Gefunden auf der anarchistischen Publikation aus den Baskischen Ländern, Ekintza Zuzena, die Übersetzung ist von uns.
Einleitung von uns,
„Die Geschichte der Völker, die eine Geschichte haben, ist die Geschichte des Klassenkampfes. Die Geschichte der Völker, die keine Geschichte haben, ist, wie wir mit gleicher Wahrheit sagen werden, die Geschichte ihres Kampfes gegen den Staat.“ Pierre Clastres, Die Gesellschaft gegen den Staat1
Über die leere Verwendung des Wortes Volk (People, Popolo, Pueblo, Peuple, usw.) kann vieles gesagt werden, etymologisch ist dieses Wort, je nach Sprache, je nach Intention, wie ein Stück nasser Seife, desto mehr man versucht dieses festzuhalten, desto eher entgleitet es einem aus der Hand, also eine sogenannte Polysemie. Eine Ambiguität für uns, zu ungenau, zu unklar, zu unpräzise und dennoch haben wir diesen Begriff in allen Übersetzungen respektiert, wenn wir selbst diesen nie zu verwenden gebrauchen würden, die Begründung dafür nannten wir schon. Seit der französischen Revolution bildet das souveräne Volk die Nation, die Nation welche das neue Zuhause des bourgeoisen und kapitalistischen Staates sein würde und wurde. Volk und Nation sind daher nicht voneinander zu trennen, so sehr davor der Begriff, auch auf anderen Sprachen, für die Bezeichnung irgendeiner Gemeinschaft einer Gruppe von Menschen galt, falls dies jemals der Fall gewesen war, so ist seit der französischen Revolution und danach seit dem Holocaust, dieser Begriff weder aufklärend noch brauchbar. In einer Welt in der die Menschen in Klassen aufgeteilt sind, sind die Klassen ein präziserer Begriff. Nun dennoch, wollen wir uns in Zukunft vor allem mit der Nation auseinandersetzen. Dies hat mehrere Gründe, auch wenn dieses Thema eigentlich abgeschlossen sein sollte, kommt es einem wie Magensäure immer wieder hoch; sei es die widersprüchliche Verwendung der möglichen Bedeutung dieses Begriffs/Konzeptes innerhalb der anarchistischen Bewegung und Geschichte, sei es durch die positive Konnotation einiger sogenannter Anarchisten und Anarchistinnen in Bezug auf nationalen Befreiungsbewegungen2, sei es der Krieg in der Ukraine und die Metamorphose sogenannter Anarchisten und Anarchistinnen in glühende Patrioten und/oder Nationalisten (je nach Interview oder Text variiert es).
Dafür haben wir erstmals drei Texte übersetzt, einen aus Chile, welcher die Konzeption der Nation in der Geschichte der anarchistischen Bewegung mit all ihren Positionen dazu subsumiert, um letztendlich ein Fiasko von subjektiver Meinung zu geben, einen von Alfredo Maria Bonanno aus dem Jahr 1976 zu der Frage der nationalen Befreiung und einen aus dem Jahr 1959 von Paul Mattick zu der Frage des Nationalismus. Diese Texte, wie weitere die folgen werden sowie auch eigene zum Thema, vor allem bezogen auf den Krieg in der Ukraine, woraus sich aber Allgemeines ableiten lassen wird, dienen als eine mögliche Grundlage für diese Auseinandersetzung, die wir, zugegeben, durch Zeitmangel übers Knie brechen. Wir leugnen nicht, dass innerhalb der anarchistischen Bewegung es widersprüchliche Positionen dazu gibt, was wir als sehr problematisch empfinden, aber man muss es auch nicht leugnen, dafür sind wir ja da, um diese Fehler zu beheben.
Unsere Position ist klar, unser Ziel ist es, die Welt mitsamt all der Spezies, die auf dieser leben, vom Joch des Kapitalismus zu befreien. Der Kapitalismus wird in seiner jetzigen historischen Phase weltweit, aufgeteilt in hunderten von Territorien, von seinem Handlager dem Staat geschützt und verwaltet. Diese Staaten, um eine Kohäsion durch die Vereinheitlichung und Zentralisierung des Lebens in all seinen Facetten führen zu können, bildeten Nationen, auch wenn es vorkommt und nicht mal selten, dass im Gebiet eines Staates, einer Nation, sich weitere Nationen befinden, die um die eigenen Interessen kämpfen, sogar um die Bildung eines eigenen kapitalistischen Staates. Siehe den spanischen Staat als Beispiel. Die Nation, dessen Ideologie, der Nationalismus, seine Metapher, das Vaterland und dessen Ideologie, der Patriotismus3, sind für uns nichts als Waffen der Reaktion, um den Klassenkrieg, den sozialen Krieg der Habenichtse und der Proleten zu bekämpfen. Der Anarchismus steht für eine Welt ohne Staaten sowie für eine Welt ohne Nationen, die den modernen kapitalistischen Staat bedingen, ohne diesen können sie nicht existieren. Wenn jetzt Anarchisten und Anarchistinnen in der Ukraine sowie diejenigen, die sie unterstützen, sagen, sie würden für ihr Vaterland, ihre Nation kämpfen, dann sind sie keine Anarchisten und Anarchistinnen. Wir haben kein Vaterland und keine Nation, die Idee, dass der Mensch an einen Staat, an eine Nation, an eine Patrie als was natürliches gebunden ist, ist ein von der herrschenden Klasse erschaffenes Instrument der imperativen Kohäsion der Bevölkerung, die sie ausbeutet. Daher handelt es sich um was Künstliches. Weiteres dazu in kommender Zeit.
