Anarchie vs. Nationalismus (Textsammlung aus Katalonien)

Die Irrwege der anarchistischen Bewegung sind vielseitig. Die Annahme dass viele Fragen und Positionen über die Jahrzehnte klar wären ist eine falsche, wie es viele Ereignisse immer wieder zeigen. Der Anarchismus der sich als Ziel gesetzt hat die Herrschaft des Kapitals und aller Staaten ein Ende zu setzen, scheint immer wieder von der Bahn zu kommen.

Wir nehmen die Beispiele von diversen nationalen Befreiungsbewegungen, wie die katalanische, die baskische, die kurdische, oder jetzt auf einer komplett neuen und deformierten Art, die des ukrainischen Staates, der sich, obwohl eigener souveräner Staat, nicht nur aufgrund des Krieges, sich von der Schirmherrschaft der Russischen Föderation befreien will.

Was all diese Bewegungen, viele andere Beispiele die aufgelistet werden könnten fehlen, die sich als fortschrittlich und emanzipatorisch darstellen, gemein haben, ist dass sie sich als Staat-Nation konsolidieren wollen, sei es in Form der Bildung eines Staates-Nation und/oder sich von der Herrschaft dritter zu befreien.

All dies enthält in sich axiomatische Argumentationen, moralischer Natur, denn es geht letztendlich um das Böse und das Gute, um das Böse gegen das Gute, und die Intentionen letzteren muss man schon gar nicht mehr erklären, weil eben gut. Keine Kategorien die wir verwenden, denn wir sind weder gut noch böse, genauso wie unsere Ziele, es sind historische Bedürfnisse die wir als ausgebeutete haben die uns vorantreiben, um die kapitalistische Realität ein Ende zu setzen.

Wir sehen also einen eklatanten Widerspruch und sagen ganz klar dass wer heutzutage darüber diskutieren will ob man einen Krieg gegen den Staat führen muss oder nicht, ob das Privateigentum zerstört werden muss oder nicht, ob man wählen soll oder nicht, ob man die Lohnarbeit abschaffen muss oder nicht, wird alles mögliche sein, außer ein Anarchist, eine Anarchistin oder Revolutionär. Dies gilt vielen Dingen mehr, aber was die Unterstützung, was die Teilnahme an einer solchen Bewegung, die nichts anderes sucht als die Herrschaft einer heimischen Bourgeoisie gegen eine fremde Bourgeoisie zu unterstützen, sich damit zu solidarisieren, nun wer so einen Weg geht, hat nichts mit Anarchismus zu tun. Sogar die Begriffe fremd und heimisch können willkürlich geändert werden, aber am Ende handelt es sich immer nur um Interessen, seien diese ökonomische oder politische. Mit emanzipatorisch, ja sogar befreiend hat all dies nichts zu tun.

Über all dies könnten wir, was andere schon getan haben, tausende von Seiten schreiben. Auch dies wird noch eine Aufgabe sein an der wir uns widmen werden müssen.

Wir haben daher eine Broschüre aus Katalonien mit einer Textsammlung übersetzt die dieses Phänomen dort, man erinnere sich an die bewegten Jahre und den Höhepunkt des katalanischen Separatismus zwischen 2012 und 2021, also den sogenannten ‚Proces‘, angreift, genauso wie die Teilnahme daran vermeintlicher anarchistischer Gruppen.

Wie immer, wir haben den Text ganz treu nach dem Original übersetzt, dass heißt wir haben den Begriff „Volk“ auch verwendet, genau da wo die Rede von „pueblo“ ist. Wir selbst lehnen diesen Begriff ab und verwenden den selbst nicht.

Soligruppe für Gefangene, 04.04.2023


Anarchie vs. Nationalismus


Unangebrachte Verwirrungen von Tomás Ibáñez

Wenn es in Katalonien zu so drastischen Veränderungen kommt, wie sie seit den Massendemonstrationen vom 15. Mai 2011 stattgefunden haben, ist es schwierig, nicht eine gewisse Verwirrung zu spüren.

