oktoberaufstand und den damit verbundenen Umwälzungen versuchen mehrere lokale Bourgeoisien, auf die revolutionären Bewegungen vor Ort mit der Gründung unabhängiger Länder zu reagieren: Finnland, Polen, Ukraine, Georgien… Im Februar 1918 marschierten österreichisch-deutsche Truppen in die Ukraine ein und erreichten über das Baltikum eine Entfernung von 150 km vor Petrograd. Die Bolschewiki unterzeichnen daraufhin den Frieden von Brest-Litowsk, der, wie wir oben kurz erwähnt haben, den Startschuss für den Wiederaufbau des Staates in Russland gibt und es ermöglicht, alle revolutionären Bestrebungen nach und nach zu ersticken, wobei es anderen bourgeoisen Fraktionen überlassen bleibt, die Arbeit in den anderen Regionen zu vollenden. So waren die kämpfenden ukrainischen Proletarier gefesselt und der ukrainischen und österreichisch-deutschen Bourgeoisie ausgeliefert, die vorübergehend vom Druck der Revolution befreit war.
Von da an kann das Proletariat nur noch aufstehen und kämpfen. Und es ist wichtig, sich daran zu erinnern: Das Proletariat konnte aufgrund seiner materiellen Interessen nur revoltieren! Zu keinem Zeitpunkt war es ihm möglich, das durch die Verträge von Brest-Litowsk diktierte bolschewistische Programm zu akzeptieren! Angesichts all der klassischen konterrevolutionären Rechtfertigungen der linksradikalen Organisationen, von den Trotzkisten über die Maoisten bis hin zu den Linken von „Programme Communiste“ oder „Battaglia Communista“ und anderen, die die Notwendigkeit der Friedensverträge begründen… „weil die Proletarier ja was zu essen brauchten“ (!!!), müssen wir an die Fakten erinnern, die historische Realität aufzeigen und so klar machen, dass das Einzige, was diese Verträge den Proletariern in der Ukraine gebracht haben (abgesehen von anderen Fragen, die wir hier nicht diskutieren wollen), … Kugeln und Blei waren! Die Friedensabkommen führten dazu, dass die deutsche Armee die Felder und Kornspeicher plünderte, die sich die Proletarier wieder angeeignet hatten; sie führten zur Rückkehr der kurz zuvor vertriebenen ukrainischen Eigentümer; sie führten zu Hunger für die Proletarier und zu Kugeln, wenn sie versuchten, sich zu wehren.
Aufgrund all dieser konkreten Bedingungen, die mit den pseudohistorischen Überlegungen der Linken nichts zu tun haben, konnte das Proletariat materiell keinen Moment lang „Friedensabkommen“ akzeptieren, die es entwaffneten und aushungerten! Das war keine ideologische, sondern eine praktische Frage!
In der Ukraine, die von den Bolschewiki an die Weißen Armeen ausgeliefert worden war, setzten die deutschen Truppen den Hetman Skoropadsky, einen reichen Grundbesitzer, an die Spitze des Staates. Mit Zustimmung dieser neuen Regierung plünderte die deutsche Armee die Region und nahm alles mit, was sie für die Fortsetzung ihres Krieges brauchte, und brachte Rohstoffe, Getreide, Vieh usw. ins Hinterland und sogar nach Deutschland. Hunderttausende Lastwagen reichen nicht aus, um alles wegzuschaffen, was die bewaffneten Abgesandten der deutschen Bourgeoisie an sich reißen.
Auf der anderen Seite können die ukrainischen Bourgeois als Preis für die Plünderungen ihrer österreichisch-deutschen Kollegen das Vermögen zurückerhalten, das ihnen kurz zuvor von der revolutionären Bewegung weggenommen worden war. Die Landbesitzer nahmen ihr Land zurück und verfolgten alle, die sich ihnen widersetzten. Wenn die Proletarier Widerstand leisteten und versuchten, das Eigentum zu verteidigen, das sie den Bourgeois entrissen hatten, wurden sie ohne Gerichtsverfahren erschossen. Es ist wichtig, hier noch mal zu betonen, dass unabhängig von allen Reden über Befreiung oder nationale Unabhängigkeit die österreichische, ukrainische, russische und deutsche Bourgeoisie sich einig waren, die Proletarier zu unterdrücken, sie wieder an die Arbeit zu schicken, sie auszubeuten und zu erschießen, wenn sie sich wehrten.
Aber ab Juni 1918 wird die grenzenlose Repression, der die Proletarier ausgesetzt sind, sie dazu bringen, auf die Angriffe der Bourgeoisie zu reagieren. In Verbindung mit dem allgemeinen revolutionären Aufstand in Russland, der ihren eigenen Kampfgeist stärkt, kommt es überall zu Aufständen gegen die ukrainischen Landbesitzer und gegen die österreichisch-deutschen Streitkräfte. Die Proletarier in den Städten und auf dem Land bekämpfen sie, vertreiben die Grundbesitzer und bewaffnen sich gegen die Polizeiarbeit der österreichisch-deutschen Armee.
Diesen proletarischen Reaktionen steht der unerbittliche Weiße Terror gegenüber. In den Dörfern werden Hunderte von Proletariern massakriert. Die Häuser werden niedergebrannt, ihr ganzer Besitz zerstört. Aber die Entschlossenheit der Bourgeois zwingt das Proletariat in der Ukraine zu einem ersten qualitativen Sprung in seinem Kampf gegen seine Mörder: Es organisiert sich in Scharfschützenverbänden und greift zu Hinterhaltstaktiken. Von überall her und wie von einem unsichtbaren Dirigenten –der kommunistischen Bewegung!– angetrieben, organisieren sich überraschend viele Proletarier in Gruppen, um einen Partisanenkrieg gegen die Großgrundbesitzer und die österreichisch-deutschen Streitkräfte, die sie beschützen, zu führen. Anfangs ohne jede technische Koordination, aber sehr organisch, als ob sie aus ihrem Wunsch heraus entstanden, nicht zu sterben, ohne bis zum Ende gekämpft zu haben, überfallen Abteilungen von 20, 50 oder 100 gut bewaffneten Proletariern, die zu Pferd unterwegs sind, überraschend Landgüter, greifen die Nationalgarde (die Varta) an und bekämpfen alle ihre Feinde. Die Großgrundbesitzer, die die Ausgebeuteten verfolgten, wurden selbst bei diesen Partisanengruppen angezeigt und mit dem Tod bedroht, sollten sie ihre Übergriffe fortsetzen. Polizisten und deutsche Offiziere werden mit dem sicheren Tod bedroht. All diese Aktionen der Roten Gegengewalt werden im Sommer 1918, von Juni bis August, täglich in der ganzen Ukraine durchgeführt.
Die brutale Repression, zu der die vereinten Kräfte des Hetmans Skoropadsky und des deutschen Generalstabs greifen, führt nur dazu, dass die bewaffneten Kämpfer des Proletariats einen zweiten Qualitätssprung in ihrem Kampf machen, indem sie sich immer mehr zusammenschließen und sich nach und nach um ihre kämpferischsten Fraktionen herum organisieren. Große Partisanenarmeen formierten sich um proletarische Militante wie Korilenko in der Region Berdiansk, Stchuss und Petrenko-Platonov in den Regionen Dibrivka und Grichino…
Im Süden der Ukraine, in der Region Gulai-Polje, erfolgt die Vereinigung der Partisanenverbände nicht nur zur Verteidigung gegen den Weißen Terror. Hier organisieren sich die Proletarier mit dem Ziel, die von den Großgrundbesitzern angeführte Konterrevolution endgültig zu besiegen. Die Zentralisierung der aufständischen Kräfte hat als Hauptziel die Vereinigung der revolutionären Arbeiter in den Städten und auf dem Land zu einer organisierten Kraft, um die gesamte bestehende bourgeoise Gesellschaft zu stürzen: Ihr Programm ist die kommunistische Revolution, ihre Fahne – die schwarze – die einer klassenlosen Gesellschaft! Die wichtigste Rolle bei der Vereinigung der Partisanen und der Festlegung eines revolutionären Programms spielte ein 29-jähriger militanter Anarchist aus dieser Region: Nestor Machno.
Wenig später, im November 1918, als die revolutionäre Bewegung in Deutschland und Österreich die defätistische Stimmung in den deutschen und österreichischen Truppen in der Ukraine verstärkte und diese sich nach und nach aus der Region zurückzogen, tauchten neue Feinde am Horizont auf, zuerst in Form der nationalistischen Armeen von Petljura, dann vor allem in Form der schrecklichen Weißen Armeen von Denikin. Von da an war es nur natürlich, dass sich der Aufstand in der Ukraine – vor allem im südlichen Teil – organisierte, zentralisierte und um das revolutionäre Programm von Machno und anderen kommunistischen Militanten herum vereinigte und schließlich eine einzige Revolutionäre Aufständische Armee bildete.
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Der Prozess, durch den sich der Aufstand in der Ukraine nach und nach um ein revolutionäres Programm organisierte, zeigt deutlich, wie wichtig in einer solchen Bewegung die Anwesenheit revolutionärer Militanter ist, einer vorher gebildeten, ausgebildeten und entschlossenen Avantgarde, die die Welt in ihrer Gesamtheit revolutionieren will. Wie man sieht, bündeln diese kommunistischen Kerne den Kampf Tausender Proletarier, indem sie dessen Perspektiven klarstellen, das darin enthaltene Programm offenlegen und die soziale Bewegung organisieren. Sie schaffen den Kampf nicht, sie leiten ihn. Ja, sie leiten den Kampf, sie geben ihm eine Richtung, sie setzen die Diktatur der Bedürfnisse der sozialen Klasse durch, in der sie kämpfen, egal was all die Reformisten sagen, die auf den Feldern der Demokratie „Marxismus“ oder „Anarchismus“ nachplappern4.
Entgegen der idealistischen Romantik, die manchmal damit verbunden ist, ist der ukrainische Aufstand natürlich nicht das subjektive Werk eines einzigen genialen Kämpfers, der die Menschen zum Kampf überreden kann: Er ist in erster Linie eine spontane Reaktion der kämpfenden Proletarier auf den Terror der Bourgeoisie, die oft von entschlosseneren, besser organisierten Kämpferfraktionen initiiert wird.
Aber auch wenn die Revolutionäre den Kampf nicht schaffen, sie kristallisieren ihn und ermöglichen verschiedene qualitative Sprünge:
- indem sie immer wieder betonen, dass es notwendig ist, sich immer stärker zu zentralisieren, bis nur noch eine einzige große gemeinsame Kraft gegenüber dem Klassenfeind steht;
- indem sie die soziale Revolution und den Kommunismus immer genauer als einzige Perspektive für die endgültige Abschaffung der Welt des Lohnverhältnisses formulieren;
- indem sie jederzeit die Klassengrenze ziehen, die die Revolution von der Konterrevolution trennt.
Wir werden später auf die großen Schwächen und die enormen Illusionen im Programm der Aufständischen Armee der Ukraine unter der Führung von Machno, aber im Rahmen der Vereinigung, die im Kampf gegen die verschiedenen Versuche, die revolutionäre Bewegung in der Ukraine zu zerschlagen, erreicht wurde, müssen wir zunächst die Stärke dieser Militanten hervorheben, die mit den Waffen in der Hand es schafften, die kommunistische Revolution als einzige Perspektive zu formulieren, indem sie den Kampf gegen die bourgeoisen nationalistischen Alternativen von Petliura und anderen Grigorievs anprangerten und organisierten, den revolutionären Defätismus gegenüber den österreichisch-ungarischen Armeen predigten, den Roten Terror gegen die Weißen Armeen und die Großgrundbesitzer ausübten und sogar die bolschewistische Rote Armee als das entlarvten, was sie war: eine Armee des kapitalistischen Wiederaufbaus in Russland!
Im November 1918 begannen die österreichisch-deutschen Truppen sich zurückzuziehen, standen aber weiterhin unter dem Druck der Kämpfer der Revolutionären Aufständischen Armee. Dieser Druck bestand darin, die Ausbreitung der defätistischen Bewegung innerhalb dieser Armeen durch revolutionäre Propaganda zu fördern und gleichzeitig wiederholte Angriffe auf ihre militärischen Kräfte durchzuführen.
Der revolutionäre Defätismus ist eine entscheidende Frage im Rahmen der kommunistischen Antwort auf den bourgeoisen Krieg. Für die Kommunisten ist der Krieg nur die Fortsetzung des kapitalistischen Friedens oder, besser gesagt, ein weiterer Moment des permanenten Krieges, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt. Aber dieser „andere Moment“ der Diktatur der Bourgeoisie über unsere Klasse erfordert für den Kampf der Arbeiterklasse genaue Anweisungen für die Aktion und klare Perspektiven. So bekräftigten Lenin, Liebknecht und viele andere revolutionäre Militante in den Jahren 1914-1915 angesichts des schwachen und perspektivlosen Pazifismus der Sozialdemokraten die Notwendigkeit, gegen die „eigene“ Bourgeoisie zu kämpfen, in Form von klaren Anweisungen und Parolen.
Wo die Pazifisten ohne weitere Vorschläge nur davon fassten, den Krieg zu beenden, setzten die Kommunisten die revolutionäre Perspektive entgegen, indem sie zur Verbrüderung zwischen den Soldaten der verschiedenen Armeen aufriefen, vorschlugen, die Waffen gegen „ihre“ Offiziere zu richten, den wahren Feind des Proletariats in „seiner eigenen Bourgeoisie“ anprangerten… Kurz gesagt, indem sie die Niederlage „ihres“ eigenen Landes, der Heimat, die ihnen die Gendarmen auf den Hals gehetzt hatte, befürworteten!
Der revolutionäre Defätismus ist somit die direkte Umsetzung der revolutionären Konfrontation mit dem Krieg, in der das Proletariat gegen diejenigen schießt, die ihm die Gewehre an die Kehle halten. Er setzt sich fort in dem revolutionären Krieg, von dem hier die Rede ist und der darauf abzielt, die Konfrontation innerhalb einer bourgeoisen Armee zu führen, indem er immer mehr danach strebt, diejenigen, die sie befehligen, von denen, die ihre Befehle ausführen, zu unterscheiden, um die permanente Existenz des Klassenwiderspruchs innerhalb der von der Bourgeoisie geführten Armeen zu verdeutlichen und dessen Entwicklung zu einem Klassenkrieg zu fördern, bis der Widerspruch innerhalb der bourgeoisen Militärinstitution offen zutage tritt und jeden zwingt, sich für eine Seite zu entscheiden, und sich dann in eine gewaltsame Krise verwandelt, die durch den Zerfall der militärischen Struktur und schließlich durch deren endgültige Zerstörung gekennzeichnet ist.
Um auf den revolutionären Krieg in der Ukraine zurückzukommen: Jedes Mal, wenn Abteilungen der Machnowisten die österreichisch-deutschen Truppen angreifen und siegen (was zu diesem Zeitpunkt des vollständigen Zerfalls der Armeen des deutschen Imperialismus immer häufiger vorkam), gehen sie auf die gleiche Weise vor und befolgen die gleichen Regeln: Sie töteten die Offiziere als erbitterte Verteidiger der bourgeoisen Armee und oft sogar als Henker ihrer eigenen Soldaten und ließen die einfachen Soldaten, die gefangen genommen worden waren, frei, mit Ausnahme derer, die sich der Gewalt gegen Proletarier schuldig gemacht hatten. Allen anderen bieten sie an, nach Hause zurückzukehren und von der sozialen Revolution in der Ukraine zu berichten. Die Revolutionäre verteilen auch Flugblätter und Texte, um die Soldaten zu ermutigen, sich dem revolutionären Werk in Deutschland und Österreich anzuschließen. Hier ist der Bericht von Archinov5, einem „anarchistisch-kommunistischen“ Militanten, der an der Seite von Machno kämpfte, über die Aufgaben, die sich die Machnowisten-Verbände im Rahmen der Widerstandsaktionen in der Region gestellt hatten:
„Die Aufgaben seiner Kompanie waren: a) aktive Propaganda- und Organisationsarbeit unter den Bauern; b) unerbittlicher Kampf gegen ihre Feinde. Dieser Kampf basierte auf dem Prinzip:Jeder Landbesitzer, der die Bauern verfolgte, jeder Polizist des Hetmans, jeder russische und deutsche Offizier als Todfeind der Bauern sollte keine Gnade erfahren und vernichtet werden (…) Innerhalb von zwei oder drei Wochen wurde diese Abteilung nicht nur zum Schrecken der örtlichen Bourgeoisie, sondern auch der österreichisch-deutschen Behörden.“
Die Revolutionäre drucken Flugblätter auf Deutsch und in verschiedenen Dialekten, um sie als Propagandamittel zu nutzen und die österreichisch-deutschen Truppen, die als Wachen für die lokale Bourgeoisie dienen, zu zersplittern. Schon zu dieser Zeit zeigt sich die entschlossen internationalistische Seite der Bewegung.
Viele Partisanengruppen setzten sich aus Proletariern aus der Ukraine zusammen, aber es gab auch Gruppen mit Proletariern griechischer Herkunft (rund um das Schwarze Meer gab es große griechische Kolonien), deutscher, ungarischer, jüdischer oder österreichischer Herkunft … Es gibt auch Abteilungen aus Großrussland. Denn die defätistische Propaganda ist eine Propaganda, die, weil sie auf die Ausbreitung der Revolution abzielt, auch eine wichtige Vereinigung des Proletariats um seine wirklichen Aufgaben herum bewirkt. So kam es, dass mehrere bolschewistische Abteilungen, die aus Russland entsandt worden waren, um auch gegen Hetman Skoropadsky zu kämpfen, den Befehlen der Bolschewiki nicht gehorchten und sich im Kampf der Disziplin der Machnowisten unterwarfen6. Später waren es ganze Regimenter der Roten Armee, die durch defätistische Propaganda für ihre Sache gewonnen wurden und zur Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine überliefen.
Diese Vorgehensweise ist die klare und konkrete Verwirklichung des revolutionären Krieges, den alle revolutionären Kräfte des Proletariats wenige Monate zuvor während der Verhandlungen von Brest-Litowsk gegen die um Lenin versammelte bolschewistische Minderheit ausgerufen hatten. Die Aktivität der proletarischen Militanten in dieser Region Russlands ist der materielle Beweis für die Möglichkeiten der Führung eines internationalen revolutionären Krieges, sie ist die praktische Negation aller Argumente, die Lenin vorgebracht hat, um diesen schändlichen, demobilisierenden und konterrevolutionären Frieden mit den Armeen der Bourgeoisie zu unterzeichnen!
***
All dies spielt sich zwischen November und Dezember 1918 ab. Sobald sich die österreichisch-deutschen Truppen zurückziehen, flieht die Regierung von Hetman Skoropadsky und verursacht den Sturz ihres Regimes.
Die Machnowschtschina7 sieht sich nun einem neuen Feind gegenüber, der die anti-austro-deutsche nationalistische Welle genutzt hat, um sich zu organisieren: die ukrainischen Nationalisten von Petljura.
Die soziale Basis der „Petljura-Bewegung“ war die nationalistische ukrainische Bourgeoisie, die nach Unabhängigkeit für die patriotische Organisation der Arbeit und Ausbeutung in der Ukraine strebte. Wie immer hat sich diese Art von Autonomiebewegung hauptsächlich um die liberale Bourgeoisie herum organisiert, indem sie die Interessen der Bourgeoisie auf dem Land und der liberalen „Intelligenz“ in Einklang brachte und gleichzeitig die lokalen proletarischen Aufstände zu ihrem Vorteil nutzte.
Auf der Grundlage der großen Begeisterung nach dem Abzug der österreichisch-deutschen Armeen und des Hetmans Skoropadsky gewann diese nationalistische Bewegung an Fahrt. Petliura tat alles, um sich in den Mittelpunkt der Siege über die österreichisch-deutschen imperialistischen Armeen zu stellen und so schnell wie möglich riesige Massen in der ganzen Ukraine um seine eigene Figur als Nationalheld zu versammeln. Die südlichen Regionen, wo sich die proletarischen Aufstände mit einem eigenen Programm und unter der Fahne der sozialen Revolution stark organisiert hatten, waren die einzigen Gebiete, in denen die nationalistische Bewegung wenig Einfluss hatte und direkt als das entlarvt wurde, was sie war: ein neues Rezept, um das Proletariat wieder in die Arbeit zu treiben.
Aber die Regierung der Nationalen Republik Petljoora hatte nicht viel Zeit, um ihre Popularität zu genießen. Kaum im Dezember 1918 etabliert, als Skoropadsky sich zurückzog, musste sie selbst einen Monat später, im Januar 1919, fliehen: Die soziale Basis, auf der ihre Macht beruhte, schwand zusammen mit den Illusionen der Proletarier, dass sie ihre Lage grundlegend ändern könnte. Der Petljuraismus brach so schnell zusammen, wie er entstanden war. Die meisten Proletarier, die sich ihm vorübergehend angeschlossen hatten, zogen sich nun aus seiner Armee zurück, die der neuen Macht feindlich gegenüberstand, und schlossen sich oft den Kräften der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine an, die sich um die „Anarcho-Kommunisten“ gruppierten. Der Rest seiner Armee bleibt aber aktiv genug, um sich der Roten Armee zu stellen, als diese beginnt, in die Ukraine vorzustoßen, um den Wiederaufbau des russischen Staates zu sichern.
4. Der dogmatische Anarchismus im Dienste des Kapitalismus (November 1918 – Juni 1919)
In dieser unsicheren Zeit zwischen November 1918 und Juni 1919 versuchen die „anarchistisch-kommunistischen“ Militanten8, die sich um Machno versammelt haben, die „befreite Region“ (ein Umkreis von 100 km um Gulaj-Polje mit etwa zwei Millionen Einwohnern) zu verwalten. Und genau hier zeigte die aufständische Bewegung ihre Schwächen und Widersprüche, weil sie es nicht schaffte, die Verbindung zum Kapital zu lösen, weil sie sich programmatisch nicht von der Sozialdemokratie abgrenzte.
Dieser Mangel an Bruch ist objektiv im Rahmen der damals allgemeinen Unmöglichkeit zu verstehen, die Diktatur des Proletariats als endgültigen Versuch zur Abschaffung von Wert und Tausch zu begreifen, was unter anderem auf die Verschleierung der Beiträge von Marx zu dieser Frage durch die Zweite Internationale zurückzuführen ist. Aber es ist auch wichtig, diesen Mangel an Bruch mit dem Reformismus in seiner subjektiven Tatsache anzuprangern, d. h. in den anarchistischen und verwaltungstechnischen Ideologien, die den Proletariern und insbesondere den Militanten der Machnowisten als Rechtfertigung dienten, um konkret die Nicht-Zerstörung der Ökonomie und damit die Nicht-Zerstörung des Staates zu propagieren, insofern, als dieser nur der organisierte Ausdruck des Werts ist.
Das Proletariat in der Ukraine hindert sich somit daran, aus den gegen die Bourgeoisie errungenen Siegen Nutzen zu ziehen. Denn nachdem die Bourgeoisie lokal besiegt wurde, hat das Proletariat die Macht in seinen Händen. Es übernimmt die despotische Kontrolle über die Produktionsmittel (auf dem Land und in den Städten wurden die Bourgeois enteignet…), aber es weiß nicht, was es damit anfangen soll, und bleibt gelähmt. Es versucht nicht nur nicht wirklich, den Kampf geografisch auszuweiten, sondern bleibt auch gegenüber der Ökonomie untätig und übernimmt nicht die Verantwortung für ihre wirkliche Zerstörung. Da es ihm nicht gelingt, eine echte Richtung und ein Programm zur Zerstörung des Kapitals zu entwickeln, festigt die anarchistische Ideologie mit ihren verwaltungsorientierten und föderalistischen Aspekten die Schwächen des Proletariats, indem sie seine reformistischen Prinzipien als Autorität aufstellt. Die Unfähigkeit des Proletariats, sich mit anderen kommunistischen Kräften in der Welt zu verbünden, und die fehlende Verbindung zur Geschichte des Kommunismus als Programm ermöglichen es der Sozialdemokratie (hier in Gestalt der anarchistischen Ideologie), den Strom der sozialen Revolution brutal zu entleeren und ihn in die ruhigen Gewässer der Anpassung zu leiten, der Verbesserung des Lohnüberlebens und NICHT seiner Zerstörung zu leiten. Anstatt die Lohnarbeit und damit die Quelle des Kapitals selbst zu zerstören, werden die Machnowisten unter Berufung auf ihre „libertären Prinzipien“ diese durch „Bauernkommunen“, sogenannte „Arbeitskommunen“ (sic!), „Freie Kommunen“ oder „Kommune Rosa Luxemburg“ verwalten.
In diesen Gebieten, in denen die staatliche Ordnung verschwunden ist und die Desorganisation des Kapitals ihren Höhepunkt erreicht hat, wollen die Machnowisten den Zerfall der Ökonomie stoppen, indem sie ihre demokratische Verwaltung fordern. Schlimmer noch, unter dem Vorwand, in dieser Frage keine Autorität aufzwingen zu wollen, werden sie die föderale Organisation freier landwirtschaftlicher Kommunen und die Selbstverwaltung von Fabriken und anderen Betrieben befürworten und den Proletariern in den Städten und auf dem Land vorschlagen, ihre Beziehungen auf Tauschhandel und den gegenseitigen Austausch der jeweiligen Arbeitsprodukte zu stützen. Das heißt, diese „Räte“ waren die Autorität und hatten natürlich Gesetzeskraft, da ihr Einfluss, der auf dem berechtigten Vertrauen der Proletarier beruhte, deren Führung sie während ihres Sieges über die österreichisch-deutschen Armeen herausgebildet hatten, jeden Vorschlag direkt in Macht umsetzte!
Dieser Entwurf einer föderalen sozialen Organisation verwirklichte natürlich nicht die Fortsetzung des unmittelbaren Kampfes, den die Proletarier praktisch gegen die Arbeit und für die unmittelbare Befriedigung ihrer menschlichen Bedürfnisse führten (Kampf gegen den Wert, für die Ausweitung der Weltrevolution usw.), sondern stellte vielmehr die selbstverwaltete (Re-)Organisation des bestehenden Ausbeutungssystems dar9.
Die um Machno versammelten Revolutionäre hatten sehr gut verstanden, wie wichtig es war, sich der Bourgeoisie als militärische Kraft mit Autorität, Gewalt und Terror entgegenzustellen; aber dieses Verständnis endete, sobald sie sich dem bourgeoisen Programm in Form des Tausches und der Organisation des Staates in Form der Diktatur des Werts gegenüberstanden. Hier nahm die Ökonomie all diese Rechte wieder an sich. Die Machnowisten, deren anarchistische Ideologie ihren Blick auf den Bourgeois-Liberalismus beschränkte, schlugen den Proletariern vor, ihr Schicksal frei in die Hand zu nehmen, indem sie selbst entschieden, wie viel Zeit sie arbeiten wollten und wie sie die Ergebnisse ihrer Arbeit verwalten wollten. Als ob die Proletarier, allein oder in einer Kommune organisiert, die Freiheit hätten, sich den Gesetzen des Austauschs zu entziehen!!! Die Ökonomie als abstrakte Organisation der Wertschöpfungsbewegung war natürlich der große Gewinner der selbstverwaltungsorientierten Reformen, die auf Initiative der Machnowisten durchgeführt wurden.
Angesichts der sozialen Organisation der Arbeit haben die Machnowisten lediglich ihre Selbstverwaltung durchgesetzt (wenn auch nur durch den Einfluss ihrer „guten Ratschläge“, wie wir gesehen haben!): Das Kapital herrschte weiterhin, aber nun waren es die Arbeiter in den Städten und auf dem Land, die ihre Ausbeutung durch das Kapital verwalteten. So konnten sie selbst entscheiden, welche Mengen verschiedener Produkte getauscht werden sollten, und sich der Illusion hingeben, dass die Preise verschwunden seien. Dabei war es doch die Grundlage – die Regulierung des Tausches durch die in jeder Ware kristallisierte Arbeitsmenge, also der Wert –, die sie in Wirklichkeit dazu brachte, die quantitativen Verhältnisse zwischen den Produkten im Tausch zu bestimmen.
Das Monstrum, zu dem das führte, war, dass die Realität der Lohnabhängigen, der Ausbeutung und des Kapitals, also all die Kräfte, die sich selbst aufrechterhielten, hinter nebulösen pseudokommunistischen Ideologien versteckt wurden. Die libertären Vorschläge von Volin passten hier zu den „sozialistischen“ Verordnungen von Lenin. Während der Bolschewik glaubt, das Geld abschaffen zu können, indem er die Abschaffung des Bargeldes verordnet, glaubt der Libertäre, den Kommunismus verwirklichen zu können, indem er den Wert vereinheitlicht und den Tauschhandel vorschreibt!
Und wenn Militante wie Archinov zwar in der Lage waren, die Fallstricke der bolschewistischen Ökonomie verwirrend aufzudecken 10…
„… wir haben es mit einer einfachen Ersetzung des Privatkapitalismus durch einen Staatskapitalismus zu tun. Die kommunistische Verstaatlichung der Industrie stellt eine neue Art von Produktionsverhältnissen dar, in denen die Sklaverei und die ökonomische Unterwerfung der Arbeiterklasse in einer einzigen Hand konzentriert sind: der des Staates. Im Grunde verbessert das die Lage der Arbeiterklasse überhaupt nicht. Zwangsarbeit (natürlich für die Arbeiter) und ihre Militarisierung – das ist der eigentliche Geist der nationalen Fabrik.“ 11…
… waren sie aber nicht in der Lage, mehr zu tun, als die Beschränkungen der Machnowisten zu beklagen:
„Die Freiheit der Bauern und Arbeiter, sagten die Machnowisten, gehört ihnen selbst und darf keiner Einschränkung unterliegen (…) Was die Machnowisten betrifft, so können sie ihnen nur helfen, indem sie ihnen den einen oder anderen Ratoder eine Meinunggeben und ihnen die notwendigen intellektuellen oder militärischen Kräfte zur Verfügung stellen, aber sie wollen ihnen auf keinen Fall etwas vorschreiben(…) Volin, der von den Bauern bewundert wurde,übersetzte ihre Gedanken und Bestrebungen: die Idee der freien Sowjets, die im Einklang mit den Wünschen der arbeitenden Bevölkerung arbeiten, die Beziehungen zwischen Bauern und Arbeitern in den Städten, die auf dem gegenseitigen Austausch der jeweiligen Arbeitsprodukte beruhen, die Idee einer egalitären und libertären Organisation des Lebens…“12
Archinov in ‚Geschichte der Machnowistenbewegung‘ – 1921
Wie man im letzten Absatz dieses Zitats besonders gut sieht, müsste man nur Volin durch Lenin und „libertär“ durch „sozialistisch“ ersetzen, und schon hätten wir dieselbe bourgeoise demokratische Apologie der Sowjets! Angesichts all dieser Ausflüchte zur freien und demokratischen Selbstorganisation der Sowjets hätte das Proletariat am dringendsten gebraucht, dass seine Avantgarde ebenso entschlossen die Abschaffung des Werts, des Tausches und die internationale Verallgemeinerung der Re-Verwertung durchgesetzt hätte, wie sie den bewaffneten Aufstand gegen diejenigen angeführt hatte, die diese verkörperten!
Die zentrale Frage war die zentralisierte Organisation der Produktion nach menschlichen Bedürfnissen und damit gegen den Profit. Diese ermöglicht direkt eine Verringerung der Arbeitsmenge (in Umfang und Intensität) durch die sofortige Abschaffung von allem, was dem Menschen nicht dient. Davon ausgehend und unter Anwendung des Prinzips „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ werden die Beamten und andere Bourgeois gezwungen, sich an den kollektiven Anstrengungen gegen die allgemeine Warenproduktion zu beteiligen. Die Abschaffung aller unnötigen Funktionen und die Schließung von Industrien, die nichts produzieren, um den Wohlstand der Proletarier zu verbessern, führt zu einer zunehmenden Automatisierung aller Produktionsaufgaben. All diese Maßnahmen sind notwendig und unvermeidbar, um die Lohnabhängigkeit grundlegend anzugehen. Als Folge dieser Maßnahmen (die zwar völlig unzureichend sind, aber den Weg weisen!) wird auch eine wachsende Zahl von Proletariern von produktiven Aufgaben befreit und kann sich mit noch größerer Kraft der weltweiten Ausbreitung der sozialen Revolution widmen.
Das haben die Machnowisten nicht gemacht. Wie wir gesehen haben, haben sie sich damit begnügt, die Trennung zwischen Stadt und Land, zwischen „Arbeiter“ und „Bauer“, zwischen Intellektuellen und Handwerkern wiederherzustellen und jede dieser Kategorien des Kapitals dazu zu bringen, sich gegenseitig zu ignorieren und die soziale Revolution nur als kleinteilige und föderale Verwaltung ihres kleinen Elends zu verstehen.
Die föderalistische Ideologie des Anarchismus ließ nur eines zu: die Isolierung und Zersplitterung der revolutionären Bewegung, ihre Zersplitterung in lokalistische Verwaltungsphantasien. Die föderalistische und regionalistische Ideologie Machnos selbst war ein Hindernis für die Ausbreitung der Revolution. Als er 1920 die „Bestrebungen der Machnowschtschina“ definieren musste (ein Text aus einem Flugblatt von Machno mit dem Titel „Was ist die Machnowschtschina?“), sagte er:
„Die aufständische Machnowschtschina-Bewegung strebt danach, aus der revolutionären Bauernschaft eine echte und organisierte Kraft zu schaffen, die fähig ist, die Konterrevolution zu bekämpfen und die Unabhängigkeit einer freien Region zu verteidigen.“
Wie man sieht, war die sozialdemokratische Idee des Sozialismus in einer einzigen Region, die später mit der Theorie von Stalin und Bucharin zur „Theorie des Sozialismus in einem einzigen Land“ wurde, Machno genauso wichtig wie der rechten bolschewistischen Regierung.
Das Schlimmste daran ist, dass ein revolutionärer Anführer wie Machno inmitten einer weltweiten revolutionären Welle, zu einer Zeit, als das Proletariat von Berlin bis Patagonien, von Bombay bis Mexiko, von Budapest bis Toronto für die einzige Weltrevolution kämpfte, in der „stalinistischen“ Perspektive gefangen blieb – und das noch vor dem „Stalinismus“!
Die Grenze des Aufstands in der Ukraine lag somit, abgesehen von den objektiven Problemen des Kräfteverhältnisses zu dieser Zeit, in der mangelnden Ausweitung des revolutionären Krieges. Die „anarchistischen Kommunisten“ in der Ukraine hatten mit gezückten Waffen die Verweigerung der Ausweitung des revolutionären Krieges durch die Verträge von Brest-Litowsk erkannt und kritisiert, aber sie waren nicht in der Lage zu begreifen, dass die Ausweitung der Revolution auch einen ebenso despotischen und gewaltsamen Kampf gegen die Ökonomie, gegen den Wert erforderte.
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Der Einfluss, den die anarchistische Ideologie auf die Revolutionäre in der Ukraine und in Russland im Allgemeinen hatte, hat seinen Ursprung, wie übrigens fast überall auf der Welt zu dieser Zeit, im Versuch, dem Willen revolutionärer Militanter, direkte Aktionen durchzuführen, einen kohärenten theoretischen Rahmen zu geben, entgegen den reformistischen Vorschlägen der meisten sozialdemokratischen Organisationen, die den Marxismus in eine Ideologie verwandelt hatten. Dieser berechtigte Wunsch, mit dem Reformismus zu brechen, veranlasste einen Großteil dieser Militanten, ihre Aktionen in Form von Programmen zu theoretisieren, die eines idealistischer als das andere waren und vom verwaltungsorientierten und föderalistischen Proudhonismus über den Anarchosyndikalismus bis hin zum exemplarischen Terrorismus als Katechese (vgl. Netchaïev) reichten.
Unter derselben Fahne standen also, wie so oft, direkte Aktion und Reformismus, Revolution und Konterrevolution.
Der Anarchismus in der Ukraine begann als Reaktion auf die legalistischen Ziele der Sozialdemokraten wie im restlichen Russland im 19. Jahrhundert und etablierte sich vor allem Ende des Jahrhunderts während der Hungersnot von 1891. Die erste Gruppe entstand 1903 unter dem Namen Bor’ba (Kampf). Die Monatszeitschrift „Brot und Freiheit“ wurde von Anhängern des von Kropotkin entwickelten Anarcho-syndikalistischen-bourgeois herausgegeben und in der Ukraine heimlich verbreitet.
Die Bewegung griff dann auf Moskau und die Hauptstadt Sankt Petersburg über, wo die wichtigsten Gruppen „Tschernoe Znamia“ (Schwarze Fahne), „Kleb i Wolja“ (Brot und Freiheit) und „Beznatchalie“ (Ohne Autorität) waren. Verschiedene Gruppen haben unterschiedliche Praktiken: „Schwarze Fahne“ sieht den Kommunismus als ihr Ziel; „Brot und Freiheit“ hingegen ist eine typische reformistische Gruppe, die eine „Gesellschaft“ anstrebt, in der der Kapitalismus abgeschafft wird, um Platz für einen riesigen Zusammenschluss von Produzenten zu schaffen, der von Arbeiterorganisationen (Gewerkschaften/Syndikate) geführt wird! Und wie man hier sieht, vergiften die Illusionen des Verwaltungsismus, die an einen reinen Kapitalismus ohne seine dunklen Seiten glauben, die revolutionäre Bewegung auf beiden Seiten der falschen Polarisierung, in die die Sozialdemokratie die „Marxisten“ und „Anarchisten“ zu stecken versucht. Die Militanten der dritten Gruppe, „Sans Autorité“ (Ohne Autorität), bedienen sich eher einer literarischen und romantischen Phraseologie, ohne zu zögern, mit ein paar Bomben auf alles zu werfen, was die „verhasste Autorität“ repräsentieren könnte.
Innerhalb der Gruppen, die sich als „anarchistische Kommunisten“ bezeichnen, werden die Brüche am konsequentesten sein. Gegen den triumphierenden Kropotkinschen Pazifismus sehen wir so, wie die „anarchistischen“ Militanten in Moskau und Sankt Petersburg, die sich um Grossmann-Rochtchin scharen, vor allem mit dem Syndikalismus brechen. Diese entschiedene Abkehr, die Organisation dieser Militanten um klar abgegrenzte Positionen herum sowie ihre Bemühungen um eine echte Zentralisierung der kämpfenden Proletarier stehen übrigens meist in tiefem Widerspruch zur Referenzdoktrin – dem Anarchismus – und ihren „antiautoritären“ Forderungen.