Soligruppe für Gefangene
NATION UND ANARCHISMUS
„Der Anarchist prüft und erwägt alles, nimmt es an oder lehnt es ab, je nachdem, ob die vorgeschlagenen Ideen mit seiner Lebensauffassung oder seinen individuellen Bestrebungen übereinstimmen oder nicht. Letztlich begnügen sich alle Menschen damit, von ihrer Umwelt bestimmt zu werden, der Anarchist hingegen strebt unter dem unvermeidlichen Vorbehalt einer physischen Ordnung danach, sich selbst zu bestimmen.“ (Émile Armand)
Nation und Anarchismus in einer Diskussion zu vereinen ist eine interessante konzeptionelle Übung, aber sie in einem gemeinsamen Projekt der revolutionären Transformation zusammenzuführen ist eine Herausforderung. Trotz der Fortschritte und der Versuche mehrerer Gefährten, diese Überlegungen zu teilen, ist es klar, dass sie von der heterogenen anarchistischen Bewegung als Ganzes nicht viel Beachtung gefunden haben. Zumindest nicht in einer Dimension, die über die zahlreichen Gemeinplätze hinausgeht, die es gibt und die eine höhere Problematisierung verhindert haben. Dennoch sind Fortschritte zu verzeichnen. So lässt sich beispielsweise ohne weiteres feststellen, dass Nation nicht synonym mit Nation-Staat ist. Ich betone dies, weil einer der häufigsten Fehler von Anarchisten bei der Behandlung des Themas darin besteht, die Angelegenheit zu vereinfachen, indem sie an der Vorstellung festhalten, dass es sich um homologe Themen handelt, und damit die Möglichkeit verweigern, über die gefährlichen Karikaturen hinauszugehen. Letzteres ist nur ein Beweis dafür, dass der Platz der Diskussion zwischen Nation und Anarchismus außerhalb der oben skizzierten Grenzen konsequent vernachlässigt wurde. Das liegt meiner Meinung nach nicht an böser Absicht oder absichtlicher Unterlassung, sondern einfach daran, dass die meisten Anarchisten die Nation nicht als notwendiges Element beim Aufbau einer Gesellschaft ohne Autorität betrachtet haben. Diejenigen, die sich fast ausschließlich mit dem Thema befasst haben, waren – jenseits der Vereinfachung – genau jene Gefährten, eine Minderheit, die die Nation als nützliches Instrument im Kampf für die Freiheit und gegen den Staat verstehen. Eine Situation, die sich in den Konflikten zeigt, die von Regionen ausgetragen werden, die kulturell und politisch von anderen unterdrückt wurden, wie die Basken gegen Spanien, die Mapuche gegen Chile, die Kolonien gegen die Imperien in den vergangenen Jahrzehnten, um nur einige Beispiele zu nennen. Und da die Nation, anstatt ein Element des Widerstands zu sein, im Allgemeinen mit dem Staat und seiner Herrschaft identifiziert wurde, gab es für die meisten Anarchisten keine Notwendigkeit, die beiden Konzepte miteinander zu verbinden, und vielleicht aus demselben Grund gab es auch nicht viele Theorien zu diesem Thema. Deshalb sprechen alle Überlegungen, die zu diesem Thema angestellt wurden und werden, für die gute Gesundheit einer Bewegung wie dem Anarchismus, die offen für Selbstkritik und frei von geschlossenen Ideensystemen und ewigen Dogmen ist [[Diese Schrift stützt sich auf verschiedene Aspekte eines früheren Artikels, der sich auf die chilenische Realität beschränkt. Veröffentlicht in El Surco, monatliche anarchistische Zeitung, Santiago, chilenische Region, Nr.18 und 19, August und September 2010.]]
Aber um diesen Text zu begründen, versteht es sich von selbst, dass die folgenden Worte nicht darauf abzielen, den Anarchismus harmonisch mit der Nation zu vereinen, da ich letzterer ehrlich gesagt misstraue, auch wenn sie als Motivation für antiautoritären Widerstand verstanden wird. Zunächst geht es mir darum, die Überlegungen ein wenig zu vertiefen, einige der Antworten des Anarchismus zusammenzufassen, sie zu problematisieren und zu prüfen, ob ein gemeinsamer Ausweg möglich ist, der keinen Vorverkauf der Freiheit impliziert. Wir werden zunächst die Konzepte der Nation und des Nationalismus überprüfen, dann die „staatenlosen“ Nationen als Mittel des Widerstands untersuchen und anschließend einige unserer Verdachtsmomente über sie darlegen. Wir werden dann einige Antworten geben, die Anarchisten bisher auf die nationale Frage gegeben haben, und schließlich werden wir unseren Vorschlag skizzieren, der mehr als eine Schlussfolgerung ist, nicht mehr als eine offene Frage, von der ich hoffe, dass sie in irgendeiner Weise nützlich für die kollektive Debatte sein wird.
I.- Nationen
Nach Benedict Anderson, einem der meist zitierten Wissenschaftler, ist die Nation eine imaginäre Gemeinschaft, in der sich die Mitglieder, auch wenn sie sich nicht kennen, als Teil eines menschlichen Kollektivs mit einer gemeinsamen Kultur, einem gemeinsamen Territorium, einer gemeinsamen Souveränität und einer gemeinsamen politischen Organisation fühlen [[Das Konzept wird somit auf den Nationstaat reduziert. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass wir hier nicht näher auf die Unterschiede zwischen Nation und Vaterland eingehen werden, da diese Begriffe in der Regel gleichbedeutend verwendet werden, obwohl es wichtige Unterschiede gibt. Folgt man Maurizio Viroli, „liegt der entscheidende Unterschied in der Schwerpunktsetzung“, hätte das Vaterland mit der demokratisch-zivil-institutionellen Ordnung zu tun, während die Nation – eher „ethnisch“ – zur kulturellen Differenzierung neigt. M, Viroli, Por Amor a la patria. Un ensayo sobre el patriotismo y el nacionalismo, Acento, Madrid, 1997]]. Diese Einheit ist ein Produkt des historischen Prozesses, der als Moderne identifiziert wird (Kapitalismus der Ökonomie, Industrialisierung der Produktion, Urbanisierung der Bevölkerung, Demokratie der Politik, Masse der Kultur), da ihre Existenz nur auf der Grundlage der Moderne möglich ist. Dank der Rationalisierung der Kommunikation, des Verkehrs, der Bildung und der gedruckten Kultur sowie anderer „moderner“ Phänomene können die Besonderheiten der Nation (die als solche etabliert sind) mehr oder weniger gleichmäßig innerhalb einer Gemeinschaft verteilt werden und ihre Mitglieder in ihr vereinen. Diese nationale Homogenisierung würde, so Anderson, in einer mehr oder weniger gleichzeitigen Zeit („leere Zeit“) stattfinden, eine Situation, die die begrenzte Entwicklung der Kommunikation in der Vergangenheit unmöglich gemacht habe, und daher müsse der Nationalismus, wenn überhaupt, ein modernes Phänomen sein. [[Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflexiones sobre el origen y la difusión del nacionalismo, FCE, Mexiko, 2007. Dieser Autor ist neben Gellner, Smith, Hobsbawm und anderen einer der renommiertesten Nationalismusforscher.]]