Wie konnte es dazu kommen, dass einige der kämpferischsten Gruppierungen der katalanischen Gesellschaft von der „Umzingelung des Parlaments“ im Sommer 2011 dazu übergingen, die Institutionen Kataloniens im September 2017 zu verteidigen?

Wie konnte es dazu kommen, dass diese Gruppierungen/Bereiche der Gesellschaft nicht mehr den Mossos d’escuadra auf der Plaça Catalunya die Stirn bieten und ihnen Grausamkeiten wie die von Esther Quintana oder Andrés Benítez vorwerfen, sondern ihre Präsenz auf den Straßen begrüßen und befürchten, dass sie keine volle Polizeiautonomie haben?

Wie konnte es dazu kommen, dass einige dieser Gruppierungen die Regierung nicht mehr für ihre unsoziale Politik anprangern, sondern kürzlich für ihren Haushalt stimmten, und wie konnte es dazu kommen, dass bestimmte Gruppierungen des Anarcho-Syndikalismus nicht mehr behaupten, dass Freiheiten niemals durch Wahlen erreicht werden konnten, sondern nun die Möglichkeit verteidigen, dass sie den Staatsbürgern gegeben werden?

Die Liste der Fragen ließe sich noch lange fortsetzen und auf die wenigen, die hier formuliert wurden, könnten viele Antworten gegeben werden. In der Tat können Faktoren wie die Erschöpfung des ’78er Zyklus, die ökonomische Krise mit ihren entsprechenden Kürzungen und Unsicherheiten, die Etablierung des rechten Flügels in der spanischen Regierung mit ihrer autoritären Politik und der Beschneidung von Freiheiten, die skandalöse Korruption der Mehrheitspartei usw., usw. angeführt werden.

Es wäre jedoch naiv, von diesen Antworten diejenige auszuschließen, die auch den außergewöhnlichen Anstieg der nationalistischen Stimmung berücksichtigt. Ein Aufschwung, der zweifelsohne durch die von mir genannten Faktoren begünstigt wurde, der aber auch durch die Strukturen der katalanischen Regierung selbst und ihre Kontrolle über das öffentliche katalanische Fernsehen eine große Portion Treibstoff erhalten hat. Mehrere Jahre anhaltender nationalistischer Eifer konnten nicht ohne wichtige Auswirkungen auf die Subjektivitäten bleiben, zumal die Strategien zur Verbreiterung der Basis des katalanischen Nationalismus außerordentlich intelligent waren und sind. Die Macht eines Narrativs, das auf dem Recht zu entscheiden aufbaut und auf dem Bild der Wahlurne und der Forderung nach Wahlfreiheit basiert, war außergewöhnlich und konnte perfekt die Tatsache verschleiern, dass ein ganzer Regierungsapparat an der Förderung dieses Narrativs beteiligt war.

Heute ist die Estelada (rot oder blau) (A.d.Ü., es geht um die Fahne die den katalanischen Separatismus symbolisiert) ohne den geringsten Zweifel das emotional aufgeladene Symbol, unter dem sich die Massen mobilisieren, und genau dieser Aspekt sollte von denjenigen nicht unterschätzt werden, die, ohne ohne Nationalisten zu sein, in den Mobilisierungen für das Referendum eine Chance sehen, die Libertäre nicht verpassen sollten, um zu versuchen, Räume mit wenn nicht revolutionärem, so doch zumindest mit starkem sozialem Agitationspotenzial zu erschließen und sich so in den Kampf gegen die Regierungen Spaniens und Kataloniens zu stürzen.

Sie sollten es nicht unterschätzen, denn wenn eine Kampfbewegung eine wichtige nationalistische Komponente enthält, und das ist im aktuellen Konflikt zweifellos der Fall, sind die Chancen auf eine Veränderung mit emanzipatorischem Charakter gleich null.