Die revolutionären kommunistischen Militanten, die sich unter anarchistischer Fahne organisiert hatten, nahmen an der Oktoberrevolution an der Seite der anderen proletarischen Avantgarde-Kräfte teil, zusammen mit den „linken Sozialrevolutionären“, den „Bolschewiki“, den „Parteilosen“ usw. In der Ukraine, zum Beispiel in Jekaterinoslaw, gingen 80.000 Arbeiter auf die Straße und marschierten hinter schwarzen Fahnen, um ihre Teilnahme an der laufenden sozialen Revolution zu zeigen.
Von den Bolschewiki, zusammen mit den linken „Sozialrevolutionären“, zerschlagen, kehrten diejenigen, die dem Gefängnis oder dem Erschießungskommando entkommen waren, in die Ukraine (die historische Wiege der Bewegung) zurück, wo sie mehrere zentralisierte Organisationen innerhalb des Nabat (Sturmglocke) gründeten und im November 1918 die 1. Konferenz anarchistischer Organisationen der Ukraine.
Leider spielte dieses Organ keine zentrale Rolle im Kampf der Proletarier gegen alle Kräfte der Reaktion. Wie Archinov und Machno später kritisieren werden, ist der Nabat nur eine Organisation von „Theoretikern“, „Schwätzern“ und „Schönrednern“, die sich eher damit begnügen, durch Konferenzen, Diskussionen, Literaturkreise oder Bibliotheken „Ideen“ zu verbreiten, als sich wirklich aktiv an der revolutionären Bewegung zu beteiligen. Nur wenige, eine winzige Minderheit, schlossen sich der aufständischen Bewegung an und beteiligten sich aktiv am Kampf des Proletariats.
Dieser ganze Kontext und diese Geschichte der Kämpfe bilden den Rahmen, in dem sich die Bewegung in der Ukraine eher um diese „anarchistischen“ Militanten als um die „Bolschewiki“ oder „Sozialrevolutionäre“ gruppierte, obwohl auch letztere ein großes Gehör hatten.
Entscheidend für die Organisation der Revolutionären Aufständischen Armee unter der schwarzen Fahne war natürlich auch, dass es die „anarchistischen“ Militanten – mit Machno an der Spitze – waren, die nach ihrer Befreiung aus den zaristischen Gefängnissen in die Ukraine zurückkehrten, um die Aufgaben der Agitation und der revolutionären Organisation zu übernehmen.
Machno wurde nach seinem zehnjährigen Aufenthalt in russischen Gefängnissen als Held empfangen. Später gründete er den ersten Sowjet der Bauern und Arbeiter von Gulai-Polje, der Ende August 1917, also drei Monate vor dem Oktober 1917, die Entwaffnung der Bourgeoisie sowie die „Abschaffung ihrer Rechte über das Volk“ beschloss.
Machno kehrt dann nach Moskau zurück13, um seinen Gefährten Archinov wiederzufinden und die Möglichkeiten einer Beteiligung an der revolutionären Bewegung genauer zu prüfen. Nach einem kurzen Aufenthalt, während dessen er Zeuge der Repression der Anarchisten durch die Bolschewiki wird, aber auch dessen, was er als Karikatur einer Revolution anprangert (Moskau erscheint ihm als “die Hauptstadt einer Papierrevolution, eine riesige Fabrik, die sinnlose Resolutionen und Parolen produziert, während sich eine einzige politische Partei mit Gewalt und Betrug in die Position einer herrschenden Klasse erhebt“), kehrt er nach Gulai-Polje zurück, um den Widerstand auf einer den Bolschewiki entgegengesetzten Grundlage zu organisieren.
Die Bolschewiki stützen sich dagegen auf ihren größeren Einfluss in den großen Städten und sind daher auf dem Land fast nicht präsent. Diese Spaltung der proletarischen Bewegung war eines der großen Probleme, das die verschiedenen revolutionären Fraktionen (sowohl die „Bolschewiki“ als auch die „Sozialrevolutionäre“ und „Anarchisten“) in Russland nicht lösen konnten, was gleichzeitig die kapitalistischen Spaltungen zwischen Stadt und Land, die von der Bourgeoisie aufrechterhalten wurden, noch verstärkte.
5. Gegen Denikin. Erstes Bündnis mit den Bolschewiki (März 1919 – Juni 1919)
Wie wir gesehen haben, dauerte es nicht lange, bis die Revolutionäre Aufständische Armee der Ukraine die österreichisch-deutschen Truppen und ihren ukrainischen Verbündeten Skoropadsky endgültig zurückdrängen konnte. Auch der Nationalist Petljura sah seine soziale Basis schnell zusammenbrechen, sobald er an die Macht kam. Im Januar 1919, also knapp ein Jahr nach Beginn des Aufstands in der Ukraine, waren die verschiedenen Armeen der Bourgeoisie zurückgeschlagen und besiegt.
Doch während es Machno in der Ukraine gelang, die isolierten Banden zu vereinen, um die Reste der österreichisch-deutschen Truppen in voller Flucht zu besiegen, sah sich die bolschewistische Macht von allen Seiten bedroht. Zusätzlich zu dem „Cordon sanitaire“ , die von den alliierten Truppen errichtet wurde, drohten die von den Franzosen, Amerikanern und Engländern ausgerüsteten und organisierten Weißen Truppen, aus dem Osten (Sibirien, Koltschak-Truppen), aus dem Süden (Schwarzes Meer, Asowisches Meer, Krim, Denikin-Truppen) und aus dem Westen (Polen, Rumänien und Tschechoslowakei) einzumarschieren. Außerdem kämpfen im Norden der Ukraine die restlichen Truppen von Petljura weiter und machten den Bolschewiki das Leben schwer.
Genau diesen Moment wählen Denikin und seine Weiße Armee, um in die Ukraine einzumarschieren, in der Hoffnung, schnell nach Norden vorzustoßen, da die Bolschewiki mit den Nationalisten von Petljura beschäftigt sind. Er war total überrascht, auf die entschlossene und gut organisierte Armee der Aufständischen der Ukraine zu stoßen. Von da an gelang es der Aufständischen Armee der Ukraine, eine mehr als 100 Kilometer lange Front gegen die Weißen von Denikin zu bilden, obwohl diese zahlenmäßig und materiell überlegen waren.
Zu diesem Zeitpunkt und als die Bedrohung sowohl durch die Weißen Armeen von Denikin als auch durch die Petrowschnikow-Anhänger immer größer wurde, dass der Sowjet von Gulai-Polje über Dybenko und Antonow-Owsjenko, den Militärkommandanten der ukrainischen Front der Roten Armee, ein erstes Bündnis mit den Bolschewiki schloss, das als rein militärisch angesehen wurde.
Dieser erste Kompromiss ist einmal mehr geprägt von der Schwierigkeit, die Bedeutung einer kompromisslosen Front gegen die Feinde der Revolution, in diesem Fall gegen eine Rote Armee, die das Werk des Wiederaufbaus des Staates in Russland und der Entwicklung des Kapitals fortsetzt, bis zum Ende zu akzeptieren. Indem sie der Verteidigung des ukrainischen Territoriums Vorrang einräumen (ideologisch gerechtfertigt durch die Gleichsetzung mit der Verteidigung der Revolution), begehen die Revolutionäre der Revolutionären Aufständischen Armee denselben Fehler wie in den Verhandlungen von Brest-Litowsk: die Aufgabe des revolutionären Krieges, den das bewaffnete Proletariat übernommen hat, indem die revolutionäre Energie in eine „Rote Armee“ umgewandelt wird, die mechanisch nach den gleichen Prinzipien wie jede bourgeoise Armee aufgebaut ist (Wehrpflicht, militärische Hierarchie und Disziplin usw.).
Dieses Bündnis nimmt die Form einer Art klassenübergreifender Front an, in der die revolutionäre Bewegung dazu neigt, sich in der Verteidigung nationaler Interessen aufzulösen. Die Armee der Aufständischen wird in die Rote Armee eingegliedert, aber die Aufständischen behalten trotzdem ihre Armee sowie ihre eigene Disziplin, ihr Kommando, ihre Organisation usw. Wie wir später sehen werden, hat diese Front keinen Erfolg, und die Machnowisten erobern später ihre volle Autonomie zurück.
Es ist also klar, dass für Moskau, ganz im Einklang mit seiner Politik, das Bündnis mit der Roten Armee die Treue der Revolutionären Aufständischen Armee zur bolschewistischen Macht und gleichzeitig die Zerschlagung aller revolutionären Zellen bedeutete, die die soziale Revolution weiterführen wollten.
Als die Aufständischen in der Ukraine an diesem Bündnis festhielten und in dieser Front die Verteidigung der Ukraine unterstützten, verlor die revolutionäre Bewegung sich in der Verteidigung der bewaffneten Politik des Kapitals und markierte damit einen Stillstand durch einen nicht oder nur unzureichend klaren Bruch mit der bourgeoisen Politik der Bolschewiki, die als Revolutionäre angesehen wurden. Erst in den Versuchen, mit den Bolschewiki zu brechen und ihren konterrevolutionären Charakter anzuprangern, findet die revolutionäre Bewegung wieder zu ihrer Stärke zurück. Ansonsten erlebt sie nur Massaker, Isolation und Zersplitterung.
Und tatsächlich findet der „Kriegskommunismus“, den die Bolschewiki durchsetzen wollen, in der Ukraine keine Unterstützung. Sehr schnell erkennen die aufständischen Proletarier die neu etablierte bolschewistische Autorität, die auf Vereinbarungen mit den Machnowisten beruht, nicht mehr an. Sie widersetzen sich den Beschlagnahmungen und zerstreuen die Sonderkommissionen, die mit dem „Kampf gegen Sabotage und Konterrevolution“ (Tschekas) beauftragt sind, die sich in Wirklichkeit gegen sie richten. Als Kamenew ihn auffordert, gegen Grigoriev (ein Bandenführer, der sich in der Provinz Cherson im Westen der Machnowistenarmee gegen die Rote Armee auflehnt – siehe unten) Stellung zu beziehen, will sich Machno, der mit der Denikin-Offensive alle Hände voll zu tun hat, bereits von der Politik der Bolschewiki distanzieren und antwortet:
„… Meine Truppen und ich werden der Revolution der Arbeiter und Bauern unerschütterlich treu bleiben, aber nicht den gewalttätigen Institutionen wie euren Kommissariaten und Tschekas, die willkürlich über die arbeitende Bevölkerung herrschen.“
Im Bündnis und in der Front (dieser üblichen Taktik der Bourgeoisie, um antagonistische Interessen demokratisch aufzulösen) versuchen die Bolschewiki, die aufständische Machnow-Bewegung zu zerschlagen, der sie misstrauen und die sie ebenso wie die Weiße Armee vernichten wollen. Sie schicken nur spärlich Waffen, weigern sich, Maschinengewehre und Kanonen zu liefern, versuchen, die Brigade von Machno in der Roten Armee aufzulösen, erklären den Militärrevolutionären Sowjet, der die Aktivitäten der Machno-Armee leitete, für illegal, versuchen, Machno zu ermorden, und weil diese Sabotage nicht genug ist, schmeißt Trotzki im Juni Antonow-Owerskoje14 aus der lokalen Führung der Roten Armee raus, weil er verdächtigt wird, mit den Machnowisten zu sympathisieren, seit er diese Sabotagepraktiken angeprangert hat.
Angesichts all dieser Machenschaften und der immer größer werdenden Gefahr durch die Weißen Armeen, die damit beschäftigt sind, die Rote Armee ins Wanken zu bringen, beschließt der Revolutionäre Militärrat, die Revolutionäre Aufständische Armee wieder auf eigene Faust zu gründen (wobei er seine Bewegungen mitteilt und sich vorläufig weiterhin den allgemeinen strategischen Erfordernissen des Stabes der Roten Armee unterwirft).
Aber die Repression der Bolschewiki wird mit der Ankunft Trotzkis in der Ukraine noch schärfer. Antonow-Owsjenko wird abgesetzt, die „Anarchisten“ werden wegen „Verschwörung gegen den Staat“ erschossen, ganz zu schweigen von den Verleumdungskampagnen gegen sie. Dezimiert und desorganisiert durch die Repression der Bolschewiki und ohne Waffen werden die Machnowisten von den Weißen Armeen überrannt, die nacheinander Mariupol und sogar Gulai-Polje einnehmen.
Angesichts dieses Terrors, der sie im Rahmen des Abkommens, das die Bolschewiki ihnen angeboten hatten, überrollt, prangern die Machnowisten die sich neu formierenden Kräfte des Roten Staates an, behalten aber bis zum Schluss gewisse Illusionen über die „Ehrlichkeit“ der Bolschewiki. So beschließt Machno, weil er naiv glaubt, der Hass der Bolschewiki richte sich persönlich gegen ihn, seinen Kommandoposten in der Roten Armee aufzugeben, während er die ukrainischen Kämpfer zurücklässt, um angesichts der Verleumdungen Trotzkis ihre Kampfbereitschaft und ihre Verbundenheit mit der Revolution zu „beweisen“:
„In einem Artikel mit dem Titel ‚Die Machnowschtschina‘ (in der Zeitung ‚Auf dem Weg‘, Nr. 55) stellt Trotzki die Frage: ‚Gegen wen erheben sich die machnowistischen Aufständischen?‘ Und er beschäftigt sich in seinem ganzen Artikel damit, zu zeigen, dass die Machnowschtschina in Wirklichkeit nichts anderes sei als eine Front gegen die Macht der Sowjets.Er verliert kein Wort über die tatsächliche Front gegen die Weißen, die sich über mehr als hundert Kilometer erstreckt und an der die Aufständischen seit sechs Monaten unzählige Verluste erlitten haben und weiterhin erleiden. Der Befehl Nr. 1824 erklärt mich zum Verschwörer und Organisator einer Rebellion nach Art von Grigoriev (…) Diese feindselige Haltungund die jetzt aggressiv wird, der Zentralbehörden gegen die aufständische Bewegung führt unweigerlich zur Bildung einer besonderen inneren Front, auf deren beiden Seiten die arbeitenden Massen stehen werden, die an die Revolution glauben (…) Der sicherste Weg, um zu verhindern, dass die Behörden dieses Verbrechen begehen, besteht meiner Meinung nach darin, dass ich mein Amt niederlege.“
Brief von Machno an Trotzki und den Generalstab der 14. Armee – 9. Juni 1919
Trotz des Drucks der Weißen Armeen setzt Trotzki ein Kopfgeld auf Machno aus, weil er lieber die Ukraine an Denikin fallen lässt, als dass die Machnowschtschina an Macht gewinnt und sich gegen die Bolschewiki wenden könnte.
Machno wird daraufhin von der Revolutionären Aufständischen Armee zurückgerufen. Er entkommt knapp einer Falle der Bolschewiki (in die mehrere Chefs des Generalstabs der Revolutionären Aufständischen Armee tappen, darunter Michailow-Pawlenko, der erschossen wird) und zieht sich mit einer kleinen Gruppe von Reitern in die Umgebung von Alexandrowsk zurück.
Die Offensive der Weißen Armeen und die totale Desorganisation der revolutionären Kräfte durch Trotzki führen im Juli 1919 zum Zusammenbruch der Roten Armee. Sie zieht sich 300 km vor Moskau zurück und lässt die Proletarier der Ukraine völlig sich selbst überlassen.
Die Lage ist total chaotisch. Die Weißen unter Denikin erringen einen Sieg nach dem anderen. Die aufständischen Machnowisten erhalten vom Generalstab der Revolutionären Aufständischen Armee den Befehl, die fliehenden Truppen der Roten Armee zu verlassen und sich in der Landschaft zu verstreuen. Auf der anderen Seite beschließt Grigoriev, ein Verbündeter der Bolschewiki, sich gegen die Rote Armee zu wenden, als Trotzki diesem bourgeoisen Bandenchef vorschlägt, … seinen Internationalismus gegenüber den ungarischen Proletariern unter Beweis zu stellen, indem er gegen die rumänische Armee kämpft, die sie vernichten will!!!
Derselbe Grigoriev schlägt Machno wenig später vor, sich seinem imperialistischen Krieg gegen die Bolschewiki anzuschließen. Dieser hält trotz aller Verbrechen und Verrätereien, die seine Armee durch die Bolschewiki erlitten hat, stolz an der Fahne der Sozialen Revolution als Ziel des Kampfes der Revolutionären Aufständischen Armee fest: Auf den Pakt, den ihm der Bourgeois Grigoriev am 27. Juli 1919 auf einem von den Machnowisten organisierten Kongress vorschlug, antwortete er mit Revolverschüssen und verkündete lautstark, dass „der Kampf gegen die Bolschewiki nur dann wirklich revolutionär sein wird, wenn er im Namen der Sozialen Revolution geführt wird“!
Ganze Einheiten desertierten aus der bolschewistischen Armee, um sich den Machnowisten anzuschließen. Bis zu 15.000 Soldaten der Roten Armee, angewidert von den „Taktiken“ ihres „Napo“ Leo Trotzki15, schlossen sich den machnowistischen Bataillonen an! Dies gilt zum Beispiel für mehrere bolschewistische Bataillone aus der Krim, die von den Machnowisten Kalaschnikow, Dermendschi und Budanow ausgebildet worden waren. Andere wichtige Abteilungen der Roten Armee aus Novo Bug entließen ihre Anführer und machten sich auf die Suche nach der verstreuten und desorganisierten Armee Machnos. Der Zusammenschluss dieser Truppen erfolgte im August 1919 in Dobrovelitschkowka. In diesem Bezirk in der Nähe von Odessa versammelten sich massenhaft die verstreuten Kämpfer der Revolutionären Aufständischen Armee. Erst jetzt konnte sich die Armee mit etwa 15.000 Kämpfern, die in vier Infanterie- und Kavalleriebrigaden, eine Artilleriedivision und ein Maschinengewehrregiment organisiert waren, neu aufstellen.
6. Die siegreiche Aufständische Armee (September 1919). Revolutionärer Terror und Versuche einer sozialen Organisation.
Die Trennung von den Bolschewiki schien endgültig. Als bolschewistische Verantwortliche Machno erneut aufforderten, unter dem Kommando der Roten Offiziere gemeinsam zu kämpfen, antwortete dieser:
„Ihr habt die Ukraine betrogen (sic!!) und, was noch schlimmer ist, ihr habt meine Gefährten in Gulai-Polje erschossen; eure Einheiten werden sowieso auf meine Seite überlaufen, dann werde ich mit euch allen, den Verantwortlichen, genauso verfahren, wie ihr mit meinen Gefährten verfahren seid.“
Auch wenn klar ist, dass die Bewegung nach wie vor von großen Schwächen geprägt ist – der Verteidigung der Ukraine um jeden Preis –, beginnt die revolutionäre Bewegung doch, ihre Feinde klarer zu definieren und als solche zu entlarven. Die Revolutionäre Aufständische Armee richtet ihre Waffen fortan sowohl gegen die Weißen unter Denikin als auch gegen die Bolschewiki.
Angesichts des totalen Zusammenbruchs der Roten Armee und der Desorganisation der Machnowisten-Armee nach den Kämpfen mit den bolschewistischen Soldaten hat sich die Weiße Fraktion der Bourgeoisie mit Hilfe von Denikin wieder in der Ukraine festgesetzt. Die Repression gegen das Proletariat mit Plünderungen, Massakern und Vergewaltigungen wird immer schärfer. Männer, Frauen und Kinder schließen sich der Revolutionären Aufständischen Armee an, die ständig auf der Flucht ist und von den Weißen Armeen gnadenlos verfolgt wird. Es ist eine riesige Karawane von etwa 120.000 Menschen, die sich über fast 40 km erstreckt und mehr als 600 km lang den Angriffen der verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie standhält.
Nach einem letzten siegreichen Aufbäumen in Peregonowka (in der Nähe von Uman) am 25. und 26. September 1919 dreht die Revolutionäre Aufständische Armee innerhalb von zehn Tagen das Blatt. Sie schlägt Denikin in die Flucht und befreit gleichzeitig Moskau aus dem wachsenden Einfluss der Weißen Armeen16. Denn Denikin hatte die Machnowisten unterschätzt und den Großteil seiner Truppen nach Moskau geschickt. Von ihren Stützpunkten, Kommunikationsmitteln und Versorgungswegen abgeschnitten, erlitt Denikins Armee eine regelrechte Niederlage. In dieser Niederlage ist der eigentliche Ausgangspunkt für die Niederlage der Weißen Armee in Russland zu sehen, entgegen der Legende vom Sieg der Roten Armee dank der „Militärwissenschaft“ Trotzkis17.
Die Machnowisten fegten die Weiße Armee, die nach dem Sieg der Revolutionäre in Peregonowka eine letzte Repression durchgeführt hatte, weg, befreiten die Städte aus der bourgeoisen Herrschaft und vernichteten so im Herbst 1919 die Konterrevolution von Denikin, indem sie einen regelrechten revolutionären Terror anwendeten:
„Die Grundbesitzer, Großbauern, Gendarmen, Priester, Bürgermeister, Offiziere, die sich versteckt hatten, … alles wurde auf dem Siegeszug der Machnowschtschina weggefegt.Gefängnisse, Polizeistationen und Kommissariate, kurz gesagt alle Symbole der Unterdrückung des Volkes, wurden zerstört. Alle, die als aktive Feinde der Bauern und Arbeiter bekannt waren, wurden zum Tode verurteilt. Vor allem die Großgrundbesitzer und Großbauern, die das Volk ausbeuteten, die „Kulaken“, kamen damals in großer Zahl ums Leben.“
Archinov in „Geschichte der Machnowistenbewegung“ – 1921
Als die Bolschewiki zurückkommen, lehnen die Machnowisten, die ihre Lektion gelernt haben, die ihnen angebotene Machtteilung – die Entwaffnung des Proletariats! – ab: die Armee für die „roten“ Bourgeois und für die Machnowisten die Verwaltung und Leitung der Städte.
Sie versuchen, sich selbst zu organisieren (die Banken werden leergeräumt, „Freie Kommunen“ werden gegründet usw. – siehe oben), aber das scheitert. Ihr Nicht-Bruch mit der „anarchistischen“ Sozialdemokratie, ihr Verwaltungismus und Föderalismus, ihre Weigerung, sich wirklich an die Spitze des offenen Kampfes gegen den rot gestrichenen Staat zu stellen, aber auch die gigantischen Kriegsanstrengungen, die sie auf sich nehmen, sind dafür ausschlaggebend (die Armee wird durch Typhus dezimiert) – all das, zusammen mit der Weigerung, den Kampf über den Süden der Ukraine hinaus auszuweiten, führt direkt in die Katastrophe.
So brach in den Städten während dieser kurzen Zeit im Oktober und November 1919, als die Aufständische Armee der Ukraine Alexandrowsk und vor allem Jekaterinoslaw beherrschte, die antiautoritäre Ideologie mit all ihren Widersprüchen auf. Die Machnowisten vergaßen die richtigen Methoden, mit denen sie den Klassenkampf gegen die verschiedenen bourgeoisen Armeen auf höchst autoritäre Weise geführt hatten, und verkündeten nun demokratisch die totale Presse- und Vereinigungsfreiheit und damit die Möglichkeit zur Reorganisation für alle Pseudosozialisten, die versuchten, die Revolution mit allen Mitteln zu ersticken:
„1. Alle sozialistischen Parteien, Organisationen und Strömungen haben das Recht, ihre Ideen, Theorien, Standpunkte und Meinungen frei zu verbreiten, sowohl mündlich als auch schriftlich. Keine Einschränkung der Freiheit der Sozialisten, der Presse und der Meinungsäußerung darf zugelassen werden, und sie dürfen dafür nicht verfolgt werden.“
„Revolutionärer Militärrat der Machnowisten-Partisanen, Jekaterinoslaw, 5. November 1919.“
Andererseits erkannten dieselben Machnowisten jedoch auch die Absurdität, den Roten Terror auf dem Schlachtfeld und nicht auf dem ökonomischen, ideologischen und politischen Gebiet auszuüben, und der „verbot allen Parteien die Ausübung jeglicher politischer Autorität über die Arbeitermassen“ ging sogar so weit, diejenigen zu erschießen, die gegen diese Regel verstießen18!!!
Aus dieser Verwirrung darüber, wie der Kampf weitergeführt werden sollte, profitierte die Rote Armee, um sich wieder in der Region niederzulassen und eine neue Weiße Repression mit sich zu bringen. Die Konterrevolution triumphierte erneut: Angesichts der kriminellen Inkonsequenz der Anführer der Revolutionären Aufständischen Armee, die in einer dummen antiautoritären und antisubstitutionistischen Ideologie feststeckten, hatten die bolschewistischen Staatsreformer alle Zeit der Welt, um die aufständischen Regionen der Ukraine zurückzuerobern und ab Januar 1920 ihr Programm durchzusetzen.
7. Neun Monate neuer „roter“ Repression.
In jeder Hinsicht geschwächt, überließen die Machnowisten der Roten Armee das Feld und gaben sich erneut der Illusion hin, dass diese die letzte Möglichkeit sei, sich endgültig von Denikin zu befreien und seine Rückkehr zu verhindern.
Tatsächlich gelingt es den Machnowisten nicht, sich von ihrer Tendenz zu lösen, sich den Bolschewiki anzunähern. Sie sehen in ihnen nur schlechte Anführer der Arbeiterklasse und nicht den bourgeoisen Staat, der die Reorganisation des Kapitals wieder in die Hand nimmt. Außerdem organisierten sie die Arbeiter, ohne die Rolle der revolutionären Führung zu übernehmen, um sich dann zurückzuziehen und Selbstorganisation zu predigen!!! So ließen sie die Arbeiter isoliert und verwundbar gegenüber der Repression der Bolschewiki zurück.
Lange Diskussionen hatten die Aufständischen zu diesen kriminellen Schlussfolgerungen geführt. Revolution und Konterrevolution standen sich tatsächlich innerhalb der Revolutionären Aufständischen Armee gegenüber, wie wir zu Beginn dieses Textes angemerkt haben. Ein Teil der Kräfte hielt es für notwendig, den revolutionären Krieg fortzusetzen und im Laufe der Kämpfe gegen Denikin die Ausweitung der Bewegung zu fordern. Sie argumentierten richtig, indem sie die revolutionäre Stimmung nicht nur in der Region, sondern im gesamten Proletariat Russlands beschrieben, das bereit war, das zu vollenden, was sie die „Dritte Soziale Revolution“ nannten19.
Und tatsächlich schlossen sich während dieses Krieges gegen Denikin zahlreiche Aufständische den Machnowisten an, da sie in ihnen spontan die Führung einer Kraft sahen, die bereit war, die Schwierigkeiten und die Schläge der verschiedenen bourgeoisen sozialen Kräfte gegen die Revolution zu überwinden. Einige Abteilungen der Roten Armee strömten sogar aus Zentralrussland herbei, um sich der Fahne der Machnowschtschina anzuschließen: Dies war beispielsweise der Fall bei den zahlreichen bolschewistischen Truppen unter dem Kommando von Ogarkow, der aus der Regierung von Orel gekommen war, um an der Seite der aufständischen Proletarier der Ukraine für die soziale Revolution zu kämpfen.
Neben dem massiven Beitritt der Proletarier aus der Region schlossen sich auch viele andere organisierte Kräfte der Revolution der Revolutionären Aufständischen Armee an. Neben ehemaligen „Bolschewiki“ schlossen sich „linke Sozialrevolutionäre“ den „Anarcho-kommunisten“ an, darunter Victor Popov, ein ehemaliger Matrose der Schwarzmeerflotte, der im Juli 1918 den Aufstand der „linken Sozialrevolutionäre“ gegen die Bolschewiki angeführt hatte.
Aber all diese Kräfte, die für eine Ausweitung des revolutionären Krieges waren, wurden, wie in Brest-Litowsk, von einer Mehrheit von Schönrednern à la Volin besiegt, die den positiven Aufbau „anarchistischer“ föderaler Kommunen propagierten und die Revolutionäre aufforderten, sich in die „befreiten“ Regionen um Gulai-Polje, ihrer Hochburg, zurückzuziehen, und überließen damit buchstäblich einen ganzen Teil des Proletariats der Repression und dem Terror, den die bolschewistischen Agenten des kapitalistischen Wiederaufbaus in Russland ausübten.
Die anarchistische Version der sozialdemokratischen Ideologie der Nichtführung erleichterte so die repressive Kampagne, die die Bolschewiki neun Monate lang führten. Überall besetzt die Rote Armee das von den Machnowisten geräumte Gebiet, um dort die Herrschaft des Kapitals zu etablieren. Die Gefängnisse werden wieder aufgebaut und gefüllt, Polizei und Tscheka verhaften und erschießen Revolutionäre sowie alle, die den Machnowisten helfen könnten, die als „Verräter des ukrainischen Volkes“ angeklagt sind.
Es ist der Beginn des „Bürgerkriegs“ zwischen den Bolschewiki und den Machnowisten. Um eine Verbrüderung zwischen der Roten Armee und den Machnowisten zu verhindern, schicken die Bolschewiki estnische, lettische und chinesische Soldaten, um bei der Repression mitzumachen (was jedoch einige Verbrüderungen und Desertionen nicht verhindert). Es kommt zu einem regelrechten Massaker, bei dem allein im Jahr 1920 nach niedrigsten Schätzungen 200.000 Menschen getötet und ebenso viele nach Sibirien deportiert werden. Das Jahr 1920, geprägt vom „Kriegskommunismus“, verstärkt somit den Hass gegen die Bolschewiki. Es kommt zu Beschlagnahmungen von Vieh und Ernten, was in der sogenannten „Kornkammer Europas“ zu einer Hungersnot führt. Trotz alledem erleidet die Rote Armee weitere Rückschläge gegen die bewaffneten Proletarier, die erneut einen gnadenlosen Guerillakrieg gegen diejenigen führen, die ihre Ausbeutung fortsetzen wollen.
Mehrere Monate lang ist der Kampf zwischen den Bolschewiki und den Machnowisten hart und auf beiden Seiten gnadenlos. Trotzdem sind die Kampfmethoden total unterschiedlich. Die Rote Armee geht wie jede sogenannte „Besatzungsarmee“ der Bourgeoisie vor: Sie richtet in den Dörfern wahllos Massenhinrichtungen durch, da sie weiß, dass die Machnowisten dort hauptsächlich ihre Basis haben. Und wenn „kommunistische Anarchisten“ festgenommen werden, werden sie sofort erschossen – unabhängig von ihrer Stellung in der Revolutionären Aufständischen Armee – oder ins Gefängnis geworfen, gefoltert und erpresst, um sie zu zwingen, ihre Zugehörigkeit zur machnowistischen Bewegung zu verleugnen, Informationen preiszugeben oder als Doppelagenten zu dienen.
Auf der Seite der Machnowisten bleibt der revolutionäre und proletarische Krieg das Mittel des Kampfes gegen die feindlichen Armeen, wie sie es bereits zur Zeit der österreichisch-deutschen Besatzung getan hatten. Die bolschewistischen Verantwortlichen und andere „rote“ Offiziere werden gnadenlos hingerichtet, während die Soldaten die Wahl haben, sich der Armee der Aufständischen anzuschließen oder unbewaffnet nach Hause zurückzukehren. Sie propagieren auch die Niederlage der feindlichen Armee mit Flugblättern und anderem defätistischen Propagandamaterial:
„Rote Soldatenbrüder! (…)
Jetzt schickt man euch erneut, um gegen uns, die „Machnovisten-Aufständischen“, zu kämpfen, im Namen einer sogenannten „Arbeiter- und Bauernmacht“, die euch erneut Ketten und Sklaverei bringt! Der Reichtum und die Freuden gehen an diese Bande von Bürokraten und Parasiten, die euch ausbeuten (…).
Werdet ihr wieder euer Blut für die neu entstandene Bourgeoisie und die von ihr geschaffenen Kommissare vergießen, die euch wie Vieh zum Schlachten schicken?Habt ihr noch nicht verstanden, dass wir, die „Machnovisten-Aufständischen“, für die vollständige ökonomische und politische Emanzipation der Arbeiter kämpfen, für ein freies Leben ohne diese Kommissare und andere Agenten der Repression? (…)
Um brüderliches Blutvergießen zu vermeiden, schickt uns bei jeder Begegnung Delegierte, um zu verhandeln. Wenn das aber nicht geht und die Kommissare euch trotzdem zwingen, gegen uns zu kämpfen, legt eure Waffen nieder und kommt zu uns, um euch brüderlich zu treffen.
Nieder mit dem Bruderkrieg unter Arbeitern!
Es lebe der Frieden und die brüderliche Einheit der Arbeiter aller Länder und aller Nationen!
„Nieder mit dem Brudermord!“, Flugblatt der Machno-Aufständischen – Mai 1920.
Die Aufrufe der Revolutionäre hatten manchmal spektakuläre Auswirkungen auf die Soldaten der Roten Armee. Hier ein Auszug aus dem Aufruf der Soldaten des 522. Regiments der Roten Armee, als sie beschlossen, zu desertieren und sich der Revolutionären Aufständischen Armee anzuschließen:
„Wir, die Roten Soldaten des 522. Regiments, sind am 25. Juni 1920 ohne einen Schuss und mit unserer ganzen Ausrüstung und unseren Waffen zu den Machnovisten übergelaufen. Die Kommunisten haben uns schikaniert und unseren Übertritt zu den Machnovisten als Ausbruch und Neigung zum Banditentum bezeichnet.Das ist alles nur eine niederträchtige und feige Lüge der Kommissare, die uns bis dahin als Kanonenfutter benutzt haben. Während unseres zweijährigen Dienstes in der Roten Armee sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das gesamte soziale System, in dem wir leben, nur auf der Herrschaft der Kommissare beruht und uns letztendlich in eine Sklaverei führen wird, wie sie in der Geschichte noch nie dagewesen ist (…).“
„Die Roten Soldaten des 522. Regiments, jetzt Machnowisten.“
Angesichts des wachsenden Defätismus der Soldaten der Roten Armee und als Antwort auf die revolutionären Methoden der Machnowisten richteten die „Roten“ Generäle Sonderkommissionen ein, die speziell damit beauftragt waren, die von der Revolutionären Aufständischen Armee entlassenen Soldaten wieder einzufangen und in andere Einheiten zu integrieren.
Der Widerstand der Aufständischen war zu Beginn des Jahres 1920 gegen die Bolschewiki recht erfolgreich, doch am Horizont zeichnete sich eine neue Bedrohung in Form der unter General Wrangel neu organisierten Weißen Armeen ab.
8. Die neue Offensive der Weißen (April 1920), die Niederlage (November 1920) und das Exil (August 1921).
Wrangel übernimmt die Führung der Weißen Armee und seine Erfolge, verstärkt durch die extreme Schwäche der Roten Armee (die von Pilsudskys Armee vor Warschau besiegt wurde), zwingen die Rote Armee, erneut ein Bündnis mit den Machnowisten zu suchen.
Diese waren ihrerseits durch die Repression der Bolschewiki dezimiert, erschöpft vom Krieg, den sie gerade geführt hatten, sowie von ihrem Widerstand gegen die aufeinanderfolgenden Offensiven der Weißen Armee, und durch die von den Bolschewiki verbreiteten Verleumdungen über ein angebliches Bündnis Machnos mit Wrangel isoliert. Die Machnowisten brachen daher im Sommer 1920 unter dem Druck der Offensive Wrangels, der sich im Norden mit der polnischen Armee und den ukrainischen Nationalisten Petljuras verbündet hatte.
Ein paar Monate später, im Oktober 1920, schlossen sie ein neues politisches und militärisches Abkommen mit der Roten Armee20.
Die Armee der „kommunistischen Anarchisten“ gab nach derselben Logik des „geringeren Übels“ nach, die sie schon beim ersten Bündnis angetrieben hatte: lieber ein Bündnis mit dem sowjetischen Staat als der Tod mit den Weißen.
Die frischen Lektionen und die jüngsten Erfahrungen wurden also nicht berücksichtigt. Die Entscheidung, erneut mit den Feinden zusammenzuarbeiten, war echt selbstmörderisch. Die Überreste der revolutionären Bewegung wurden so schnell moralisch und physisch zerstört. Im Rahmen dieses Bündnisses verweigern die Bolschewiki den Aufständischen jede Ruhepause und schicken sie immer wieder an die Front, zunächst um sie zu eliminieren und gleichzeitig die Weißen zurückzudrängen, dann um sie besser kontrollieren zu können (im Hinterland könnten sie ihre subversive Propaganda innerhalb der Roten Armee betreiben)21.
Die Machnowisten werden nach und nach dezimiert, vor allem weil ihre Einheiten, die aus für ihre Kampfeslust bekannten Revolutionären bestehen, vor Verlusten nicht zurückschrecken. Und die 4-Sterne-Generäle der Bolschewiki wissen das! So schicken sie sie zum Beispiel in einen 10 km langen ungeschützten Angriff auf eine Landenge auf der Krim, wo sie nur eine Chance von eins zu hundert auf Erfolg haben. Sie schaffen es und erringen den Sieg, aber um den Preis enormer menschlicher Verluste. Die Weißen sind besiegt, aber die Machnowisten sind blutig geschlagen.
Der russische Staat wendet sich nun gegen die Machnowisten, und Mitte November 1920 überfallen die Bolschewiki überraschend den Stab und die Truppen der Machnowisten auf der Krim. Gleichzeitig nehmen sie die Machnowisten-Vertreter in Charkow fest, greifen die „kommunistischen Anarchisten“ in Gulai-Pole an und zerstören ihre Organisationen in der ganzen Ukraine.
Wenig später, befreit vom Druck der aus Russland zurückgedrängten Wrangel-Armeen, kann sich die Rote Armee der endgültigen Zerschlagung der Machnowisten widmen. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit brauchen sie jedoch mehr als sechs Monate, um die Machnowisten zu besiegen.
Anfang 1921 war die Lage für die Bolschewiki besonders gefährlich. In Petrograd brachen große Streiks aus, und in Kronstadt erhob sich das Proletariat. In dieser Zeit versuchten zahlreiche Armeen organisierter Proletarier in ganz Russland, den Wiederaufbau des Staates durch die Bolschewiki zu bekämpfen. In Tambow organisierte der „Sozialrevolutionär“ Antonow eine Armee von 50.000 Mann. 60.000 Proletarier rebellierten in einem Bezirk Westsibiriens. In Karelien, Zentralasien, im Kaukasus … wurden die neuen Herren im Kreml zur Rechenschaft gezogen. Dieser „kleine Bürgerkrieg“, wie ihn die sowjetischen Historiker nannten, forderte fast 200.000 Tote.
Zu dieser Zeit findet auch die revolutionäre Defätismus-Propaganda der Machnowisten noch viel Anklang. So schließt sich am 9. Februar 1921 die 1. Brigade der 4. Division der „Roten“ Kavallerie einer Machnowisten-Abteilung in der Nähe von Pawlograd an. Aus derselben Zeit stammen auch die ersten ernsthaften Versuche der Machnowisten, die Revolution auszuweiten. Brova und Maslakov ziehen in die Region Don und Kuban; Parkhomenko führt eine Abteilung in die Region Woronesch in Russland; eine dritte Gruppe von etwa tausend Aufständischen marschiert unter der Führung eines anderen Machnowisten, Iwanjuk, nach Charkow.