Dieser Definition ist hinzuzufügen, dass diese nationalen Besonderheiten von einem Netz mehr oder weniger zentraler Mächte geformt und aufgezwungen werden, die im Allgemeinen mit staatlichen Strukturen identifiziert werden können, da es zwar reale kulturelle Merkmale gibt, die eine nationale Gemeinschaft kennzeichnen können, die nicht ausdrücklich durch Zwang aufgezwungen werden (z. B. die Sprache), diese aber nicht von den Bewohnern dieser geografischen Region frei gewählt werden. Oder sie werden durch die Tradition der Gemeinschaft, in die wir hineingeboren werden, oder durch den Staat, in den dieses Kollektiv eingebettet ist, auferlegt. Familie oder Staat, mit oder ohne Liebe, nationale Identitäten werden uns auferlegt. Wir werden alle in unterschiedliche kosmogonische Umgebungen hineingeboren, in diesem Sinne ist es vielleicht nicht abwegig zu sagen, dass wir alle mit einem Vaterland geboren werden. Einem zufällig auferlegten Vaterland.
Die Macht, die Nation in ihrem traditionellsten Sinne zu charakterisieren, liegt in erster Linie und überwiegend in den Händen des Staates. Um es einfach auszudrücken: Es würde legal eine große identitäre Einheit mit einer gemeinsamen Tradition, einem Territorium, einer Folklore usw. geschaffen. Wenn die geografische Ausdehnung und die kulturelle Vielfalt größer sind, fasst der Staat mehrere besondere Identitäten in einem einzigen Körper zusammen und vereinnahmt und unterwirft die Unterschiede in seiner vorgeblichen nationalen Harmonie. Ein paradigmatisches Beispiel sind die indigenen Völker, die in den südamerikanischen Staaten entweder im Widerstand oder domestiziert überleben. Der Staat und die Gesellschaft schaffen bestimmte Stereotypen jeder besonderen Identität, verschmelzen sie mit der Einheit der hegemonialen Nation und zwingen sie dann durch Schulen, die Presse, Institutionen, den Militärdienst usw. allen, die innerhalb der Staatsgrenzen leben, auf. Wie wir wissen, ist die Schule der Ort des kulturellen Zwanges schlechthin. Dort wird Geschichte erzählt und aufgesogen, voller Helden, glorreich, intakt, ungetrübt. Eine gemeinsame Geschichte wird erfunden und aufgezwungen, wo es keine gibt [[Im Fall des Pazifikkriegs (1879-1883), der durch private Interessen motiviert war und Chile gegen Peru und Bolivien ausspielte, wird er in diesen drei Ländern auf parteiische Weise gelehrt und häufig von Politikern benutzt, um nationalistischen Hass zu schüren und die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen. Ich kann mir vorstellen, dass ähnliche Fälle auch in anderen Regionen vorkommen müssen]].
Dennoch scheint es mir wichtig zu sein, auf die Revision hinzuweisen, die der indische Historiker Partha Chatterjje an den Vorschlägen in Andersons inzwischen klassischem Buch vorgenommen hat, um die Darstellung fortzusetzen. Für ihn wird die Nation in einer heterogenen und diskontinuierlichen Zeit konstruiert (die „leere Zeit ist die Utopie des Kapitalismus“). Das liegt daran, dass jedes Individuum aufgrund von Unterschieden in puncto Geschlecht, Erfahrungen, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Klasse usw. eine andere Vorstellung davon hat, was die Nation bedeuten kann [[Chaterjje weist auch darauf hin, dass die Menschen aufgrund ökonomischer oder anderer Unterschiede Informationen zu unterschiedlichen Zeiten erhalten und wahrnehmen. Partha Chatterjee, La Nación en Tiempo Heterogéneo y otros estudios subalternos, IEP, Lima: 2007. Chatterjee beteiligt sich zusammen mit anderen Forschern der Dritten Welt an der historiographischen Strömung der Subaltern Studies, Überlegungen, die für eine anarchistische Epistemologie der Geschichte sehr nützlich sein können.]]. Indem er seine Analyse auf den Menschen und nicht auf die Nation als Idee konzentriert, warnt Chaterjee unserer Meinung nach vor der Unmöglichkeit, dass jeder Einzelne, wenn er sich einer kulturellen Identität mit staatlichen Grenzen zugehörig fühlt, diese genauso schaffen und empfinden kann wie jeder andere auch.
Lasst uns fortfahren. Dass die in einem Staat vorherrschende Nation zumeist bestimmten Individuen und Gemeinschaften zwangsweise aufgezwungen wird, ist kaum zu bezweifeln. Aber wir müssen vorsichtig sein, denn es ist nicht immer die Gewalt, die einen Menschen dazu bringt, sein Vaterland zu lieben [[wir sprechen von expliziter Gewalt, denn Gewalt ist auch die Auferlegung von Identität, die wir nur allzu oft in der Schule erlebt haben.]]. Und es wäre gut, diesen Aspekt zu vertiefen, nämlich den der freiwilligen Zustimmung (A.d.Ü., adhesión, kann auch Beitritt bedeuten), ein Thema, das zweifelsohne eine eigene Analyse verdient. Doch parallel zu dieser „natürlichen“ und „unreflektierten“ Sympathie, die zum Beispiel aus dem geografischen und familiären Umfeld erwachsen kann, gibt es eine obligatorische nationale Ideologisierung, die vom Staat ausgeht [[Bakunin spricht von natürlichem oder physiologischem Patriotismus. Siehe seine «Cartas sobre patriotismo», die er 1869 an die Genfer der Internationale schrieb.]]. Da diese „Zwangskonstruktion der Nation“ von den Anarchisten im Laufe ihrer Geschichte am meisten angegriffen wurde, werden wir hier nicht näher darauf eingehen [[Aus Platzgründen können wir nur diese These aufstellen, die mit der Unmöglichkeit zu tun hat, sich innerhalb eines Staates den nationalen Vorgaben zu verweigern (A.d.Ü., negieren), eine Situation, die, wenn sie durchgeführt wurde – wie es die Anarchisten und manchmal auch die Sozialisten taten – Verhaftung, Zensur und Ermordung bedeutete. Es hat auch damit zu tun, dass der Patriotismus dazu benutzt wird, Menschen und Ideen sowie Ideologien, die als „fremd“ gelten, zu delegitimieren. Dieses Gefühl der Abneigung gegenüber Fremden, das durch das Vaterland geschützt wurde, wurde in Gesetze und zahlreiche Zwangsmechanismen umgesetzt. Was den chilenischen Fall betrifft, so haben wir uns in «Arde la patria. Los trabajadores, la guerra de Don Ladislao y la construcción forzosa de la nación en Chile (1918-1922)», damit befasst]].