Ich würde gerne den Optimismus der Gefährten teilen, die versuchen wollen, Risse in der gegenwärtigen Situation zu öffnen, um emanzipatorische Auswege zu ermöglichen, aber ich kann meine Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass populäre Aufstände und Bewegungen für soziale Rechte nie transversal sind, sondern dass sich die herrschenden Klassen immer auf einer Seite der Barrikaden zusammenrotten. Bei Selbstbestimmungsprozessen hingegen, und die aktuelle Bewegung ist eindeutig von dieser Art, gibt es immer eine starke klassenübergreifende Komponente.

Solche Prozesse bringen immer die Ausgebeuteten und die Ausbeuter zusammen, um ein Ziel zu verfolgen, das niemals die Überwindung sozialer Ungleichheiten ist. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Selbstbestimmungsprozesse der Nationen am Ende immer die Klassengesellschaft reproduzieren und die populären Klassen wieder unterjochen, nachdem sie das Hauptkanonenfutter in diesen Kämpfen waren.

Das heißt nicht, dass wir nicht gegen die herrschenden Nationalismen kämpfen und versuchen sollten, sie zu zerstören, aber wir müssen dies tun, indem wir die aufstrebenden Nationalismen ständig anprangern, anstatt uns mit ihnen unter dem Vorwand zu verbünden, dass dieser gemeinsame Kampf uns Möglichkeiten bietet, ihre Ansätze zu überwinden und diejenigen in die Enge zu treiben, die nur die Schaffung eines neuen Nationalstaates anstreben, den sie kontrollieren können. Keine Frage, diese Weggefährten werden die ersten sein, die uns unterdrücken, sobald sie uns nicht mehr brauchen und wir genug davon haben, die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Tomás Ibañez

Barcelona, 26. September 2017


Brief an Tomás Ibañez von Miquel Amorós

Gefährte Tomás

Deine „unangebrachte Verwirrungen“ sind der beste Vertreter des gesunden Menschenverstandes und der revolutionären Vernunft, die nicht nur unter Libertären herrschen sollten, sondern unter all jenen, die diese Gesellschaft abschaffen wollen, anstatt sie zu verwalten, die ich je gelesen habe. Trotzdem wundert es mich nicht, dass viele Menschen, die behaupten, Anarchistinnen und Anarchisten zu sein, sich der nationalistischen Bewegung angeschlossen haben und mit Nachdruck das Recht verkünden, das Material zu bestimmen, aus dem ihre Ketten bestehen werden: Da ist Ricardo Mella und „das Gesetz der Zahl“! Es mangelt auch nicht an denen, die einst auf den Podemos- oder den Platformismus-Zug aufgesprungen sind und die Lumpen des Klassenkampfes gegen die neuen Kleider der Staatsbürgerschaft eingetauscht haben. Es ist typisch für den Anarchismus, dass er bei der kleinsten historischen Wegkreuzung damit kokettiert, den etablierten Mächten in die Hände zu spielen. Der spanische Bürgerkrieg ist das krasseste Beispiel dafür. Verwirrung, unwiderstehliche Anziehungskraft des Radau, Deklassierung, die Taktik des kleineren Übels, der Feind meines Feindes, was auch immer. Das Endergebnis ist folgendes: eine Masse von Hinterwäldlern, die jeder anderen Sache verfallen sind, und ein Haufen kranker Egos à la Colau oder Iglesias, die dafür bezahlen würden, sich zu verkaufen. Kurz gesagt: Schwarze Stürme wühlen die Luft auf und dunkle Wolken verhindern, dass wir sehen können (A.d.Ü., ist die erste Strofe vom anarchistischen Lied A las barricadas). Lasst uns versuchen, sie zu vertreiben.