Aber leider ist es zu spät. Das Proletariat wird überall, wo es sich erhoben hat, niedergeschlagen, und wie immer, wenn die Revolution besiegt ist, beginnt eine Zeit des Weißen Terrors in ganz Russland, besonders aber in dieser aufständischen Region der Ukraine.
Die Rote Armee durchkämmt systematisch jedes Dorf und jede Stadt der Region und tötet alle, die der machnowistischen Bewegung auch nur irgendwie wohlgesonnen sind.
Im Sommer 1921, abgeschnitten von jeder revolutionären Bewegung, werden die letzten um Machno versammelten Zellen in die Enge getrieben und fliehen nach Rumänien, wo sie sich endgültig zerstreuen.
***
In einem Artikel, der die allgemeinen Lehren aus diesem proletarischen Versuch, die Revolution als Alternative zur Neuorganisation des Staates durch die Bolschewiki zu übernehmen, in Form von Lehren zusammenfassen soll, ist es schwierig, den Kampfgeist wiederzugeben, der diese Militanten unserer Klasse, diese echten Avantgarde-Kämpfer im Kampf für die Durchsetzung des Kommunismus, beseelte.
Um ein vollständigeres und genaueres Bild zu bekommen, können wir die Gefährten nur auf die Werke verweisen, die ausführlich die kleinsten Details dieses mehr als dreijährigen erbitterten Kampfes gegen die Armeen von Skoropadsky, Petliura, Grigoriev, Denikin, Dybenko, Trotzki, Wrangel usw. beschreiben. Ungeachtet der Schwächen und Illusionen ihrer Autoren haben uns die Berichte der revolutionären Kämpfer selbst – die von Machno und Archinow – eine Fülle von Rohmaterialien hinterlassen, die das Ausmaß der Kampfeslust und Intensität dieser gewaltigen kommunistischen Welle wiedergeben, die zwischen 1917 und 1923 über die Welt hereinbrach.
Wie man beim Lesen dieser Dokumente sehen wird, lässt sich die kommunistische Bewegung in der Ukraine keineswegs auf die Persönlichkeit Machnos reduzieren. Wir haben in diesem Text den Kontext aufgezeigt, in dem es diesem „anarchistischen Kommunisten“ gelang, die revolutionäre Führung zu kristallisieren, wobei er ihr gleichzeitig seine eigenen programmatischen Schwächen vererbte. Es ist aber wichtig, seine eigene Kampfeslust22 im Rahmen des allgemeinen Willens Tausender unbekannter Proletarier, mit dem Staat abzurechnen, zu sehen.
Abschließend seien hier nur einige der anderen historischen Führer genannt, die an der Spitze des Aufstands in der Ukraine standen: Simon Karetnik, Martchenko, Grégoire Vassilevsky, Vérételnikov, Pierre Gavrilenko, Basile Korilenko, Victor Belach, Vdovitchenko, Zonov, Kalachnikov, Mikhalev Pavlenko, Makecv, Basile Danilov, Tschernoknijny, Stchuss, Isidore Luty, Thomas Kojine, Lépetchenko, Séréguine… Die meisten dieser Kämpfer, die Archinov am Ende seines Buches über den Aufstand in der Ukraine auflistet, waren „anarchistische Kommunisten“, die ihre militante Tätigkeit durch ihre konsequente Präsenz in Führungspositionen des Aufstands in der Ukraine fortsetzten. Nur einer oder zwei überlebten die verschiedenen Kämpfe gegen die bourgeoisen Armeen.
Diejenigen der Machnowisten, die die zahlreichen Kämpfe überlebten und der schrecklichen stalinistischen Repression gegen die Revolution entkamen, gingen ins Exil.
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Es ist anzumerken, dass Archinow und Machno versuchten, die revolutionäre Bewegung um eine „Organisationsplattform“23 zu organisieren, die im Oktober 1926 in Paris in der Zeitung „Diélo Trouda“ (Die Sache der Arbeit) im Namen der Gruppe der russischen Anarchisten-Kommunisten im Ausland, deren Hauptakteure sie waren. Ihr Ziel war es, mit dem vorherrschenden Anti-Organisationsgedanken zu brechen und „anarchistisch-kommunistische“ Militante um dieses Projekt herum zu versammeln. Die „Organisationsplattform“ ist das Ergebnis von Diskussionen und Debatten, die diese Militanten seit 1925 (dem Jahr, in dem sie sich in Paris zusammenschließen konnten) über die Lehren und Perspektiven führten, die aus dem Scheitern der revolutionären Kämpfe zu ziehen waren, an denen sie in den Jahren 1917-1923 in der Ukraine, in Russland und weltweit beteiligt waren. Die Veröffentlichung der „Plattform“ wurde von einem echten Willen begleitet, mit dem sozialdemokratischen Programm zu brechen, das sich unter dem Banner der Anarchie organisiert hatte, und löste einen allgemeinen Aufschrei aller Anhänger des ideologischen Anarchismus aus.
So schlossen sich dieselben russischen Militanten mit anderen Gefährten im Exil in Frankreich zusammen und versuchten, eine internationale Opposition aufzubauen, um mit diesem „anarchistischen Familienmilieu“ zu brechen. Zu diesem Zweck organisierten sie im März 1927 eine internationale Versammlung, der einen Monat zuvor eine Vorbesprechung vorausging. Der Bruch mit der bisherigen Politik und die Bemühungen um eine programmatische Klärung, die diese Gefährten – gerade zu einer Zeit, als die kommunistische Bewegung weltweit zusammenbrach – erreichen wollten, waren unbestreitbar. Archinow betonte die Notwendigkeit, „die revolutionären Kräfte, die in der Avantgarde der Arbeiterklasse wirken, zu organisieren … indem eine homogene Bewegung geschaffen wird, die auf dem Prinzip der kollektiven Verantwortung basiert und innerhalb der nationalen und internationalen Organisationen agiert“; es sei notwendig, „eine Auswahl der Kräfte zu treffen“, indem man weder den Anarchosyndikalismus noch den Individualismus als Strömungen anerkennt, die mit der Bewegung verbunden sind. Militante aus Frankreich (Odéon, Dauphin-Meunier,…), Spanien (Carbo, Fernandez,…), Italien (Ugo Fedeli, der die vorbereitende Sitzung leitete), Polen (Ranko), China (Cen) und anderen Ländern erklärten sich bereit, eine Internationale Union zu gründen, die auf dem Bruch mit dem „anarchistischen“ Demokratismus basiert. „Unser Ziel ist es, alle Militanten unserer Strömung zusammenzubringen und gegen die Union Sacrée Anarchiste zu kämpfen“ (Ranko).
Die internationale Versammlung war Schauplatz lebhafter Diskussionen zwischen den Teilnehmern, aber es begann sich eine Klärung abzuzeichnen. Die Versammlung wurde durch das Eintreffen der Polizei unterbrochen.
Die Diskussion zwischen „Plattformisten“ und „Anti-Plattformisten“ polarisierte während dieser ganzen Zeit alle möglichen Organisationen und führte zu zahlreichen mehr oder weniger klärenden Spaltungen. In der Folge übernahmen die Organisatoren des Treffens eine gewisse Kontinuität ihres Vorschlags, doch dann, völlig erschöpft von der internationalen Repression, vom Rückgang der proletarischen Kämpfe, von ihren eigenen Schwächen und von den Beleidigungen, die ihnen von den Anhängern des ideologischen Anarchismus entgegengebracht wurden, ging die Initiative in der langen Nacht der Konterrevolution unter.
Natürlich haben die gleichen Schönredner des Salonanarchismus und der Ideologie dieses Projekt von Anfang an abgelehnt und sind sogar so weit gegangen, die „Plattform“ und ihren Hauptverfasser Archinow als „Bolschewiki“ zu bezeichnen, obwohl er fast vier Jahre lang mit der Waffe in der Hand an der Seite von Machno gegen die „Rote Armee“ gekämpft hatte!!! Die „Anarchisten“ der Literatur à la Volin, Nettlau usw. spielten gegenüber den revolutionären „anarchistisch-kommunistischen“ Militanten dieselbe verleumderische Rolle wie ihre stalinistischen Brüder gegenüber den „kommunistischen Linken“! All dies führte dazu, dass Machno und Archinow mit Volin, Sébastien Faure und anderen als Revolutionäre getarnten Demokraten brachen. Mit Hilfe der Konterrevolution und völlig angewidert von seinen ehemaligen anarchistischen Freunden kehrte Archinow nach Russland zurück und erkannte die stalinistische Macht an, was seinen ehemaligen Freunden die Bestätigung gab, dass er mit seiner „Organisationsplattform“ tatsächlich im Irrtum gewesen war!
Machno hingegen behielt bis zum Schluss die Lektion über Organisation, die er in den Feuern des Klassenkampfs gelernt hatte, und so erklärte er bei einem Treffen mit den „anarchistischen Expropriateuren“ Ascaso, Durutti und Jover:
„Die Organisation sichert den tiefgreifenden Triumph jeder Revolution“!!!
Alle, die Machno zu einer harmlosen Ikone machen wollen, sollten über diesen Satz nachdenken … oder aufhören, sich platonisch zur Machnowschtschina zu bekennen!
9. Stärken und Schwächen!
Während dieser ganzen weltweiten revolutionären Welle, die sich mehr oder weniger von 1916 bis Anfang der 1920er Jahre erstreckte, verlagerten sich die Brennpunkte oft und existierten manchmal an verschiedenen Orten gleichzeitig. Und obwohl oft anerkannt wird, dass sich 1917 das Hauptrevolutionäre Zentrum über das gesamte Russische Reich erstreckte und die heißesten Glutnester Moskau und Sankt Petersburg verzehrten, entstanden andere Zentren der Revolution, die oft geleugnet, versteckt, vergessen und von der Konterrevolution absichtlich entstellt wurden.
Und selbst wenn revolutionäre Bewegungen anerkannt und verherrlicht werden, geschieht dies nur insofern, als ihre subversiven Aspekte verkürzt, verfälscht und entschärft werden. Die Bourgeoisie, die ihre Ideologie durchsetzte, erkannte die proletarische Revolution in Russland (die sie wegen ihrer weltweiten Auswirkungen nicht verbergen konnte!) nur an, indem sie sie komplett verzerrte und schließlich eine direkte und formale Verbindung zwischen der kommunistischen Bewegung und dem von den Bolschewiki rot gefärbten kapitalistischen Staat herstellte.
Andererseits werden die Bourgeois die als explosiv angesehenen Bewegungen bis hin zur krassen Verfälschung verschleiern, um den Klassenkampf auf einen individuellen Konflikt um „die Macht“ zu reduzieren. Die proletarischen Aufstände und Versuche, den Staat zu zerstören, werden zu „Putschen“, indem ein Bündel von aus ihrem Gesamtzusammenhang gerissenen Fakten einseitig hervorgehoben wird.
Eine der Methoden, um eine revolutionäre Bewegung ihres Inhalts zu berauben, besteht darin, diese Klassenbewegungen als Taten „genialer“ oder „barbarischer“ Individuen darzustellen: Die Geschichte zeigt die Menschen, um den Antagonismus zwischen Revolution und Konterrevolution besser zu verbergen. Der Aufstand in der Ukraine bildet da keine Ausnahme.
Reduziert auf die Person Machno, wird sie verfälscht, sowohl von den Bolschewiki, die in den Proletariern, die gegen ihre Macht kämpfen, eine Bande von „Anarcho-Banditen, Konterrevolutionären“ oder sogar „Antisemiten“ sehen24, als auch von den „anarchistischen“ Apologeten Machnos, die in ihm den „Retter der sozialen Revolution“ sehen. Der ideologische Anarchismus begrüßt Machno heute umso mehr, als er ihn noch gestern in seinem Pariser Exil als „Anarcho-Bolschewik“ bezeichnete, wie wir oben kurz erwähnt haben.
Als er und andere „Anarchisten-Kommunisten“ (aus Russland, Italien, Frankreich und Spanien) die Notwendigkeit betonten, die Bewegung zu führen und die Frage der „anarchistischen Organisation“ zu stellen, nicht um ihrer selbst willen, sondern als eine Notwendigkeit, die sich aus den Lehren des ukrainischen Aufstands ergab (siehe oben: Die Plattform der Gruppe russischer Anarchisten-Kommunisten im Ausland 1926), reagierte der ideologische Anarchismus mit einem Aufschrei und einer allgemeinen Ächtung.
Über die Persönlichkeit Machnos, so genialer Militärstratege und so weitsichtig er auch war, hinaus zeigt sich wie üblich eine viel komplexere, widersprüchlichere Situation. Jenseits derjenigen, die ihn personifiziert haben, behauptet sich eine authentisch proletarische Bewegung mit ihren Stärken und Schwächen.
Die große Stärke der Machnowschtschina lag darin, dass sie die kämpfenden Proletarier sowohl gegen die Weißen Armeen als auch gegen die „Roten“ Armeen zu zentralisieren und zu organisieren vermochte. Es muss hier noch einmal betont werden, jenseits der schulmäßigen Debatte zwischen „Marxisten“ und „Anarchisten“, dass diese Zentralisierung der proletarischen Kräfte so unterschiedliche revolutionäre Kräfte vereinte wie die „Bolschewiki“, von denen einer, Nowitzki, im Oktober 1919 sogar zum Mitglied des Militärrevolutionären Sowjets gewählt wurde, von „linken Sozialrevolutionären“ wie Victor Popov oder Veretelnikov, „parteilose“ Revolutionäre wie Kojine und viele andere, „anarchistische Kommunisten“ und viele andere Proletarier mit sehr unterschiedlichen militanten Hintergründen, was ein Zeichen dafür ist, dass die Machnowschtschina der reale Ausdruck einer starken Organisation war, die entschlossene Militante vereinte, die den finalen Angriff auf den Staat führen wollten.
Diese Organisation ist die Zentralisierung des Kampfes der Proletarier gegen die Bourgeoisie. Der Bewaffnung, Disziplin und Strenge der bourgeoisen Armee begegnen die Aufständischen in der Ukraine mit Enthusiasmus und revolutionärer Leidenschaft.
Nur diese Begeisterung konnte den Mangel an Waffen und militärischer Disziplin ausgleichen: Von einer Armee, die bis zu hunderttausend Mann zählte, waren nur dreißigtausend bewaffnet, die anderen griffen manchmal mit Knüppeln und Mistgabeln an! Genau zu dem Zeitpunkt, als die Roten Garden in Russland unter der Repression der Bolschewiki aufgelöst und nach und nach desorganisiert und entwaffnet wurden, wurden sie durch die Rote Armee ersetzt, die dank der ehemaligen Kader der zaristischen Armee und unter der Führung des „Genossen“ Trotzki, klang die Zusammensetzung der Revolutionären Aufständischen Armee der ukrainischen Proletarier wie eine schallende und lebendige Widerlegung der Behauptungen der bolschewistischen Führer, es sei unmöglich, eine proletarische Armee anders als mit den Methoden und Offizieren der Bourgeoisie zu organisieren.
Die Zwangsmobilisierung (unter Androhung der Todesstrafe) und die Wiedereinführung der bourgeoisen Disziplin, die für diesen Anlass mit einem „revolutionären“ Begriff verschleiert wurde, bildeten die bourgeoise Grundlage für die Gründung der Roten Armee, während junge revolutionäre Militante ohne jegliche militärische Erfahrung eine Armee der Proletarier aus den Städten und vom Land organisierten, die ohne Hierarchie, ohne bourgeoise Offiziere und mit ihrer eigenen Klassendisziplin jede der unzähligen „Roten“ oder Weißen Armeen, denen sie gegenüberstand, in die Flucht schlagen würde! Das ist die schönste Lektion, die uns das bewaffnete Proletariat dieser Zeit hinterlassen hat, was die Notwendigkeit betrifft, die bourgeoise Armee, ihre Regeln, ihre Methoden, ihren Inhalt, ihre Disziplin und ihre Führer im Laufe der Revolution von Grund auf zu zerstören
***
Wir haben in diesem Text auch immer wieder auf die Schwächen der Bewegung hingewiesen. Sie lassen sich hier kurz zusammenfassen: Mangel an einer klaren Richtung hinsichtlich des Endziels der Bewegung, was dazu führte, dass die Diktatur des Proletariats über die Werte durch eine Verherrlichung der Verwaltung und Selbstverwaltung der kapitalistischen Ausbeutung ersetzt wurde; Mangel an Zentralisierung, auch wenn ihre Praxis oft im Widerspruch zu ihrer Leitideologie, dem Föderalismus, stand; mangelnde Verallgemeinerung der Revolution; Antisubstitutionismus, der die Machnowisten dazu veranlasste, es den „Massen“ zu überlassen, die Diktatur des Proletariats zu übernehmen, was einem Rücktritt der Führung der Bewegung gleichkam; Frontismus durch aufeinanderfolgende Bündnisse mit dem rot gefärbten bolschewistischen Staat; Antiautoritarismus und Ablehnung von „Macht“…
Dennoch zeugt der Aufstand in der Ukraine in vielerlei Hinsicht von der Existenz des Klassenkampfs gegen den bourgeoisen Staat, der durch die Reorganisation des Kapitals mittels Militarisierung der Ökonomie (oder „Kriegskommunismus“) die physische Vernichtung der Revolutionäre zum Ziel hatte.
Das Interessante und die Stärke der Bewegung, die sich um die Revolutionäre Aufständischen Armee formiert hat, kommt daher, dass ihre revolutionäre Praxis oft über ihre theoretische Konzeption hinausging – wenn sie nicht sogar deren reine Verleugnung war!
- So wird ihr grundsätzlicher Antietatismus ständig durch ihre Praxis der Errichtung eines proletarischen Staates widerlegt, der darauf abzielt, den Roten Terror einzuführen und die Enteignungen sowie die gesellschaftliche Produktion zu organisieren. Auch wenn diese Versuche aufgrund der Repression und des allgemeinen Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen oder auch aufgrund der (praktischen und ideologischen) Grenzen, die sie sich selbst auferlegen, scheitern.
- Ebenso werden ihr Anti-Organisations-Prinzip und ihre Weigerung, sich der geringsten Autorität zu unterwerfen, de facto negiert. Ihre Armee ist ein klarer Beweis dafür. Sie ist nicht nur super organisiert und diszipliniert, sondern auch dem Militärischen Revolutionssowjet unterstellt, der eigentlich das zentrale Organ der verschiedenen regionalen Kongresse ist. Hier sieht man also auch einen Ansatz proletarischer Macht.
Aber auch hier bleibt die revolutionäre Praxis entscheidend, solange sie tatsächlich den Widersprüchen in ihren Parolen und Fahnen begegnet und diese überwindet; wenn es aber darum geht, das echte kommunistische Projekt weiter voranzutreiben, und die Theorien, die ihn mit der demokratischen Besetzung der bestehenden Ordnung verwechseln – hier der Verwaltungsismus und der Antiautoritarismus –, nicht überwunden sind, dann behaupten sich dieselben Fahnen gewaltsam als praktische Barriere, die, indem sie die Massen ergreift, sich in eine konterrevolutionäre Kraft verwandelt und die Entwicklung unserer Bewegung physisch bremst!!!
Dieser Prozess lässt sich leider oft in den Kämpfen beobachten, die unter dem Banner der Anarchie organisiert werden, manchmal bis zur Absurdität. Die „Anarchisten“ à la Volin haben davon mehr als einmal eine solide Karikatur geliefert.
So kam es im Oktober 1920, als Delegationen mehrerer Einheiten der Roten Armee nach Charkow kamen, wo Volin und Militante der Nabat versammelt waren, um ihnen vorzuschlagen, „die Macht zu übernehmen“ und selbst das Zentralkomitee der lokalen bolschewistischen Partei zu verhaften, das gerade Machnowisten erschossen hatte, lehnten diese – die „Anarchisten“ des Nabat – jede Führungsrolle ab und erklärten naiv, die Massen müssten für sich selbst handeln und die „Anarchisten“ wollten keine „Macht“! Was für ein Elend der Demokratie und des Antiautoritarismus! Schade, dass der heftige Bruch, den einige Machnowisten 1926 mit Volin vollzogen, nicht schon ein paar Jahre früher bei dieser kriminellen und dummen Verantwortungslosigkeit in Kugeln geendet ist.
Eine weitere große Schwäche der Bewegung war die Schwierigkeit, die Revolution auszuweiten. Die gleiche Frage wie in Brest-Litowsk wurde den Militanten der „Dritten Sozialen Revolution“ gestellt. Die Machnowisten versuchten konkret, die revolutionäre Bewegung, deren Zentrum sie waren, innerhalb der damaligen weltweiten Welle auszuweiten, aber sie taten dies viel zu spät, kurz vor der Niederlage ihrer Bewegung. Erst 1921 nahmen sie Kontakt zu anderen Fraktionen der revolutionären Bewegung auf, insbesondere in Kronstadt, Kiew, Moskau und jenseits des Urals. Sie schlugen ihnen eine „Zusammenarbeit“ gegen den Roten Staat vor, „der die Arbeiter und Bauern verraten hatte“.
Aber der Mythos der Bolschewiki und ihres „revolutionären Staates“ war damals so stark, dass selbst für so konsequente Revolutionäre wie die Aufständischen in der Ukraine oder in Kronstadt der Bruch nicht so abrupt erfolgen konnte. Die Illusion, den Kurs freiwillig wieder in Richtung Revolution umlenken zu können, spielte ihrer konterrevolutionären Rolle voll und ganz in die Hände. Die Bolschewiki mit Lenin an der Spitze konnten für sie auf keinen Fall die vollständige Konterrevolution symbolisieren. Das Gewicht – denn es handelt sich hier tatsächlich um Gewicht! – der Erinnerungen an den Oktober 1917 und das Bild der Bolschewiki, die einen Teil der Avantgarde gebildet hatten, war so groß, dass nur sehr wenige die Bolschewiki als frisch kooptierte Agenten für die Neugestaltung des bourgeoisen Staates in Russland25 als solche erkannten und konsequent und kompromisslos bekämpften.
Der fast mystische Rückzug der Machnowisten in die Ukraine hatte nicht die Funktion, einen revolutionären „Brennpunkt“ gegenüber einem Staat aufrechtzuerhalten, der praktisch die aktive Konterrevolution symbolisierte, sondern ganz im Gegenteil, dem Kapital zu ermöglichen, sie zu isolieren und die „Brennpunkte“ einen nach dem anderen, Stück für Stück, zu zerschlagen.
Aber wenn es stimmt, dass die große Schwäche der Aufständischen in der Ukraine ihr Föderalismus war, ihre objektive Unfähigkeit (aber anscheinend auch ihr subjektiver Wille), die Bewegung von Anfang an über die Ukraine hinaus auszuweiten, so bleibt dennoch die Tatsache bestehen, dass der revolutionäre Defätismus, auf dessen Grundlage sie kämpften, enthalten die internationalistische Dimension des Kampfes gegen alle Vaterländer all derer, die zu irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte den idiotischen Verfolgungen der Welt der Ausbeutung ausgesetzt waren:
„Die Ausgebeuteten aller Nationalitäten, ob Russen, Polen, Letten, Armenier, Juden oder Deutsche, müssen sich zu einer großen solidarischen Gemeinschaft vonArbeiter und Bauern vereinen, um dann mit einem mächtigen Schlag der Kapitalistenklasse, den Imperialisten und ihren Dienern den letzten entscheidenden Schlag zu versetzen und sich endgültig von den Fesseln der ökonomischen Sklaverei und der geistigen Knechtschaft zu befreien. Nieder mit dem Kapital und der Macht! Nieder mit religiösen Vorurteilen und nationalem Hass!
Es lebe die soziale Revolution!“
Bericht über den 2. Regionalkongress der Sowjets in Gulai-Pole – Februar 1919.
Gefunden auf archives autonomies, die Übersetzung ist von uns.
Proletarischer Aufstand in der Ukraine (1918–1921) – Neue Version
Communisme Nr. 35 – Januar 1992
Präsentation der neuen Version des Textes.26
Wie in der Vorstellung des Textes über Brest-Litowsk erwähnt, arbeitet unsere Gruppe gerade daran, unsere verschiedenen Beiträge zur revolutionären Bewegung in Russland während der weltweiten Kampfwelle von 1917 bis 1923 zu vereinheitlichen. In diesem Rahmen haben wir die verschiedenen Kritikpunkte an unserem Beitrag zum Aufstand in der Ukraine seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1991 gesammelt und vertieft. Eine über mehrere Jahre verteilte Gemeinschaftsarbeit hat schließlich zu dieser neuen, ziemlich stark überarbeiteten Version geführt.
Die erste Version des Textes hat zwar die sozialdemokratische Polarisierung zwischen „anarchistischen“ und „marxistischen“ Gruppen und ihre jeweilige Verfälschung der Ereignisse kritisiert, aber ihre größte Schwäche war, dass sie wichtige Aspekte der Bewegung karikiert hat, anstatt ihre Widersprüche aufzuzeigen. So neigte der Text dazu, die ganze Kraft der Bewegung auf „militärische Effizienz“ zu reduzieren und dabei viele andere Aspekte der Diktatur des Proletariats, wie sie tatsächlich ausgeübt wurde, zu vernachlässigen, insbesondere die Organisation der Produktion während der aufständischen Phase. In diesen Punkten versäumte es unser Beitrag besonders, die Bewegung in der Ukraine (und ihre organisierte Avantgarde in der sogenannten „Machnowschtschina“) historisch und programmatisch in den größeren Rahmen der gesamten revolutionären Welle dieser Zeit zu stellen, mit ihren Grenzen im Angriff auf das Kapital oder den Illusionen gegenüber dem bolschewistischen Staat. Was die Schwächen der Aufständischen in der Ukraine betrifft, darunter die Tendenz zum fatalen verwaltungstechnischen Rückzug auf eine angeblich „befreite Region“, so wurden sie auf einfache Weise dem Einfluss der anarchistischen Ideologie in der Bewegung zugeschrieben, als ob dies eine Erklärung an sich wäre, als ob der „Anarchismus“ eine separate Realität wäre, auch innerhalb der revolutionären Bewegung.
In der hier veröffentlichten neuen Version haben wir daher versucht, diese verschiedenen Probleme zu lösen, um den Text qualitativ zu verbessern. Die erste Version bleibt über einen Link zugänglich, um, wie in der Einleitung zum Inhaltsverzeichnis dieser Ausgabe angegeben, den kollektiven kritischen Prozess wiederzugeben, der das Leben unserer Kampfgemeinschaft ausmacht.
PROLETARISCHER AUFSTAND IN DER UKRAINE (1918-1921)
Kapitel I – KRIEG UND REVOLUTION… BIS IN DIE UKRAINE
Die revolutionäre Bewegung in der Ukraine: ein paar Eckdaten
Der revolutionäre Kampf in der Ukraine begann natürlich nicht erst mit den Reaktionen auf den Krieg. Diese Reaktionen sind Teil einer besonders fruchtbaren Geschichte und eines besonders fruchtbaren Kampfes, die wir hier nur kurz zusammenfassen können.
Die große Hungersnot von 1891 und die darauf folgende Choleraepidemie von 1892 weckten den Zorn des landwirtschaftlichen Proletariats gegen die Ausbeutung durch die Bourgeoisie. Auf diesem fruchtbaren Boden organisierten sich revolutionäre „anarchistische“ Minderheiten, die den Kommunismus als Perspektive vertraten und für ihn kämpften.
Im Jahr 1902 brach der proletarische Aufstand von Charkow und Poltawa aus, bei dem die Landarbeiter sich weigerten, Steuern zu zahlen, und massenhaft Land zurückeroberten. Im Jahr 1905 fanden proletarische Aufstände auf dem Land statt, bei denen die sozialrevolutionären Minderheiten einen großen Einfluss hatten (siehe die Gruppen, die sich zu „Zemlia i Volia“ (Land und Freiheit) bekannten), die ein Echo auf die Kämpfe waren, die ganz Russland erschütterten. In den Städten kam es zu einer Reihe von Arbeiteraufständen, vor allem in Jekaterinoslaw. Auf dem Land gab es regelrechte Bauernaufstände: Brandstiftung auf Landgütern und in großen herrschaftlichen Anwesen, Zerstörung von Rechnungsbüchern, Enteignung und Umverteilung von Land, … die „Schwarze Teilung“ oder „Das Land denjenigen, die es bearbeiten“.
Das Dekret von Stolypin im Jahr 1906 versuchte, wie später auch die bolschewistische Partei, die Solidarität der landwirtschaftlichen Proletarier gegen die Großgrundbesitzer zu brechen, indem es Zwischenklassen von Bauern (die Kulaken) schuf, um der ständigen Unruhe auf dem Land ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Diese sehr heftigen Auseinandersetzungen mit der Bourgeoisie und die trotz dieser Kämpfe weiterhin extrem harten Lebensbedingungen sorgten dafür, dass der Kriegseintritt nicht gerade „fröhlich“ war! Viele Proletarier sträubten sich, ihr armseliges Stück Land zu verlassen, um Tausende von Kilometern entfernt für eine Sache zu sterben, die ihnen ziemlich unklar war. Die Kriegserklärung an Deutschland am 2. August 1914 kam kurz vor der Erntezeit, und die Landbevölkerung wurde mit Gewalt mobilisiert.
Revolutionärer Krieg in der Ukraine gegen Brest-Litowsk (März 1918)
Wie wir oben gesehen haben, reichten zwei Jahre Krieg aus, um den sozialen Zusammenhalt zu zerstören. Vorbei war es mit dem Russisch-, Deutsch-, Österreichisch-Ungarisch- oder Französischsein… In den Jahren 1916-1917 brach alles zusammen, und im Februar 1917 entstanden ähnliche Bewegungen wie in Petrograd gegen die Regierung Kerenski und ihre lokalen Vertretungen in der Ukraine. Überall entstanden Sowjets. Gleichzeitig wurde ein ukrainisches Parlament (die Rada) gebildet, in dem die nationalistischen Tendenzen der lokalen Bourgeoisie zum Ausdruck kamen. In dieser Rada waren die Petrowskij-Anhänger27, diese ukrainischen Nationalisten, am aktivsten. Auf dem Land waren aber die Sozialrevolutionäre und verschiedene „anarchistische“ Gruppen am stärksten. Die „Anarchisten“ unter der Führung von Semeniuta leisteten bis 1910 umfangreiche Propagandaarbeit und führten verschiedene Formen der direkten Arbeiteraktion durch: Plünderung von Banken, Enteignung von Großgrundbesitzern, Racheakte gegen kleine Chefs28…
Anfang 1917 begann sich das Proletariat in der Ukraine zu emanzipieren und behauptete sich im Kräfteverhältnis mit der Bourgeoisie. Zu dieser Zeit kehrte auch ein 29-jähriger Militant aus dieser Region zurück, der neun Jahre in den Zaren-Gefängnissen verbracht hatte: Nestor Machno. Er spielte eine zentrale Rolle bei der Organisation der aufständischen Proletarier und der Durchsetzung des revolutionären Programms. Seit ihrer Gründung Ende März 1917 forderte die „Bauernunion von Guljaj-Polje“ (Machnos Heimatdorf und revolutionäres Zentrum) Enteignung und bewaffneten Kampf, die im Sommer in die Tat umgesetzt wurden. Im Juli erhob sich das Proletariat in Petrograd gegen die Provisorische Regierung Kerenskis, die mit harter Repression reagierte. Proletarier aus der Ukraine reagierten massiv und erklärten, dass sie denselben Kampf wie ihre Brüder in Petrograd führten, indem sie sich gegen die Rada in Kiew, das lokale Regierungsorgan, stellten. Ende August, als der zaristische General Kornilow auf Petrograd marschierte, ging das Proletariat von Guljani-Polje bewaffnet auf die Straße, mobilisierte sich um das Komitee zur Verteidigung der Revolution (an dem auch Machno beteiligt war) und begann mit der Entwaffnung der Bourgeoisie. Dies war ein wichtiger Qualitätssprung im Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, das jedoch weiterhin Schwankungen unterlag. Angesichts der Schwierigkeiten gab die Enteignungsbewegung vorübergehend nach und beschränkte sich darauf, die Zahlung der Pacht zu verweigern. Machno und seine Gefährten durchstreiften unermüdlich die Region, um die Bewegung auszuweiten29.
Von August bis Oktober gewann die Bewegung wieder an Schwung und entwickelte auch die widersprüchlichen Aspekte, auf die wir noch zurückkommen werden: Entrismus in den lokalen Verwaltungskomitees, Entwicklung der „Freien Arbeitskommunen“ usw. Ein Widerspruch zeigte sich auch nach dem Oktoberaufstand, als die „Machnowisten“ ihre Propaganda gegen die Teilnahme an den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung aufgaben, weil die sogenannten „revolutionären“ Parteien, die Bolschewiki und die linken Sozialrevolutionäre (Machno spricht vom „Block der Linken“), daran teilnahmen. Bekanntlich sollte dieses Argument der „revolutionären Front“ oder sogar des Bündnisses mit dem „geringeren Übel“ in der Ukraine fatale Folgen für die revolutionäre Bewegung haben. Im Dezember 1917 wurde vom Sowjet von Guljaj-Polje das erste Abkommen mit den Regierungstruppen beschlossen, um gegen die ukrainischen nationalistischen Truppen zu kämpfen, denen sich General Kaledin anschließen wollte30. Man kann aber nicht sagen, dass Machno zu dieser Zeit noch viele Illusionen über die Regierungsparteien hatte – ein Paradox, das ihn bis zu seinen letzten Bündnissen verfolgen sollte.
„Ich sah klar und deutlich, dass die Zusammenarbeit mit den Bolschewiki-linken Sozialrevolutionären für einen Anarchisten unmöglich wurde, selbst im Kampf zur Verteidigung der Revolution. Der revolutionäre Geist der Bolschewiki-Sozialrevolutionäre begann sich übrigens sichtbar zu verändern: Sie wollten nur die Revolution an sich reißen, um im wahrsten Sinne des Wortes zu herrschen. […] Ich ahnte, dass der Zusammenhalt dieser beiden Parteien eine Fiktion war und dass früher oder später eine der beiden die andere brutal absorbieren oder verschlingen würde, da beide das Prinzip des Staates und seiner Autorität über die freie Gemeinschaft der Arbeiter unterstützten.“
(N. Machno, „Die russische Revolution in der Ukraine“, S. 154).
In der Verwirrung nach dem Oktoberaufstand und den damit verbundenen Umwälzungen versuchten mehrere lokale Bourgeoisien, auf die revolutionäre Bewegung mit der Gründung unabhängiger Länder zu reagieren: Finnland, Polen, Ukraine, Georgien. Im Februar 1918 sahen die österreichisch-deutschen Armeen die Chance für eine starke Offensive, marschierten in die Ukraine ein (wo sie einen separaten Friedensvertrag mit der nationalistischen Zentralrada abschlossen) und kamen über die baltischen Länder bis auf 150 Kilometer an Petrograd heran.
Die Verwandlung der bolschewistischen Partei in einen entschlossenen Vertreter des kapitalistischen Wiederaufbaus zeigte sich zum ersten Mal richtig stark, als Lenin die Anhänger der Fortsetzung des revolutionären Krieges besiegte und die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Brest-Litowsk mit Deutschland durchsetzte31.
Zu dieser Zeit – Anfang 1918 – spielte sich der Widerspruch zwischen Revolution und Konterrevolution zwischen den Anhängern des Friedens und den Anhängern des revolutionären Krieges ab. Lenin, Sinowjew, Kamenew und Stalin setzten ihr ganzes Gewicht ein, um der Mehrheit ihrer Organisation und dem gesamten ihnen entgegenstehenden Proletariat ein Ende der Revolution aufzuzwingen. Für die Revolutionäre war klar, dass der Aufstand in Russland nur der Anfang der Weltrevolution war, und alle wussten, dass das Kapital seine Diktatur durchsetzen würde, wenn die Revolution nicht weiterging. Die Fortsetzung des revolutionären Krieges war daher direkt mit dem Einsatz dieser Frage verbunden.
Aber die kapitalistische Notwendigkeit des Wiederaufbaus des Staates in Russland fand ihre verbissensten Verteidiger in der pazifistischen Ideologie Lenins, der Russland als „Ökonomie“, als „Nation“, als „Regierung“, als „Bastion“ erhalten wollte, wie er es rechtfertigte. Unter dem Vorwand, nicht mehr die nötige Kampfkraft für die Fortsetzung eines revolutionären Krieges zu haben, ließ Lenin im März 1918 den Friedensvertrag unterzeichnen, der die Unabhängigkeit Finnlands, der baltischen Staaten und der Ukraine offiziell anerkannte, die alle unter deutsches Protektorat gestellt und somit militärisch besetzt waren. Aber über die abgetretenen Gebiete hinaus war es die bourgeoise Ordnung in der Region, die von der bolschewistischen Partei ratifiziert und gegengezeichnet wurde, und die gesamte proletarische Bewegung erhielt einen heftigen Schlag, insbesondere in der Ukraine: Der kapitalistische Frieden, der Frieden der Gräber, der soziale Frieden sollte der wahre Sieger dieser Verhandlungen sein. Außerdem ermöglichte der Vertrag der deutschen Armee, riesige Truppen von der Ostfront abzuziehen und so eine gewaltige Offensive gegen Frankreich zu starten, die erst 60 Kilometer vor Paris gestoppt werden konnte und wie blutig sie für die Arbeiter in der Region war, wissen wir. Die Bourgeoisie, die ihre kriegerischen Ziele in Frage gestellt sah, konnte aufatmen: Der imperialistische Krieg würde eine Zeit lang weitergehen und damit revolutionäre Entwicklungen hinauszögern.
Man neigt im Allgemeinen dazu, den Widerstand gegen diese Verträge zu unterschätzen. Sie war jedoch besonders stark und heftig, was die Widersprüche widerspiegelte, die sie in sich vereinte. Die meisten proletarischen Organisationen waren entschieden gegen die Abkommen. Auch die Mehrheit der bolschewistischen Organisation. Trotzki, der eine entscheidende Rolle bei der Unterzeichnung der Abkommen spielte, berichtet:
„Nachdem der Rat der Volkskommissare die lokalen Sowjets aufgefordert hatte, ihre Meinung zu Krieg und Frieden bekannt zu geben, antworteten bis zum 5. März mehr als 200 Sowjets. Nur zwei der wichtigsten Sowjets, der von Petrograd und der von Sewastopol, sprachen sich (mit Vorbehalten) für den Frieden aus. Dagegen sprachen sich eine Reihe großer Arbeiterzentren (Moskau, Jekaterinburg, Charkow, Jekaterinoslaw, Iwanow-Wosnesensk, Kronstadt usw.) mit überwältigender Mehrheit für den Abbruch der Verhandlungen aus. Die gleiche Stimmung herrschte in unseren Parteiorganisationen. Von den Sozialrevolutionären braucht man gar nicht zu reden.