Wir haben gesagt, dass der Staat seine Nation denjenigen aufzwingt, die auf seinem Boden leben. Wie nicht anders zu erwarten, führt dies unweigerlich zu internen Spannungen zwischen den anderen Identitäten, die ihren Raum für Freiheit und autonome kulturelle Entwicklung suchen. Ein Beweis dafür sind die ethnischen Konflikte, die bis heute überall auf der Welt ausgetragen werden und von denen auch das alte Europa nicht verschont bleibt. Die Basken in Spanien sind ebenso wie die Mapuche in Chile ein anschauliches Beispiel dafür, wie andere als die offiziellen Kulturen zwischen Widerstand und Assimilation, zwischen Trauer und Domestizierung kämpfen.
II.- Nationalismen
Wenn die Nation in erster Linie ein kulturelles Konstrukt ist, dann ist der Nationalismus die Ideologie, die die Verbreitung und die Achtung der Werte und Merkmale, die sie ausmachen (Geschichte, Sprache, Tradition usw.), gewährleistet. Es gibt jedoch verschiedene Arten von Nationalismus/Nationalismen (ökonomisch, religiös, kulturell usw.), wobei die vorherrschende diejenige ist, die die Nation mit dem Staat verbindet, d. h. die auf einer etatistischen Vorstellung von der Nation beruht. Ebenso stellen wir fest, dass es Nationalismen gibt, die explizit gewalttätig sind, und andere, die es offensichtlich nicht sind. Erstere agieren in der Regel in einem exklusivistischen, suprematistischen Ton. So etwas wie „Mein Land ist das beste, die anderen müssen unterlegen sein“.
Für Anarchisten ist es daher üblich geworden, Nationalismus in Verbindung mit Fremdenfeindlichkeit und Militarismus als Teile derselben Medaille zu sehen. Dafür gab es viele Gründe, und wir werden jetzt nicht darüber sprechen, aber es ist notwendig, eine Abgrenzung zwischen Nationalismus und nationalistischer Gewalt zu versuchen, um das Konzept besser zu verstehen, sonst verfallen wir in Karikaturen und verstehen nicht, warum Millionen von Menschen bereit sind, ihr Leben für eine Idee zu geben, die wir in den meisten Aspekten als künstlich und autoritär betrachten.
Nationalismus ist zweifelsohne ein komplexes Phänomen. Im Allgemeinen sehen wir es, wie oben erwähnt, als die Sehnsucht, die eigene Nation über die der anderen zu stellen, und so scheint es auch von der Mehrheit der Bevölkerung verstanden zu werden. Wenn nicht, muss man sich eben eine Fußballweltmeisterschaft ansehen. Aber es gibt wichtige Unterscheidungen zu treffen.
Zweifellos ist der faschistische Nationalismus nicht dasselbe wie der Nationalismus von Völkern, die innerhalb und gegen einen anderen Staat-Nation kämpfen. Und so wie es einen gewalttätigen Nationalismus gibt, gibt es auch einen friedlichen Nationalismus, wie den derjenigen, die behaupten, dass es wünschenswert und möglich ist, dass alle Nationen ohne Konfrontation zusammenleben. Es gibt eine Reihe von Unterschieden zwischen den beiden. Um unsere Argumentation zu untermauern, möchten wir jedoch auf die Unterschiede zwischen den Nationen des Staates und den Nationen, die in einen Konflikt innerhalb des Staates verwickelt sind, hinweisen. Im Allgemeinen neigen Anarchisten natürlich dazu, gegen die Nationen des Staates zu kämpfen, aber wenn es um letztere geht, kommt es manchmal zu Komplikationen.
III.- Wenn Kultur Widerstand ist. Nationen ohne Staat.
Die Probleme der Anarchisten, die Nation zu interpretieren oder sich in Bezug auf sie zu positionieren, beginnen in der Regel, wenn sie mit staatenlosen Nationen arbeiten oder in ihnen leben. Lange Zeit war es ein libertärer Irrtum, die Nation mit dem Staat zu identifizieren, obwohl eine kulturelle Gemeinschaft nicht notwendigerweise über eine staatliche Struktur verfügt, um sich anderen aufzudrängen [[siehe unser Interview mit Asel Luzarraga „De vascos, mapuches y anarquistas“, in El Surco, Santiago, Región chilena, nº 13, März 2010]]. Dies gilt auch für Anarchisten, die in einem anderen kulturellen oder nationalen Umfeld als dem offiziellen leben, wie z.B. die Basken in Spanien oder die Mapuche in Chile, um auf die von uns verwendeten Beispiele zurückzukommen.