Die Frage, die man sich stellen sollte, ist nicht, warum ein lokaler Teil der herrschenden Klasse beschließt, seine Differenzen mit dem Staat durch eine Mobilisierung auf der Straße auszutragen, sondern warum ein beträchtlicher Teil der Menschen mit gegensätzlichen Interessen, vor allem junge Menschen, als Bühnenbild und Stoßtrupp für die Kaste fungieren, die Katalonien patrimonialisiert hat, klassistisch, katholisch, korrupt und autoritär wie es nur geht. Das Spiel des katalanischen Patriotismus ist nicht schwer zu enträtseln und diejenigen, die es fördern und ausnutzen, haben nie versucht, es zu verbergen. Der „Procès“ war eine riskante Klassenoperation. Die Konsolidierung einer lokalen Kaste, die mit der ökonomischen Entwicklung verbunden ist, erforderte einen qualitativen Sprung in der Autonomie, den die Strategie des „peix al cove“ („Vogel, der fliegt“) nicht erreichen konnte. Die Weigerung der zentralen Plutokratie zum „Dialog“, d. h. zur Übertragung von Kompetenzen, vor allem finanzieller Art, blockierte den Aufstieg dieser Kaste und schränkte ihren Einfluss und ihre politische Handlungsfähigkeit gegenüber Geschäftsleuten, Industriellen und Bankern gefährlich ein, die bereit waren, sich von Souveränisten führen zu lassen, um ihre Gewinne zu verdreifachen. Die Entscheidung an der Spitze, sich für das „Zusammenprallen der Züge“ zu entscheiden, bedeutete einen radikalen Bruch mit der paktierenden Politik des politischen Katalanismus. Sie war nicht ernst gemeint, d.h. sie zielte nie auf eine einseitige Unabhängigkeitserklärung ab, sondern sollte nur dazu dienen, eine Verhandlung aus einer vorteilhafteren Position heraus zu erzwingen. Da es aber so aussehen musste, brauchte es einen gut geölten Agitationsapparat, um eine patriotische Mystik zu impfen, die die Identitätsbrühe kontrolliert zum Kochen bringen würde. Und die Mobilisierung wurde Wirklichkeit. Es war ein ziemliches Spektakel. Die Demagogie der Unabhängigkeitsbefürworter, bewaffnet mit dem Marketing der Identität, konnte sich in einer demokratischen Staatsbürgerschaft ausbreiten, mit der sie in der Lage war, Massen auf die Straße zu bringen, die zu domestiziert waren, um dies aus freien Stücken zu tun. Mit großem Geschick berührte sie den dunklen Strudel unterdrückter Emotionen und geselliger Gefühle, die sich in den Dienern des Konsums einnisten, das heißt, sie wusste, wie sie den Bodensatz der Entfremdung zu ihren eigenen Vorteil aufrühren konnte. Meiner Meinung nach wurde das Ziel erreicht, und die herrschende Staatskaste ist viel eher bereit, die postfranquistische Verfassung zu ändern, um sie besser an die katalanische Kaste anzupassen, auch wenn sie dafür einige Figuren opfern muss, vielleicht sogar Puigdemont selbst. Mächtige Vertreter des Großkapitals (z. B. Felipe González) scheinen darauf hinzudeuten.