(Trotzki – Mein Leben)
Die Linkssozialrevolutionäre waren besonders heftig und planten nach der Unterzeichnung einen Anschlag auf den deutschen Botschafter in Russland, um die Ergebnisse der düsteren Unterzeichnung praktisch zu zunichte zu machen. Kurz darauf führten sie in Petrograd einen Aufstand gegen die Friedensabkommen an. Sogenannte anarchistische Militante gründeten in Moskau eine Schwarze Garde, um den Widerstand gegen diese Verträge zu organisieren. Und innerhalb der bolschewistischen Partei scheinen Radek und Bucharin sogar ernsthaft erwogen zu haben, Lenin mit Hilfe der linken Sozialrevolutionäre zu verhaften.
Natürlich waren die Verträge von Brest-Litowsk nicht nur das Ergebnis des subjektiven Willens der bolschewistischen Anführer, die sie durchsetzen konnten. Sie waren vielmehr das Ergebnis eines objektiven Machtverhältnisses, das zu diesem Zeitpunkt noch stark gegen das Proletariat war, zum Beispiel durch die Verspätung des deutschen Aufstands (das Proletariat in diesem Land hatte sich nicht in der Lage gezeigt, die Fortsetzung des Krieges zu verhindern) und ganz allgemein durch die begrenzten Brüche mit den pazifistischen und reformistischen Ideologien, die die Bourgeoisie als Alternative zu den revolutionären Impulsen des Proletariats ins Feld führte.
In diesem riesigen Chaos, das die allgemeine Zerrissenheit der kapitalistischen Nationen, die zu dieser Zeit im Krieg standen, darstellte, spielte die Ukraine eine grundlegende strategische Rolle. Als Kornkammer Europas sollte der Besitz dieser riesigen Gebiete es Deutschland ermöglichen, der von England verhängten Seeblockade zu trotzen. Ihre Eroberung wurde zu einem super wichtigen strategischen Faktor für das deutsche Kapital, das „seine“ Proletarier sowohl an der Front als auch in der Heimat ernähren musste, um den sozialen Frieden zu wahren, der für die Verfolgung seiner Kriegsziele so wichtig war.
Ebenso sollten die verschiedenen Bodenschätze, wie die bedeutenden Kohle- und Eisenminen, die in der Ukraine reichlich vorhanden waren, die von der französischen und englischen Marine beschlagnahmten Kolonialimporte ersetzen.
Von den ersten Kriegstagen an war die Ukraine somit ein grundlegender Streitpunkt, den alle Fraktionen des Kapitals begehrten. So kam es, dass alle Armeen der Region nacheinander einmarschierten, um diese riesige Region buchstäblich zu plündern und sich heftig darum stritten: Russland gegen Österreich-Ungarn und Deutschland, der Block um Deutschland gegen die Regierung Kerenski und später derselbe Block zusammen mit den ukrainischen Nationalisten gegen die Armeen des rot bemalten russischen Staates, noch später dieselben „roten“ Armeen gegen die Weißen Armeen.
Man sieht, dass die Entwicklung der Revolution noch auf der Tagesordnung stand, mit dem Kampf des Proletariats gegen den bourgeoisen Krieg und der progressiven Durchsetzung seiner Perspektiven, aber die Konterrevolution organisierte sich ebenfalls und fand in den Bolschewiki engagierte Agenten. In diesem ganzen widersprüchlichen Kontext, während die Verträge von Brest-Litowsk die deutschen Truppen in die Ukraine zurückbrachten, erhob sich das Proletariat dieser Region und organisierte einen Aufstand, der fast drei Jahre lang gegen alle bourgeoisen Kräfte andauerte, die versuchten, die Kontrolle wiederzuerlangen.
Und es ist wichtig, sich an diese Tatsache zu erinnern: Das Proletariat konnte aus seinen eigenen materiellen Interessen heraus gar nicht anders, als sich zu erheben! Zu keinem Zeitpunkt war es ihm möglich, das durch die Verträge von Brest-Litowsk diktierte bolschewistische Programm zu akzeptieren. Angesichts all der klassischen konterrevolutionären Rechtfertigungen der sozialdemokratischen Organisationen, von den Trotzkisten über die Maoisten bis hin zum „Programme Communiste“ oder „Battaglia Comunista“ und anderen, die die Notwendigkeit der Friedensverträge unter dem Vorwand rechtfertigen, dass „die Proletarier ja auch essen müssen“, müssen wir die Tatsachen in ihrer historischen Realität aufzeigen und damit deutlich machen, dass diese Verträge den Proletariern in der Ukraine (abgesehen von anderen Fragen, die hier nicht behandelt werden) nichts als Kugeln und Blei gebracht haben! Die Friedensabkommen bedeuteten, dass die deutsche Armee die Felder und Kornspeicher plünderte, die sich die Proletarier wieder angeeignet hatten, dass die kurz zuvor vertriebenen ukrainischen Eigentümer zurückkehrten, dass die Proletarier hungerten und mit Kugeln erschossen wurden, wenn sie versuchten, sich zu wehren.
Aufgrund all dieser konkreten Bedingungen konnte das Proletariat keinen Moment lang „Friedensabkommen“ akzeptieren, die es entwaffneten und aushungerten! Das war keine ideologische, sondern eine praktische Frage! In der Ukraine, die von der bolschewistischen Partei an die Weißen Armeen ausgeliefert worden war, setzten die deutschen Truppen den Hetman Skoropadsky, einen reichen Großgrundbesitzer, an die Spitze des Staates. Mit der Zustimmung dieser neuen Regierung plünderten die deutschen Truppen die Region und nahmen alles mit, was sie für die Fortsetzung ihres Krieges brauchten, und brachten Rohstoffe, Getreide, Vieh usw. ins Hinterland und sogar nach Deutschland. Hunderte von Lastwagen reichten nicht aus, um alles wegzuschaffen, was die bewaffneten Abgesandten der deutschen Bourgeoisie an sich gerissen hatten.
Auf der anderen Seite konnten die ukrainischen Bourgeois als Preis für die Plünderung durch ihre österreichisch-deutschen Homologen das Vermögen zurückholen, das ihnen kurz zuvor von der revolutionären Bewegung weggenommen worden war. Die Landbesitzer nahmen ihr Land zurück und verfolgten alle, die sich ihnen widersetzten. Wenn die Proletarier Widerstand leisteten und versuchten, das Eigentum zu verteidigen, das sie den Bourgeois entrissen hatten, wurden sie ohne Gerichtsverfahren erschossen. Es ist wichtig, hier noch mal zu betonen, dass unabhängig von allen Reden über Befreiung oder nationale Unabhängigkeit die österreichischen, ukrainischen, russischen und deutschen Bourgeois sich einig waren, die Proletarier zu vernichten, sie wieder an die Arbeit zu schicken, sie auszubeuten und zu erschießen, wenn sie sich wehrten. Machno musste untertauchen und beschloss, nach Moskau zurückzukehren, das ihm als „Hauptstadt einer Papierrevolution, eine riesige Fabrik, die sinnlose Resolutionen und Parolen produziert, während sich eine einzige politische Partei mit Gewalt und Betrug in die Position der herrschenden Klasse erhebt“ erschien. Die bolschewistischen Anführer hatten gerade die sogenannten anarchistischen Gruppen der Stadt offen und brutal niedergeschlagen. Machno traf dort seinen Gefährten Archinow (der Anfang 1919 in die Ukraine zurückkehren sollte) und diskutierte mit ihm über die Entwicklung der Revolution32. Machno traf auch Lenin zu einem „herzlichen“ Gespräch, das aber zeigte, dass ihre Ansichten nicht zusammenpassten. Ironischerweise kehrte Machno mit einem Passierschein des Kremls in die Ukraine zurück, um dort den Widerstand und den Gegenschlag der Aufständischen zu organisieren.
Auf ihrem Kampfgebiet erkannten die aufständischen Proletarier in der Ukraine ziemlich schnell, dass die Machtübernahme der Bolschewiki eine Fortsetzung und Umstrukturierung des Kapitalismus bedeutete, die gegen den gesamten revolutionären Prozess gerichtet war. Man darf nicht vergessen, dass es damals nur wenige Gruppen oder Militante gab, die eine auch nur ansatzweise klare Kritik an der bolschewistischen Partei und dem neuen Sowjetstaat entwickelten33. Die starke „revolutionäre“ Ausstrahlung, die diese genossen, zeigt, wie verwirrend und illusorisch die damalige Situation war, auch unter den kommunistischen Minderheiten. In seiner „Geschichte der Machno-Bewegung“ berichtet Archinow ziemlich klar, was sie damals festgestellt haben:
„Die kommunistische Verstaatlichung der Industrie stellt eine neue Art von Produktionsverhältnissen dar, in denen die Sklaverei und die ökonomische Unterwerfung der Arbeiterklasse in einer einzigen Hand konzentriert sind: der des Staates. Im Grunde verbessert dies die Lage der Arbeiterklasse in keiner Weise. Die Zwangsarbeit (natürlich für die Arbeiter) und ihre Militarisierung sind der eigentliche Geist der nationalen Fabrik34“.
Wie wir sehen werden, pflegten die Aufständischen in der Ukraine trotz dieser Weitsicht und ihrer direkten Erfahrung mit der konterrevolutionären Praxis der neuen bolschewistischen Regierung Beziehungen zu ihr (und insbesondere zum Generalstab der Roten Armee unter der Führung Trotzkis). zumindest widersprüchliche und inkonsequente Beziehungen, was maßgeblich zu ihrer Niederlage beitrug.
Der Kampf der Arbeiter in der Ukraine und die Zentralisierung der revolutionären Aktion
Ab Juni 1918 zwang die grenzenlose Repression, der die Proletarier ausgesetzt waren, sie dazu, auf die Angriffe der Bourgeoisie zu reagieren. In Verbindung mit dem allgemeinen revolutionären Aufbruch in Russland, der ihren eigenen Kampfgeist stärkte, kam es überall zu aufständischen Aktionen gegen die ukrainischen Landbesitzer und gegen die österreichisch-deutschen Streitkräfte. Die Proletarier in den Städten und auf dem Land bekämpften sie, vertrieben die Grundbesitzer und bewaffneten sich gegen die Polizeiarbeit der österreichisch-deutschen Armee.
Diesen proletarischen Reaktionen stand der unerbittliche Weiße Terror gegenüber. In den Dörfern wurden Hunderte von Proletariern massakriert. Die Häuser wurden niedergebrannt, ihr ganzer Besitz zerstört. Aber die Entschlossenheit der Bourgeois zwang das Proletariat in der Ukraine zu einem ersten qualitativen Sprung in seinem Kampf gegen seine Mörder: Es organisierte sich in Scharfschützenverbänden und griff zu Hinterhaltstaktiken. Von überall her und wie von einem unsichtbaren Dirigenten angeführt, organisierten sich überraschend viele Proletarier in Gruppen, um einen Partisanenkrieg gegen die Landbesitzer und die österreichisch-deutschen Streitkräfte, die sie beschützten, zu führen. Anfangs ohne jede technische Koordination, aber sehr organisch, als ob sie aus ihrem Wunsch heraus entstanden, nicht zu sterben, ohne bis zum Ende gekämpft zu haben, überfielen Abteilungen von 20, 50 oder 100 gut bewaffneten Proletariern, die zu Pferd unterwegs waren, überraschend Landgüter, griffen die Nationalgarde (die Varta) an und lieferten sich Kämpfe mit all ihren Feinden. Die Großgrundbesitzer, die ihre Untertanen ausbeuteten, wurden selbst bei diesen Partisanengruppen angezeigt und mit dem Tod bedroht, sollten sie ihre Übergriffe fortsetzen. Die Bullen und deutschen Offiziere waren dem sicheren Tod geweiht. All diese Aktionen des roten Gegenterrors wurden den ganzen Sommer 1918, von Juni bis August, täglich in der ganzen Ukraine durchgeführt.
Die brutale Repression, zu der die vereinten Kräfte des Hetmans Skoropadsky und des deutschen Generalstabs griffen, führte nur dazu, dass die bewaffneten Kämpfer des Proletariats einen zweiten Qualitätssprung in ihrem Kampf machten, indem sie sich immer mehr zusammenschlossen und sich nach und nach um ihre kämpferischsten Fraktionen herum organisierten. Große Armeen bildeten sich dann um proletarische Militante wie Korilenko in der Region Berdiansk, Stchuss und Petrenko-Platonov in den Regionen Dibrivka und Grichino. Im Süden der Ukraine, in der Region Guljaj-Polje, geschah die Vereinigung der Partisanengruppen nicht nur zur Verteidigung gegen den Weißen Terror. Hier organisierten sich die Proletarier mit dem Ziel, die von den Großgrundbesitzern angeführte Konterrevolution endgültig zu besiegen. Die Zentralisierung der aufständischen Kräfte hatte als Hauptziel, die revolutionären Arbeiter in den Städten und auf dem Land zu einer organisierten Kraft zu vereinen, um die gesamte bestehende bourgeoise Gesellschaft zu stürzen: Ihr Programm war die kommunistische Revolution, ihre Fahne – schwarz – die der klassenlosen Gesellschaft!
Wenig später, im November 1918, tauchten neue Feinde am Horizont auf, in Form der nationalistischen Armeen von Petljura35 und vor allem in Form der schrecklichen Weißen Armeen von Denikin. Von da an war es ganz natürlich, dass sich der Aufstand in der Ukraine – vor allem im südlichen Teil – organisierte, zentralisierte und um das revolutionäre Programm von Machno und anderen kommunistischen Militanten vereinigte und schließlich eine einzige „Revolutionäre Aufständische Armee“ mit einem zentralen Generalstab bildete. Dies war der eigentliche Aufschwung der Bewegung, die unter dem Namen „Machnowschtschina“ bekannt wurde36.
Bedeutung und Rolle einer Avantgarde
Der Prozess, durch den sich der Aufstand in der Ukraine nach und nach um ein revolutionäres Programm organisierte, zeigt deutlich, wie wichtig in einer solchen Bewegung die Anwesenheit revolutionärer Militanter ist, einer zuvor gebildeten Avantgarde, die entschlossen ist, die Welt in ihrer Gesamtheit zu revolutionieren. Wie man sieht, bündeln diese kommunistischen Kerne den Kampf Tausender Proletarier, indem sie dessen Perspektiven klarstellen, das darin enthaltene Programm offenlegen und die soziale Bewegung organisieren. Sie schaffen den Kampf nicht, sie führen ihn. Ja, sie führen den Kampf, sie geben ihm eine Richtung, sie setzen die Diktatur der Bedürfnisse der sozialen Klasse durch, in der sie kämpfen, auch wenn das allen Reformisten nicht passt, die auf den Feldern der Demokratie „Marxismus“ oder „Anarchismus“ nachplappern37.
Entgegen der idealistischen Romantik, die manchmal damit verbunden ist, ist der ukrainische Aufstand natürlich nicht das subjektive Werk eines einzigen genialen Kämpfers, der die Menschen zum Kampf überreden kann: Er ist in erster Linie eine spontane Reaktion der kämpfenden Proletarier auf den Terror der Bourgeoisie, oft initiiert von entschlosseneren, besser organisierten Fraktionen von Kämpfern.
Aber auch wenn die Revolutionäre den Kampf nicht erschaffen, so kristallisieren sie ihn und ermöglichen verschiedene qualitative Sprünge:
— indem sie ständig die Notwendigkeit einer immer stärkeren Zentralisierung betonen, bis nur noch eine einzige große gemeinsame Kraft gegenüber dem Klassenfeind steht;
– indem sie die soziale Revolution und den Kommunismus immer genauer als einzige Perspektive formulieren, um endgültig mit der Welt des Lohnverhältnisses Schluss zu machen;
– indem sie jederzeit die Klassengrenze ziehen, die die Revolution von der Konterrevolution trennt.
Wir werden später auf die großen Schwächen und die enormen Illusionen im Programm der Aufständischen Armee der Ukraine eingehen , aber im Rahmen der Vereinigung, die im Kampf gegen die verschiedenen Versuche, die revolutionäre Bewegung in der Ukraine zu zerschlagen, erreicht wurde, müssen wir zunächst die Stärke dieser Militanten hervorheben, die mit den Waffen in der Hand die lebenswichtigen Notwendigkeiten des revolutionären Kampfes durchgesetzt und diktatorisch durchgesetzt haben: Sie propagierten den revolutionären Defätismus gegenüber den österreichisch-ungarischen Armeen, übten roten Terror gegen die Weißen Armeen und die Großgrundbesitzer aus, prangerten die nationalistischen bourgeoisen Alternativen der Petljura und anderen Grigoriew an und organisierten den Kampf gegen sie und enthüllten sogar die bolschewistische Rote Armee als das, was sie war: eine Armee des kapitalistischen Wiederaufbaus in Russland!
Revolutionärer Defätismus
Im November 1918 begann der Defätismus in den österreichisch-deutschen Truppen in der Ukraine um sich zu greifen, nicht nur unter dem Einfluss des aufkeimenden revolutionären Kampfes in Deutschland und Österreich, sondern auch durch die Aktion der Kämpfer der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine, die den bewaffneten Kampf nicht von der revolutionären Propaganda für die Ausbreitung des revolutionären Defätismus trennten. Dies führte bald zum Zerfall und Rückzug der österreichisch-deutschen Truppen.
Der revolutionäre Defätismus ist eine entscheidende Frage im Rahmen der kommunistischen Antwort auf den bourgeoisen Krieg38.
Für die Kommunisten ist der Krieg nur die Fortsetzung des kapitalistischen Friedens oder, besser gesagt, ein weiterer Moment des permanenten Krieges, den die Bourgeoisie gegen das Proletariat führt. Aber dieser „andere Moment“ der Diktatur der Bourgeoisie über unsere Klasse erfordert für den Kampf der Arbeiterklasse genaue Anweisungen für die Aktion und klare Perspektiven. So bekräftigten Lenin, Liebknecht und viele andere revolutionäre Militante in den Jahren 1914–1915 angesichts des sozialdemokratischen Pazifismus die Notwendigkeit, gegen die „eigene“ Bourgeoisie zu kämpfen, in Form von klaren Anweisungen und Parolen39.
Wo die Pazifisten für eine Einstellung der Feindseligkeiten blökten (während sie wie immer objektiv für den Krieg mobilisierten), stellten die Kommunisten die revolutionäre Perspektive dagegen, indem sie zur Verbrüderung zwischen den Soldaten der verschiedenen Armeen aufriefen, vorschlugen, die Waffen gegen „ihre“ Offiziere zu richten, den wahren Feind des Proletariats in „seiner eigenen Bourgeoisie“ anprangerten… Kurz gesagt, indem sie die Niederlage „ihres“ eigenen Landes, der Heimat, die ihnen die Gendarmen auf den Hals gehetzt hatte!
Der revolutionäre Defätismus muss in seiner Ausdehnung auf den gesamten Bereich der Produktion, d. h. auf die Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft, verstanden werden, und nicht nur an der Front oder innerhalb der bourgeoisen Armee. Auf diesem letzten besonderen Gebiet besteht der revolutionäre Defätismus darin, die permanente Existenz des Klassenwiderspruchs innerhalb der bourgeoisen Armeen zu verdeutlichen, ihn in einer gewaltsamen Krise offen zu legen und jeden zu zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden, bis zur Zersetzung der bourgeoisen Militärstruktur. Der revolutionäre Defätismus setzt sich fort und verstärkt sich im revolutionären Krieg, der durch die Organisation des Proletariats in einer aufständischen Armee, einer revolutionären Armee, gekennzeichnet ist. Das Terrain unseres Kampfes wird jedoch niemals in der Suche nach technischer und rein militärischer Überlegenheit, in der Konfrontation „Apparat gegen Apparat“, „Armee gegen Armee“ liegen. Der eigentliche Inhalt des Kampfes wird niemals allein durch die (zwar unverzichtbare) Bewaffnung des Proletariats oder die besondere Form bewaffneter proletarischer Truppen, wie sie in der Ukraine aktiv sind, garantiert. Unsere wahre Klassenstärke besteht immer in der Beschleunigung des Zerfalls der bourgeoisen Armeen unter dem Einfluss der Proletarier, die ihre Waffen gegen ihre eigenen Offiziere richten, sich weigern, als Kanonenfutter oder Henker ihrer eigenen Klassenbrüder im Kampf zu dienen, und so die Ausweitung des revolutionären Prozesses in allen bourgeoisen Lagern vorantreiben40.
Um auf den revolutionären Krieg in der Ukraine zurückzukommen: Jedes Mal, wenn Abteilungen der „makhnovistischen“ Armee die österreichisch-deutschen Truppen angriffen und besiegten (was in dieser Zeit des vollständigen Zerfalls der Armeen des deutschen Imperialismus immer häufiger vorkam), gingen sie auf die gleiche Weise vor und befolgten die gleichen Regeln: Sie töteten die Offiziere als erbitterte Verteidiger der bourgeoisen Armee und Henker ihrer eigenen Soldaten, ließen aber die einfachen Soldaten, die gefangen genommen worden waren, frei, außer denen, die sich der Gewalt gegen ihre Klassenbrüder schuldig gemacht hatten. Den anderen boten sie an, nach Hause zurückzukehren und von der sozialen Revolution in der Ukraine zu berichten. Die Revolutionäre verteilten auch Flugblätter und Texte, um die Soldaten zu ermutigen, sich dem revolutionären Kampf in Deutschland und Österreich anzuschließen. Hier ist Archinows Bericht über die Aufgaben, die sich die „Makhno-Verbände“ im Rahmen der Widerstandsaktionen in der Region gestellt hatten:
„Die Aufgaben seiner Kompanie waren:
a) aktive Propaganda- und Organisationsarbeit unter den Bauern;
b) einen unerbittlichen Kampf gegen ihre Feinde zu führen. Dieser Kampf basierte auf dem Prinzip: Jeder Landbesitzer, der die Bauern verfolgte, jeder Polizist des Hetmans, jeder russische und deutsche Offizier als Todfeind der Bauern sollte keine Gnade erfahren und beseitigt werden. Innerhalb von zwei oder drei Wochen wurde diese Abteilung nicht nur zum Schrecken der lokalen Bourgeoisie, sondern auch der österreichisch-deutschen Behörden.
Die Revolutionäre druckten Flugblätter auf Deutsch und in verschiedenen Dialekten, um damit für den Sieg zu werben und die österreichisch-deutschen Truppen, die als Wachen für die lokale Bourgeoisie dienten, zu zersplittern41. Schon damals zeigte sich die entschlossen internationalistische Seite der Bewegung.
Viele Partisanenverbände bestanden aus Proletariern aus der Ukraine, aber es gab auch Verbände mit Proletariern griechischer Herkunft (rund um das Schwarze Meer gab es große griechische Kolonien), deutscher, ungarischer, „jüdischer“ oder österreichischer Herkunft. Es gab auch Gruppen aus Großrussland. Die Stärke der Bewegung (und des revolutionären Defätismus) lag darin, die Arbeiter um ihre wahren Aufgaben zu vereinen, und die Forderung nach einer „eigenen Identität“ dieser verschiedenen Gruppen konnte nur als Schwäche bestehen bleiben, die nicht zur Gesamtheit der Bewegung passte42. Mehrere bolschewistische Verbände, die aus Russland entsandt worden waren, um auch gegen Hetman Skoropadsky zu kämpfen, missachteten die bolschewistischen Befehle und unterwarfen sich im Kampf der Disziplin der Aufständischen. Später schlossen sich ganze Regimenter der Roten Armee, die durch defätistische Propaganda für ihre Sache gewonnen worden waren, der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine an. So arbeitete die als „Kolossoff-Verband“ bekannte bolschewistische Partisanengruppe (benannt nach ihrem Kommandanten) oft mit den „Makhno-Verbänden“ zusammen, um gegen die österreichisch-deutschen Truppen zu kämpfen. Die Revolutionäre, egal welche Fahne sie schwenken, organisieren sich instinktiv um die entschlossenste, klarste Fraktion, die es schafft, die revolutionäre Aktivität wirklich zu zentralisieren. Diese organische Kraft räumt auch den Status quo aus dem Weg, der immer der Konterrevolution in die Hände spielt. So kam es, dass, als der Verband von Machno sich dem kleinen Marktflecken Nischni Dnjepr (in der Nähe von Jekaterinoslaw) näherte, das bolschewistische Stadtkomitee das Kommando über die Arbeiterabteilung und die Partei in ihre Hände legte!
Diese Vorgehensweise ist die klare und konkrete Verwirklichung des revolutionären Krieges, den alle revolutionären Kräfte des Proletariats wenige Monate zuvor während der Verhandlungen von Brest-Litowsk gegen die um Lenin versammelte bolschewistische Minderheit verkündet hatten. Die Aktivität der proletarischen Militanten in dieser Region Russlands ist der materielle Beweis für die Möglichkeiten, den internationalen revolutionären Krieg zu führen, sie ist die praktische Negation aller Argumente, die Lenin vorgebracht hatte, um diesen schändlichen, demobilisierenden und konterrevolutionären Frieden mit den Armeen der Bourgeoisie zu unterzeichnen!
Petrow-Tscherkasski und der ukrainische Nationalismus
Auf der Welle der Begeisterung nach dem Abzug der österreichisch-deutschen Armeen und des Hetmans Skoropadsky kam die nationalistische Petljura-Bewegung richtig in Schwung. Petljuora tat alles, um sich in den Mittelpunkt der Siege über die österreichisch-deutschen imperialistischen Armeen zu stellen und so schnell wie möglich riesige Massen in der ganzen Ukraine um seine eigene Figur als Nationalheld zu versammeln. Die südlichen Regionen, wo sich die proletarischen Aufstände mit einem eigenen Programm und unter der Fahne der sozialen Revolution stark organisiert hatten, waren die einzigen Gebiete, in denen die nationalistische Bewegung wenig Einfluss hatte und direkt als das entlarvt wurde, was sie war: ein neues Rezept, um das Proletariat in die Arbeit zu treiben.
Aber die Regierung der Nationalen Republik Petljoora hatte nicht viel Zeit, um ihre Popularität zu genießen. Kaum im Dezember 1918 etabliert, als Skoropadsky sich zurückzog, musste sie selbst einen Monat später, im Januar 1919, fliehen: Die soziale Basis, auf der ihre schwache Autorität beruhte, schwand zusammen mit den Illusionen der Proletarier in ihre Fähigkeit, ihre Lage grundlegend zu verändern. Der Petljuraismus brach ebenso schnell zusammen, wie er entstanden war. Die Mehrheit der Proletarier, die sich ihm vorübergehend angeschlossen hatten, zog sich nun aus seiner der neuen Regierung feindlich gesinnten Armee zurück und schloss sich oft den Kräften der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine an, die sich um die „Anarcho-Kommunisten“ gruppierten. Der Rest seiner Armee blieb aber aktiv genug, um sich der Roten Armee zu stellen, als diese begann, in die Ukraine vorzudringen, um den Wiederaufbau des russischen Staates zu sichern.
Kapitel II – GEGEN DENIKIN, ERSTE ALLIANZ MIT DEN BOLSCHEWIKEN (März 1919 – Juni 1919)
Einmarsch der Denikin-Armeen in die Ukraine
Wie wir gesehen haben, brauchte die Revolutionäre Aufständische Armee der Ukraine nicht lange, um die österreichisch-deutschen Truppen und ihren ukrainischen Verbündeten Skoropadsky endgültig zu besiegen. Auch der Nationalist Petliura sah seine soziale Basis schnell zusammenbrechen, sobald er an die Macht kam. Im Januar 1919, fast zwei Jahre nach Beginn des Aufstands in der Ukraine, waren die verschiedenen Armeen der Bourgeoisie also besiegt.
Doch während es Machno in der Ukraine gelang, die verstreuten Aufständischen zu sammeln, um die Reste der österreichisch-deutschen Truppen in voller Flucht zu besiegen, sah die Lage in den von der bolschewistischen Regierung kontrollierten Gebieten, die von allen Seiten bedroht waren, ganz anders aus. Zusätzlich zu dem von den alliierten Truppen errichteten „Cordon sanitaire“ , die von den alliierten Truppen errichtet worden war, drohten die von den Franzosen, Amerikanern und Engländern ausgerüsteten und organisierten Weißen Truppen, aus dem Osten (Sibirien, Truppen von Koltschak), aus dem Süden (Schwarzes Meer, Asowisches Meer, Krim, Truppen von Denikin) und aus dem Westen (Polen, Rumänien und Tschechoslowakei) einzumarschieren. Außerdem kämpften im Norden der Ukraine die restlichen Truppen von Petljura weiter und machten den Bolschewiken das Leben schwer.
Genau diesen Moment wählten Denikin und seine Weiße Armee, um in die Ukraine einzumarschieren, in der Hoffnung, dank der Tatsache, dass die Bolschewiken mit den Nationalisten von Petljura beschäftigt waren, schnell nach Norden vorzustoßen. Er war total überrascht, auf die entschlossene und gut organisierte Armee der ukrainischen Aufständischen zu stoßen. Von da an gelang es der Aufständischen Armee der Ukraine, eine mehr als 100 km lange Front gegen die zahlen- und ausrüstungsmäßig überlegenen Weißen Truppen von Denikin zu bilden.
Allianz mit dem kapitalistischen Staat
Zu diesem Zeitpunkt, als die Bedrohung sowohl durch die Weißen Armeen von Denikin als auch durch die Petljura-Anhänger immer größer wurde, schloss der Sowjet von Guljaj-Polje über Dybenko und Antonow-Owsjanko, den militärischen Befehlshaber der ukrainischen Front für die Rote Armee43, ein erstes Bündnis mit den Bolschewiki, das als rein militärisch angesehen wurde. Dieser erste Kompromiss war einmal mehr geprägt von der Schwierigkeit, die Bedeutung einer bedingungslosen Front gegen die Feinde der Revolution, in diesem Fall gegen eine Rote Armee, die den Wiederaufbau des kapitalistischen Staates in Russland vorantrieb, bis zum Ende zu akzeptieren. Indem sie der Verteidigung des ukrainischen Territoriums Vorrang einräumten (ideologisch gerechtfertigt durch die Gleichsetzung mit der Verteidigung der Revolution), begingen die Revolutionäre der Aufständischen Revolutionären Armee denselben Fehler wie bei den Verhandlungen von Brest-Litowsk: Sie gaben den revolutionären Krieg, den das bewaffnete Proletariat geführt hatte, auf und erstickten die revolutionäre Energie, indem sie sich in eine „Rote Armee“ integrierten, die nach den gleichen Prinzipien wie jede andere bourgeoise Armee aufgebaut war (Wehrpflicht, Hierarchie und Disziplin als ultimativer Zusammenhalt, bis hin zur Führung durch ehemalige Offiziere der zaristischen Armee!).
Dieses Bündnis führte zu einer Art klassenübergreifender Front, in der die revolutionäre Bewegung dazu neigte, sich in der Verteidigung nationaler Interessen aufzulösen. Die Aufständische Armee wurde offiziell in die Rote Armee eingegliedert, aber die Aufständischen behielten trotzdem ihre eigene Disziplin, ihr Kommando, ihre Organisation usw. Wie wir später sehen werden, war diese Front nicht von Dauer; die „makhnovistischen“ Aufständischen erlangten später ihre volle Handlungsautonomie zurück. Für Moskau bedeutete das Bündnis mit der Revolutionären Aufständischen Armee ganz klar, dass diese der bolschewistischen Regierung die Treue schwor und damit dieser wichtige revolutionäre Brennpunkt in der Ukraine neutralisiert wurde.
Als die Aufständischen in der Ukraine sich diesem Bündnis anschlossen, weil sie glaubten, damit die Revolution zu unterstützen, schwächten sie die Bewegung und beteiligten sich faktisch an der bewaffneten Verteidigung des russischen kapitalistischen Staates. Das Fehlen eines kompromisslosen Bruchs mit der Politik der Bolschewiki führte dazu, dass die Aufständischen an der Seite einer bourgeoisen Armee gegen einen „gemeinsamen Feind“ blieben und in eine Falle gerieten, die sich bald über sie schließen sollte. Erst in Momenten des Bruchs und der klaren Verurteilung des konterrevolutionären Charakters der bolschewistischen Partei konnte sich die revolutionäre Bewegung wieder mit Kraft behaupten. Im Gegensatz dazu führten Unklarheiten und Kompromisse nur zu Isolation, Zersplitterung und letztendlich zum Massaker.
Distanzierung vom Bündnis und bolschewistische Repression
Trotz des bestehenden Bündnisses stieß der „Kriegskommunismus“, den die bolschewistischen Anführer durchsetzen wollten, in der Ukraine auf heftigen Widerstand. Sehr schnell erkannten die aufständischen Proletarier die bolschewistische Verwaltung, die gemäß den Vereinbarungen mit dem „makhnovistischen“ Generalstab in der Region neu errichtet worden war, nicht mehr an. Die Proletarier widersetzten sich den Beschlagnahmungen und zerstreuten die Sonderkommissionen (Tschekas), die mit dem „Kampf gegen Sabotage und Konterrevolution“ beauftragt waren, in Wirklichkeit aber gegen sie gerichtet waren. Als Kamenew ihn aufforderte, gegen Grigoriev Stellung zu beziehen44, distanzierte sich Machno, der mit der Offensive unter Denikin alle Hände voll zu tun hatte, bereits von der Politik der Bolschewiki und antwortete:
„Meine Truppen und ich werden der Revolution der Arbeiter und Bauern unerschütterlich treu bleiben, aber nicht den gewalttätigen Institutionen wie euren Kommissariaten und Tschekas, die willkürlich über die arbeitende Bevölkerung herrschen.“
Im Bündnis und in der Front (dieser üblichen Taktik der Bourgeoisie, um ihre Gegner demokratisch zu neutralisieren) versuchte die bolschewistische Partei, die aufständische „machnowistische“ Bewegung zu zerschlagen, der sie misstraute und die sie ebenso wie die Weiße Armee vernichten wollte. Sie schickten nur spärlich Waffen, weigerten sich, Maschinengewehre und Kanonen zu liefern, versuchten, die Brigade von Machno in der Roten Armee aufzulösen, erklärten den Revolutionären Militärsowjet, der die Aktivitäten der „machnowistischen“ Armee anführte, für illegal und versuchten angesichts der geringen Wirkung dieser feindseligen Manöver sogar, Machno zu ermorden. Im Juni entließ Trotzki Antonow-Oweski aus dem lokalen Kommando der Roten Armee, weil er Sympathie für die revolutionäre Bewegung in der Ukraine gezeigt und sogar die Manöver Moskaus angeprangert hatte45.
Angesichts all dieser Machenschaften und der immer größer werdenden Gefahr durch die Weißen Armeen, die damit beschäftigt waren, die Rote Armee zu besiegen, beschloss der Revolutionäre Militärrat, die Aufständische Revolutionäre Armee wieder auf eigene Faust zu gründen (wobei er seine Bewegungen weiter meldete und sich vorerst weiterhin der allgemeinen Strategie des Generalstabs der Roten Armee unterwarf).
Aber die Repression der Bolschewiki wurde mit der Ankunft Trotzkis in der Ukraine noch schärfer. Antonow-Ownzenko wurde abgesetzt, die „Anarchistinnen und Anarchisten“ wurden wegen „Verschwörung gegen den Staat“ erschossen, ganz zu schweigen von den Verleumdungskampagnen gegen sie. Von der bolschewistischen Repression dezimiert und desorganisiert, ohne Waffen, wurden die Aufständischen zudem von den Weißen Armeen überrannt, die einen Fehler einer Division der Roten Armee ausnutzten und nacheinander Mariopol und sogar Guljaj-Polje einnahmen.
Angesichts dieses Terrors, der im Rahmen des Abkommens, das die Bolschewiki ihnen angeboten hatten, über sie hereinbrach, verurteilten die „Machnowisten“ die sich neu formierenden „roten“ Staatskräfte, behielten aber bis zum Schluss gewisse Illusionen über die „Ehrlichkeit“ der bolschewistischen Partei. So entschied sich Machno, weil er naiv glaubte, der Hass der Bolschewiki richte sich persönlich gegen ihn, von seinem Kommandoposten in der Roten Armee zurückzutreten, während er die ukrainischen Kämpfer zurückließ, um angesichts der Verleumdungen Trotzkis ihre Kampfbereitschaft und ihre Verbundenheit mit der Revolution zu „beweisen“:
„In einem Artikel mit dem Titel ‚Die Machnowschtschina‘ in der Zeitung ‚Auf dem Weg‘ (Nr. 55) stellt Trotzki die Frage: „Gegen wen erheben sich die machnowistischen Aufständischen?“ Und er beschäftigt sich in seinem ganzen Artikel damit, zu zeigen, dass die Machnowschtschina in Wirklichkeit nichts anderes sei als eine Front gegen die Sowjetmacht. Er verliert kein Wort über die tatsächliche Front gegen die Weißen, die sich über mehr als hundert Kilometer erstreckt und an der die Aufständischen seit sechs Monaten unzählige Verluste erlitten haben und weiterhin erleiden. Der Befehl Nr. 1824 erklärt mich zum Verschwörer und Organisator einer Rebellion nach Art von Grigoriev. […] Diese feindselige und derzeit zunehmend aggressive Haltung der Zentralbehörden gegenüber der aufständischen Bewegung führt unweigerlich zur Bildung einer besonderen inneren Front, auf deren beiden Seiten die arbeitenden Massen stehen werden, die an die Revolution glauben […] Der sicherste Weg, um zu verhindern, dass die Behörden dieses Verbrechen begehen, besteht meiner Meinung nach darin, dass ich mein Amt niederlege.“
(Brief von Machno an Trotzki und den Generalstab der 14. Armee – 9. Juni 1919).
Trotz des Drucks der Weißen Armeen setzte Trotzki ein Kopfgeld auf Machno aus, weil er lieber die Ukraine an Denikin fallen lassen wollte, als dass die „Machnowschtschina“ an Stärke gewann und sich gegen die Bolschewiki wenden könnte. Machno wurde daraufhin von der Revolutionären Aufständischen Armee zurückgerufen. Er entkam knapp einer Falle der Bolschewiki (in die mehrere Anführer des Generalstabs der Aufständischen Revolutionsarmee gerieten, darunter Michailow-Pawlenko, der erschossen wurde) und zog sich mit einer kleinen Gruppe von Reitern in die Umgebung von Alexandrowsk zurück.
Zusammenbruch der ukrainischen Front
Die Offensive der Weißen Armeen und die totale Desorganisation der revolutionären Kräfte durch Trotzki führten im Juli 1919 zum Zusammenbruch der Roten Armee. Sie zog sich 300 Kilometer vor Moskau zurück und ließ die Proletarier der Ukraine völlig sich selbst überlassen. Die Lage war völlig chaotisch. Die Weißen unter Denikin errangen einen Sieg nach dem anderen. Die „Machnowisten“ bekamen vom Generalstab der Aufständischen Revolutionären Armee den Befehl, die fliehenden Truppen der Roten Armee zu verlassen, und verstreuten sich auf dem Land. Auf der anderen Seite bricht Grigoriev sein Bündnis mit den Bolschewiki, weigert sich, „Sowjetungarn“ gegen die rumänische Armee zu unterstützen, und erobert einen Teil der Ukraine.