Wir haben gesagt, dass es Fälle gibt, in denen die Nation als ein Element des Widerstands gegen einen Staat verstanden werden kann. In diesen Fällen würde der Weg, den einige Anarchisten einschlagen, darin bestehen, jede Nation zu unterstützen, die versucht, sich von der Herrschaft einer anderen zu befreien, solange diese Befreiung nicht einen Rollentausch zwischen Unterdrückern und Unterdrückten impliziert. Empathie wäre in diesem Fall der Kampf um die ungehinderte Entwicklung der eigenen Kultur, der eigenen Form der Kosmogonie, der eigenen Sichtweise der Welt (soweit die Nation das bestimmt). Dies erklärt zum Teil, warum einige Gefährten die nationalen Befreiungskriege als einen Aktionsraum betrachtet haben. Eine Entscheidung, die in vielen Fällen von Idealisierungen und mangelnder Kritik begleitet wurde, obwohl es viele gute Gründe dafür gibt [Anarchisten wie Bakunin waren für die slawischen Völker, die gegen die Imperien kämpften, die sie unterjochten]. Diejenigen, die dies getan haben oder tun wollen, müssen jedoch die Nichtexistenz von Theorien zu diesem Thema retten, denn die Vereinigung der Nation mit dem Anarchismus bleibt mehr als ein richtiger oder gewünschter Weg, eine offene Frage, obwohl Bakunin selbst und andere wie Gustav Landauer sie vor langer Zeit skizziert haben. Aber ich habe Zweifel: Angenommen, diese unterdrückten Nationen wollen keinen Staat für sich selbst, was eine recht großzügige Hypothese ist und weit von dem entfernt ist, was wir heute sehen: Inwieweit sind diese marginalisierten Nationen nicht ebenso künstlich konstruiert wie Nationalstaaten?
Betrachten wir dazu ein Beispiel: den Konflikt zwischen Mapuches und Chilenen (Mestizen) innerhalb des Staates Chile. Vielleicht kann man eine Parallele zu dem ziehen, was zwischen Spaniern und Basken geschieht. Grob gesagt, haben die Chilenen die Macht (politisch, kulturell und ökonomisch) und die Mapuches haben sie nicht. Und es ist nicht so, dass Macht ein „Ding“ ist und nicht auf verschiedenen Ebenen wirkt, wir beziehen uns nur auf ihre traditionelleren Ausdrucksformen. Die konkreten Unterschiede scheinen abgrundtief zu sein: Die einen haben das Vermögen, die Waffen, das Land, die staatlichen Institutionen, die anderen hingegen haben nur ihre „Kultur“ und den legitimen Wunsch, das zurückzuerhalten, was ihnen gewaltsam genommen wurde [Wie so viele indigene Völker wurden die Mapuche nach einem langen Prozess des Krieges, der Einschleppung von Krankheiten, der Auferlegung von Produktionsweisen und westlicher Kultur usw. in die „Souveränität“ des chilenischen Staates kooptiert]. Das ist wahr, sehr wahr, aber wie viel von dem, was wir heute von den Mapuche und den indigenen Völkern im Allgemeinen verstehen, ist Idealisierung und schematische Homogenisierung? Wie kann man in diesem Fall die Menschen, die am Meer leben, mit denen, die in den Anden leben, die Städter mit denen vom Land, die Verwestlichten mit denen, die nicht verwest sind, die, die das Land zurückgewinnen wollen, und die regierungsfreundlichen Bauern, die Machis [[Machis sind Menschen, die Träger der Weisheit sind, Heiler, im Westen würde man sie als „Zauberinnen“ bezeichnen, obwohl die Analogie nicht exakt ist.]] mit den Ureinwohnern, die Polizeiuniformen tragen, mit denen, die in Argentinien leben, mit denen, die in Chile leben, mit den Mestizen und denen, die sagen, sie seien keine Mestizen?
Um all dieses Babel zu vereinen, war es notwendig, eine gemeinsame Identität, eine Nation, zu schaffen, oder, um es euphemistisch auszudrücken, zu erfinden. Es musste ein Weltbild konstruiert werden, indem man auswählte, was in dieses Weltbild passt und was nicht. Und man sei gewarnt: Der Staat hat dabei nicht immer seine schmutzige Nase hineingesteckt. Diese Schöpfung geschah natürlich nicht per Dekret, auch nicht in kurzer Zeit und schon gar nicht auf der Grundlage künstlicher Elemente. Denn der Berg, die Flüsse und das Land sind real, ebenso wie die Brüderlichkeit vieler Mapuche und indigener Völker im Allgemeinen – wenn auch nicht aller ihrer Mitglieder – mit den natürlichen Elementen und der gemeinsamen Sprache, dem Gefühl der Verwurzelung und den phänotypischen Wurzeln; ebenso real wie der Einfluss der Machis und Caciques, die Usurpation der Ländereien und das zu ihrer Verteidigung vergossene Blut. All dies geschah und geschieht, aber es sind Tatsachen, die von einer gemeinsamen Identität überlagert werden, so dass die Erfahrung einiger – oder der meisten – allen aufgezwungen wird. Diese Überlagerung, ein langer und komplexer Prozess der Auswahl und Unterscheidung ihrer Charaktere, ist es, was – so glaube ich – eine Nation, was auch immer sie sein mag, historisch konstituiert (und daher anfällig für Veränderungen und/oder Zerstörung) macht. In diesem speziellen Fall hat vielleicht etwas Ähnliches wie ein anderer Punkt von Chaterjee stattgefunden, nämlich die Konstruktion einer Nation im Gegensatz zu anderen.
Er hat festgestellt, dass der Nationalismus in Indien – der von ihm untersuchten Region – größtenteils ein Erbe Europas war, da die britische Herrschaft über dieses Gebiet die zuvor zersplitterten oder nur lose zusammenhaltenden Einwohner zwang, sich als Antwort auf den anderen, den Eindringling, zusammenzuschließen. Es gab zwar eine Art spirituellen oder religiösen Nationalismus, aber die Sehnsucht nach Nationalismus in seiner politischen Dimension (mit Territorium, Verwaltung und begrenzter Souveränität) wurde von den Unterdrückern importiert. Wie man sich vorstellen kann, gab es die Idee der Nation in ihrem modernen Sinn vorher nicht. Die Vorherrschaft des britischen Weltreichs brachte ungewollt die Begeisterung für die Idee des Staates-Nation in seine Kolonien und damit die Unabhängigkeitsbewegungen. Vielleicht geschah etwas Ähnliches mit den spanischen Siedlungen, die heute die modernen lateinamerikanischen Staaten bilden.