Der Nationalismus wird von Betrügern betrieben, aber er ist kein Betrug an sich. Er ist die sentimentale Widerspiegelung einer frustrierenden Situation für eine Mehrheit von pulverisierten Subjektivitäten. Er handelt nicht rational, da er nicht die Frucht der Vernunft ist; er ist eher eine Psychose als ein Befreiungsschlag. Die Erklärung für den patriotischen Gefühlsausbruch in der katalanischen Gesellschaft wird man in der Massenpsychologie suchen müssen, und dafür werden wir Reich, Canetti oder sogar Nietzsche nützlicher finden als Theoretiker wie Marx, Reclus oder Pannekoek. Die Überzeugung und der Enthusiasmus der Menge kommen nicht von kalter logischer Argumentation oder strenger sozio-historischer Analyse; vielmehr hat es mit emotionalen Entladungen ohne Risiko zu tun, mit dem Machtgefühl, das von Menschenmassen erzeugt wird, mit dem Fetischismus der Flagge oder anderer Symbole, mit dem virtuellen Katalinismus der sozialen Netzwerke usw.., Merkmale einer entwurzelten, atomisierten und deklassierten Masse, die ohne eigene Werte, Ziele und Ideale dazu neigt, sich den Mühlsteinen zu fügen, die ihr gereicht werden. Der von der Macht der Ware und des Staates kolonialisierte Alltag ist ein Leben voller latenter und verinnerlichter Konflikte, die mit einem Energieüberschuss ausgestattet sind, der sie in Form von individuellen oder kollektiven Neurosen hervortreten lässt. Der Nationalismus, egal welcher Couleur, bietet einen hervorragenden Mechanismus, um diese Impulse zu kanalisieren, die, wenn sie bewusst werden, einen furchterregenden Faktor der Revolte darstellen würden.

Der Nationalismus spaltet die Gesellschaft in zwei paranoide Lager, die durch ihre Besessenheit künstlich gegeneinander ausgespielt werden. Materielle, moralische, kulturelle usw. Interessen spielen keine Rolle. Sie haben nichts mit universeller Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit und Emanzipation zu tun. Das katalanische Volk ist etwas so Abstraktes wie das spanische Volk, ein Gebilde, das als Alibi für eine Kastensouveränität mit ihrer bemerkenswert repressiven Polizei dient. Ein Volk kann sich nur gegen eine Macht definieren, die nicht von ihm ausgeht oder die sich von ihm abgrenzt. Deshalb ist ein Volk mit einem Staat kein Volk. Du wirst mir zustimmen, dass die Geschichte von den einfachen Menschen durch Vollversammlungen und Organe, die aus ihnen hervorgehen, gemacht wird, aber so wie die Dinge liegen, gehört die Geschichte denen, die sie am besten manipulieren. Was diese Leute tun, ist, den populären Rahmen für eine schlechte Theateraufführung zu liefern, in der eine prosaische Machtverteilung gezeigt wird. Jeder kann seine Berechnungen anstellen und in den nationalistischen Gewässern der eher ruhigen Turbulenzen navigieren oder nicht, aber er sollte nie den Kern der Sache aus den Augen verlieren.

Mit brüderlichen Grüßen,

Miquel Amorós, Alacant 27.09.2017.


Von Kapitänen und toten Fischen, nationalistische Gezeiten in Katalonien

Vielleicht haben viele von uns diesen Prozess als großen Zirkus gesehen, der gleich um die Ecke scheitern würde, vielleicht haben wir die Wirkung unterschätzt, die er in der Gesellschaft entfalten würde, und ihm keine Bedeutung beigemessen, denn vor ein paar Monaten war für viele Anarchist*innen klar, dass die Demokratie, welche Fahne sie auch immer haben mag, nur eine weitere Mauer ist, die es auf dem Weg zur Selbstverwaltung unseres Lebens einzureißen gilt, auf dem schmutzigen und widersprüchlichen Weg, der uns in die Freiheit und damit zur Konfrontation mit den falschen Kritiker*innen und den Kräften, die die Ordnung verteidigen, führen würde.

Es ist offensichtlich, dass auf den Straßen wenig Tinte in der Propaganda geblieben ist, die diesen Prozess in Frage stellt oder unsere Perspektive aufzeigt, deren Gründe jedes Individuum und jedes Kollektiv kennen wird. Es bringt also nichts, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen oder mit dem Finger auf die „anarchistische Bewegung“ in Katalonien zu zeigen (sofern sie organisch und in ihrer Gesamtheit existiert) und ihr vorzuwerfen, sie sei angesichts dieser Realität unverantwortlich. Ich wiederhole: Jedes Individuum und jedes Kollektiv ist für seine Handlungen verantwortlich, wenn es sie jetzt als strategisches Versagen ansieht.

Anarchist*innen geht wählen!