Derselbe Grigoriev schlägt Machno wenig später vor, sich seinem imperialistischen Kreuzzug gegen die Bolschewiki anzuschließen. Dieser hielt trotz aller Verratstaten und Hinterhältigkeiten, die seine Armee von den Bolschewiki erlitten hatte, stolz an der Fahne der sozialen Revolution als Ziel des Kampfes der Aufständischen Revolutionären Armee fest. Am 27. Juli 1919 organisierte der „Machnowisten“-Generalstab einen Kongress, um die Situation mit Grigoriev zu klären. Als dieser auf die Tribüne stieg, um seinen Pakt vorzuschlagen, ergriff ein Mitglied des Stabes von Machno das Wort und kritisierte den Vorschlag unverblümt mit den Worten: „Der Kampf gegen die Bolschewiki wird nur dann wirklich revolutionär sein, wenn er im Namen der sozialen Revolution geführt wird.“ Grigoriev versuchte daraufhin, Machno hinter der Bühne zu erschießen, wurde aber selbst von einem Gefährten auf der Stelle getötet. Ein Teil von Grigorievs Truppen schloss sich der „Machnowisten“-Armee an, ein anderer Teil schloss sich später der Roten Armee an, die gegen die Revolutionäre vorrückte.
In dieser Zeit der offenen staatlichen Repression desertierten ganze Einheiten aus der bolschewistischen Armee und schlossen sich den „Machnowisten“ an. Bis zu 15.000 Soldaten der Roten Armee, angewidert von den Methoden ihres „Napo“-Leon Trotzki46, schlossen sich den „Machnowisten“-Bataillonen an! So war es zum Beispiel bei mehreren bolschewistischen Bataillonen aus der Krim, die von den „Machnowisten“-Anführern Kalaschnikow, Dermendschi und Budanow ausgebildet worden waren. Andere wichtige Abteilungen der Roten Armee aus Novo Bug setzten ihre Anführer ab und machten sich auf die Suche nach der verstreuten und unorganisierten Armee von Machno. Der Zusammenschluss dieser Truppen erfolgte im August 1919 in Dobrovelitschkowka. In diesem Bezirk in der Nähe von Odessa versammelten sich massenhaft die verstreuten Kämpfer der Aufständischen Revolutionären Armee. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte sich diese Armee mit etwa 15.000 Kämpfern, die in vier Infanterie- und Kavalleriebrigaden, einer Artilleriedivision und einem Maschinengewehrregiment organisiert waren, neu formieren.
Kapitel III
DIE SIEGREICHE AUFSTÄNDISCHE ARMEE (September 1919)
REVOLUTIONÄRER TERROR UND VERSUCHE EINER SOZIALEN ORGANISATION
Rückzug der Revolutionären Aufständischen Armee
Die Trennung von den Bolschewiki schien endgültig. Als bolschewistische Verantwortliche Machno erneut aufforderten, unter dem Kommando der roten Offiziere gemeinsam zu kämpfen, antwortete dieser:
„Ihr habt die Ukraine betrogen (sic) und, was noch schlimmer ist, ihr habt meine Gefährten in Guljaj-Polje erschossen; eure Einheiten werden sowieso auf meine Seite wechseln, dann werde ich mit euch allen, den Verantwortlichen, genauso verfahren, wie ihr mit meinen Gefährten verfahren seid.“
Auch wenn klar war, dass die Bewegung nach wie vor von großen Schwächen geprägt war – der Verteidigung der Ukraine um jeden Preis –, begann die revolutionäre Bewegung doch, ihre Feinde klarer zu definieren und als solche zu entlarven. Die Revolutionäre Aufständische Armee richtete ihre Waffen fortan sowohl gegen die Weißen unter Denikin als auch gegen die Bolschewiki.
Angesichts des totalen Zusammenbruchs der Roten Armee und der Zerschlagung der „Machnowisten“ nach den Kämpfen mit den bolschewistischen Truppen konnte sich der weiße Teil der Bourgeoisie mit Hilfe von Denikin wieder in der Ukraine festsetzen. Die Repression gegen das Proletariat mit all den Plünderungen, Massakern und Vergewaltigungen wurde immer schlimmer. Männer, Frauen und Kinder schlossen sich der Revolutionären Aufständischen Armee an, die ständig auf der Flucht war und von den Weißen Armeen gnadenlos verfolgt wurde. Es war eine riesige Karawane von etwa 120.000 Menschen, die sich über fast 40 Kilometer erstreckte und mehr als 600 Kilometer lang den Angriffen verschiedener Fraktionen der Bourgeoisie standhielt.
Niederlage von Denikin und Widersprüche unter den Aufständischen
Nach einem letzten siegreichen Aufbäumen in Peregonowka (bei Uman) am 25. und 26. September 1919 drehte die Revolutionäre Aufständische Armee innerhalb von zehn Tagen die Lage. Sie schlug Denikins Nachhut in die Flucht und befreite gleichzeitig Moskau aus dem wachsenden Einflussbereich der Weißen Armeen47. Denn Denikin hatte die „Machnowisten“ unterschätzt und den Großteil seiner Truppen nach Moskau geschickt. Abgeschnitten von ihren Stützpunkten, Kommunikationsmitteln und Versorgungswegen erlitt Denikins Armee eine regelrechte Niederlage. In dieser Niederlage ist der eigentliche Ausgangspunkt für die Niederlage der Weißen Armeen in Russland zu sehen, entgegen der Legende vom Sieg der Roten Armee dank der „Militärwissenschaft“ Trotzkis48. Nachdem sie die Weiße Armee, die sich einer letzten Repression hingegeben hatte, nach dem Sieg der Revolutionäre in Peregonovka vernichtet und die Städte aus der bourgeoisen Herrschaft befreit hatten, vernichteten die Aufständischen im Herbst 1919 die Konterrevolution von Denikin durch einen regelrechten revolutionären Terror:
„Die Grundbesitzer, Großbauern, Gendarmen, Priester, Bürgermeister, Offiziere, die sich versteckt hatten, … alles wurde auf dem Siegeszug der Machnowschtschina weggefegt. Die Gefängnisse, Polizeistationen und Kommissariate, kurz gesagt alle Symbole der Unterdrückung des Volkes, wurden zerstört. Alle, die als aktive Feinde der Bauern und Arbeiter bekannt waren, wurden zum Tode verurteilt. Vor allem die Großgrundbesitzer und Großbauern, die das Volk ausbeuteten, die „Kulaken“, kamen damals in großer Zahl ums Leben.“
(Archinow – ‚Geschichte der Machnowisten‘ – 1921)
Die Bolschewiki versuchten es erneut und boten den Revolutionären an, „die Macht zu teilen“, wobei sie ihnen „die Verwaltung der Städte“ überließen, während das Gewaltmonopol bei der Roten Armee verblieb. Die Aufständischen zogen ihre Lehren daraus und lehnten diese regelrechte Entwaffnung kategorisch ab. In einem solchen Klärungsprozess, der von qualitativen Sprüngen geprägt war, gibt es jedoch keine endgültig gewonnene Machtposition. Um die proletarische Diktatur und die Führung der Bewegung immer entschlossener durchzusetzen, mussten neue Aufgaben bewältigt werden. Angesichts dieser Aufgaben traten in der Praxis der Aufständischen schwere Widersprüche zutage. So etwa die überraschende Verkündung demokratischer Rechte und Freiheiten, ein schreckliches Erbe des idealistischen Anarchismus:
„1. Alle sozialistischen Parteien, Organisationen und Strömungen haben das Recht, ihre Ideen, Theorien, Standpunkte und Meinungen frei zu verbreiten, sowohl mündlich als auch schriftlich. Keine Einschränkung der Freiheit der Sozialisten, der Presse und der Meinungsäußerung darf zugelassen werden, und sie dürfen dafür nicht verfolgt werden.“
(Revolutionärer Militärrat der Machnowisten-Guerilleros, Jekaterinoslaw, 5. November 1919)
Paradoxerweise verboten dieselben „Machnowisten“ „allen Parteien die Ausübung jeglicher politischer Autorität über die arbeitenden Massen“ und gingen sogar so weit, diejenigen zu erschießen, die gegen diese Regel verstießen49.
Aus dieser Verwirrung heraus, ob der Kampf weitergeführt, ausgeweitet und vertieft werden sollte, nutzte die Rote Armee die Gelegenheit, um sich wieder in der Region niederzulassen und eine neue Welle der Repression mit sich zu bringen. Die Konterrevolution siegte erneut: Angesichts der kriminellen Inkonsequenz der Anführer der Revolutionären Aufständischen Armee, die in ihrer antiautoritären und antisubstitutionistischen Ideologie feststeckten, hatten die bolschewistischen Staatsreformer ab Januar 1920 alle Zeit der Welt, die aufständischen Regionen der Ukraine zurückzuerobern und ihr Programm durchzusetzen.
Kapitel IV
DAS GEWICHT DER IDEOLOGIE GEGEN DIE KRAFT DER BEWEGUNG
Revolutionäre Bewegung und „Anarchismus“
In Russland und der Ukraine, wie auch in vielen anderen Regionen, zeigte das Proletariat seine Ablehnung gegenüber der Entwicklung des sozialdemokratischen Legalismus (und seiner Massenparteien, wo diese sich entwickelten), indem es sich unter anderem zum Anarchismus bekannte. Diese Strömung gewann Ende des Jahrhunderts und besonders während der Hungersnot von 1891 an Bedeutung. Die erste uns bekannte Gruppe entstand 1903 unter dem Namen Bor’ba (Kampf). Die Monatszeitschrift „Brot und Freiheit“ der Anhänger des von Kropotkin entwickelten bourgeoisen Anarchosyndikalismus wurde damals in der Ukraine heimlich verbreitet. Die Bewegung griff auf Moskau und die Hauptstadt Sankt Petersburg über, wo die wichtigsten Gruppen „Tschernoe Znamia“ (Schwarze Fahne), „Kleb i Wolja“ (Brot und Freiheit) und „Beznatchalie“ (Ohne Autorität) waren. Verschiedene Gruppen verfolgten unterschiedliche Praktiken: „Schwarze Fahne“ erkannte den Kommunismus als Endziel an; „Brot und Freiheit“ hingegen war eine typisch reformistische Gruppe, die eine Gesellschaft anstrebte, die auf einer riesigen Föderation von Produzenten organisiert war, die von Berufsorganisationen der Arbeiter geführt wurde. Wie man hier sieht, waren die Illusionen der Revolutionäre, dass man den Kapitalismus von seinen Widersprüchen befreien könnte, weit verbreitet. Die Militanten der dritten Gruppe, „Ohne Autorität“, benutzten eher eine literarische und romantische Sprache und zögerten nicht, mit Bombenangriffen gegen alles vorzugehen, was für sie die „verhasste Autorität“ verkörperte.
Innerhalb der Gruppen, die sich als „anarchistische Kommunisten“ bezeichneten, waren die Brüche am konsequentesten. Gegen den triumphierenden Kropotkin-Pazifismus brachen die „anarchistischen“ Militanten aus Moskau und Sankt Petersburg, die sich um Grossmann-Rochtchin scharten, vor allem mit dem Syndikalismus. Diese entschiedene Abkehr, die Organisation dieser Militanten um klar abgegrenzte Positionen herum sowie ihre Bemühungen um eine echte Zentralisierung der kämpfenden Proletarier standen übrigens meist in tiefem Widerspruch zur Referenzdoktrin – dem Anarchismus – und seinen „antiautoritären“ Forderungen.
Die revolutionären kommunistischen Militanten, die sich unter anarchistischer Fahne organisiert hatten, nahmen an der Oktoberrevolution zusammen mit anderen proletarischen Avantgarde-Kräften teil, zusammen mit den Linken Sozialrevolutionären, den „Bolschewiki“, den „Parteilosen“ usw. In der Ukraine, zum Beispiel in Jekaterinoslaw, gingen 80.000 Arbeiter auf die Straße und demonstrierten unter schwarzen Fahnen, um ihre Teilnahme an der laufenden sozialen Revolution zu zeigen.
Zusammen mit den Linken Sozialrevolutionären von den Bolschewiki niedergeschlagen, kehrten diejenigen, die dem Gefängnis oder dem Exekutionskommando entkommen waren, in die Ukraine (die historische Wiege der Bewegung) zurück, wo sie verschiedene zentralisierte Organisationen innerhalb Nabat (Alarmglocke) gründeten und im November 1918 die erste Konferenz der anarchistischen Organisationen der Ukraine organisierten.
Leider spielte dieses Organ keine zentrale Rolle im Kampf der Proletarier gegen alle Kräfte der Reaktion. Wie Archinow und Machno später kritisierten, war Nabat nur eine Organisation von „Theoretikern“, „Phrasendreschern“ und „Schönrednern“, die sich damit begnügten, durch Konferenzen, Diskussionen, literarische Zirkel oder Bibliotheken „Ideen“ zu verbreiten, anstatt sich wirklich aktiv an der revolutionären Bewegung zu beteiligen. Nur wenige, eine winzige Minderheit, schlossen sich der aufständischen Bewegung an und beteiligten sich aktiv am Kampf des Proletariats.
Die Bewegung in der Ukraine und insbesondere die Organisation der Revolutionären Aufständischen Armee waren in der Tat stärker um Militante herum zentralisiert, die sich zum Anarchismus bekannten, als um diejenigen, die sich in der bolschewistischen oder sozialrevolutionären Partei zusammengeschlossen hatten.
Falsche Polarisierungen und die Universalität des Widerspruchs zwischen Revolution und Konterrevolution
Wir sehen die verschiedenen revolutionären Brennpunkte nicht als voneinander getrennte Elemente, sondern als unterschiedliche Momente, die ALLE Teil derselben Dynamik, desselben revolutionären Versuchs sind. Daher ist es normal, dass sich eine Reihe gemeinsamer Merkmale in dem wiederfinden, was wir als Kräfte der revolutionären Bewegung dieser Zeit beschreiben, wie in Russland, Deutschland, Ungarn, Belgien, England, Argentinien, Indien und an so vielen anderen Orten der Welt zu dieser Zeit. Wir haben in unseren Texten die Bruchstellen betont, die es gegenüber dem Nationalismus, dem Syndikalismus, dem Parlamentarismus usw. gab. Wir haben auch versucht, jedes Mal den Prozess der Organisation revolutionärer Minderheiten aus verschiedenen politischen „Familien“, die sich in einer gemeinsamen kommunistischen Partei zusammenschlossen, zu beschreiben. Dieser Prozess der Organisation in Partei gipfelte in dem Versuch, die gesamte Avantgarde zu einer einzigen zentralisierten und internationalen Kraft zu vereinen.
Aber wenn die vielen Kampfherde dieser entscheidenden Jahre 1917–1923 viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf ihre Kräfte aufweisen, gilt das auch für ihre Grenzen: Die Reduzierung des Internationalismus auf die Summe nationaler Parteien, die Grenzen der Kritik an der Demokratie, das mangelnde Verständnis der Diktatur des Proletariats – all diese Versäumnisse, mit der Sozialdemokratie zu brechen, bilden die allgemeinen Grenzen der Bewegung in dieser Zeit.
Wir beschränken uns dabei nicht auf die „formale“ Sozialdemokratie , wie sie die Bourgeoisie im Allgemeinen versteht, nämlich als eine Ansammlung von Parteien, die in der Zweiten Internationale zusammengeschlossen sind. Wir sprechen vielmehr ganz allgemein von allen reformistischen Kräften, deren Programm und Praxis die Durchsetzung der Konterrevolution in Form eines bourgeoisen Programms für das Proletariat war, unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer Fahne.
Die falsche Polarisierung zwischen „Anarchisten“ und „Kommunisten“, die noch heute die vorherrschende Sicht auf die Geschichte bestimmt, ist der Triumph der sozialdemokratischen Konzeption.
Diese Erinnerung ist grundlegend, wenn man die Frage nach den Lehren aus der aufständischen Bewegung in der Ukraine angemessen angehen will. In dieser ganzen Frage hat sich nämlich eine Spaltung zwischen zwei ideologischen Polen vollzogen: auf der einen Seite diejenigen, die sich als „Anarchisten“ bezeichneten und die sogenannte „Machnowschtschina“ unterstützten (wobei sie oft ihre wahren Kräfte verschleierten und sogar die Schwächen und Fehler der Bewegung hervorhoben), und auf der anderen Seite die selbsternannten „marxistischen“ Militanten, die, wenn sie nicht gerade mit Lenin sagten, dass die kapitalistische Entwicklung der Produktivkräfte der notwendige Übergang zum Sozialismus sei, meistens nicht sehen wollten, dass der Kapitalismus in Russland unter der Führung der bolschewistischen Partei wieder aufgebaut wurde. So haben beide Seiten dazu beigetragen, die Kraft der Bewegung in der Ukraine als revolutionären Bruch unserer Klasse zu verschleiern und zu verdrehen.
Auf der Seite der bolschewistischen Ideologen und ihrer Erben nährt sich die gesamte Gesellschaftsdarstellung von alten sozialdemokratischen Klischees, wie man an den soziologischen Hirngespinsten eines Lenin sehen kann. So die berühmte Unterscheidung zwischen „Arbeiter“ und „Bauer“, die der bolschewistische Staat unter dem Emblem ihrer jeweiligen Werkzeuge „vereinen“ muss, die zum größten Ruhm der Lohnabhängigen und der kapitalistischen Produktivität geschwungen werden. Diese „Bauernschaft“ sei von Natur aus „kleinbourgeois“ und stehe daher – diesen Theorien zufolge – für die Verteidigung der „kleinen Warenproduktion“ (eine der fünf „Produktionsweisen“, die Lenins blühende wissenschaftliche Fantasie in Russland ausgemacht hatte) und damit für die Interessen der „Kulaken“, der reichen Landbesitzer, die gegen die revolutionäre Bewegung waren. Diejenigen, die wir als revolutionäre Proletarier und Aufständische erkennen, werden einfach als Banditen und konterrevolutionäre Plünderer abgestempelt, ein zynischer, unheilvoll bekannter Refrain.
Wieder einmal dominiert die bourgeoise Geschichtsschreibung mit ihrer dummen Methodik, die nach Guten und Bösen, Reinen und Perversen, blinden Massen und autoritären Anführern sucht. So gelingt es ihr, den proletarischen Kampf in der Ukraine auf einen Krieg zwischen Bolschewiki und „Machnowisten“ oder schlimmer noch auf einen Krieg zwischen „Kommunisten“ und „Anarchisten“ zu reduzieren, anstatt darin eine Auseinandersetzung zwischen Revolution und Konterrevolution zu sehen. Eine Auseinandersetzung, die tatsächlich zwischen der Roten Armee, die für die Verteidigung des sich neu formierenden russischen kapitalistischen Staates kämpfte, und der Revolutionären Aufständischen Armee, die auf der Grundlage des Kampfes der Proletarier in der Ukraine entstanden war, stattfand. Aber die Auseinandersetzung zwischen Revolution und Konterrevolution fand auch innerhalb der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine statt, zum Beispiel zwischen den Kräften, die die Front mit dieser oder jener bourgeoisen Armee verteidigten, und denen, die sich dem widersetzten. In diesem Sinne war derselbe Widerspruch zwischen Revolution und Konterrevolution sowohl innerhalb der Bolschewiki (siehe die „kommunistischen Linken“, die sich von ihnen lösten) als auch innerhalb derer, die sich zum Anarchismus bekannten (siehe den Kampf zwischen den „Machnowisten“ und den Individualisten oder anderen sozialdemokratischen „Intellektuellen“ der Bewegung), ebenso präsent.
Als Beispiel sei hier der Kommentar von Archinow angeführt, einem aktiven Teilnehmer des Aufstands in der Ukraine an der Seite von Machno, über die Gleichgültigkeit eines Großteils derjenigen, die sich zu dieser Zeit in Russland zur Fahne der Anarchie bekannten:
„Der Großteil der russischen Anarchisten, die die theoretische Schule des Anarchismus durchlaufen hatten, hielt sich abseits, in isolierten Kreisen, die zu dieser Zeit keinen Sinn ergaben; sie versuchten, die Frage zu vertiefen, was diese Bewegung (der Aufstand in der Ukraine – Anm. d. Red.) war und wie man sie betrachten sollte;
und sie blieben untätig und trösteten sich mit dem Gedanken, dass die Bewegung nicht rein anarchistisch zu sein schien.“
Und weiter über die ‚anarchistischen‘ Individualisten:
“Aber diejenigen, die keine Leidenschaft für die Revolution haben, die in erster Linie über die Manifestationen ihres eigenen „Ichs“ nachdenken, verstehen diese Idee [die Befreiung des Individuums] auf ihre eigene Weise. Wann immer es um praktische Organisation und ernsthafte Verantwortung geht, flüchten sie sich in die anarchistische Idee der individuellen Freiheit und versuchen auf dieser Grundlage, sich jeder Verantwortung zu entziehen und jede Organisation zu verhindern.“
(Archinow – ‚Geschichte der Machnowisten‘ – 1921).
Man verstehe uns richtig. Wenn wir diesen Teil der Geschichte der Kämpfe unserer Klasse behandeln, der den Aufstand des Proletariats in der Ukraine ausmachte, geht es nicht – nur – darum, zu sehen, welche Avantgarden ausdrücklich die „Diktatur des Proletariats“ forderten, sondern vor allem darum, welche realen Kräfte versuchten, sie praktisch durchzusetzen. So bringt die ständige Berufung der Bolschewiki auf den „Marxismus“ sie dem kommunistischen Programm nicht näher als bestimmte „anarchistische“ oder sozialrevolutionäre Fraktionen, die praktisch (übrigens an der Seite von „bolschewistischen“ Militanten, die mit ihrer eigenen Organisation gebrochen hatten) für die Ausweitung des revolutionären Krieges kämpften. In der Ukraine beging die Rote Armee unter Trotzkis Befehl unter dem Deckmantel der höheren Interessen des Proletariats die schlimmsten Verbrechen, während die Proletarier, die gegen die Rote Armee kämpften, in ihrem Krieg gegen den sich im Wiederaufbau befindenden russischen Staat wirklich versuchten, die Diktatur ihrer Bedürfnisse, die Diktatur des Proletariats, durchzusetzen.
Aber die Dinge sind noch komplizierter: Genau die, die ihre Bedürfnisse durchsetzen wollten, diese Tausenden von bewaffneten Proletariern, die gegen alle kapitalistischen Armeen aufbegehrten, die ihnen gegenüberstanden und versuchten, ihre Kontrolle zurückzugewinnen, diese Proletarier im Krieg gegen die Weißen Armeen von Denikin und Wrangel, die „Rote Armee“ von Trotzki, den österreichisch-deutschen Armeen, den nationalistischen Milizen von Grigoriev oder Petljura, diese bewaffneten Arbeiter also, als sie die Bourgeoisie angriffen, die Banken plünderten, sich den Reichtum gewaltsam wieder aneigneten und damit ihre Diktatur behaupteten. Oft weigerten sie sich, sie als „Diktatur des Proletariats“ zu bezeichnen, weil es ihnen einfach schwerfiel, ihrer revolutionären Aktion denselben Namen zu geben wie denen, die damit beschäftigt waren, das Kapital aufzubauen und das Proletariat zu verraten, um dessen Diktatur zu verhindern! Und diese Angst, terminologisch mit dem Feind gleichgesetzt zu werden, hat sich leider auch oft in eine andere ideologisierte Theoretisierung (unter dem Deckmantel des Anarchismus) der von ihnen praktizierten Revolution verwandelt und damit auch diese Praxis eingeschränkt.
Es ist natürlich wichtig, die Bedeutung der Übereinstimmung zwischen Fahne und Aktion zu betonen! Ein unverzichtbarer Moment der Stärkung des Kommunismus als Bewegung liegt in seiner Fähigkeit, alles, was in seiner tatsächlichen Praxis enthalten ist, offen und bewusst zu beanspruchen und sich somit in allen historischen Formulierungen wiederzuerkennen, durch die er sich im Laufe der Geschichte des Klassenkampfs als Bewegung behauptet hat. Wenn wir hier (und so oft!) auf die Bedeutung der echten kommunistischen Bewegung hinweisen, die oft von vielen mehr oder weniger verwirrenden Fahnen verdeckt wird, dann deshalb, weil die vulgäre Logik eine hartnäckige und quälende Tendenz hat, „das, was erscheint“ als „das, was ist“, die Fahne mit der Bewegung zu verwechseln und damit ganze Teile der Brüche unserer Klasse zu leugnen.
Deshalb wollen wir noch einmal betonen, dass das, was die Revolution wirklich und wesentlich von der Konterrevolution unterscheidet, die Praxis ist, die reale Praxis der Zentralisierung des Kampfes um ein revolutionäres Programm.
Damals wie heute ist es wichtig zu sehen, dass unter der schwarzen Fahne antagonistische Tendenzen nebeneinander existieren, die umso offener aufeinanderprallen, je mehr sich die sozialen Widersprüche verschärfen. Die Welle der Kämpfe, die uns hier interessiert, insbesondere in der Ukraine, bietet dafür zahlreiche Beispiele. Unter anarchistischer Flagge wurden echte Brüche mit der Sozialdemokratie vollzogen: Kritik am Reformismus, am Legalismus, am Parlamentarismus, an der Trennung zwischen Massen und Anführern, Forderung nach Klassenexistenz, nach direkter Aktion, nach proletarischem Terror, Bekenntnis zum Programm der Revolution (gegen die II. und dann die III. Internationale) … Aber als Ideologie ist der Anarchismus auch eine Reproduktion und Erneuerung der sozialdemokratischen Ideologie, sei es durch eine Verherrlichung der individuellen Konfrontation mit dem Staat, der exemplarischen Aktion oder sogar des idealistischen Elitismus (siehe Netschajew) oder durch ein ganzes Programm, das Reformismus und Utopismus im Namen eine Pseudokritik der kapitalistischen Gesellschaft: prinzipielle Antiautoritarismus, Populismus, Informalismus, Vollversammlungsismus, Verwaltungsismus, Regionalismus, Föderalismus, Verfälschung der Klassenautonomie durch Illusionen von Macht, sich lokal vom Kapitalismus zu befreien und zu exilieren, fanatischer Idealismus (Antimaterialismus) hinsichtlich der realen Determinierungen der Klassengesellschaft und der revolutionären Bewegung, … Entsprechend den am stärksten hervorgehobenen Zugeständnissen kristallisieren sich innerhalb der „anarchistischen Familie“ unterschiedliche „Strömungen“50 mit unterschiedlichen reformistischen Ausprägungen und Widersprüchen innerhalb der „anarchistischen Familie“ (die durch die gesamte sozialdemokratische Ideologie in Opposition zur „marxistischen Familie“ polarisiert ist), was letztlich zur Spaltung und Schwächung der proletarischen Kampfgemeinschaft beiträgt.
Die Organisation der Produktion in aufständischen Zeiten
Wie andere Aufstände dieser Größenordnung hat auch der in der Ukraine gezeigt, dass die Aneignung des Landes, der Produktionsmittel und der Arbeitskraft der Proletarier durch die Bourgeoisie auf permanentem Staatsterrorismus und Klassengewalt beruht, die nur durch antagonistische Klassengewalt abgeschafft werden kann. Sobald die Bourgeoisie als das erkannt und entlarvt ist, was sie ist, und mit ihrer Clique durch direkte Aktion des Proletariats vertrieben ist, steht die Bewegung vor der Frage der Organisation der Produktion in der Zeit des Kampfes. Dies ist die Fortsetzung ein und desselben revolutionären Prozesses, was die „Machnowisten“ allzu oft nicht als solchen begriffen haben.
Gegen den bourgeoisen Sozialismus der „Umverteilung des Reichtums“ oder des „fairen Handels“ muss die revolutionäre Bewegung direkt das Ziel der Produktion selbst angreifen, sie aus dem Verwertungszyklus herauslösen und sie auf die Bedürfnisse des Lebens und des Kampfes ausrichten, wobei alle aus dieser Sicht unnützen und schädlichen Zweige aufgegeben werden müssen. Dies muss sofort beginnen, um die Versorgungsprobleme zu lösen und Proletarier für die Ausweitung der Bewegung verfügbar zu machen. Die Produktion auszurichten, sie in Richtung der Revolution zu lenken, bedeutet auch, mit ihrer zentralen Organisation zu beginnen. Das ist auch der einzige Weg, um den Angriff auf den Wert durchzuführen, um unsere Tätigkeit und ihr Produkt bis zur Abschaffung des Lohns und des Tausches wieder anzueignen, mit anderen Worten, um die Diktatur des Proletariats bis zur Abschaffung der Klassengesellschaft durchzuführen.
Auf dieser programmatischen Grundlage können wir heute jede Bewegung, jede Welle des Kampfes, die eine gewisse Breite annimmt, bewerten und kritisieren, natürlich unter Berücksichtigung des allgemeinen Niveaus der Wiederaneignung des kommunistischen und revolutionären Programms zu einem bestimmten Zeitpunkt. In all diesen entscheidenden Punkten ist es also sehr wichtig, den Aufstand in der Ukraine und die Rolle seiner organisierten Avantgarde in der „Machnowschtschina“ im Rahmen der gesamten revolutionären Welle zu sehen, die 1917–1923 ihren Höhepunkt fand, mit all ihren Stärken und Schwächen51. Angesichts der vorhandenen Dokumentation über die Bewegung in der Ukraine, die zwar reich an direkten Zeugnissen, aber dennoch lückenhaft ist, ist es schwierig, eine vollständige Bilanz aller Aspekte des Kampfes zu ziehen. Es ist sinnvoller, zu versuchen, die wichtigsten Stärken und Schwächen zu klären.
Sobald eine Stadt in der Ukraine von den Weißen oder Nationalisten befreit war (meist durch die Aktion der „Machnowisten“-Armee), stiegen die Bolschewiki aus ihren Panzerzügen und ihre Kommissare übernahmen die Verwaltung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die revolutionäre „Machnowisten“-Armee widersetzt sich dem mit ihrer ganzen Praxis und bekennt sich offen dazu, indem sie behauptet, dass sie im Gegensatz zu den Bolschewiki nicht der x-te Kandidat für die Unterwerfung der Arbeiterklasse sei: Revolutionäre haben nicht die Aufgabe, soziale Verhältnisse zu verwalten, die gerade revolutioniert werden, und noch weniger, das Proletariat zu regieren, das sie revolutioniert, indem es sich in diesem Sinne organisiert. Diese Ablehnung der „Regierung“ ist an sich keine Negation der „revolutionären Macht“, der Diktatur des Proletariats. Allerdings war diese reale Bekräftigung des Kampfes gegen den Staat seitens der Aufständischen nicht ohne Verwirrung und Widersprüche.
Unter den Kräften, die sich in der Bewegung hinsichtlich der Organisation der Produktion entwickelten, lassen sich folgende feststellen:
— das Bestreben, die Lebensbedürfnisse und den Kampf des Proletariats zu sichern;
— die Ablehnung der Beschlagnahmungen durch die Regierung, die auf einer imperialistischen Kriegsökonomie basieren;
— die Kritik an der Trennung zwischen Stadt und Land, die von den Bolschewiki aufrechterhalten wird, um die revolutionäre Bewegung zu spalten;
— zwar unzureichende, aber doch ansatzweise vorhandene Kritik am Geld und am Lohnsystem.
Zu den Fragen, die unklar blieben oder in einem gefährlichen Status quo verharrten, gehören:
– Fragen, die die Konzeption des Übergangs und die Umgestaltung der Produktion in einer Zeit des Angriffs auf Wert und Eigentum betreffen, nämlich die Festlegung des Arbeitstages, des Lohns und die Notwendigkeit der Zentralisierung der Produktion. Was das Geld und seine Beibehaltung betrifft, so haben die Aufständischen es eindeutig beschlagnahmt und umverteilt, aber es gibt Hinweise auf das verblüffende Fortbestehen von Banken und bourgeoisen Vermögen.
Andere betreffen eher organisatorische Aspekte: den tatsächlichen Inhalt der „Sowjets“ und „Freien Kommunen“ (über die organisatorische Form hinaus), die Übernahme der anführenden Rolle durch die revolutionäre Avantgarde.
Zeugenaussagen
Diese Widersprüche lassen sich anhand einiger Beispiele (zumindest in der uns vorliegenden Übersetzung) nachvollziehen.
Auszug aus der Erklärung des II. Regionalkongresses vom 12. Februar 1919.
„In unserem aufständischen Kampf brauchen wir eine brüderliche Familie von Arbeitern und Bauern, die das Land, die Wahrheit und die Freiheit verteidigt. Der II. Regionalkongress ruft die Arbeiter und Bauern, die Gefährten, eindringlich dazu auf, selbst, vor Ort, ohne Zwang oder Verordnungen, trotz aller Unterdrücker und Aggressoren auf der ganzen Welt, eine freie Gesellschaft ohne Herren und Meister, ohne unterwürfige Sklaven, ohne Reiche und Arme aufzubauen. […] Es lebe die frei gewählten Arbeiter- und Bauernsowjets! Nieder mit den ausschließlich bolschewistischen Sowjets! […] Es lebe die weltweite sozialistische Revolution! […] Die Arbeiter und Bauern aller Länder und Nationalitäten stehen vor einer großen gemeinsamen Aufgabe: dem Sturz des Jochs des Kapitals und des Staates, um eine neue Gesellschaftsordnung auf der Grundlage von Freiheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit zu errichten.“
Auszüge aus dem Entwurf einer Erklärung der Revolutionären Aufständischen Armee der Ukraine (Machnowisten), verabschiedet vom Revolutionären Militärsowjet auf seiner Sitzung vom 20. Oktober 1919.
„Was unsere Auffassung zu den wesentlichen Fragen des ökonomischen und sozialen Wiederaufbaus betrifft, halten wir es für wichtig, Folgendes zu betonen: Wenn die Arbeiter die nötige Freiheit haben, ihr Schicksal selbst zu gestalten, werden sie sich natürlich und unweigerlich, in ihrer überwiegenden Mehrheit, für die Verwirklichung der wirklich kommunistischen sozialen Prinzipien einsetzen. […] Wir halten es daher für völlig irrational und wirkungslos, unser Ideal mit Gewalt durchzusetzen […], die Massen durch eine Führung von oben in unseren Bann zu ziehen. Wir wollen uns auf eine rein theoretische und organisatorische Hilfe in Form von Vorschlägen, Ratschlägen, Hinweisen oder Orientierungen beschränken. Wir sind der Meinung, dass das Volk […] allein über deren Umsetzung entscheiden muss. […] Das den Großgrundbesitzern enteignete Land darf nicht dem Staat zur Verfügung gestellt werden, sondern muss in die Hände derjenigen gelangen, die es direkt bewirtschaften: Bauernorganisationen, freie Kommunen und andere Vereinigungen. […] Die sogenannte „sowjetische Ökonomie“, in der unweigerlich Lohnarbeit, Willkür und Gewalt der bolschewistisch-kommunistischen Funktionäre herrschen, muss vollständig abgeschafft werden. […] Alle Formen der Lohnarbeit müssen unwiderruflich abgeschafft werden.“
„Das Finanzsystem ist untrennbar mit dem kapitalistischen System verbunden. Dieses wird bald durch die freie kommunistische Organisation der Ökonomie ersetzt werden, was unweigerlich zum Verschwinden des Finanzsystems und zu seiner Ersetzung durch einen direkten Austausch von Produkten mittels der sozialen Organisation der Produktion, des Transports und der Verteilung führen wird. […] Mit der Stärkung und Entwicklung der neuen Arbeitsorganisation werden die Arbeiter vom Geldsystem zu einem System übergehen, in dem die geleistete Arbeit einfach bescheinigt wird. Diese Bescheinigung gibt dem Inhaber das Recht, in sozialen Läden und auf sozialen Märkten die Gegenstände und Güter zu bekommen, die er braucht und die dank der Organisation des neuen, an die Bedürfnisse angepassten Wirtschaftsapparats in Hülle und Fülle verfügbar sein werden. […] Die revolutionäre Aufständische Armee ruft die gesamte arbeitende Bevölkerung der Stadt und ihrer Umgebung dazu auf, sich sowohl in sozialer als auch in militärischer Hinsicht allgemein autonom zu organisieren.“
Ein Flugblatt desselben Sowjets aus dem Jahr 1920 hat einen ähnlichen Inhalt und fordert Enteignungen und Beschlagnahmungen, die Abschaffung der Tscheka, der Parteien und jeglicher staatlicher Einmischung, die Abschaffung der staatlichen Polizei, Unnachgiebigkeit gegenüber der Konterrevolution (einschließlich aller, die sich diesem Aufruf widersetzen) und Klassenautonomie. Es geht auch um die Redefreiheit, wegen der Machno selbst kritisiert wurde: Während er die Veröffentlichung aller Zeitungen, auch der bolschewistischen Verleumdungen, erlaubte, haben die Proletarier mit konsequenter direkter Aktion ihre Feinde aus den Druckereien verjagt. Was die Gleichstellung der sowjetischen und der ukrainischen Währung und den Tausch von Arbeitsprodukten zwischen Arbeitern betrifft, darf man nicht vergessen, dass diese sehr partiellen Maßnahmen bereits einen Angriff auf die Politik der Bolschewiki im Dienste des Kapitals darstellten. In unseren früheren Texten wurde die Frage der „Kommunen“ und des „Austauschs“ von Waren mit den Arbeitern in den Städten etwas grob als „Soziale (Re-)Organisation des bestehenden Ausbeutungssystems“ bezeichnet52, wobei insbesondere der folgende Auszug als Beleg angeführt wurde.