Im Falle der Mapuche entstand die Idee der Nation und damit diese Art von indigenem Nationalismus zum Teil durch den Krieg mit dem spanischen Reich und dann in der Konfrontation mit der anderen erfundenen Nation, die wir heute als Chile kennen. Das eine wird – zum Teil – im Gegensatz zum anderen definiert. Dies ist zugegebenermaßen eine etwas leichtfertige Erklärung, denn es gab sicherlich einen viel komplexeren Prozess als den, den wir skizziert haben. Dennoch scheint es einige Aspekte zu erfüllen.
IV.- Anarchismus und Nationen.
Das nationale Problem wird seit den Anfängen der revolutionären sozialistischen Bewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts diskutiert. Die Antwort war Internationalismus bis zum Gehtnichtmehr für diejenigen, die erkannten, dass die Revolution weltweit sein musste und dass der soziale Kampf der Arbeiter (damals die unbestrittene Avantgarde der Revolution) mit dem ihrer Mitstreiter überall auf der Welt verbunden war. Die verschiedenen politischen Schulen, die sich in der Ersten Internationale (1864-1876) zusammenfanden, hatten keine größeren Differenzen bei der Verteidigung dieser Prinzipien, obwohl später Anarchisten und Marxisten darüber stritten. Für die damaligen autoritären Sozialisten (Kommunisten) war der Kampf zwar seinem Wesen nach supra-national, aber „die Arbeiterbewegung war ihrer Form nach national, in dem Sinne, dass die Arbeiter mit ihrer eigenen Bourgeoisie „abrechnen“ mussten. Und da die Arbeiterklasse in jedem Land die politische Macht erobern musste, musste sie notwendigerweise als nationale Klasse auftreten“ [[Lewis Lorwin, Historia del Internacionalismo obrero, t. I, Ercilla, Santiago, 1937, S. 38; siehe auch Jaleé, Pierre, El proyecto socialista (aproximación marxista), ANAGRAMA, Barcelona, 1976, S. 160; und G.D.H. Cole, Historia del Pensamiento Socialista. T. II: Marxismo y Anarquismo (1850-1890), Fondo de Cultura Económica, Mexiko, 1958]]. Indem sie auch die Autorität und damit den Staat bekämpften, konnten die Anarchisten dem nicht zustimmen.
Es gab eine Zeit, in der sich der Anarchismus theoretisch mit der Nation verband, und zwar gerade in ihrer Eigenschaft als Element des Widerstands gegen die unterdrückenden Staaten. Dies geschah zum Beispiel mit Bakunins panslawistischer Gesinnung und seinem Kampf gegen das preußische Kaiserreich. Gleichzeitig warnte der russische Revolutionär jedoch: „Das Vaterland und die Nationalität sind, wie die Individualität, natürliche und soziale, physiologische und historische Tatsachen zugleich; keines von beiden ist ein Prinzip. Nur das, was universell und allen Menschen gemeinsam ist, kann als menschliches Prinzip angesehen werden; die Nationalität trennt die Menschen und ist daher kein Prinzip. (…) Jeder, der aufrichtig nach Frieden und internationaler Gerechtigkeit strebt, sollte ein für allemal auf das verzichten, was man Ruhm, Macht und Größe des Vaterlandes nennt, auf alle egoistischen und eitlen Interessen des Patriotismus“.
Im Laufe der Jahre und vielleicht durch die Konsolidierung der modernen Staaten wurde diese Verbindung jedoch zurückgedrängt, bis eine antinationale („anationale“, würde Rocker sagen) Perspektive vorherrschte, ohne dass es viel Widerspruch gab. „Unser Vaterland ist die Welt“ war der Slogan schlechthin. So wurde jeder Versuch, mit den Nationen zu sympathisieren, als Ketzerei gebrandmarkt. Kropotkin wusste das sehr gut bei seinen deutschfeindlichen Ausbrüchen im Ersten Weltkrieg, als ihn weder die Jahre noch das Ansehen, das er sich als libertärer Denker erworben hatte, vor dem Ausschluss aus der Bewegung bewahrten, als er unter dem Vorwand der Rettung der westlichen Zivilisation seine Sympathien für Frankreich nach außen trug [[Luigi Fabbri, Malatesta, Editorial America lee, Buenos Aires, 1945]].