Es scheint, dass viele „ Gefährt*innen“ in der Lethargie der Dynamik, in der wir leben, die Grundlagen des Anarchismus vergessen haben.

Ich weise darauf hin, weil einige der theoretischen/praktischen Grundlagen der Internationalismus als Antagonismus zu Grenzen und Nationalismen, die Infragestellung der Autorität von Staaten und Politikern als Verwalter des Kapitals. Der globale Markt als der eigentliche Wille, mit dem die heutigen Gesellschaften dem Puls der kapitalistischen Logik mit militärischem Rhythmus folgen, sei es durch demokratische Wahlen oder Staatsstreiche.

Ich würde nichts beitragen, wenn ich die Funktionsweise des demokratischen Systems beschreiben würde, aber mich interessiert die Tatsache, dass es das Regierungssystem ist, das dem Kapitalismus am nützlichsten ist; ein System, in dem seine Untertanen (seine Beherrschten) das Gewicht ihrer Versklavung nicht spüren und daher der Kampf um ihre Freiheit nicht sehr offensichtlich ist, da sie sich bereits frei fühlen. Der herrschende Diskurs in der demokratisch-kapitalistischen Gesellschaft lautet: „Sei frei! Fühle! Experimentire!“ und natürlich „konsumiere und wähle“. Die Demokratie und der Wahlzirkus decken sich perfekt mit dieser Philosophie des heutigen Kapitalismus.

Die Perversion schließt mit einer Wahlfreiheit, die durch einen Dschungel der Legalität begrenzt ist, der von Polizeikordons umgeben ist, die die Grenze des Überlebens und des Lebens markieren. Die Berge von Stimmzetteln und die Logik der Legalität sind eine der Grundlagen für die Aufrechterhaltung dieser elitären Gesellschaft oder sozialen Klassen, die die Beherrschten ökonomisch, philosophisch und politisch kontrollieren. Der Akt des allgemeinen Wahlrechts hat einerseits eine politische Lesart in Bezug auf die Anzahl der Beherrschten, die dieses System akzeptieren.

Die Statistik der Wählerzahlen ist nicht nur eine Zahl, die eine bestimmte Partei oder einen Vorschlag anschwellen lässt, sondern sie ist eine Lesart der Konformität, mit der die Demokratie gestärkt wird. Es gibt die „bewusste“ Wahlstimme (das Subjekt, das dies versteht) und die des demokratischen Staatsbürgers, der glaubt, dass diese falsche Wahl ihn oder sie frei macht.

Aber diese beiden Arten der Interpretation dieser Tatsache verstärken nur die endgültigen Prozentsätze der Anzahl der Wähler, verstärken die Heuchelei des Systems, verstärken die Perversion der Illusion, durch die der Wähler glaubt, dass er etwas verändert, in dem Prozess, durch den er glaubt, dass er in der Wahlurne ein Kontingent an verändernder Macht hinterlegt.

Die institutionelle Kontrolle, die polizeiliche Repression und die Knäste sind ein grundlegender Bestandteil sowohl linker als auch rechter Demokratien, denn das Privateigentum wird nicht in Frage gestellt, egal woher es kommt.

Die Kordons von Tausenden von Menschen, die Städte in völliger materieller und kultureller Marginalität einkreisen, und die Millionen von ausgegrenzten Menschen, die sich um die großen ökonomischen Mächte scharen, sind ebenfalls notwendig für die Stabilität von Kapitalismus und Demokratie. Das angebotene Paradies hat seinen Preis: die Kosten für die Verdrängung und Verschmutzung des Landes außerhalb der Ordnung der Staaten und die Kosten dafür, dass diese Menschen unter anderem gebraucht werden, um das Gesetz von Angebot und Nachfrage stabil zu halten.