„Die Freiheit der Bauern und Arbeiter, sagten die Machnowisten, gehört ihnen selbst und darf keiner Einschränkung unterliegen […] Was die Machnowisten betrifft, so können sie ihnen nur mit Rat und Tat helfen und ihnen die notwendigen intellektuellen oder militärischen Kräfte zur Verfügung stellen, aber sie wollen ihnen auf keinen Fall etwas vorschreiben […] Volin, der von den Bauern bewundert wurde, übersetzte ihre Gedanken und Bestrebungen: die Idee der freien Sowjets, die im Einklang mit den Wünschen der arbeitenden Bevölkerung arbeiten, die Beziehungen zwischen Bauern und Arbeitern in den Städten, die auf dem gegenseitigen Austausch der jeweiligen Arbeitsprodukte basieren, die Idee einer egalitären und libertären Organisation des Lebens.“53
(Archinow – “Geschichte der Machno-Bewegung“ – 1921)
Wie man im letzten Absatz dieses Zitats besonders gut sieht, müsste man nur Volin durch Lenin und „libertär“ durch „sozialistisch“ ersetzen, und schon hätten wir dieselbe bourgeois-demokratische Apologie der Sowjets! Angesichts all dieser Ausweichmanöver über die freie und demokratische Selbstorganisation der Sowjets brauchte das Proletariat am dringendsten, dass seine Avantgarde ebenso entschlossen die Abschaffung des Werts, des Tausches und die internationale Verallgemeinerung der Aufwertung durchsetzte, wie sie den bewaffneten Aufstand gegen diejenigen angeführt hatte, die diese verkörperten! In diesem Zitat von Archinow zeichnet sich die Vorstellung ab, dass auf die „Phase des Kampfes“ eine „Phase der Emanzipation“ folgte. In dieser angeblichen zweiten Phase glaubten die unter dem Banner der „Machnowisten“ agierenden Minderheiten, dass sie ihre Rolle als Avantgarde nicht mehr spielen müssten, und brachen damit die Kontinuität des Prozesses – und genau darin lag ihr Fehler. Kurz gesagt, sie haben die Verkehrung der Praxis ins Gegeneilige, die tatsächlich im Gange war, nicht bis zum Ende durchgezogen.
Die Initiative mit den Güterzügen verdient mehr Aufmerksamkeit, denn trotz ihrer Grenzen sehen wir darin eine praktische Kritik an der Ware, an der bolschewistischen Politik der Beschlagnahmungen und an der gewollten Trennung zwischen „Arbeiter und Bauer“. Machno beschreibt sie so:
„Innerhalb von zwei Wochen [baute der Gefähre-Anführer der Versorgungsabteilung] Beziehungen zu den Arbeitern der Textilfabriken von Prokhorov und Mozorov auf und vereinbarte mit ihnen brüderlich, dass der Austausch auf der Grundlage der gegenseitigen Einschätzung der gemeinsamen Bedürfnisse erfolgen sollte, die Bauern schickten den Arbeitern Getreide, die Arbeiter versorgten die Bauern mit den Stoffen, die sie brauchten.“ (Nestor Machno, “Die russische Revolution in der Ukraine“).
Als Reaktion auf die Blockade eines Zuges durch die Regierungsbehörden von Alexandrowsk greifen die Proletarier zu den Waffen und verkünden ihre Absicht, ein für alle Mal mit ihren neuen Ausbeutern abzurechnen. Angesichts dieser Entschlossenheit gaben die Behörden nach und gaben den Zug zurück, was leider ausreichte, um die Proletarier von ihrem Vorhaben einer schnellen und endgültigen Vergeltung abzubringen. Dies ist kein Einzelfall, in dem solche Maßnahmen gegenüber der Regierung nicht durchgesetzt wurden.
Über eine andere Episode, in der diesmal das Überleben der Bank und eine bemerkenswerte Beschlagnahmung zusammenkommen, berichten die Memoiren von Machno.
„Während der gesamten Revolution [März 1917–Januar 1918] spekulierte die Bank von Guljaj-Polje mit der Arbeit. Eigentlich hätte sie schon längst enteignet und das Geld in den gemeinsamen Fonds der Arbeiter eingezahlt werden müssen. Weder die Koalitionsregierung von Kerenski noch die bolschewistische Regierung-Linke Sozialrevoluionäre haben dies bisher getan und hindern das revolutionäre Volk weiterhin daran, dies selbst zu tun. Ich schlage dem Komitee daher vor, die Regierung der Bolschewiki und der Linken Sozialrevolutionäre zu ignorieren und im Namen der Revolution von der Bankleitung die Herausgabe von 250.000 Rubel innerhalb von 24 Stunden zu fordern. […] Am fünften Tag begab sich ein Mitglied des Komitees in Begleitung eines Bevollmächtigten der Bank nach Alexandrowsk und erhielt die zu zahlende Summe“
(Nestor Machno, „Die russische Revolution in der Ukraine“).
Von den „Kommunen“ zur „befreiten Region“
Obwohl sich schon nach den ersten Enteignungen im Herbst 1917 agrarische Gemeinschaften entwickelten, stellte sich die Frage nach der Umgestaltung der Produktion in größerem Maßstab vor allem zwischen November 1918 und Juni 1919 in einem Umkreis von etwa hundert Kilometern um Guljani-Polje, einer Region mit etwa zwei Millionen Einwohnern. Zu dieser Frage der „Kommunen“ im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Revolution gibt es die widersprüchlichsten Aussagen, wie zum Beispiel diese aus dem März 1918:
„Die Arbeiter sahen in der Organisation dieser Kommunen den glücklichen Beginn eines neuen sozialen Lebens, das sich mit dem Herannahen des Höhepunkts des Siegeszugs der Revolution weiterentwickeln, wachsen und Impulse für die Errichtung einer ähnlichen Gesellschaft geben würde, wenn nicht im ganzen Land, so doch zumindest in allen Dörfern und Weilern der Region.“
(Nestor Machno, „Die russische Revolution in der Ukraine“).
Es ist anzumerken, dass Archinow und seine Gefährten später im Exil in Paris ihre Kritik am Föderalismus und an der Produktion weiter präzisierten.
„Da die föderierten Einheiten nichts anderes als kleine Privatunternehmer sein werden (d. h. Vereinigungen von Arbeitern einer Fabrik, eines Konzerns oder einer Industrie), wird die Produktion keineswegs sozialistisch sein; sie wird immer kapitalistisch sein, da sie auf der Zersplitterung des Eigentums beruht, was bald zu Konkurrenz und Antagonismen führen wird. […] Ein Plan, der unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft aufgestellt wird; die Produkte dieser Fabrik gehören der gesamten Arbeiter-Gesellschaft. Eine solche Produktion ist wirklich sozialistisch“ (August 1927)54.
Der folgende Text, der bereits in der ersten Fassung unseres Textes zitiert wurde, stammt aus einem Flugblatt von Machno, in dem er ihre Bewegung erklärt.
„Die aufständische Bewegung der Machnowisten strebt danach, aus der revolutionären Bauernschaft eine echte und organisierte Kraft zu schaffen, die fähig ist, die Konterrevolution zu bekämpfen und die Unabhängigkeit einer freien Region zu verteidigen.“ (1920).
Wir können uns eine Kritik an dieser bedrückenden Formulierung nicht verkneifen, die die manchmal wiederholten Verweise auf die Ukraine in den Erklärungen der Aufständischen Armee nur noch problematischer macht. Da er schreckliche Illusionen über die Verteidigung einer „freien Region“ zeigt, ist der Text dieses Flugblatts die Negation vieler anderer Erklärungen und praktischer Aussagen für die Ausbreitung der Revolution, für die weltweite Kampfgemeinschaft des Proletariats gegen das Kapital. Denken wir zum Beispiel an die Ereignisse von Petrograd 1917, als die kurz zuvor in der Ukraine aufständischen Proletarier offen dazu aufriefen, überall gegen „die eigene“ Bourgeoisie zu kämpfen.
„Sieg oder Tod – das ist das Dilemma, vor dem die Bauern und Arbeiter der Ukraine in diesem historischen Moment stehen. Aber wir können nicht alle sterben, wir sind zu viele. Wir sind die Menschheit. Deshalb werden wir siegen. Aber wir werden nicht siegen, um das Beispiel der vergangenen Jahre zu wiederholen und unser Schicksal neuen Herren zu überlassen.“
(aus einem der ersten Aufrufe Machnos, zitiert von Archinow).
Man denke auch an die Ablehnung jeglicher Kompromisse mit den ukrainischen Nationalisten, die schnell bereit waren, Bündnisse mit den Aufständischen einzugehen. „Die Bevölkerung sah im Chauvinismus – der treibenden Kraft des ukrainischen Separatismus – den Tod der Revolution“ (Machno). Man denke auch an die Kraft der Flugblätter, die an deutsche Soldaten, Kosaken oder Bolschewiki gerichtet waren. Der revolutionäre Defätismus ist von Natur aus internationalistisch, und die regionalistischen Illusionen innerhalb der „Machnowisten“-Bewegung werden ihn zweifellos behindern.
Die Position des Rückzugs in eine „befreite Zone“ oder eines „revolutionären Bastions“ (sei es auf der Ebene eines Bauernhofs oder eines Landes) hat ihre Wurzeln in den Windungen der Geschichte der sozialdemokratischen Ideologie, ganz unabhängig von den angeblich undurchlässigen Grenzen zwischen „anarchistischen“ und „marxistischen“ Familien und sogar noch vor diesen. Diese Position beinhaltet den Verwaltungsismus, die Autonomie der Produktionseinheiten und damit die Reproduktion des Kapitals, die Atomisierung, den Wettbewerb, den Krieg… Sie ist die Negation des Kampfes, der weltweiten revolutionären Zentralisierung und des Aufstands. Man kann ihren gewundenen Weg von den gemeinschaftlichen Utopien (egalitär, sozialistisch, libertär oder anarchistisch) über den Proudhonismus55, die Entwicklung der Sozialdemokratie nach dem deutschen Modell nationaler Parteien, die die nationale Entwicklung der Produktivkräfte unterstützen (vgl. Lassalle) und das Ideal des “sozialistischen Staates“ bis hin zur Verteidigung die „Bastion der Revolution in Russland“, dann zum ‚Sozialismus in einem Land‘ und zu den „nationalen Befreiungskämpfen“56 folgen.
Kapitel V
NEUN MONATE NEUER „ROTER“ REPRESSION
Die Aufständische Revolutionäre Armee durchbricht die Klassengrenze
Die unter der Fahne der „Machnowisten“ kämpfenden Proletarier schafften es nicht, sich wirklich von ihrer Tendenz zu lösen, sich den Bolschewiki anzunähern. Sie sahen in ihnen nur schlechte Anführer der Arbeiter und nicht den bourgeoisen Staat, der die Reorganisation des Kapitals wieder in die Hand nahm. Außerdem organisierten sie die Arbeiter, um sich dann zurückzuziehen, indem sie „Selbstorganisation“ predigten, weil sie sich weigerten, die Rolle der revolutionären Führung zu übernehmen! So ließen sie die Arbeiter isoliert und schutzlos der Repression der Bolschewiki ausgeliefert. Die „Machnowisten“ ließen tatsächlich die Rote Armee das Terrain besetzen und machten sich erneut Illusionen über sie, da sie in ihr die letzte Möglichkeit sahen, sich endgültig von Denikin zu befreien und seine Rückkehr zu verhindern.
Lange Diskussionen hatten die Aufständischen zu diesen kriminellen Schlussfolgerungen geführt. Revolution und Konterrevolution standen sich tatsächlich innerhalb der Aufständischen Revolutionären Armee gegenüber, wie wir zu Beginn dieses Textes angemerkt haben. Ein Teil der Kräfte hielt es für notwendig, den revolutionären Krieg fortzusetzen und im Verlauf der Kämpfe gegen Denikin die Ausweitung der Bewegung zu fordern. Sie argumentierten richtig, indem sie die revolutionäre Stimmung nicht nur in der Region, sondern im gesamten Proletariat Russlands beschrieben, das bereit war, das zu vollenden, was sie die „Dritte Soziale Revolution“ nannten57.
Und tatsächlich schlossen sich während dieses Krieges gegen Denikin zahlreiche Aufständische den „Machnowisten“ an, da sie in ihnen spontan die Führung einer Kraft sahen, die bereit war, die Schwierigkeiten und Schläge der verschiedenen bourgeoisen sozialen Kräfte gegen die Revolution zu überwinden. Einige Abteilungen der Roten Armee strömten sogar aus Zentralrussland herbei, um sich der Fahne der „Machnowschtschina“ anzuschließen: Dies war beispielsweise der Fall bei den zahlreichen bolschewistischen Truppen unter dem Kommando von Ogarkow, die aus der Regierung von Orel gekommen waren, um an der Seite der aufständischen Proletarier der Ukraine für die soziale Revolution zu kämpfen.
Neben dem massiven Beitritt der Proletarier der Region schlossen sich auch viele andere organisierte Kräfte der Revolution der Aufständischen Revolutionären Armee an. Neben ehemaligen „Bolschewiki“ schlossen sich Linke Sozialrevolutionäre den „Anarchisten-Kommunisten“ an, wie Victor Popov, ein ehemaliger Matrose der Schwarzmeerflotte, der im Juli 1918 den Aufstand der Linken Sozialrevolutionäre gegen die Bolschewiki angeführt hatte.
Aber all diese Kräfte, die für eine Ausweitung des revolutionären Krieges waren, wurden, wie in Brest-Litowsk, von der Idee besiegt, die „befreite Region“ zu festigen und „anarchistische Kommunen“ zu gründen, was die Revolutionäre dazu brachte, sich in die „befreiten“ Regionen um Guljaj-Polje, ihre „Bastion“, zurückzuziehen, und lieferten damit buchstäblich einen ganzen Teil des Proletariats der Repression und dem Terror aus, die von den bolschewistischen Agenten des kapitalistischen Wiederaufbaus in Russland ausgeübt wurden. Die anarchistische Ideologie der Nicht-Führung erleichterte so die Repressionskampagne, die die Bolschewiki neun Monate lang durchführten.
Um die Ausbreitung der Bewegung einzudämmen, die die Anführer der Bolschewiki am meisten fürchteten, besetzte die Rote Armee überall das von den Aufständischen geräumte Gebiet, um die Macht des Kapitals wiederherzustellen. Die Gefängnisse wurden wieder aufgebaut – oder einfach wieder in Betrieb genommen – und gefüllt, Polizei und Tscheka verhafteten und erschossen revolutionäre Militante sowie alle, die verdächtigt wurden, zur Bewegung beizutragen, unter dem Vorwurf des „Verrats am ukrainischen Volk“58.
Massenrepression und revolutionärer Krieg
Das war der Anfang des „Bürgerkriegs“ zwischen dem bolschewistischen Staat und der revolutionären Bewegung in der Ukraine. Um zu verhindern, dass sich die Soldaten der Roten Armee mit den Aufständischen anfreundeten, griffen die Bolschewiki auf ein altes bourgeoises Rezept zurück und schickten Soldaten aus Estland, Lettland und China, um die Repression durchzuführen, was jedoch einige Verbrüderungen und Desertionen nicht verhindern konnte. Die Rote Armee erlitt weitere Rückschläge gegen die bewaffneten Proletarier, die sich bewusst waren, dass sie in diesem letzten Kampf nichts mehr zu verlieren hatten, während ihnen die Niederlage mit Sicherheit Massaker, Deportationen, die Wiederherstellung des kapitalistischen Jochs und einen Frieden der Leichenhaufen bescheren würde. Und tatsächlich ging die Welle der Repression von einem regelrechten Gemetzel begleitet. Die niedrigsten Schätzungen gehen von 200.000 Toten und ebenso vielen Deportierten nach Sibirien allein im Jahr 1920 aus. Dieses Jahr, geprägt vom „Kriegskommunismus“ und seinen Beschlagnahmungen, verstärkte den Hass der Arbeiterklasse gegen den bolschewistischen Staat. Die Ukraine musste ihren Teil an Vieh- und Erntebeschlagnahmungen hinnehmen, was in der sogenannten „Kornkammer Europas“ zu einer Hungersnot führte.
Mehrere Monate lang wurde hart gekämpft. Die Kampfmethoden waren aber total unterschiedlich. Die Rote Armee ging wie jede andere sogenannte „besatzende“ bourgeoise Armee vor: Sie richtete in den Dörfern wahllos Massenhinrichtungen, weil sie wusste, dass die Bewegung dort hauptsächlich ihre Basis hatte. Und wenn „anarchistische kommunistische“ Militante verhaftet wurden, wurden sie sofort erschossen (unabhängig von ihrer Stellung in der Aufständischen Revolutionären Armee) oder ins Gefängnis geworfen, wo sie gefoltert und erpresst wurden, um sie zu zwingen, ihre Zugehörigkeit zur sogenannten „Machnowisten“-Bewegung zu verleugnen, Informationen preiszugeben und ihre Gefährtinnen und Gefährten zu verraten.
Auf der Seite der Aufständischen blieb der revolutionäre Krieg das Mittel des Kampfes gegen die feindlichen Armeen, wie es schon während der österreichisch-deutschen Besatzung der Fall war. Die bolschewistischen Verantwortlichen und andere „rote“ Offiziere wurden gnadenlos hingerichtet, während die Soldaten die Wahl hatten, sich der Armee der Aufständischen anzuschließen oder unbewaffnet nach Hause zurückzukehren. Sie forderten auch die Niederlage der feindlichen Armee mit Flugblättern und anderem defätistischen Propagandamaterial:
„Rote Soldatenbrüder! […]
Jetzt schickt man euch erneut, um gegen uns, die „aufständischen Machnowisten“, zu kämpfen, im Namen einer sogenannten „Arbeiter- und Bauernmacht“, die euch erneut Ketten und Sklaverei bringt! Der Reichtum und die Freuden gehen an diese Bande parasitärer Bürokraten, die euch ausbeuten […].
Werdet ihr wieder euer Blut für die neu entstandene Bourgeoisie und die von ihr geschaffenen Kommissare vergießen, die euch wie Vieh zum Schlachten schicken! Habt ihr noch nicht verstanden, dass wir „aufständischen Machnowisten“ für die vollständige ökonomische und politische Emanzipation der Arbeiter kämpfen, für ein freies Leben ohne diese Kommissare und andere Agenten der Repression? […] Jedes Mal, wenn ihr auf uns trefft, schickt uns Delegierte, um zu verhandeln, damit kein brüderliches Blut vergossen wird. Wenn das aber nicht geht und die Kommissare euch trotzdem zwingen, gegen uns zu kämpfen, legt eure Waffen nieder und kommt zu uns. Nieder mit dem Bruderkrieg unter Arbeitern!
Es lebe der Frieden und die brüderliche Einheit der Arbeiter aller Länder und aller Nationen!“
(“Nieder mit dem Brudermord“ – Flugblatt der aufständischen Machnowisten – Mai 1920)
Die Aufrufe der Revolutionäre hatten manchmal spektakuläre Auswirkungen auf die Soldaten der Roten Armee. Hier ein Auszug aus dem Aufruf der Soldaten des 522. Regiments der Roten Armee, als sie beschlossen, zu desertieren und sich der Aufständischen Revolutionären Armee anzuschließen:
„Wir, die roten Soldaten des 522. Regiments, sind am 25. Juni 1920 ohne einen Schuss und mit unserer ganzen Ausrüstung und unseren Waffen auf die Seite der aufständischen Machnowisten übergelaufen. Die Kommunisten haben uns bedrängt und unseren Überlauf zu den Machnowisten als Ausbruch und Neigung zum Banditentum bezeichnet.
Das ist alles nur eine niederträchtige und feige Lüge der Kommissare, die uns bis dahin als Kanonenfutter benutzt haben. Während unseres zweijährigen Dienstes in der Roten Armee sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das gesamte soziale System, in dem wir leben, nur auf der Herrschaft der Kommissare beruht und uns letztendlich in eine Sklaverei führen wird, wie sie in der Geschichte noch nie dagewesen ist […].“
(Die roten Soldaten des 522. Regiments, jetzt Machnowisten.)
Angesichts des wachsenden Defätismus unter den Soldaten der Roten Armee und als Antwort auf die Methoden der Revolutionäre richteten die „roten“ Generäle Sonderkommissionen ein, die speziell damit beauftragt waren, die von der Aufständischen Revolutionären Armee freigelassenen Soldaten wieder einzufangen und in andere Einheiten zu integrieren.
Der Widerstand der Aufständischen war Anfang 1920 gegen die Bolschewiki recht erfolgreich, doch eine neue Bedrohung zeichnete sich am Horizont ab: die unter General Wrangel neu organisierten Weißen Armeen.
Kapitel VI
DIE NEUE WEISSE OFFENSIVE (April 1920), DIE NIEDERLAGE (November 1920) UND DAS EXIL (August 1921)
Wrangel und das neue Bündnis zwischen Bolschewiki und Machnowisten
Wrangel übernahm die Führung der Weißen Armee, und seine Erfolge, verstärkt durch die extreme Schwäche der Roten Armee (die von Pilsudskys Armee vor Warschau besiegt worden war), veranlassten diese, erneut die Unterstützung der Aufständischen in der Ukraine zu suchen. Diese waren durch die Repression der Bolschewiki dezimiert, erschöpft vom Krieg, den sie gerade gegen sie geführt hatten, sowie von ihrem Widerstand gegen die aufeinanderfolgenden Offensiven der Weißen, und zudem isoliert durch die Verleumdungen der bolschewistischen Partei über ein angebliches Bündnis zwischen Machno und Wrangel. Im Sommer 1920 gaben die Aufständischen angesichts des Drucks der Offensive Wrangels, an der sich im Norden die polnische Armee und die ukrainischen Nationalisten Petljuras beteiligt hatten, gaben die Aufständischen erneut den Vorschlägen der Bolschewiki nach, allerdings ohne sich allzu viele Illusionen zu machen, da sie dies als eine Nicht-Entscheidung gegenüber einer Regierung betrachteten, die ihnen ihre grausame Feindseligkeit hinreichend bewiesen hatte.
Einige Monate später, im Oktober 1920, unterzeichneten sie ein neues politisches und militärisches Abkommen mit der Roten Armee59. Die revolutionäre Armee der „kommunistischen Anarchisten“ gab im Namen derselben Logik des „geringeren Übels“ nach, die sie beim ersten Bündnis angetrieben hatte, wenn auch mit noch größerer Ernüchterung: Lieber ein Zwangsbündnis mit dem Sowjetstaat als von den Weißen Armeen vernichtet zu werden. Dieses Dilemma, das zugunsten der Bolschewiki entschieden wurde, nahm, wie wir wissen, die Form einer doppelten Falle an.
Die frischen Lehren aus den jüngsten Erfahrungen wurden also nicht berücksichtigt. Die Entscheidung, erneut mit den Feinden zusammenzuarbeiten, war echt selbstmörderisch. Die Überreste der revolutionären Bewegung wurden somit schnell sowohl moralisch als auch physisch zerstört. Im Rahmen dieses Bündnisses verweigerte der bolschewistische Generalstab den Aufständischen jede Ruhepause und schickte sie immer wieder an die Front, zunächst um sie zu eliminieren und gleichzeitig die Weißen zurückzudrängen, dann um sie besser kontrollieren zu können (im Hinterland hätten sie ihre subversive Propaganda innerhalb der Roten Armee betreiben können)60.
Die Aufständischen wurden nach und nach dezimiert, vor allem weil ihre Einheiten, die aus für ihre Kampfbereitschaft bekannten Revolutionären bestanden, vor Verlusten nicht zurückschreckten. Und die vier Sternen Generäle der Bolschewiki wussten das! So schickten sie sie zum Beispiel in einen 10 Kilometer langen Angriff auf offenem Gelände auf der Landenge von Perekop auf der Krim, wo sie nur eine Chance von eins zu hundert auf Erfolg hatten. Sie schafften es und errangen den Sieg, aber um den Preis enormer menschlicher Verluste. Die Weißen waren besiegt, aber die sogenannte „Machnowisten“-Armee war völlig ausgeblutet.
Niederwerfung des Aufstands
Der russische Staat ging dann wieder mit voller Wucht gegen die Aufständischen in der Ukraine vor, und Mitte November 1920 überfielen die Bolschewiki den Stab und die Truppen der „Machnowisten“ auf der Krim. Gleichzeitig nahmen sie die Vertreter der Machnowisten in Charkow fest, griffen die „kommunistischen Anarchisten“ in Guljaj-Polje an und zerstörten ihre Organisationen in der ganzen Ukraine.
Wenig später, befreit vom Druck der aus Russland vertriebenen Wrangel-Armeen, konnte sich die Rote Armee der endgültigen Niederschlagung der Aufständischen widmen. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit brauchten sie mehr als sechs Monate, um sie zu besiegen.
Anfang 1921 war die Lage für die Bolschewiki besonders gefährlich. In Petrograd brachen große Streiks aus, und in Kronstadt erhob sich das Proletariat. In dieser Zeit versuchten zahlreiche Armeen organisierter Proletarier in ganz Russland, den Wiederaufbau des Staates durch die bolschewistische Partei zu bekämpfen. In Tambow organisierte der Sozialrevolutionär Antonow eine Armee von 50.000 Mann. 60.000 Proletarier rebellierten in einem Bezirk Westsibiriens. In Karelien, Zentralasien, im Kaukasus … wurden die neuen Herren im Kreml zur Rechenschaft gezogen. Dieser „kleine Bürgerkrieg“, wie ihn die sowjetischen Historiker nannten, forderte fast 200.000 Tote.
Zu dieser Zeit fand auch die revolutionäre, defätistische Propaganda der Aufständischen noch viel Anklang. So schloss sich am 9. Februar 1921 die 1. Brigade der 4. Division der „roten“ Kavallerie einer „Machnowisten“-Abteilung in der Nähe von Pawlograd an. Aus derselben Zeit stammen auch die ersten ernsthaften Versuche, die Revolution auszuweiten. Brova und Maslakov zogen in die Don- und Kuban-Region, Parkhomenko führte eine Abteilung in die Region Woronesch in Russland, eine dritte Gruppe von etwa tausend Aufständischen marschierte unter der Führung eines anderen „Machnowisten“, Iwanjuk, nach Charkow. Aber leider war es zu spät. Das Proletariat wurde überall, wo es sich erhoben hatte, niedergeschlagen, und es begann, wie immer, wenn die Revolution besiegt ist, eine Zeit des Weißen Terrors in ganz Russland, besonders aber in dieser aufständischen Region der Ukraine.
Die Rote Armee durchkämmte systematisch jedes Dorf und jede Stadt der Region und tötete alle, die auch nur im Verdacht standen, mit der revolutionären Bewegung zu sympathisieren. Vom Kampf getrennt, wurden die letzten um Machno versammelten Gruppen im Sommer 1921 in die Enge getrieben und mussten nach Rumänien fliehen, wo sie sich endgültig zerstreuten.
Machno selbst landete nach einer besonders strapaziösen Reise in Paris. Dort blieb er bis zu seinem Tod 1934, seine Gesundheit war durch die frühen Jahre der Gefangenschaft und seine unzähligen Verletzungen ruiniert. Seine Asche ruht seitdem im Kolumbarium des Friedhofs Père-Lachaise61. Von der „Stadt der Lichter“ kannte der revolutionäre Militant nur Armenhäuser und das Elend der Lohnabhängigen, Polizeiüberwachung, stalinistische Verleumdungen und Intrigen, und er musste sich mit der traurigen Inkonsequenz der libertären Kreise auseinandersetzen. Aber Machno fand dort auch seine politische Leidenschaft und die militante Energie von Kampfgefährten wie Piotr Archinow wieder, mit denen er gemeinsam internationale Kontakte knüpfte, worauf wir noch zurückkommen werden.
Hommage an unsere Gefährtinnen und Gefährten im Kampf, über die vergangenen Jahre hinaus
In einem Beitrag, der die allgemeinen Lehren aus diesem proletarischen Versuch, die Revolution außerhalb und gegen die Reorganisation des Staates durch die bolschewistische Partei zu übernehmen, in Form von Lehren zusammenfassen soll, ist es schwierig, die ganze Kampfbereitschaft wiederzugeben, die diese Militanten unserer Klasse, diese echten Avantgarde-Kämpfer im Kampf für den Kommunismus, beseelte.
Um ein vollständigeres und genaueres Bild zu bekommen, können wir die Gefährtinnen Gefährten nur auf die Werke verweisen, die ausführlich die kleinsten Details dieses mehr als dreijährigen erbitterten Kampfes gegen die Reorganisation des Privateigentums und der Ausbeutung und folglich gegen die verschiedenen Truppen beschreiben, die die Bourgeoisie gegen die Revolution ins Feld geführt hat: die Armeen von Skoropadsky, Petliura, Grigoriev, Denikin, Dybenko, Trotzki, Wrangel… und schließlich die Rote Armee. Trotz der Schwächen und Illusionen ihrer Verfasser haben uns die Berichte der revolutionären Kämpfer selbst – die von Machno und Archinow – eine Menge an Rohmaterial hinterlassen, das dazu beiträgt, die Kampfbereitschaft und Intensität dieser gewaltigen kommunistischen Welle wiederzugeben, die zwischen 1917 und 1923 über die Welt hinwegrollte.
Wie man beim Lesen dieser Dokumente sehen wird, lässt sich die kommunistische Bewegung in der Ukraine keineswegs auf die Persönlichkeit Machnos reduzieren. Wir haben versucht, den Kontext zu skizzieren, in dem es diesem „anarchistischen Kommunisten“ gelang, die revolutionäre Führung zu kristallisieren und ihr gleichzeitig seine eigenen programmatischen Schwächen zu vermitteln. Aber es ist wichtig, seinen Kampfgeist im Rahmen des allgemeinen Willens Tausender unbekannter Proletarier zu sehen, mit dem Staat abzurechnen.
Zum Schluss wollen wir hier nur einige der anderen historischen Anführer nennen, die an der Spitze des Aufstands in der Ukraine standen: Simon Karetnik, Martchenko, Grégoire Vassilevsky, Veretelnikov, Pierre Gavrilenko, Basile Korilenko, Victor Belach, Vdovitchenko, Zonov, Kalachnikov, Mikhalev Pavlenko, Makecv, Basile Danilov, Tchernoknijny, Stchuss, Isidore Luty, Thomas Kojine, Lepetchenko, Sereguine,… Die meisten dieser Kämpfer, die Archinov am Ende seines Buches über den Aufstand in der Ukraine auflistet, waren „anarchistische Kommunisten“, die ihre militante Tätigkeit durch ihre konsequente Präsenz in den Anführerpositionen des Aufstands in der Ukraine fortgesetzt hatten. Nur wenige überlebten die verschiedenen Kämpfe gegen die bourgeoisen Armeen.
Die aufständischen Proletarier, die die zahlreichen Kämpfe überlebten und der schrecklichen stalinistischen Repression gegen die Revolution entkamen, gingen ins Exil.
Militante Kontinuität und Lehren aus dem Feuer des Kampfes
Es ist erwähnenswert, dass Archinow und Machno versuchten, die revolutionäre Bewegung um eine Organisationsplattform zu organisieren, die im Oktober 1926 in Paris in der Zeitung „Dielo Truda“ (Die Sache der Arbeit) im Namen der Gruppe der Russischen Kommunistischen Anarchisten im Ausland, deren Hauptakteure sie waren62, sowie in vielen anderen Ländern und Sprachen von verschiedenen militanten Gruppen veröffentlicht wurde. Ihr Ziel war es, mit dem vorherrschenden Anti-Organisations-Denken zu brechen und „anarchistisch-kommunistische“ Militante um dieses Projekt herum zu versammeln. Die Organisationsplattform war das Ergebnis von Diskussionen und Debatten, die diese Militanten seit 1925 (dem Jahr, in dem sie sich in Paris zusammenschließen konnten) über die Lehren und Perspektiven führten, die aus dem Scheitern der revolutionären Kämpfe zu ziehen waren, an denen sie in den Jahren 1917-1923 in der Ukraine, in Russland und weltweit teilgenommen hatten. Wie die Polemiken nach ihrer Veröffentlichung zeigten, war die Plattform Auslöser für verschiedene Brüche mit dem sozialdemokratischen Programm, das vor allem unter dem Banner der Anarchie organisiert war, und löste gleichzeitig einen allgemeinen Aufschrei aller Anhänger des ideologischen Anarchismus aus. Es kam zu Klarstellungen, während im Bereich der karikaturistischsten Theorien Sébastien Faure zu nennen ist, der mit seiner pedantischen Feder die Lehren aus den Kämpfen vom Tisch fegte und auf die Plattform mit seiner „Synthese“ des Anarchismus, einem Meisterwerk der Verschleierung der tatsächlichen Widersprüche durch eine Apologie der Spaltung in partikularistische Strömungen, die idealistisch unter dem Banner der Familie vereint waren.
Also versuchten diese russischen Militanten, die mit anderen Gefährtinnen und Gefährten in Frankreich im Exil verbunden waren, eine internationale Opposition aufzubauen, um mit diesem „anarchistischen Familienmilieu“ zu brechen. Zu diesem Zweck organisierten sie im März 1927 eine internationale Versammlung, der einen Monat zuvor eine Vorbesprechung vorausging. Der Bruch mit der bisherigen Politik und die Bemühungen um eine programmatische Klärung, die diese Gefährtinnen und Gefährten – gerade zu einem Zeitpunkt, als die kommunistische Bewegung weltweit zusammenbrach – erreichen wollten, sind unbestreitbar. Archinov betonte, dass es wichtig sei, „die revolutionären Kräfte, die in der Arbeiteravantgarde arbeiten, zu organisieren, indem eine einheitliche Bewegung auf dem Prinzip der kollektiven Verantwortung gegründet wird, die innerhalb der nationalen und internationalen Organisationen agiert“. Es sei notwendig, „eine Auswahl der Kräfte zu treffen“, und weder den Anarchosyndikalismus noch den Individualismus als Strömungen anzuerkennen, die mit der Bewegung verbunden waren. Militante aus Frankreich (Odéon, Dauphin-Meunier…), Spanien (Carbo, Fernandez…), Italien (Ugo Fedeli, der die vorbereitende Sitzung leitete), Polen (Ranko), China (Cen)… waren sich einig, eine Internationale Union zu gründen, die mit dem „anarchistischen“ Demokratismus Schluss machen wollte. „Unser Ziel ist es, alle Militanten unserer Strömung zusammenzubringen und gegen die Union Sacrée Anarchiste zu kämpfen“ (Ranko). Aufgrund der internationalen Dimension dieser Kontakte und Diskussionen zwischen Militanten aus verschiedenen Teilen der Welt, insbesondere im Umfeld der Libraire internationale de Paris, kann man die Plattform auch als Ausdruck eines Versuchs einer internationalen revolutionären Zentralisierung betrachten, nicht nur außerhalb und gegen den anarchistischen Demokratismus, sondern auch außerhalb und gegen die Sozialdemokratie im Allgemeinen und die von der bolschewistischen Konterrevolution vereinnahmte KI (Kommunistische Internationale).
Die internationale Versammlung war Schauplatz lebhafter Diskussionen zwischen den Teilnehmern, und es begann eine Klärung (bis zum Eintreffen der Maréchaussée…). Die Diskussion zwischen „Plattformisten“ und „Anti-Plattformisten“ polarisierte während dieser ganzen Zeit alle möglichen Organisationen und führte zu zahlreichen mehr oder weniger klärenden Spaltungen. In der Folge übernahmen die Organisatoren der Versammlung eine gewisse Kontinuität ihres Vorschlags, doch da sie durch die internationale Repression, den Rückgang der proletarischen Kämpfe, ihre eigenen Schwächen und die gegen sie gerichteten Verleumdungen durch die Anhänger des ideologischen Anarchismus völlig erschöpft waren, ging die Initiative in der langen Nacht der Konterrevolution unter.
Die „Militanten“ der Literatur à la Volin, Nettlau, spielten gegenüber den revolutionären „anarchistischen Kommunisten“ dieselbe verleumderische Rolle wie ihre stalinistischen Brüder gegenüber den „kommunistischen Linken“! All dies führte dazu, dass Machno und Archinow mit diesen als Revolutionäre getarnten Demokraten brachen. Mit Hilfe der Konterrevolution und völlig angewidert von seinen ehemaligen Freunden, die sich als Anarchisten bezeichneten, hatte Archinow die schlechte Idee, 1933 nach Russland zurückzukehren. Das brachte ihm eine doppelte Verleumdung als Grabinschrift ein: Die wohlmeinenden Anarchistinnen und Anarchiten en beeilten sich, ihn als „Bolschewik“ zu bezeichnen (er, der mit der Waffe in der Hand an der Seite von Machno gegen die „Rote Armee“ gekämpft hatte!), während die stalinistische Clique ihn 1937 „wegen des Versuchs, den Anarchismus in Russland wiederherzustellen“ erschoss. Machno hingegen hielt bis zum Schluss an der Lektion fest, die er im Feuer des Klassenkampfs gelernt hatte, und so erklärte er bei einem Treffen mit den revolutionären Militanten Ascaso, Durutti und Jover, die aus Spanien gekommen waren, um ihn zu treffen:
„Die Organisation sichert den tiefgreifenden Triumph der Revolution!“
Die Betonung der Notwendigkeit der Organisation ist eine Stärke, vor allem im Kontext der internationalen Kampfgemeinschaft, in der sie formuliert wurde, ganz im Gegensatz zum libertären Pariser Hühnerhof, der im philosophischen Schlamm herumscharrt. Allerdings muss noch geklärt werden, auf welcher Grundlage (Kampfgemeinschaft versus Demokratie, organischer Zentralismus versus Föderalismus…) und in welcher Perspektive. Die Grenzen, Schwächen und Widersprüche einer Bewegung wie der sogenannten „Machnowschtschina“ oder in der Praxis eines Militanten vom Format eines Nestor Machno können natürlich nicht in einer einzigen Formel oder einem Zitat aufgelöst und überwunden werden.
Kapitel VII – VERSUCH EINER BILANZ
Verunglimpfung oder Verherrlichung der Bewegung und der Menschen: dieselbe Verfälschung
Während dieser ganzen weltweiten Revolutionswelle, die mehr oder weniger von 1916 bis Anfang der 1920er Jahre dauerte, verlagerten sich die Brennpunkte oft und existierten manchmal an verschiedenen Orten gleichzeitig. Und während allgemein anerkannt ist, dass sich 1917 der Hauptschwerpunkt der Revolution auf das gesamte Russische Reich ausbreitete und die glühendsten Kohlen Moskau und Sankt Petersburg verzehrten, entstanden andere Zentren der Revolution, die oft geleugnet, versteckt, vergessen und von der Konterrevolution absichtlich entstellt wurden.
Und selbst wenn revolutionäre Bewegungen anerkannt und verherrlicht werden, geschieht dies nur insofern, als ihre subversiven Aspekte verkürzt, verfälscht und entschärft werden. Die Bourgeoisie, die ihre Ideologie durchsetzte, erkannte die proletarische Revolution in Russland (die sie wegen ihrer weltweiten Auswirkungen nicht verbergen konnte!) nur an, indem sie sie völlig verfälschte, und stellte schließlich eine direkte und formale Verbindung zwischen der kommunistischen Bewegung und dem von der bolschewistischen Partei rot gefärbten kapitalistischen Staat her.
Auf der anderen Seite verschleiern die Bourgeois bis hin zur krassen Verfälschung Bewegungen, die sie für explosiv halten, um den Klassenkampf auf einen individuellen Konflikt um „die Macht“ zu reduzieren. Proletarische Aufstände und Versuche, den Staat zu zerstören, werden zu „Putschen“, indem ein Bündel von Fakten, die aus ihrem Gesamtzusammenhang gerissen sind, einseitig hervorgehoben werden.