Die Absicht, den Anarchismus mit der Nation zu problematisieren, erlebte eine wichtige Wiederbelebung nach der Mitte des 20. Jahrhunderts, als die damaligen Libertären, vor allem die Europäer, sich angesichts der antikolonialen Kriege oder der nationalen Befreiungskriege (wie in Algerien) positionieren mussten. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, einen Text des damals – 1976 – jungen Alfredo Bonanno zu diskutieren. Darin verurteilt der italienische Insurrektionalist, dass die Anarchisten ihrem Internationalismus „eine Erklärung von Prinzipien entgegensetzen sollten, die weder vage noch abstrakt, sondern konkret und klar definiert sind“. Gleichzeitig wetterte er gegen einen gewissen „idealistischen Anarchismus“, der unter Berufung auf einen abstrakten Universalismus praktische Lösungen für die Probleme der Zeit, wie die nationale Frage, scheute. Was den Begriff der Nation an sich betrifft, so hat der Italiener nicht wirklich etwas beigetragen und sich in seinen Ausführungen auf Bakunin bezogen, der darauf hinwies, dass der Patriotismus etwas Natürliches, Historisches und Wirksames ist. Wichtig ist meines Erachtens die Betonung der Rolle der Nation als Grundlage für die Gesellschaft der Zukunft, in der freie, von Nationen abgegrenzte Föderationen an die Stelle des Staates und seiner künstlichen politischen Grenzen treten. Der nationale Föderalismus, für den Bonanno plädiert, dürfe nicht mit dem Separatismus der Marxisten verwechselt werden, der auf die Schaffung neuer Staaten abziele. Ohne ihre Apologie des Klassenkampfes aufzugeben und in Anlehnung an die Anarchisten der Front Libertaire wird angedeutet, dass der Feind nicht eine fremde Nation ist, sondern die Bourgeoisie und jede Nation [[In einem merkwürdigen Zusammenhang argumentiert die Front Libertaire, dass „die ethnische Kultur nicht das ist, was allen Menschen gehört, die in einem gemeinsamen Territorium geboren wurden oder leben oder die dieselbe Sprache sprechen. Es ist die Kultur derjenigen, die in einer bestimmten Gruppe die gleiche Ausbeutung erleiden. Die ethnische Kultur ist eine Klassenkultur und deshalb eine revolutionäre Kultur“. Das Einzige, was wir aus diesem Zitat – auf das sich Bonanno bezieht – retten können, ist der erzwungene Wunsch, eine hegemoniale kulturelle Frage in Form einer Klassenfrage zu lesen]]. Die Antiautoritären, so argumentiert der Räuber, müssen sich weigern, sich an den nationalen Befreiungsfronten zu beteiligen [Obwohl der Autor 1985 diesbezüglich schrieb: „Jede Verringerung der Macht der Staaten ist eine positive Bewegung, die größere, wenn auch eingeschränkte Räume der Freiheit, konsequentere Verteidigungsbewegungen, Hoffnungen auf bessere Zeiten, auf das Überleben, wenn man so will, aber auch organisatorische Formen des Kampfes ermöglicht, die die repressiven Giganten leicht zerstören. Die Teilnahme an den Kämpfen, die Staaten zerfallen lassen, ist daher eine positive Bewegung, und in diesem Bereich waren die nationalen Befreiungskämpfe – leider nicht immer – Gelegenheiten, den monolithischen Charakter der Macht zu durchbrechen und mögliche Linien der sozialen Divergenz vorzuschlagen, Alternativen, die in der Lage sind, verschiedene praktikable Wege aufzuzeigen“. Aus dem Buch No podréis pararnos. La lucha anarquista revolucionaria en Italia. Ed. Klinamen (2005). Anm. E.Z.]], und an den Fronten der Klassen teilnehmen, „müssen den nationalen Befreiungskämpfen ihre ganze Unterstützung geben, konkret in der Teilnahme, theoretisch in den Analysen und Studien“ [[Alfredo Bonanno, „Anarchismus und nationaler Befreiungskampf“, 1976]]. Mit der Beendigung der nationalen Befreiungskriege wurde die Debatte, von der Bonanno sprach, für die „Mehrheit“ der internationalen anarchistischen Bewegung verwässert und marginalisiert.
Anarchisten haben sich historisch mit ihrem Internationalismus auseinandergesetzt [[Bakunin skizzierte eine frühe Kritik am Nationalismus. Unter den anderen Texten ragen die „Briefe über den Patriotismus“ von 1869 heraus. Der Russe wies darauf hin, dass der Patriotismus aus vier Elementen besteht: 1. dem physiologischen (natürlichen) oder instinktiven, das mit dem Kampf der Spezies (Darwin) zusammenhängt; 2. dem ökonomischen; 3. dem politischen und 4. dem religiösen oder fanatischen]] und wenn wir in die Vergangenheit blicken, finden wir auf der Suche nach Antworten dieser Ideologie auf das „nationale Problem“ oft den Begriff „Region“, den die Gefährten verwenden, um einen geografischen Raum zu bezeichnen, der sich in den meisten Fällen (oder in den am meisten erinnerten) auf einen Staat bezieht. Bereits 1870 schloss sich die iberische Sektion, die den antiautoritären Flügel der Ersten Internationale vertrat, zum spanischen Regionalverband zusammen. In Lateinamerika wurden Jahre später die Federación Obrera Regional Argentina (FORA) (1901), die Federación Obrera Regional Uruguaya (1904), die Federación Obrera Regional Peruana (1912), die Federación Obrera Regional Paraguaya (1906), die Federación Obrera Regional Venezolana (1958) und die Federación Obrera Regional Chilena (1913 und 1926) gegründet, alle mit anarchistischen Wurzeln. Und es ist festzustellen, dass es in keinem Fall eine organische Verbindung zwischen diesen Gewerkschaften/Syndikaten gab. Die damaligen Gefährten wiesen darauf hin, dass die Bezeichnung „Regional“ im Falle von FORA beispielsweise darauf zurückzuführen sei, dass „die politische Aufteilung des Territoriums nicht akzeptiert wird, da eine Region eine Nation, eine Provinz ein Bezirk und eine Stadt eine Ortschaft ist“ [[Diego Abad de Santillán, La FORA. Ideología y trayectoria del movimiento obrero revolucionario en la Argentina, Libros de Anarres, Buenos Aires, 2005 (Originalausgabe: Nervio, 1933), S. 122]]. Es war eine Antwort, die uns von der symbolischen Welt der Anarchisten erzählt, von ihrem Versuch, selbst in den kleinsten Details und in ernsten Momenten (wie den Antikriegskampagnen) den Nationalismus zu überwinden. Denn auch wenn die Grenzen nicht durch eine Änderung der Worte aufgehoben werden, so wurde doch der Wunsch bekräftigt, heute mit der Traumrealität von morgen zu beginnen.
Das Problem, das wir damals wie heute mit denjenigen haben, die von „Regionen“ anstelle von Ländern sprechen, ist, dass das Wort selbst keine Anerkennung der verschiedenen kulturellen Identitäten, die in einem Staat leben, impliziert, und wir scheinen die künstliche Nation, die vom Staat geschaffen wurde, aufrechtzuerhalten, indem wir uns auf dieselben Grenzen beziehen, die diese sehr komplexe Sache geschaffen hat. Wir haben dieses Problem nicht gelöst. Teillösungen könnten darin bestehen, „in“ dem Wort „von“ vorzuziehen, um auf die Herkunft oder den Aufenthalt von Personen zu verweisen (Anarchisten in Spanien, nicht Anarchisten aus Spanien), von Städten statt von Ländern zu sprechen (Personen aus Valparaíso, nicht Personen aus Chile), und so weiter. Die Verwendung des Wortes „Region“ zur Bezeichnung eines Landes ergibt jedoch Sinn, wenn es der spanische Staat und nicht etwa der deutsche Staat ist, der diejenigen unterdrückt, die in dem Gebiet leben, das er als sein Territorium betrachtet, und diese Realität kann nicht ignoriert werden. Obwohl alle Staaten die Unterwerfung der Bevölkerung unter ihre Souveränität wollen und wir Anarchisten gegen alle Staaten sind, leben wir in einer Umgebung, die von einigen verwaltet wird und von anderen nicht. Aus diesem Grund und trotz der Tatsache, dass es eine anstehende Reflexion gibt, ist es immer noch sinnvoll, von einer Region zu sprechen [[Und zwar deshalb, weil der Begriff Nation unter Libertären immer Misstrauen hervorgerufen hat. Tatsächlich trägt die spanische anarchosyndikalistische Confederación Nacional de los Trabajadores (CNT) diesen Namen nicht aus Sympathie für das betreffende Konzept, sondern um zu vermeiden, dass das Akronym einer ähnlichen Organisation, der französischen CGT, kopiert wird. Siehe Alfredo Velasco Nuñez, El hilo negro vasco. Anarquismo y anarcosindicalismo en el País Vasco (1870-1936), Bilbao 2010, S. 65]].