Wenn das scheinbare Fenster der Freiheit geöffnet wird und wir es mit einer Stimme für diese oder jene Partei, ja oder nein, abdecken, anstatt außerhalb ihrer politischen Zeiten Taten der Würde anzubieten, verstärken wir auch das Netz der Kontrolle und der Ermordung derjenigen von uns, die kein Eigentum besitzen, derjenigen, die beschlossen haben, das Rad der demokratischen Freiheit zu durchbrechen.

Wie kann ein Individuum, das sich all dessen bewusst ist, entscheiden, dass die heutige Stimmabgabe ein Akt des Ungehorsams oder Teil eines vermeintlich radikalen Wandels ist, ohne weiter darüber nachzudenken?

Es geht hier nicht darum, von anarchistischem Purismus (A.d.Ü., Reinheit) zu sprechen, denn den gibt es in keinem Ideenkomplex oder „Ismus“, niemand ist außerhalb der Inkohärenz, denn wir leben in der Inkohärenz: Die meisten politischen Inkohärenzen werden fallen, wenn das Kapital und seine Formen der Verwaltung, die der Staat hat (Demokratie, Diktatur usw.), fallen, wenn das verweigerte Eigentum, das Privateigentum, zurückgewonnen wird, wenn es keine Elite mehr gibt, die andere kontrolliert.

Aber das rechtfertigt nicht alles, denn wenn wir in Inkohärenz leben, müssen wir uns entscheiden, welche Inkohärenz wir unterstützen wollen und welche nicht. Von hier aus kann man von einer Ethik und einer Strategie sprechen, d.h. von einem untrennbaren Denken und einer Praxis, dem Norden im Sturm der Ereignisse, durch den wir ständig hindurchgezogen werden.

Für einen Anarchist*innen wählen zu gehen ist kein Vergehen an der heiligen Kirche der Anarchie, sondern offenbart nur einen Mangel an Analyse der Realität einerseits und andererseits einen Mangel an Tiefe der kollektiven und individuellen Analyse der Grundlagen anarchistischer Ideen und der Lesarten, die die Geschichte in Bezug auf Kämpfe mit nationalem Charakter hinterlassen hat.

Wählen ist keine Inkohärenz, sondern eine politische Entscheidung, die mehr Gewicht hat, wenn sie von Menschen getroffen wird, die verstehen, was sie bedeutet.

Unser Ego akzeptiert keine Widersprüche, also sucht es nach Rechtfertigungen für unsere Handlungen jeglicher Art. In diesen Tagen hören wir die unterschiedlichsten und „amüsantesten“ Rechtfertigungen von Subjekten, die sich Anarchist’innen nennen, aber keine von ihnen unterstützt die Kritik an der Demokratie als System zur Aufrechterhaltung der Logik des aktuellen Regimes.

Das Erdbeben des Nationalismus hat die Infragestellung anarchistischer Ideen mobilisiert, vor allem unter den in Katalonien geborenen Anarchist*innen. Viele von ihnen sind enttäuscht von dem, was sie noch vor Monaten für einen weiteren Pfeiler ihrer Ethik hielten. Andere stellen sich einfach taub für ihre Kritik und lassen sich von der Flut der Gefühle mitreißen, die in der Kultur, in der sie aufgewachsen sind, seit ihrer Kindheit schlummern und eingeimpft wurden. Nationalismus ist im Grunde eine Leidenschaft, und angesichts dieser Leidenschaft ist keine rationale Kritik oder historische Betrachtung möglich.

Nationalistische Konflikte als Ausweg aus sozialen Konflikten

Das exponentielle Wachstum des katalanischen Nationalismus hat eine sehr naheliegende Wurzel, obwohl der Konflikt um die katalanische Unabhängigkeit schon einige Jahre alt ist. Die katalanische Rechte hat es geschickt verstanden, die Proteste und die allgemeine Unzufriedenheit, die durch die so genannte „Krise“ ausgelöst wurden, zu befrieden und in einen Konflikt zu verwandeln, der nicht mehr auf der Straße ausgetragen wird, sondern von den politischen Kräften und Institutionen, die noch vor ein paar Jahren in Frage gestellt wurden. Diese politischen Kräfte schlagen jetzt etwas Reales, Konkretes, nicht sehr „ideologisiertes“ und positives vor: Wählen als eine Form des Kampfes.