Eine der Methoden, um eine revolutionäre Bewegung ihres Inhalts zu berauben, besteht darin, diese Klassenbewegungen als Taten „genialer“ oder „barbarischer“ Individuen darzustellen: Die Geschichte zeigt die Menschen, um den Antagonismus zwischen Revolution und Konterrevolution besser zu verbergen. Der Aufstand in der Ukraine bildet da keine Ausnahme.
Reduziert auf die Person Machno, wird sie verfälscht, sowohl von den Bolschewiki und ihren Nachahmern, die in den Proletariern, die gegen ihre Regierung kämpfen, eine Bande von „Anarcho-Banditen“, „Konterrevolutionären“ oder sogar „Antisemiten“ sehen63… sondern auch von den „anarchistischen“ Apologeten Machnos, die in ihm den „Retter der sozialen Revolution“ sehen. Der ideologische Anarchismus begrüßt Machno heute umso mehr, als er ihn gestern noch in seinem Pariser Exil als „Anarcho-Bolschewisten“ bezeichnete, wie wir oben kurz erwähnt haben.
Als er und andere revolutionäre Militante (aus Russland, Italien, Frankreich und Spanien) die Notwendigkeit betonten, die Bewegung anzuführen und die Frage der Organisation zu stellen, nicht um ihrer selbst willen, sondern als eine Notwendigkeit, die sich insbesondere aus den Lehren des ukrainischen Aufstands ergab (siehe oben: Die Plattform der Gruppe der Russischen Kommunistischen Anarchisten im Ausland 1926), reagierte der ideologische Anarchismus mit einem Aufschrei und einer allgemeinen Ächtung. Über die Persönlichkeit Machnos hinaus, so genialer revolutionärer Stratege und so klarer Denker er auch war, zeigt sich wie immer eine viel komplexere, widersprüchlichere Situation. Über diejenigen hinaus, die ihn zu einer Persönlichkeit gemacht haben, behauptet sich eine authentisch proletarische Bewegung mit ihren Stärken und Schwächen.
Stärken und Schwächen der Bewegung
Wie in jeder aufständischen Situation, und in diesem Fall mitten in einem brennenden internationalen revolutionären Kontext, standen die kämpfenden Proletarier den verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie und ihren Milizen gegenüber: die Eigentümer mit ihrer Verwaltung und ihrer Polizei, die Weißen Armeen, die österreichisch-deutschen Armeen, die ukrainischen nationalistischen Armeen, die bolschewistische Partei mit ihren Kommissaren, ihrer Tscheka und der Roten Armee. Gegen all diese von der Konterrevolution bewaffneten Fraktionen und Truppen (die allerdings gegenüber der bolschewistischen Partei völlig unzureichend waren, worauf wir noch zurückkommen werden) setzte die sogenannte „Machnowisten“-Bewegung diktatorisch die revolutionären Erfordernisse durch: direkte Aktion, roter Terror (Klassengewalt), Wiederaneignung und Enteignung, revolutionärer Defätismus, Aufbau einer aufständischen Armee, Versuche der organisatorischen Zentralisierung und Homogenisierung des revolutionären Programms, Versuche der Ausweitung des Kampfes. Was das klare Bewusstsein der Ziele und die Entschlossenheit bei der Führung der Bewegung angeht, so sind dies insbesondere Merkmale der kommunistischen Minderheiten, deren Aufstand in der Ukraine ihre Lebenskraft und zentrale Rolle gezeigt hat.
Wie immer, wie wir oben schon erwähnt haben, zeigten sich die Grenzen der Bewegung in einem mangelnden Bruch mit der Sozialdemokratie und darin, dass sie nicht mit aller Unnachgiebigkeit die ganze Kraft der Negation, die im revolutionären Kampf enthalten ist, gegen die Verbissenheit der Bourgeoisie und ihrer Wachhunde bei der Verteidigung ihrer alten, sterbenden Welt einsetzte. Wenn wir von Grenzen sprechen, meinen wir das im weitesten Sinne und in seinen verschiedenen Aspekten: Grenzen, die bestimmten Handlungen gesetzt werden (Inkonsequenz), programmatische Grenzen, historische Grenzen (globales Kräfteverhältnis und allgemeines Niveau der Wiederaneignung des kommunistischen Programms), aber auch geografische Grenzen (Einschluss oder sogar Rückzug).
Der Widerspruch zwischen der Stärke des revolutionären Kampfes in der Ukraine und seiner Isolation ist nicht als einfache „objektive Tatsache“ zu verstehen: Der Grad der Isolation jeder revolutionären Bewegung ergibt sich sowohl aus dem globalen Kräfteverhältnis (und insbesondere zu allen Zeiten aus dem sozialen Frieden in den Ländern, deren Armee dazu berufen ist, eine Rolle als internationaler Gendarm gegen revolutionäre Bewegungen auf der ganzen Welt zu spielen) und von der Fähigkeit des kämpfenden Proletariats, seine Isolation zu durchbrechen, sich mit seinen Klassenbrüdern in anderen Teilen der Welt zu verbinden und die Bewegung auszuweiten64.
Außerhalb von Unnachgiebigkeit (in der Verteidigung der Klassensouveränität) und Ausweitung gibt es keine Perspektive für die Revolution. Hier muss die Bourgeoisie auch zwangsläufig auf das Proletariat warten, auf dessen Schwäche, Inkonsequenz und Isolation, um wieder die Oberhand zu gewinnen und die Repression zu organisieren.
Die große Stärke der als Machnowschtschina bekannten Bewegung kommt daher, dass sie in der Lage war, die Proletarier im Kampf gegen die Weißen Armeen, gegen die „Roten“ Armeen und gegen den gesamten „bolschewistischen“ bourgeoisen Staat zu zentralisieren und zu organisieren, der durch die Reorganisation des Kapitals mittels der Militarisierung der Ökonomie (oder „Kriegskommunismus“) die Aufgabe hatte, die Revolutionäre physisch zu vernichten. Es muss hier noch einmal betont werden, jenseits der scholastischen Debatte zwischen „Marxisten“ und „Anarchisten“, dass diese Zentralisierung der proletarischen Kräfte so unterschiedliche revolutionäre Kräfte zusammenbrachte wie die „Bolschewiki“, von denen einer, Novitsky, im Oktober 1919 Mitglied des Militärischen Revolutionsrats war, linke Sozialrevolutionäre wie Victor Popov oder Verelnikov, „parteilose“ Revolutionäre wie Kojine und viele andere, „kommunistische Anarchisten“ und viele andere Proletarier mit sehr unterschiedlichen militanten Hintergründen, was ein Zeichen dafür ist, dass die „Machnowschtschina“ der reale Ausdruck einer starken Organisation war, die entschlossene Militante vereinte, die den finalen Angriff auf den Staat durchführen wollten.
Diese Organisation ist die Zentralisierung der proletarischen Kräfte gegen die Bourgeoisie. Den technischen Mitteln und der bewährten militärischen Koordination der bourgeoisen Armeen setzten die Aufständischen in der Ukraine wie auch anderswo die Trümpfe des Proletariats entgegen, das seine Waffen gegen seine endlich entlarvten Ausbeuter und Henker richtete, die Trümpfe einer revolutionären Armee: Kampfgemeinschaft, begeisterte Geschlossenheit auf einer offen klassenbewussten Grundlage, militante Disziplin und organische Zentralisierung, erhöhte Mobilität durch die allgemeine Unterstützung des Kampfes innerhalb der Klasse und vor allem die Verbreitung des revolutionären Defätismus, der die bourgeoise Armee – wie die gesamte bourgeoise Gesellschaft – mit ihren eigenen Widersprüchen konfrontiert. Im Gegensatz dazu basiert die bourgeoise Armee auf Zwangsrekrutierung und Gehorsam (die gängigsten Formen der Zwangsausübung reichen von Entzug der Lebensgrundlage bis hin zu Gefängnis oder Todesstrafe wegen Ungehorsam), auf Blut und Schlamm als unvermeidliche Kehrseite patriotischer Illusionen. Letztendlich untergräbt der latente oder explosive Klassenwiderspruch jeden fiktiven Zusammenhalt zwischen den Klassen, jede Hinwendung des Proletariats zu Interessen, die ihm grundsätzlich antagonistisch sind.
Diese revolutionären Trümpfe (A.d.Ü., oder Vorteile) der Organisation der bewaffneten Proletarier konnten den Mangel an Waffen und „militärischer Disziplin” ausgleichen: Von einer Armee, die bis zu hunderttausend Mann zählte, waren nur dreißigtausend bewaffnet, die anderen griffen manchmal mit Knüppeln und Mistgabeln an! Genau zu dem Zeitpunkt, als die Roten Garden in Russland unter der Repression der Bolschewiki aufgelöst und nach und nach desorganisiert und entwaffnet wurden, wurden sie durch die Rote Armee ersetzt, die dank der ehemaligen Kader der zaristischen Armee und unter der Führung des „Genossen“ Trotzki, klang die Zusammensetzung der Aufständischen Revolutionären Armee der ukrainischen Proletarier wie eine scharfe und lebendige Widerlegung der Behauptungen der bolschewistischen Anführer, dass es unmöglich sei, eine proletarische Armee anders als mit den Methoden und Offizieren der Bourgeoisie zu organisieren.
Die Zwangsmobilisierung (unter Androhung der Todesstrafe) und die Wiederherstellung der bourgeoisen Hierarchie und Disziplin, die für diesen Zweck mit einem „revolutionären“ Deckmantel versehen wurden, bildeten die bourgeoisen Grundlagen für die Gründung der Roten Armee, zu einem Zeitpunkt, als junge revolutionäre Militante ohne jegliche militärische Erfahrung eine Armee der Proletarier aus den Städten und vom Land organisierten, die ohne Hierarchie, ohne bourgeoise Offiziere und mit ihrer eigenen Klassendisziplin jede der unzähligen „Roten” oder Weißen Armeen, denen sie gegenüberstand, vernichtend schlagen würde! Das ist die schönste Lektion, die uns das bewaffnete Proletariat dieser Zeit über die Notwendigkeit hinterlassen hat, die bourgeoise Armee, ihre Regeln, ihre Methoden, ihren Inhalt, ihre Disziplin und ihre Anführer im Laufe der Revolution von Grund auf zu zerstören.
Das Gewicht der anarchistischen Ideologie
Während dieser revolutionären Periode in der Ukraine, als die formalen bourgeoisen Parteien von der Bühne gefegt worden waren, war es die Sozialdemokratie, die als „Ideologie“ auf die Bewegung einwirkte und manchmal sogar wie ein echter Klotz am Bein von ihr mitgeschleppt wurde. Das lässt sich an verschiedenen mehr oder weniger tiefgreifenden, dauerhaften oder gelegentlichen Tendenzen erkennen: Trennung von Theorie und Praxis, Postulat der Heterogenität gegenüber der Klasse oder dem „Volk“, Bewusstseinsbildung und andere Formen des Idealismus, Besessenheit von demokratischer Legitimität und Wahlen, Pluralismus und „Meinungsfreiheit“… Insbesondere in ihren oben erwähnten anarchistischen und verwaltungsistischen Varianten hat die sozialdemokratische Ideologie die aufständische Bewegung in der Ukraine beeinflusst. Dies zeigt sich in verschiedenen Merkmalen: Fetischismus gegenüber bestimmten Organisationsformen, Resignation unter dem Vorwand von Nicht-Dirigismus und Antiautoritarismus, Behinderung direkter Aktionen unter dem Vorwand der „Loyalität” gegenüber dem Feind, Regionalismus, Selbstverwaltung und Föderalismus… all dies sind Totengräber unserer Kämpfe. Anarchismus und Verwaltungsismus verbreiten insbesondere eine antimaterialistische Auffassung der kapitalistischen Verhältnisse und reduzieren sie auf ein Herrschaftsverhältnis, auf Macht um ihrer selbst willen, was das Proletariat in fatale Polarisierungen treibt: gegen die Übernahme der Rolle von Minderheiten, gegen die Diktatur (der eigenen Klasse) und die Organisation in Parteien, gegen die Führung der Bewegung und ihre Zentralisierung. Wie wir oben schon erwähnt haben, wurden diese Polarisierungen dadurch verstärkt, dass die bolschewistische Partei im Namen der „Diktatur des Proletariats” und des „proletarischen Staates” eine blutige Diktatur des Werts durchgesetzt hat, was ein historisch beispielloser Vorgang war.
In der Bewegung, die uns hier interessiert, wurde die Diktatur des Proletariats über den Wert zweifellos durch Enteignungen und die Organisation der Produktion entsprechend den Bedürfnissen des Kampfes umgesetzt. Die größte Schwäche bleibt das Fehlen einer klaren Richtung für das Endziel der Bewegung, was sie auf eine lokale Ebene beschränkte und in Richtung Föderalismus und Selbstverwaltung drängte.
Hinzu kamen verschiedene „antiautoritäre” Rücktritte von Führungsaufgaben, die Minderheiten oblagen, die mangelnde Bereitschaft, die Bewegung auszuweiten und Verbindungen zu anderen revolutionären Bewegungen der Zeit herzustellen, und schließlich die Frontpolitik, die den aufeinanderfolgenden Bündnissen mit dem bolschewistischen Staat innewohnte.
Auch hier bleibt die revolutionäre Praxis entscheidend, solange sie sich den Widersprüchen in ihren Parolen und Fahnen stellt und sie überwindet; wenn es aber darum geht, das echte kommunistische Projekt weiter zu bekräftigen, und die Theorien, die es mit der demokratischen Besetzung der bestehenden Ordnung verwechseln – der Verwaltungsismus und der hier: Antiautoritarismus –, nicht überwunden werden, dann behaupten sich dieselben Fahnen gewaltsam als praktische Barriere, die sich in eine konterrevolutionäre Kraft verwandelt und die Entwicklung unserer Bewegung physisch bremst. Diesen Prozess finden wir leider oft in den Kämpfen, die unter der Fahne der Anarchie organisiert werden, manchmal bis zur Absurdität. Die „Anarchisten“ à la Volin haben dies mehr als einmal auf karikaturistische Weise deutlich gemacht.
So weigerten sich im Oktober 1920 Delegationen mehrerer Einheiten der Roten Armee, die nach Charkow gekommen waren, wo sich Volin und Militante des Nabat versammelt hatten, um ihnen vorzuschlagen, „die Macht zu übernehmen“ und selbst das Zentralkomitee der lokalen bolschewistischen Partei zu verhaften, das gerade „Machnowisten“ erschossen hatte, lehnten diese – die „Anarchisten“ von Nabat – jede Führungsrolle ab und erklärten brav, dass die Massen für sich selbst handeln müssten und dass die „Anarchisten“ keine „Macht“ wollten! Das Elend der Demokratie und des Antiautoritarismus! Man kann bedauern, dass der gewaltsame Bruch, den einige „Machnowisten” 1926 mit Volin vollzogen, sich nicht schon einige Jahre zuvor anlässlich dieser kriminellen und idiotischen Verantwortungslosigkeit in Form von Kugeln manifestierte.
Fehlende Perspektiven für die Ausweitung der Bewegung
Eine weitere große Grenze der Bewegung war die Schwierigkeit, die Revolution auszuweiten. Die gleiche Frage wie in Brest-Litowsk wurde den Militanten der „Dritten Sozialen Revolution” gestellt. Die Aufständischen in der Ukraine versuchten konkret, die revolutionäre Bewegung, deren Zentrum sie in der damaligen weltweiten Welle waren, auszuweiten, aber sie taten dies viel zu spät, kurz vor der Niederlage ihrer Bewegung. Erst 1921 nahmen sie Kontakt zu anderen Fraktionen der revolutionären Bewegung auf, insbesondere in Kronstadt 65, Kiew, Moskau und jenseits des Urals. Sie schlugen ihnen eine „Zusammenarbeit“ gegen den „Roten“ Staat vor, „der die Arbeiter und Bauern verraten hatte“.
Wie wir oben schon erwähnt haben, war der Mythos der bolschewistischen Partei und ihres „revolutionären Staates“ damals so stark, dass selbst für so konsequente Revolutionäre wie die Aufständischen in der Ukraine oder in Kronstadt der Bruch nicht so abrupt erfolgen konnte. Die Illusion, die Politik der Bolschewiki noch beeinflussen oder sogar das Kräfteverhältnis durch willentliche Loyalität gegenüber der Regierung umkehren zu können, spielte der Konterrevolution in die Hände. Die Bolschewiki mit Lenin an der Spitze konnten für sie auf keinen Fall die vollständige Konterrevolution symbolisieren. Das Gewicht – denn es handelt sich hier tatsächlich um ein Gewicht! – der Erinnerungen an den Oktober 1917 und die bereits lebhaften Mystifizierungen über die angebliche Rolle der bolschewistischen Partei zugunsten des Aufstands waren so groß, dass nur sehr wenige die Bolschewiki als frisch vom bourgeoisen Staat für dessen Neugestaltung in Russland kooptierte Agenten wahrnahmen und erst recht konsequent und kompromisslos gegen sie kämpften66.
Der Rückzug der aufständischen Bewegung (und ihrer Minderheiten) in die Ukraine hatte nicht die Funktion, einen revolutionären „Brennpunkt“ gegenüber einem Staat aufrechtzuerhalten, der praktisch die aktive Konterrevolution symbolisierte, sondern ganz im Gegenteil, dem Kapital zu ermöglichen, sie zu isolieren und die „Brennpunkte“ einen nach dem anderen, Stück für Stück, zu zerschlagen.
Ohne die notwendige kritische Klarheit über alle Schwächen und Grenzen aufzugeben, die wir hier hervorzuheben versucht haben, muss man auch anerkennen, dass der revolutionäre Defätismus, den sie praktisch übernommen haben, im Wesentlichen internationalistisch war und den Kampf gegen alle Vaterländer beinhaltete:
„Die Ausgebeuteten aller Nationalitäten, ob Russen, Polen, Letten, Armenier, Juden oder Deutsche, müssen sich zu einer großen solidarischen Gemeinschaft von Arbeitern und Bauern zusammenschließen und dann mit einem mächtigen Schlag der Kapitalistenklasse, den Imperialisten und ihren Dienern den letzten entscheidenden Schlag versetzen, um sich endgültig von den Fesseln der ökonomischen Sklaverei und der geistigen Unterwerfung zu befreien.
Nieder mit dem Kapital und der Macht!
Weg mit religiösen Vorurteilen und nationalem Hass!
Es lebe die soziale Revolution!“
(„Bericht über den 2. Regionalkongress der Sowjets in Guljaj-Polje“ – Februar 1919)
Anhang mit Kritiken
Kritische Anmerkungen zum ICG-IKG-Text „Makhnovshtina“
Die folgenden Anmerkungen sind das Ergebnis von intensiven Diskussionen zwischen einigen Gefährtinnen und Gefährten in Osteuropa Ende 2000. Viele davon wurden in der neuen, verbesserten Version des Textes berücksichtigt, die bisher nur auf Französisch und Spanisch vorliegt. Andere sollten weiterentwickelt und international diskutiert werden, um die Lehren zu vertiefen, die wir aus der reichen und komplexen (sowohl programmatisch als auch praktisch) Frage der russischen Revolution und globaler aus der revolutionären Welle von 1917-1921 ziehen können. Wir hoffen jedoch, dass sie bereits in dieser Entwurfsfassung dazu beitragen können, bestimmte Punkte des Textes zu klären.
1. Die Organisationsplattform der libertären Kommunisten
Der Text erwähnt die Organisationsplattform, ohne ihre Schwächen zu kritisieren oder ihre Stärken hervorzuheben (die als vollständige Übernahme angesehen werden können), und präsentiert sie als Umsetzung der Lehren aus den Kämpfen von 1917 bis 1921 in der Ukraine. In Wirklichkeit wiederholt dieses Dokument jedoch weitgehend die gleichen Schwächen, für die die Machnowschtschina stand, ohne daraus Lehren zu ziehen.
Die wichtigste Stärke der Plattform ist zweifellos die Betonung der absoluten Notwendigkeit, sich zu organisieren, und die Grundlage dafür (die programmatische und taktische Einheit). Wichtig ist auch das Verständnis der Rolle revolutionärer Organisationen im revolutionären Kampf – als Avantgarde zu handeln und organisiert zu sein. Andererseits wird die Notwendigkeit betont, diese Organisation auf dem Prinzip des Föderalismus aufzubauen.
Die größten Schwächen der Plattform zeigen sich in ihrem Entwurf einer kommunistischen Gesellschaft – sie fordert Arbeiter-Selbstverwaltung, Egalitarismus, Föderalismus (obwohl sie Demokratie kritisiert und ablehnt!!!), eine Art Tauschhandel usw. Zum Beispiel: „Die Verwaltung wird diese neue Produktion an die speziell von den Arbeitern geschaffene Verwaltung weitergeben: Arbeiterräte, Fabrikkomitees oder Arbeiterverwaltung der Betriebe und Fabriken. Diese Organe sind auf der Ebene der Gemeinde, des Bezirks und schließlich der allgemeinen und föderalen Produktionsverwaltung miteinander verbunden. Alle diese Organe, die von den Massen aufgebaut wurden und stets unter ihrer Kontrolle und ihrem Einfluss stehen, erneuern sich ständig und verwirklichen die Idee der Selbstverwaltung, der echten Selbstverwaltung durch die Volksmassen. Eine einheitliche Produktion, in der die Mittel und Produkte allen gehören, in der die Bürokratie durch das Prinzip der brüderlichen Zusammenarbeit ersetzt und gleiche Rechte für alle Arbeit geschaffen wurden, eine Produktion, die von den Organen der Arbeiterkontrolle verwaltet wird, die von den Massen gewählt werden, das ist der erste praktische Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des libertären Kommunismus.“ All das versuchten die Machnowisten während der Revolution in die Praxis umzusetzen, und Machno und Arschinow zogen daraus weder in der Plattform noch anderswo eine Lehre, weshalb all dies unserer Kritik bedarf.
2. Konfrontation zwischen Revolution und Konterrevolution vor dem Vertrag von Brest-Litowsk
Der Streit um den Vertrag von Brest-Litowsk war absolut nicht die erste Konfrontation zwischen Revolution und Konterrevolution in Russland und der Ukraine, aber es war die erste massive und starke, was die Zahl der beteiligten Klassenkämpfer und die Entschlossenheit des Kampfes anging.
Die erste Konfrontation kam, soweit wir wissen, über das Dekret über die Arbeiterkontrolle (die hitzige Debatte begann am 3. November 1917), mit dem die Sowjetregierung den sogenannten „Angriff der Rotgardisten auf das Kapital“, d. h. die unkontrollierte Enteignung von Fabriken und anderem bourgeoisen Eigentum durch die Proletarier selbst, stoppen und zu einer allgemeinen „Rechnungslegung und Kontrolle“ übergehen wollte.
Da die bolschewistische Regierung diese Welle von Enteignungen als Ursache für eine weitere Störung der Ökonomie, einen Rückgang der Arbeitsdisziplin und Chaos betrachtete, beschloss sie, die bereits vollzogenen Enteignungen von Fabriken durch ihre offizielle Verstaatlichung zu sanktionieren, während der Rest in den Händen der ursprünglichen bourgeoisen Eigentümer bleiben sollte, die der Kontrolle der Gewerkschaften/Syndikate unterstellt werden sollten.
Diese Maßnahme stieß nicht nur auf unzufriedene Kritik vieler Proletarier in den Fabriken, sondern auch auf deutlicheren Widerstand einiger revolutionärer Minderheiten: vor allem der anarchistischen Kommunisten der Petrograder Anarchistischen Föderation, ihrer Zeitung „Sturmvogel“ oder der Moskauer anarchistischen Kommunisten um eine Zeitschrift namens „Freie Kommune“. Sie kritisierten sowohl die Arbeiterkontrolle (als Beschwichtigung der Bourgeoisie und Verteidigung des Privateigentums) als auch die Verstaatlichung (als Schaffung einer neuen Form des Privateigentums und damit als Reform des Kapitalismus) als prokapitalistische Maßnahmen und Verrat an der Revolution.
3. Widersprüche innerhalb der Aufständischen Revolutionären Armee der Ukraine
Es ist total wahr, dass es innerhalb der Machnowschtschina oft zu Konfrontationen zwischen der Revolution und der Konterrevolution kam.
Die deutlichsten Beispiele dafür sind die verschiedenen Bündnisse, die die Machnowisten mit dieser oder jener bourgeoisen Fraktion eingegangen sind oder eingehen wollten. Jedes dieser Bündnisse wurde von konsequenten Revolutionären innerhalb der Aufständischen Armee abgelehnt und von anderen auf der anderen Seite verteidigt. Neben dem Bündnis mit den Bolschewiki, das von verschiedenen Illusionen, von militärischer Notwendigkeit bis hin zu ähnlichen Zielen, begleitet war, gab es auch Versuche, ein Bündnis mit ukrainischen Nationalisten (Petlura) zu schließen. Dieser Wille wurde hauptsächlich durch ukrainisch-unabhängige nationalistische Illusionen genährt (die Machno selbst mehrfach zum Ausdruck brachte) und veranlasste einige der makhnovistischen Kommandeure (zum Beispiel Schus) dazu, eine Art Putsch gegen Machno vorzubereiten, der mit diesem Plan nicht einverstanden war. Letztendlich gelang dies nicht, und daher wurde das Bündnis nicht in die Praxis umgesetzt.
Das Bündnis mit den Bolschewiki, dem viele, aber nicht alle (siehe die Schwarzen Gardisten, Punkt 4) zugestimmt hatten, stieß beim zweiten Mal auf viel mehr Ablehnung. Die Revolutionäre waren strikt gegen diesen Plan. Ein Ausdruck dieser Ablehnung war, dass viele Machnowisten-Einheiten sich weigerten, ihre Kräfte mit der roten bourgeoisen Fraktion zu vereinen, und meuterten oder die Aufstandsarmee verließen.
Das Ausmaß dieser Rebellion war so groß, dass die machnowistische Armee erheblich geschwächt wurde und das Hauptquartier der Machnowisten gezwungen war, eine Kampagne gegen die Rebellen zu starten. Um die Meuterei niederzuschlagen, wurden die revoltierenden Kommandeure hingerichtet, um die Armee so vollständig wie möglich dem Kommando der Roten Armee unterstellen zu können. Die Kommission für Anti-Machnowistische Aktivitäten ist ein gutes Beispiel für die Widersprüche innerhalb der Bewegung selbst.
Sie war im Wesentlichen ein Organ des roten Terrors, der ursprünglich von der Aufständischen Armee geschaffen worden war, um die Tscheka, bolschewistische Kommissare, Kämpfer der Lebensmittelbeschlagnahmungseinheiten oder Weiße Offiziere und Agenten zu verfolgen und zu eliminieren. Als jedoch die Weigerung, das zweite Bündnis mit den Bolschewiki zu akzeptieren, die Aufständische Armee erschütterte, wurde sie ebenso leicht dazu benutzt, Meuterer in der Armee selbst zu jagen und hinzurichten.
4. Revolutionärer Defätismus der Machnowisten
Es ist wirklich sehr wichtig, diese Praxis der Machnowisten gegenüber den imperialistischen Armeen zu betonen. Andererseits wäre es vielleicht nützlich, auch die Tatsache zu erwähnen, dass sie nicht in der Lage waren, gegenüber der Roten Armee ebenso zu verfahren. Stattdessen gingen die Machnowisten bereitwillig Bündnisse mit der Roten Armee ein, in der Illusion, innerhalb dieser Autonomie zu genießen. Allerdings taten nicht alle Revolutionäre dasselbe. Die anarchistischen Schwarzen Garden zum Beispiel kämpften sowohl gegen die Weißen als auch gegen die Rote Armee, weil sie wussten, dass beide bourgeoisen Fraktionen besiegt werden mussten, und einige von ihnen gerieten wegen dieser Praxis des revolutionären Defätismus in Konflikt mit Machno und seinen Kommandanten.
Im Abschnitt über revolutionären Defätismus sehen wir ein Problem, das in einigen Texten der ICG-IKG generell auftaucht: Lenin und Liebknecht als revolutionäre Militante zu bezeichnen. Wir halten das für einen Fehler. Keiner von ihnen war ein Revolutionär, auch wenn sie sich in bestimmten Momenten ihres Lebens, als sie durch die Entwicklung der kommunistischen Bewegung dazu gezwungen und „entführt“ wurden, so äußerten, da es unmöglich war, bestimmte Teile des historischen Programms unserer Klasse zu ignorieren.
5. Nabat
Nabat war nicht, wie es im Text steht, nur eine „Organisation von ‚Theoretikern‘, ‚Phrasendreschern‘ und ‚Schwätzern‘“. Sie repräsentierte einen gewissen Grad an Zentralisierung verschiedener militanter Gruppen (und das war ihre größte Schwäche). Einige von ihnen verdienten die oben genannte Beschreibung voll und ganz, andere nahmen aktiv an der revolutionären Bewegung in der Ukraine teil.
Zu letzteren zählen Aaron Baron, ein Kommandant der Schwarzen Garden, der sowohl gegen die Weißen als auch gegen die Bolschewiki in der Region Charkow kämpfte, die anarchistischen Einheiten von Cherdnyakov und Sub, die als bewaffnete Formation des Sekretariats von Nabat dienten und an der machnowistischen Bewegung teilnahmen, oder jene anarchistischen Gefährtinnen und Gefährten, die sich an den „Klandestinen Anarchisten“ beteiligten, einer im Sommer 1919 gegründeten terroristischen Gruppe, die für einen Bombenanschlag auf das Moskauer Komitee der KP verantwortlich war und die Bolschewiki mit „Worten und Dynamit“ bekämpfte. Und schließlich war Arschinow selbst Mitglied von Nabat, ebenso wie viele andere Machnowisten.
6. Grigoriev
Wir denken, dass es zu einfach ist, Grigoriev als „Anführer einer Bande“ zu sehen, die einen „imperialistischen Krieg gegen die Bolschewiki“ führt. Die Dinge sind komplizierter, denn selbst die Truppen von Grigoriev standen nicht außerhalb der Klassenwidersprüche der ukrainischen Landwirtschaft und waren nur ein Ausdruck dieser Widersprüche. Man muss zwischen Grigoriev selbst, einem Konterrevolutionär, der von der proletarischen Bewegung (die sich über ihre Ziele und Interessen sowie über ihre wirklichen Feinde im Unklaren war) gezwungen wurde, an der Spitze eines Aufstands zu bleiben, der Ausdruck (natürlich voller Schwächen) des Klassenkampfs war, der mit nationalistischen Illusionen und antisemitischem Unsinn vermischt war, und der aufständischen Bewegung in der Ukraine selbst unterscheiden. Letztere ist ein komplizierteres Phänomen, in dem revolutionäre und konterrevolutionäre Praktiken aufeinanderprallten.
Grigoriev, damals Kommandeur der Roten Armee, eroberte Odessa und sollte an die rumänische Front, um die Ungarische Räterepublik zu unterstützen. Während der Vorbereitungen für diese Operation (Ende April 1919) kehrte seine Armee in ihre Heimatregion Jelisawetgrad-Alexandrija zurück, um sich auszuruhen. Grigorievs Soldaten, die schon sauer waren, weil sie ihr Blut an der Donau vergießen sollten, fanden ihre Familien hungernd vor, ihre Häuser und Dörfer zerstört – alles wegen der Terrorherrschaft der Tscheka und der Lebensmittelbeschlagnahmungseinheiten – und ihre militärische Disziplin brach in einer allgemeinen Welle der Wut auf dem Land zusammen. Dieselbe Wut, die zuvor schon andere Aufstände gegen die Tscheka und die Beschlagnahmungen ausgelöst hatte (Atamanen Zelyony, Struk, Satany und Anhel, die Kommandeure der Roten Armee Lopatkin und Bohunsky). Grigorievs Truppen verstärkten diese Bewegung mit Kräften und Waffen, schwächten sie aber auch durch ihren Antisemitismus und antirussischen ukrainischen Nationalismus.
Die Grigorievisten fingen an, Bolschewiki, Tschekisten und Kommissare zu töten, verübten aber gleichzeitig Pogrome (da Juden, Bolschewiki und Russen für sie alle dasselbe waren). Grigoriev selbst, der mit dem Zerfall seiner Einheiten konfrontiert war, die gegen den Sowjetstaat rebellierten, dem er zuvor Hilfe versprochen hatte, hatte keine andere Wahl, als sich an die Spitze des Aufstands zu stellen. Im Mai 1919 veröffentlichte er sein „Universal – Für das Volk der Ukraine und die Kämpfer der Roten Ukrainischen Armee“, in dem er zu einem allgemeinen Aufstand gegen die Diktatur der bolschewistischen Partei und für ein System von Sowjets auf der Grundlage freier Wahlen und proportionaler Vertretung der nationalen Gruppen, für die Macht des arbeitenden Volkes, für eine unabhängige sowjetische Ukraine und verschiedene Staatsbürgerrechte aufrief. Seit dem 9. Mai führte Grigoriev seine Truppen in die Offensive gegen die Rote Armee. Zunächst hatten sie große Erfolge, als sie Tscherkassy, Jelisawetgrad, Uman, Krivoj Rog, Jekaterinoslaw, Winniza, Cherson, Alexandrowsk und andere Städte eroberten. Obwohl ihr Vormarsch von Tausenden von Pogromen begleitet war, schlossen sich ihnen viele Anarchistinnen und Anarchisten und Einheiten der Roten Armee, die sich gegen die bolschewistischen Befehle erhoben hatten, sowie Bauern, die unter den Requisitionen und dem Terror der Tscheka litten, an. Aber weil Grigoriew die Interessen der ganzen aufständischen Bewegung ignorierte (stattdessen setzte er seine eigene Größenwahnsinnigkeit durch) und dazu noch militärisch unfähig war, wurde der Aufstand innerhalb von 20 Tagen niedergeschlagen und Grigoriew musste sich mit den Resten seiner Einheiten verstecken.
Im Juni 1919 schlug Makhno Grigoriev ein Bündnis „gegen die Weißen und die Roten“ vor (die meisten machnovistischen Kommandeure waren gegen dieses Bündnis und schlugen vor, Grigoriev zu töten), unter der Bedingung, dass die antisemitischen Pogrome nicht fortgesetzt würden, und er akzeptierte. Da die Grigorievisten weiterhin Juden töteten, beschloss Machno schließlich, Grigoriev zu töten. Zwei Drittel von Grigorievs Aufständischen schlossen sich daraufhin den Machnowisten an und kämpften weiter in ihren Reihen
7. Über die revolutionären anarchistischen „terroristischen“ Gruppen in der Ukraine 1905–1917
Wir finden es nicht fair, wenn man über anarchistische/terroristische Gruppen in der Revolutionszeit von 1905 so ironisch redet, wie es im Text gemacht wird.
Es stimmt zwar, dass ihr Programm sehr konfus war, aber sie waren trotzdem wichtige Schritte für die revolutionäre Bewegung, Schritte, die diese Bewegung in der nächsten revolutionären Welle von 1917–1921 zu schätzen wusste und die sogar wir berücksichtigen sollten.
Die im Text erwähnten Gruppen sprachen vielleicht vage davon, „die verhasste Autorität“ anzugreifen, aber in der Praxis kämpften sie kompromisslos gegen die Bourgeoisie und ihren Staat. Nehmen wir als Beispiel die sogenannten „Bezmotivniky“ (die Motivlosen), die ihren Terror gegen jeden Bourgeois richteten, ohne Rücksicht darauf, wer er oder sie war. Die „Bezmotivniky“ warfen Bomben in bourgeoise Cafés, luxuriöse Geschäfte, Kundgebungen nationalistischer Parteien oder in Eisenbahnwaggons der ersten Klasse. Sie praktizierten auch den sogenannten „ökonomischen Terrorismus“ – sie sprengten Fabriken, um deren Arbeit zu stoppen, oder enteigneten deren Geld. Das Gleiche gilt für die Gruppe Chornoye Znamya (Schwarze Fahne) und viele andere. Machno selbst wurde wegen seiner Beteiligung an der anarchokommunistischen Gruppe von Gulyay Pole (Liga der armen Bauern) mit einigen terroristischen Praktiken verhaftet und inhaftiert, und Arshinov verbrachte lange Jahre im Gefängnis wegen der Ermordung eines Fabrikbesitzers in Alexandrowsk.
Nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis im Jahr 1917 waren all diese Terroristen eine der Hauptantriebskräfte der Revolution und wurden wegen ihrer Erfahrungen und Fähigkeiten, die sie in den vergangenen Kämpfen erworben hatten, sehr respektiert.
8. Fortsetzung des Kampfes nach 1921
Der Kern der Machnowisten-Bewegung löste sich nicht einfach so auf, wie es der Text glauben machen will. Die Machnowisten mussten nach Rumänien fliehen, waren aber bereit, den Kampf überall fortzusetzen, und taten dies auch, auch wenn die Dynamik ihres Kampfes nicht mehr dieselbe war.
Machno selbst versuchte, in den polnischen Teil der Ukraine zu gelangen, um dort einen neuen Aufstand zu organisieren; leider wurde er erkannt und verhaftet.
Anderen Mitgliedern der machnowistischen Spionageabwehr gelang es, nach Sowjetrussland zurückzukehren und sich dort zu organisieren. Unter anderem infiltrierten sie die Tscheka und organisierten eine „Brücke“ über die Grenze nach Rumänien. Schließlich war auch die Organisatorische Plattform der libertären Kommunisten ein Ausdruck der Kontinuität des Kampfes.
9. Machnowstina – Name
Was der Text über den Namen der Bewegung sagt, ist nicht ganz richtig. Die Endung -shtina hat nicht unbedingt eine abwertende Bedeutung. Sie wird im Russischen als grammatikalisches Phänomen verwendet, um Dinge zu beschreiben, die sich um einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Person konzentrieren. Die Machnowisten nannten sich nicht Makhnovshtina, weil sie eine Beleidigung der Bourgeoisie für sich beanspruchen wollten, sondern weil sie Machno als zentrale Figur ihrer Bewegung, als deren Personifizierung, betrachteten.
Wichtiger als die vielen Beleidigungen, mit denen die rote oder weiße Bourgeoisie die kommunistische Bewegung in der Ukraine angeprangert hat, ist vielleicht die Tatsache, dass es echt gefährlich ist, Makhnovshtina als eine Aktivität einiger sehr guter Militanter, genialer Kommandeure oder was auch immer (Makhno und seine engsten Gefährten und Gefährtinnen zum Beispiel) zu betrachten, während es in Wirklichkeit die Praxis der gesamten kommunistischen Bewegung war.