V. Ein vorübergehender Ausweg.
Lasst uns zurückkehren. Da wir die Regierung oder ihre Nationen nicht anerkennen, sind wir überall Ausländer, obwohl wir jedes Recht haben, überall zu leben, da niemand sich aussucht, wo und in welcher Kultur er geboren wird. Und genau aus dieser Realität sollte sich das anarchistische Misstrauen gegenüber der Nation ergeben, gegenüber jeder Nation, selbst der intimsten und konkretesten, denn jede Auferlegung ist Gewalt und Autoritarismus. Wir können ein Terroir (Verwurzelung) oder unsere kleinen Nationen so sehr lieben wie unsere kleinen Brüder, eine süße Zuneigung, aber meistens nicht gewählt. „Die patriotische Leidenschaft ist offensichtlich eine Leidenschaft der Solidarität“, wie Bakunin zu Recht feststellte. In unserem Fall sollten wir in der Lage sein, durch unsere Gesten, Taten und Gedanken zu zeigen, dass Solidarität über Blut-, Gemeinschafts-, Staats- und Kulturgrenzen hinausgehen kann. Die Familie ist unsere erste Auferlegung, so schön sie auch sein mag, aber dennoch eine Auferlegung. Die Familie und die Nation haben insofern viel gemeinsam, als sie dazu neigen, sich unkritisch zu lieben. Aber Freiheit entsteht meiner Meinung nach, wenn man sich seine eigene Identität schafft und nicht, wenn man sie vererbt bekommt.
Wir wollen keine Welt der identischen Massen, die die gleiche Sprache sprechen und die gleiche Uniform tragen, das ist nicht unsere Gleichheit. Wir streben eine Welt an, in der jeder Mensch sich in Solidarität mit anderen entwickelt, in der jeder die Elemente seiner Identität frei wählt und in der dies niemals zur Unterdrückung der einen gegenüber den anderen führt.
Vielleicht ist dies der Kern dieses Papiers, d.h. welche Diskussion wir zum Nachdenken anregen möchten. Ich bestreite nicht, dass es Faktoren der kollektiven kulturellen Identität gibt, die mit anarchistischen Ideen vereinbar sind. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Schaffung von Identität ein ausschließlich individueller Prozess ist – die erzwungene Konstruktion von Identität wird nicht ohne Grund kritisiert. Ich betone vielmehr die Art und Weise, wie diese Informationen von den Einzelnen aufgenommen und verarbeitet werden. Wenn sie unkritisch und passiv aufgenommen wird, würde ich zweifellos behaupten, dass wir es mit einer Zumutung zu tun haben, mit einem Akt des Autoritarismus (unabhängig davon, ob unsere Identität von einer anderen unterdrückt wird oder nicht). Und ich bestehe darauf, dass diese Indoktrination von allen erdenklichen Liebschaften begleitet sein mag, aber das entbindet sie nicht von ihrem ungewählten Charakter. Ebenso ist es klar, dass jede individuelle Entscheidung durch die Ideen vermittelt wird, die im Kopf eines Individuums entstehen, das in eine bestimmte konkrete Realität mit einem Universum von begrenzten Alternativen eingebettet ist. Letzteres würde die vermeintliche Autonomie bei der Wahl der eigenen Identitätselemente in Frage stellen, da unser Wahlhorizont im Allgemeinen bereits durch unseren Platz in der Welt (kulturell, politisch, wirtschaftlich usw.) begrenzt ist. Eine Wahl zu treffen, und dies sogar angesichts begrenzter Alternativen, scheint jedoch kohärenter anarchistisch zu sein als sich aufzwingen und reproduzieren zu lassen, ohne die von Dritten stammenden Bräuche und Kulturen zu kritisieren.
Und so viel dazu. Wir hoffen, dass diese Zeilen – trotz unserer Unkenntnis in verschiedenen Bereichen – zur notwendigen Debatte zwischen den Nationen und dem Anarchismus beitragen werden.
Manuel de la Tierra
Santiago, chilenische Region. Dezember 2010
1Zum Vergleich hier auf Französisch: L’histoire des peuples qui ont une histoire est, dit-on, l’histoire de la lutte des classes. L’histoire des peuples sans histoire, c’est, dira-t-on avec autant de vérité au moins, l’histoire de leur lutte contre l’État.
Auf Englisch: It is said that the history of peoples who have a history is the history of class struggle. It might be said, with at least as much truthfulness, that the history of peoples without history is the history of their struggle against the State.
Auf Spanisch: La historia de los pueblos que tienen una historia es, se dice, la historia de la lucha de clases. La historia de los pueblos sin historia es, diremos con igual grado de verdad, la historia de su lucha contra el Estado.
2In den letzten Jahren vor allem in Bezug auf Katalonien, Kurdistan, die Gebiete der Mapuche und davor Nord-Irland, Baskischen Länder, Palästina, usw.
3Inwieweit Nation und Vaterland, Nationalismus und Patriotismus dasselbe sind, sich in Nuancen unterscheiden, oder was auch immer, dies überlassen wir deren Vertreterinnen und deren Befürwortern.