1Wir weisen die Leser insbesondere auf all den Unsinn hin, den die verschiedenen sozialdemokratischen Schulen verbreiten, die in diesen Ereignissen eine Rechtfertigung für ihre konterrevolutionären Positionen sehen. Ein Beispiel: Das Trauma einiger Kakerlaken ist in der subjektiven Rolle der bolschewistischen Partei als einzigem und monolithischem Akteur der russischen Revolution stecken geblieben, obwohl sie immer von völlig gegensätzlichen Strömungen durchzogen war (wie die Arbeitergruppe von Miasnikov) und oft hinter der tatsächlichen revolutionären Bewegung zurückblieb, die sich auf ganz anderen Ebenen materialisierte. Das Gleiche gilt für die erbärmlichen Argumente, die über einen Gegensatz zwischen einem „bäuerlichen“ Russland, das das Stadium des Feudalismus nicht überwunden habe, und einem „industriell-kapitalistischen-modernen“ Deutschland mit einem starken Proletariat, aber „leider keiner Partei vom gleichen Typ wie die Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei“, entwickelt wurden, woraus die noch dümmere Schlussfolgerung gezogen wurde: „Überall bolschewistische Parteien!“. Da die russische Revolution dazu geführt hat, dass sich die bolschewistische Partei als entschiedene Verteidigerin des Kapitalismus etabliert hat, läuft die von den Rätekommunisten und anderen Anarchisten befürwortete Lösung darauf hinaus, die “Meinungsfreiheit der Proletarier“, die Ablehnung jeglicher Organisation und den Arbeiterparlamentarismus als Allheilmittel für ihre pazifistische Ablehnung revolutionärer Gewalt und deren notwendiger Organisation, um die Hölle, die wir täglich erleben, zu beenden.
2Benannt nach Petljura, dem Anführer dieser Bewegung.
3Wir beschreiben weiter unten kurz die Ursprünge und Gründe, warum die „Anarchisten“ in der Ukraine so viel Einfluss hatten.
4In diesem Zusammenhang wäre es gut, wenn die ideologischen „Anarchisten“, diese selbstverliebten Libertären, diese inkonsequenten Individualisten, die alles hinterfragen – übrigens heftig kritisiert von Machno und Archinow –, ein für alle Mal mit ihrem Opportunismus nach der Schlacht brechen und konsequent zu sich selbst stehen, indem sie den schrecklichen Diktator Machno anprangern, den roten Terror, den er verübt hat, und auch den schrecklichen Namen des Programms nennen, das er verteidigte: den Kommunismus!
Für all diese libertären Intellektuellen von gutem Ruf, die Machno nur für seinen Kampf gegen die Bolschewiki loben und das Foto des alten Nestor an ihre traurigen reformistischen Ideologien heften, ist das ein Versuch, ihn zum bewaffneten Arm ihres demokratischen Projekts zu machen! Damit machen sie Machno das Gleiche an, was die Stalinisten Marx angetan haben, indem sie ihn an die Wände ihrer rot gestrichenen bourgeoisen Ideologien hängten!
5Archinov ist nicht irgendein Weggefährte Machnos. Er war es, der ihn politisch geprägt hat, als er noch im Gefängnis saß. Archinov ist ein militanter Kommunist (er selbst würde sich eher als „anarchistischer Kommunist“ bezeichnen), der sein ganzes Leben lang dafür gekämpft hat, den Kämpfen und den Revolutionären eine Organisation zu geben. Das brachte ihm den Vorwurf des „Anarcho-Bolschewismus“ seitens großer Kreise der Pariser „Anarchisten“ ein, die trauriges Pendant der Kropotkin-Intellektuellen in Russland waren und von Machno als gleichgültige Pedanten angeprangert wurden.
6Revolutionäre, egal welcher Richtung, organisieren sich instinktiv um die stärkste revolutionäre Fraktion, die es wirklich schafft, die revolutionäre Aktivität zu zentralisieren. So arbeitete die bolschewistische Partisaneneinheit, bekannt als „Kolossoff-Detachement“ (benannt nach ihrem Kommandanten), oft mit den Machno-Detachements im Kampf gegen die österreichisch-deutschen Truppen zusammen. Genau so war es, als sich die Machno-Gruppe dem kleinen Ort Nischni-Dnjepr (in der Nähe von Jekaterinoslaw) näherte, wo das bolschewistische Stadtkomitee das Kommando über die Arbeitergruppe und die Partei an sie übergab!
7Die Endung „wschtschina“ hat eine abwertende Bedeutung und wurde von den Bourgeois („Roten“ und Weißen) der Aufständischen Armee der Ukraine gegeben, um sie zu „kriminalisieren“, sie auf eine „kriminelle Vereinigung“ zu reduzieren, aber die Proletarier haben diesen Ausdruck positiv wieder für sich beansprucht. Derselbe Versuch, den politischen Inhalt derjenigen, die sich dem Staat entgegenstellen, zu negieren, findet sich in dem Lieblingsausdruck der Medien, um revoltierende Proletarier zu bezeichnen: die „Bande“ (vgl. die „Baader-Bande“ für die deutsche „Rote Armee Fraktion“ oder die „Bonnot-Bande“ für die „anarchistischen“ Enteigner zu Beginn des Jahrhunderts in Frankreich usw.).
8Es ist wichtig zu beachten, dass diese Bezeichnung „anarchistisch-kommunistisch“ die eigene Bezeichnung der Machnowisten-Militanten ist. Archinow verwendet sie häufig in seinem Buch über den Aufstand in der Ukraine, um sich von den „Salonanarchisten“ abzugrenzen, diesen meist zutiefst antikommunistischen Theoretikern, deren demokratische und freiheitliche Irrwege ebenso wenig mit der kommunistischen Bewegung zu tun haben wie der demokratische Zentralismus ihrer stalinistischen Brüder im Geiste.
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10Wir sagen „verwirrend“, weil die Verwaltung des Staates durch die Bolschewiki die tiefe Natur der Produktionsverhältnisse nicht verändert hat, wie Archinov behauptet; sie hat lediglich die Ausbeutung des Proletariats durch die Bourgeoisie in einer anderen Form fortgesetzt. Ebenso hat sich der Kapitalismus unter der Politik der Bolschewiki mit denselben wesentlichen Merkmalen fortgesetzt; die stalinistische Verwaltung als „staatskapitalistisch“ zu bezeichnen, ist nicht nur ein verwirrender Pleonasmus, sondern öffnet auch Tür und Tor für all die linken Spaltungen, die versuchen, diesen oder jenen Detailunterschied zu rechtfertigen, um uns dazu zu bringen, auf der Grundlage pseudo-objektiver Nuancen eine differenzierte Unterstützung je nach „den“ (??!) Kapitalismen in Betracht zu ziehen.
11Wir lassen hier den Rest des Zitats weg, das Beispiel, das Archinov dafür gibt:
„Nehmen wir ein Beispiel. Im August 1918 wurden die Arbeiter der alten Prokhoroff-Fabrik in Moskau unruhig und drohten wegen der niedrigen Löhne und der polizeilichen Überwachung in der Fabrik zu revoltieren. Sie organisierten in den Fabriken mehrere Versammlungen, vertrieben den Fabrikskomitee (der nur eine Zelle der Partei war) und nahmen einen Teil ihrer Produktion als Lohn. Die Mitglieder der Zentralverwaltung der Textilarbeitergewerkschaft erklärten, nachdem die Masse der Arbeiter sich geweigert hatte, mit ihnen zu verhandeln: „Das Verhalten der Arbeiter der Prokhoroff-Manufaktur wirft einen Schatten auf das Ansehen der Sowjetmacht; jede weitere Aktion dieser Arbeiter würde die sowjetischen Behörden in den Augen der Arbeiter anderer Betriebe diffamieren; Das geht nicht; deshalb muss die Fabrik geschlossen und die Arbeiter entlassen werden; es muss eine Kommission gebildet werden, die in der Fabrik für Ordnung sorgen kann; außerdem müssen neue Arbeiterführer rekrutiert werden.“
12Später, im Exil in Paris, vertiefte Archinow (und Machno und andere russische Militante im Exil) seine Kritik und wandte sich schließlich heftig gegen Volin. 1927 schreibt diese Gruppe in einer „Antwort an die Konfusionisten des Anarchismus“, die durch eine frühere Antwort von Volin und anderen auf die „Organisationsplattform“ der Gruppe russischer Anarchisten im Ausland, der Archinow angehört (siehe weiter unten), ausgelöst wurde, Folgendes:
„Eine ganze Gruppe von Leuten, die sich Anarchisten nennen, hat nichts mit Anarchisten zu tun. Diese Leute (und auf welcher Grundlage?) in einer „Familie“ zusammenzuschließen und diese Versammlung „anarchistische Organisation“ zu nennen, wäre nicht nur unsinnig, sondern absolut schädlich (…) Nicht die universelle Vermischung, sondern im Gegenteil eine Auswahl der gesunden anarchistischen Kräfte und ihre Organisation in einer anarchistisch-kommunistischen Partei ist für die Bewegung unverzichtbar (…) Um die Bewegung zu sanieren, muss man sich von diesen Tendenzen und Abweichungen befreien; aber diese Säuberung wird in hohem Maße gerade von den offenen oder versteckten Individualisten verhindert, die Teil der Bewegung sind. Die Autoren der „Antwort auf die Plattform“ gehören zweifellos zu dieser letzten Kategorie.“
13Machno suchte bei dieser Gelegenheit Lenin auf, zweifellos ebenfalls beeindruckt (wie beispielsweise Szamuelly, der mit dem Flugzeug von Budapest nach Moskau flog, um Lenin zu bitten, die Politik von Bela Kun in Ungarn zu korrigieren!) von der Vorstellung, dass Lenin mit der Entwicklung der bolschewistischen Partei als Kraft für den Wiederaufbau des Staates nicht einverstanden sein konnte.
14Antonow-Wasschenko hatte die gegen Machno geplanten Strafmaßnahmen kritisiert und wurde deshalb am 15. Juni von Trotzki abgesetzt. Ende April 1919 schrieb Antonow-Wasschenko an die Redaktion der Iswestija in Charkow: „In Ihrer Ausgabe vom 5. April haben Sie einen Artikel mit dem Titel ‚Nieder mit der Machnowschtschina‘ veröffentlicht. Dieser Artikel ist voller falscher Tatsachen und hat einen offen provokativen Ton. Solche Angriffe schaden unserem Kampf gegen die Konterrevolution. In diesem Kampf haben Machno und seine Brigade außergewöhnliche revolutionäre Tapferkeit bewiesen und verdienen nicht die Beleidigungen von Funktionären, sondern die brüderliche Anerkennung aller revolutionären Arbeiter und Bauern.“ Antonow-Ownzenko hatte leider nicht immer die gleiche Einstellung gegenüber Revolutionären: Er war einer der Hauptverantwortlichen für die stalinistische Repression in Spanien im Jahr 1936.
15Noch stalinistischer als Stalin selbst wollte Trotzki mit eiserner Faust im Namen des Sowjetstaates „die Ordnung im Donbass wiederherstellen“. Im Rahmen des von ihm verhängten Verbots eines Kongresses der „machnovistischen“ Bauern und Arbeiter, der als Vorwand diente, um die Repression gegen die Anhänger der Aufständischen Armee zu beginnen, schloss Trotzki: „Ich befehle (…), alle Verräter, die freiwillig ihre Einheiten verlassen, um sich Machno anzuschließen, festzunehmen und als Deserteure vor das Revolutionstribunal zu stellen (…). Ich verkünde, dass die Ordnung mit eiserner Hand wiederhergestellt wird. Feinde der Arbeiter- und Bauernarmee, Profiteure, Kulaken, Randalierer (es fehlt nur noch „Hooligans“ – Anm. d. Red.!!!), Handlanger von Machno oder Grigoriev werden von den zuverlässigen und entschlossenen regulären Einheiten gnadenlos beseitigt werden. Es lebe die revolutionäre Ordnung, die Disziplin und der Kampf gegen die Feinde des Volkes!“
16Lenin dachte zu diesem Zeitpunkt, dass alles verloren sei, und hatte Asyl in Finnland beantragt und erhalten!
17Wenn die Rote Armee dank der sogenannten „Militärwissenschaft“ Trotzkis Siege errang, so fand diese bourgeoise Wissenschaft ihre Grundlage im Weißen Terror (rot gefärbt und ausführlich beschrieben in seinem berühmten Buch: „Terror und Kommunismus“ beschrieben hat!), den er den Truppen auferlegte und den er offenbar gut zusammenfasste, indem er behauptete, dass, wenn „Vorwärtsgehen zu einem möglichen Tod führte, Rückwärtsgehen zu einem sicheren Tod führte“!
18So wurde im selben Monat November 1919 der Kommandant des 3. machnovistischen aufständischen Regiments, Crimea Polonsky, zusammen mit anderen Mitgliedern, die wie er in einer „autoritären Organisation“ engagiert waren, hingerichtet!
19Von einer „Dritten Sozialen Revolution“ zu sprechen, ist natürlich Unsinn, wenn man bedenkt – und das tun wir! –, dass es nur eine einzige kommunistische soziale Revolution gibt, da es nur einen einzigen Übergang von der weltweiten Diktatur der Bourgeoisie zur ebenso weltweiten Diktatur des Proletariats geben wird. Aber im Kontext des Wiederaufbaus des Staates in Russland um dieselben Bolschewiki, die am Aufstand vom Oktober 1917 beteiligt waren, konzentriert die Behauptung der Notwendigkeit einer „Dritten Sozialen Revolution“ die proletarische Kritik an den Grenzen des Februars und des Oktobers und prangert die Sowjetregierung als bourgeoise Regierung an!
20Punkt 2 dieser Vereinbarung besagte, dass „die Revolutionäre Aufständische Armee (MacMachnohnovisten) der Ukraine, wenn sie auf sowjetisches Gebiet kommt und auf die Front trifft oder die Fronten überquert, keine Abteilungen der Roten Armee oder Deserteure dieser Armee in ihre Reihen aufnehmen wird“. Wie man sieht, hatten die Bolschewiki große Schwierigkeiten, gegen die zahlreichen Überläufer aus ihrer Armee zu Machno anzukämpfen!
21Hier findet sich bereits eine Vorahnung dessen, was 1936–1937 in Spanien (und später weltweit) passieren wird, wo es den Republikanern gelingen wird, den revolutionären Bürgerkrieg in einen imperialistischen Krieg zu verwandeln. Auch dort verwandelte die Armee der Republik die revolutionären Proletarier unter dem Vorwand eines Bündnisses gegen den „Hauptfeind“, in diesem Fall die Faschisten Francos, in Kanonenfutter.
22Machno galt als echter Draufgänger, da er persönlich zu Pferd an der Spitze der von ihm befehligten Truppen mehr als zweihundert Angriffe gegen feindliche Armeen geführt hatte! Er überquerte die rumänische Grenze mit völlig zerschmetterten Fußknochen, einem Oberschenkel, einem Blinddarm, einem Kinn und einer Wange, die von verschiedenen Kugeln durchschlagen waren, die er in den letzten Wochen des Kampfes abbekommen hatte!!!
23Diese Plattform ist heute besser bekannt unter dem Namen „Archinow-Plattform“, da die internationale pseudo-anarchistische Szene mit großem Eifer die kollektive Initiative, die ihr zugrunde lag, verunglimpfte und sie schließlich auf die Initiative Archinows reduzierte! So wurde Machno wegen seines sympathischen „Robin Hood“-Images verschont, und man konnte den bolschewistischen Charakter der Plattform bestätigen (und damit die Diskussion darüber beenden), indem man darauf hinwies, dass ihr Verfasser Bolschewik geworden war! Zur kleinen Anekdote: Archinov kehrte 1933 nach Russland zurück und wurde 1937 „wegen des Versuchs, den Anarchismus in Russland wiederherzustellen“ erschossen!
24Wir verweisen den Leser auf das hervorragende Werk des ehrenwerten Staatsbürgers der Académie française, Monsieur Joseph Kessel, der damals sein Trauma im vulgärsten Leninismus zum Ausdruck brachte, indem er das berühmte Werk „Machno und seine Jüdin“ schrieb!
25Es gibt aber viele Berichte über die wachsende Unzufriedenheit in der Roten Armee selbst und die Möglichkeiten, diese Situation während dieser ganzen Zeit aus revolutionärer Sicht zu steuern. Hier sind Auszüge aus einem Text, der 1928 von einem ehemaligen Schwarzmeer-Seemann in der Zeitung „Dielo Trouda“ veröffentlicht wurde: „Als im Oktober 1920 der Vertrag zwischen Machno und der bolschewistischen Macht geschlossen wurde, waren die Seeleute kriegerisch und feindselig gegenüber den Kommissaren der Tscheka. Der Name Machno war sehr beliebt. Hätte es eine organisatorische Verbindung zu Kronstadt gegeben, hätten sich die Schiffsbesatzungen einstimmig organisiert. Die Tscheka hatte keinen Einfluss auf uns (…) Wir hatten schon lange Pläne gegen die Tscheka. Wir hatten beschlossen, das Gebäude, in dem sie untergebracht war, in der Nähe eines Parks (in Mariupol, wo die Schwarzmeerflotte stationiert war – Anm. d. Red.) in die Luft zu sprengen. Der Erfolg war also möglich, aber es gab nicht nur keine Verbindung zu Kronstadt, sondern wir hatten auch überhaupt nichts von Machno gehört und blieben bei unseren vagen Aktionsplänen. (…) So wurden aufgrund der fehlenden Organisation die besten revolutionären Möglichkeiten vertan.“
26Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, diese neue Version online zu stellen, weil sie besser ausgearbeitet ist. Die alte Version findet ihr in der PDF-Datei.
27Nach dem Namen Petliura, dem Anführer dieser Bewegung.
28Wir beschreiben weiter unten kurz die Ursprünge und Gründe, warum die anarchistische Ideologie in der Ukraine so einflussreich war.
29Machno stattet insbesondere den Fabriken von Alexandrowsk einen wichtigen Besuch ab und schließt sich trotz der Behinderungen durch die lokalen „revolutionären“ Behörden mit den Arbeitern zusammen. Paradoxerweise zeigt Machno, wie schon im August 1917, als er einen Kommissar in Guljaj-Polje vor dem Lynchmord rettete, wieder eine seltsame „Loyalität“, indem er Offiziere der Wut der Soldaten entzieht.
30Die Regierungsarmee bestand immer noch aus Rotgardisten, und erst 1918 integrierte Trotzki sie in die neue Rote Armee. In diesem Sinne sprechen wir weiter unten von Machnos „erster Allianz“ mit der Roten Armee gegen Denikin im März 1919.
31Siehe unseren Beitrag zur Verurteilung dieses Vertrags in „Brest-Litowsk: Frieden ist immer der Frieden des Kapitals“.
32Pjotr Archinow war nicht irgendein Weggefährte von Nestor Machno. Archinow hat ihn politisch geprägt, als sie vor einigen Jahren im Gefängnis saßen. Archinow war ein militanter Kommunist (er hätte sich lieber als „kommunistischer Anarchist” bezeichnet), der sein ganzes Leben lang für die Organisation der Revolutionäre kämpfte. Das brachte ihm den Vorwurf des „Anarcho-Bolschewismus” seitens großer Kreise der Pariser „Anarchisten” ein, die trauriges Pendant zu den Kropotkin-Intellektuellen in Russland waren, die Machno als gleichgültige Pedanten anprangerte.
33Wir gehen näher darauf ein in „La politique économique et sociale des bolcheviks” in Communisme Nr. 28.
34Hier geht der Text weiter, wo Archinow ein anschauliches Beispiel gibt. „Nehmen wir ein Beispiel. Im August 1918 wurden die Arbeiter der alten Prokhoroff-Fabrik in Moskau unruhig und drohten, wegen der niedrigen Löhne und das polizeiliche Regime in der Fabrik zu revoltieren. Sie organisierten mehrere Versammlungen in den Fabriken, verjagten das Fabrikkomitee (der nur eine Zelle der Partei war) und nahmen einen Teil ihrer Produktion als Lohn. Die Mitglieder der Zentralverwaltung der Textilarbeitergewerkschaft erklärten, nachdem die Masse der Arbeiter sich geweigert hatte, mit ihnen zu verhandeln: „Das Verhalten der Arbeiter der Prokhoroff-Manufaktur wirft einen Schatten auf das Ansehen der Sowjetmacht; jede weitere Aktion dieser Arbeiter würde die sowjetischen Behörden in den Augen der Arbeiter anderer Betriebe diffamieren; das ist nicht in Ordnung; daher muss die Fabrik geschlossen, die Arbeiter entlassen und eine Kommission gebildet werden, die in der Lage ist, in der Fabrik eine feste Ordnung herzustellen; außerdem müssen neue Arbeiterkadern rekrutiert werden.“
35Der von den österreichisch-deutschen Staaten eingesetzte Hetman Skoropadsky wurde destabilisiert und von Simon Petliura gestürzt, der die Führung einer nationalistischen ukrainischen Regierung übernahm, die die Gunst des Proletariats gewinnen sollt
36Die Bourgeoisie („Rote“ oder „Weiße“) gaben der revolutionären Bewegung in der Ukraine diesen Begriff mit der abwertenden Endung „-china“, um sie als „Bande von Verbrechern“ abzuwerten. Diesen Versuch, den politischen Inhalt derjenigen, die sich dem Staat entgegentreten, zu negieren, findet man auch im Lieblingsausdruck des Staates und seiner Medien, um revoltierende Proletarier zu bezeichnen: Siehe die „Bonnot-Bande“ für enteignende Proletarier zu Beginn des Jahrhunderts in Frankreich oder ganz aktuell die „roten Banditen“ in Albanien. In der Ukraine haben sich die Proletarier diesen Ausdruck positiv angeeignet und ihn für sich beansprucht, indem sie den Namen eines ihrer entschlossensten Militanten, Nestor Machno, als Fahne hochhielten. In diesem Sinne verwenden wir den Begriff „Makhnovschtschina” in diesem Beitrag, ohne die Bewegung natürlich auf „individuellen Heroismus” zu reduzieren.
37In diesem Zusammenhang wäre es gut, wenn die Denker des Anarchismus und andere libertäre Nabelschauer, diese individualistischen Freidenker und Inkonsequenten – die übrigens von Machno und Archinow heftig angeprangert wurden! –, mit ihrem Opportunismus nach der Schlacht zu brechen und konsequent zu sich selbst zu stehen, indem sie den schrecklichen Diktator Machno anprangern, den roten Terror, den er verübte, aufdecken und auch den schrecklichen Namen des Programms nennen, das er verteidigte: Kommunismus! Für all diese libertären Intellektuellen, die Machno nur wegen seines Kampfes gegen die Bolschewiki loben und das Foto des alten Nestor an ihre traurigen reformistischen Leitsätze heften, ist das ein Versuch, ihn zum bewaffneten Arm ihres demokratischen Projekts zu machen! Damit machen sie mit Machno das, was die Stalinisten mit Marx gemacht haben, indem sie ihn an die Wände ihrer rot gestrichenen bourgeoisen Ideologien hängten!
38Siehe dazu „Die Bedeutung des revolutionären Defätismus“ in unserer zentralen Zeitschrift auf Französisch Communisme Nr. 49 (Sept. 1999).
39Auf Initiative von Minderheitsfraktionen innerhalb der Sozialistischen Internationale fanden während des Krieges mehrere internationale Konferenzen statt: 1915 in Kopenhagen und Zimmerwald, 1916 in Kienthal, wo pazifistische und zentristische Positionen bekräftigt wurden. Die sich gerade bildende „internationale kommunistische Linke“ (der sich Lenin anschloss) war dabei und setzte sich für einen echten Klassenbruch ein. Man muss bedenken, dass Lenin zu diesem Zeitpunkt noch zwischen seiner Fähigkeit, sich zu bestimmten Zeiten der proletarischen Bewegung anzuschließen, und der sozialdemokratischen Kohärenz schwankte, die seine gesamte historische Praxis prägte und ihn dazu brachte, unmittelbar nach dem Oktoberaufstand die schlimmsten staatlichen Verantwortlichkeiten zu übernehmen.
40Die erste veröffentlichte Version dieses Textes neigte dazu, die ganze Kraft der Bewegung auf „militärische Effizienz“ zu reduzieren und dabei viele andere Aspekte der Diktatur des Proletariats, wie sie in der Bewegung mit all ihren Widersprüchen tatsächlich ausgeübt wurde, zu vernachlässigen.
41Wir geben weiter unten einen Auszug aus einem dieser Flugblätter aus dem Jahr 1920 wieder.
42Als Antwort auf die bourgeoisen Verleumdungen des „Antisemitismus“ während seines Exils in Paris behauptete Machno, dass seine revolutionäre Armee „jüdische“ Abteilungen umfasste. Wenn ihnen das in einer Zeit der Verschärfung der Klassenkonflikte, in der sie sich über den Klassenwidersprüchen schwebend fühlten, noch als sinnvoll erschien, dann zeigt das sicher eine Grenze der Bewegung (genauer gesagt ihres Selbstbewusstseins)… vor allem aber von der schrecklichen materiellen Kraft dieser „jüdischen Identität“, dieser fiktiven Gemeinschaft.
43Wie oben erwähnt, sprechen wir hier vom ersten Bündnis mit der Roten Armee. Bevor diese von Trotzki gegründet wurde, schloss der Sowjet von Guljaj-Polje im Dezember 1917 im Kampf gegen Kaledin ein Abkommen mit den regierungstreuen Rotgardisten.
44Bevor er sich den Bolschewiki anschloss, hatte sich Grigoriev, ein ehemaliger zaristischer Hauptmann mit bedeutenden Streitkräften, nacheinander in den Dienst von Kerenski, der ukrainischen Rada, Hetman Skoropadsky und Petliura gestellt. Er wandte sich gegen die Rote Armee in der Provinz Cherson, westlich der Armee der Machnowisten, die er zu seinem Vorteil zu manipulieren versuchte (wir kommen später darauf zurück).
45Antonow-Owerschenko deckte tatsächlich die in Moskau geschmiedeten Pläne auf, Machno loszuwerden, und wurde deshalb am 15. Juni von Trotzki entmachtet. Ende April 1919 schrieb Antonow-Owsensko an die Redaktion der Izvestia in Charkow: „In Ihrer Ausgabe vom 5. April haben Sie einen Artikel mit dem Titel „Nieder mit der Machnowschtschina“ veröffentlicht. Dieser Artikel ist voller falscher Tatsachen und hat einen offen provokativen Ton. Solche Angriffe schaden unserem Kampf gegen die Konterrevolution. In diesem Kampf haben Machno und seine Brigade außergewöhnliche revolutionäre Tapferkeit bewiesen und verdienen nicht die Beleidigungen von Funktionären, sondern die brüderliche Anerkennung aller revolutionären Arbeiter und Bauern. Antonow-Oweski wird leider nicht immer die gleiche Haltung gegenüber den Revolutionären einnehmen: Er wird einer der Hauptverantwortlichen für die stalinistische Repression in Spanien im Jahr 1936 sein.
46Mehr stalinistisch als Stalin selbst, wollte Trotzki mit eiserner Faust „im Donbass wieder Ordnung schaffen“ im Namen des Sowjetstaates. Im Rahmen des von ihm verhängten Verbots eines Kongresses der „machnowistischen“ Bauern und Arbeiter, der als Vorwand für die offene Repression gegen die Aufständischen diente, schloss Trotzki:
„Ich befehle, alle Verräter, die freiwillig ihre Einheiten verlassen, um sich Machno anzuschließen, festzunehmen und als Deserteure vor das Revolutionstribunal zu stellen […]. Ich verkünde, dass die Ordnung mit eiserner Hand wiederhergestellt wird. Feinde der Arbeiter- und Bauernarmee, Profiteure, Kulaken, Randalierer, Handlanger von Machno oder Grigoriev werden von den zuverlässigen und entschlossenen regulären Einheiten gnadenlos ausgeschaltet. Es lebe die revolutionäre Ordnung, die Disziplin und der Kampf gegen die Feinde des Volkes!“
47Lenin dachte damals, dass alles verloren sei, und hatte um Asyl in Finnland gebeten und es auch bekommen!
48Wenn die Rote Armee dank der sogenannten „Militärwissenschaft“ Trotzkis Siege errang, so fand diese bourgeoise Wissenschaft ihre Grundlage im Weißen Terror (der in den Farben der „Revolution“ gestrichen war), der den Truppen auferlegt und in seinem berühmten Buch „Terrorismus und Kommunismus“ ausführlich beschrieben wurde. Nach seiner eigenen Formulierung, die eigentlich das Motto jedes bourgeoisen Generalstabs über die patriotischen Tugenden des Maschinengewehrs im Rücken aufgriff, „wenn Vorwärtsgehen zu einem möglichen Tod führte, führte Rückwärtsgehen zu einem sicheren Tod“!
49So wurde im selben Monat November 1919 der Kommandant des 3. aufständischen Regiments der Machnowisten, Crimea Polonsky, zusammen mit anderen Mitgliedern, die wie er in einer „autoritären Organisation“ engagiert waren, hingerichtet…
50Als Antwort auf die von den in Paris im Exil lebenden „Machnowisten” veröffentlichte „Plattform” (siehe Ende von Kapitel VI) verteidigte Sébastien Faure in seiner „Synthèse” die Koexistenz von drei großen Strömungen, die in der Familie vereint waren: „anarchistischer Individualismus”, „anarchosyndikalismus” und „libertärer Kommunismus”.
51Die erste veröffentlichte Version dieses Textes ließ diese historische und programmatische Perspektive der Bewegung in der Ukraine außer Acht und schrieb alle ihre Grenzen allein dem Einfluss der anarchistischen Ideologie in der Bewegung zu.
52Es gibt das Beispiel der „Rosa-Luxemburg-Kommune”, aber man kann die Schwächen, die sich darin zeigen, kaum kritisieren, ohne auch die Bekräftigung der gemeinsamen Kämpfe mit den Proletariern in Deutschland zu sehen.
53Später, im Exil in Paris, vertiefte Archinow (und Machno und andere russische Militante im Exil) seine Kritik und wandte sich schließlich heftig gegen Volin. 1927, in einer „Antwort an die Verwirrer des Anarchismus“, die selbst durch eine frühere Antwort von Volin und anderen auf die „Organisationsplattform“ der GARE (Gruppe russischer Anarchisten im Ausland), der Archinow angehörte, ausgelöst worden war, erklärte diese Gruppe mit einer Relevanz, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat:
„Eine ganze Gruppe von Leuten, die sich Anarchisten nennen, hat nichts mit Anarchisten zu tun. Diese Leute (und auf welcher Grundlage?) in einer „Familie” zusammenzufassen und diese Ansammlung „anarchistische Organisation” zu nennen, wäre nicht nur sinnlos, sondern absolut schädlich… Nicht die universelle Vermischung, sondern im Gegenteil eine Auswahl der gesunden anarchistischen Kräfte und ihre Organisation in einer anarchistisch-kommunistischen Partei ist für die Bewegung unverzichtbar… Um die Bewegung zu reinigen, muss man sich von diesen Tendenzen und Abweichungen befreien; aber diese Reinigung wird in hohem Maße gerade von den offenen oder versteckten Individualisten verhindert, die Teil der Bewegung sind. Die Autoren der „Antwort auf die Plattform” gehören zweifellos zu dieser letzten Kategorie.
54Was den in Moskau verordneten Sozialismus betrifft, so war der Politismus der bolschewistischen Partei von Anfang an mit einem Verwatungsismus als logischer Folge verbunden. Hinter der langjährigen Maskerade der „sowjetischen Planung“ tat die UdSSR nichts anderes, als den Bedürfnissen des Kapitals durch die marktwirtschaftliche Autonomie der Produktionseinheiten zu entsprechen.
55Auf die traurige „Philosophie des Elends“ von Proudhon antwortete Marx sofort mit seinem scharfen „Elend der Philosophie“, worauf der Vordenker des libertären Sozialismus mit einer sinnlosen Reaktion reagierte, in der er Marx als „Juden“ brandmarkte und empfahl, seine ganze „Rasse“ an den Rand Asiens zu schicken…
56Die Kritik an dieser Ideologie wurde in der ersten veröffentlichten Fassung dieses Textes ziemlich schlampig gemacht, indem die Illusionen der Revolutionäre in der Ukraine und der stalinistische Patriotismus ziemlich grob auf eine Stufe gestellt wurden. Auch wenn die letzten „Heimaten des Sozialismus“ schon seit Jahren nicht mehr angesagt sind, hat sich diese ganze Ideologie – in ihren nationalen, gemeinschaftlichen und lokalen Ausprägungen – auf neue Inseln zurückgezogen, wo sie sich bei Bedarf auf ein „Netzwerk“, „Rhizome“, einen „Archipel“ oder eine flüchtige „Konstellation der Kämpfe“ (je nach den neuesten Schlagworten der Mode-Philosophen) beruft, sei es in den „freien Gemeinden“ von Chiapas, deren Mystifizierung sich aus den schlimmsten reformistischen ‚neo-zapatistischen‘ Plattitüden speist, oder, für die ‚alternativsten‘, aus den schwer fassbaren, ungreifbaren und sehr angesagten „temporären autonomen Zonen“. Das Manifest der Kommunistischen Partei hat in einem berühmten Satz den totalen Antagonismus des revolutionären Kampfes gegen all diese Fälschungen und Illusionen zusammengefasst: “Das Proletariat hat kein Vaterland!“ [Im dritten Kapitel des Manifests, „Sozialistische und kommunistische Literatur“, werden die großen sozialistischen Strömungen, die im Laufe der Geschichte des Klassenkampfs entstanden sind, nach ihrem Inhalt, ihren ideologischen Varianten und kritischen Elementen vorgestellt und kritisiert.
57Von einer „Dritten Sozialen Revolution“ zu sprechen, ist natürlich Unsinn, weil es nur eine einzige kommunistische soziale Revolution gibt, da es nur einen einzigen Übergang von der weltweiten Diktatur der Bourgeoisie zur ebenso weltweiten Diktatur des Proletariats geben wird. Aber im Kontext des Wiederaufbaus des Staates in Russland um die Bolschewiki, von denen einige am Aufstand vom Oktober 1917 (außerhalb und gegen ihre eigene Partei) beteiligt waren, konzentriert die Forderung nach einer „Dritten Sozialen Revolution” die proletarische Kritik an den Grenzen der Bewegungen vom Februar und Oktober und prangert die Sowjetregierung offen als neue bourgeoise Regierung an!
58Apropos Gefängnisse: Im Januar 1918 reiste Machno als Delegierter nach Alexandrowsk und protestierte gegen die Nichtzerstörung des Gefängnisses. „Viele Bauern und Arbeiter“, erzählt er in seinen Memoiren, „waren nur verhaftet und eingesperrt worden, weil sie die Macht Kerenskis und der ukrainischen Zentralrada nicht anerkannt hatten. Wenn man sie nicht freilasse, erklärte uns ein Bolschewik, dann aus Angst, sie könnten sich ebenfalls gegen die Macht des bolschewistisch-linkes-sozialrevolutionären Blocks auflehnen. Auf Druck von Machno wurde das Gefängnis geräumt (aber nicht zerstört).
59Punkt 2 dieser Vereinbarung sah vor, dass „die Revolutionäre Aufständische Armee (Machnowisten) der Ukraine beim Durchmarsch durch sowjetisches Gebiet und beim Treffen auf die Front oder beim Überqueren der Fronten keine Abteilungen der Roten Armee oder Deserteure dieser Armee in ihre Reihen aufnehmen wird“. Wie man sieht, hatten die Bolschewiki große Schwierigkeiten, gegen die zahlreichen Überläufer aus ihrer Armee zu Machno anzukämpfen!
60Hier zeigt sich schon, was 1936–1937 in Spanien (und dann auf der ganzen Welt) passieren wird, wo es der Bourgeoisie gelingt, den revolutionären Bürgerkrieg in einen imperialistischen Krieg zu verwandeln. Auch dort verwandelte die Armee der Republik die revolutionären Proletarier unter dem Vorwand eines Bündnisses gegen den „Hauptfeind”, in diesem Fall die Truppen Francos, in Kanonenfutter.
61Machno galt als echter Draufgänger, da er persönlich zu Pferd an der Spitze der von ihm befehligten Truppen mehr als zweihundert Angriffe gegen verschiedene bourgeoise Armeen geführt hatte. Er überquerte die rumänische Grenze mit völlig zerschmetterten Fußknochen, dem Oberschenkel, dem Blinddarm, dem Kinn und der Wange von verschiedenen Kugeln durchschossen, die er in den letzten Wochen des Kampfes abbekommen hatte.
62Diese Plattform ist heute besser bekannt unter dem Namen „Archinow-Plattform”, da die kleine internationale libertäre Szene mit großem Eifer daran arbeitete, die kollektive Initiative, die ihr zugrunde lag, zu verunglimpfen, um sie wie üblich auf eine Einzelinitiative zu reduzieren und jede echte Diskussion über den Inhalt zu verhindern. So wurde auch Machno verschont, indem man ihm das Image eines sympathischen „Robin Hood“ verpasste und der Plattform und ihrem „Autor“ den erklärten „autoritären“ Charakter der Lehren aus der aufständischen Bewegung in der Ukraine anlastete.
63Erinnern wir uns, solange es noch niemand vergessen hat, an den Roman, den der ehrenwerte Staatsbürger und angesehene Mitglied der Académie française, Joseph Kessel, „Machno und seine Jüdin“ geschrieben hat, während Machno im Exil in Paris lebte und von der Polizei bedroht wurde.
64Gegen den Mythos der Unbesiegbarkeit des Staates und die Rolle des Polizeistaats siehe unter anderem „La lutte de classe en Algérie est la nôtre” in Communisme Nr. 52 (Februar 2002) und „Capitalisme=terreur contre l’humanité” in Communisme Nr. 53 (November 2002).
65Siehe „Kronstadt: Versuch eines Bruchs mit dem kapitalistischen Staat in Russland”.
66Es gibt aber viele Berichte über die wachsende Unzufriedenheit in der Roten Armee selbst und die Möglichkeiten, diese Situation während dieser ganzen Zeit aus einer revolutionären Perspektive zu führen. Hier sind Auszüge aus einem Text, der 1928 von einem ehemaligen Schwarzseematrose in der Zeitung „Dielo Trouda” veröffentlicht wurde: „Als der Vertrag zwischen Machno und der bolschewistischen Macht im Oktober 1920 geschlossen wurde, waren die Matrosen kriegerisch und feindselig gegenüber den Kommissaren der Tscheka. Der Name Machno war echt beliebt. Hätte es eine organisatorische Verbindung zu Kronstadt gegeben, hätten sich die Schiffsbesatzungen einhellig organisiert. Die Tscheka hatte keinen Einfluss auf uns […]. Wir hatten schon lange Pläne gegen die Tscheka. Wir hatten beschlossen, das Gebäude, in dem sie untergebracht war, in der Nähe eines Parks [in Mariopol, wo die Schwarzmeerflotte stationiert war] in die Luft zu sprengen. Der Erfolg war also möglich, aber es gab nicht nur keine Verbindung nach Kronstadt, sondern wir hatten auch überhaupt nichts von Machno gehört und blieben bei unseren vagen Aktionsplänen. […] So wurden aufgrund der fehlenden Organisation die besten revolutionären Möglichkeiten vertan.“