Die großen Protestmobilisierungen in Katalonien konzentrierten sich darauf, die Banken, den Kapitalismus, die Politiker und Geschäftsleute in Frage zu stellen, die bei der Entleerung der „öffentlichen“ Kassen begünstigt wurden. Mit schmerzhaften Folgen für die Bevölkerung: Unmöglichkeit, Hypotheken zu bezahlen, Zwangsräumungen, Entlassungen, mehr Arbeitsplatzunsicherheit, Selbstmorde von Menschen, die von dieser Situation überfordert waren, usw.

Die Mobilisierungen gingen von einer Komponente des symbolischen Angriffs auf die Entitäten, die das soziale Elend verwalten, dazu über, Figuren in den Straßen Barcelonas zu bilden (z. B. das große „V“ oder das große „X“), die dazu bestimmt sind, aus der Luft fotografiert zu werden, und das alles in einer spielerischen, festlichen und nationalistischen Atmosphäre, d. h.: null Demonstration des sozialen Konflikts, in dem wir leben.

Die Massendemonstrationen sind jetzt von einem Geist der „Rebellion“ durchdrungen. Der Diskurs (um es vereinfacht auszudrücken) der „Klasse“ verschwindet und derjenige, der für alles verantwortlich ist, rückt in weite Ferne: Das heißt, der Diskurs des spanischen Imperialismus setzt sich durch. Das ist eine Meisterleistung: Einerseits wird die Idee des äußeren Feindes gestärkt (was die Bilder von 1936 in den Vordergrund rückt), wobei die Idee des heldenhaften Opfers verstärkt wird: „Spanien unterdrückt uns“; andererseits wird der katalanische Nationalismus gestärkt und die katalanische Bourgeoisie bleibt intakt. Alles in einem Zug.

Die Rechten hatten kein Problem damit, diesen Schlag von Ertrunkenen durchzuziehen, nicht weil der Kapitalismus in Katalonien zusammenbrechen würde, sondern weil sie sahen, dass andere neue Parteien bereits von all dieser sozialen Unzufriedenheit profitierten. Die Rechte brauchte einen Ausweg und fand ihn, indem sie sich diskursiv ihrem Antagonisten an der Macht annäherte: der ungleichen katalanischen Linken, dem Ideal der Einheit und der entstehenden Nation-Staat.

So wurde in der Vergangenheit die Befürwortung der Unabhängigkeit fast schon mit linkem Radikalismus assoziiert, und heute behauptet sie, ein populärer Aufschrei zu sein, sowohl auf der nationalistischen Rechten als auch auf der „radikalen“ Linken, die uns bereits gezeigt haben, was ihre Prioritäten sind, was Mittel und Ziele anbelangt.

Die CUP ist die Partei, die sich damit rühmt, direkte Demokratie auf interner Ebene zu praktizieren: Man muss nur in eines dieser großen Theaterstücke gehen, die sie Vollversammlungen nennen, um zu sehen, wie sich das Spektakel der Demokratie selbst belügt, als ob sich zwei Spiegel gegenüberstehen (das Parkett und der Tisch auf der Bühne) und so eine Wahrheit schaffen, die sich in sich selbst wiederholt: „Wir sind für Versammlungen, wir sind die wahren Basisdemokraten“ von den Türen dieser großen Theater aus riecht man den fauligen Geruch von abgestandenem Essen und wenn man sich hinsetzt, um einen Vorschlag auszuarbeiten, ist der Tisch bereits gedeckt und die Vorschläge werden noch viel mehr abgestimmt, alles ist bereits auf politisch korrekte Art und Weise gekocht, es lebe die direkte Demokratie und der Mythos der großen partizipativen Vollversammlungen.

Der Diskurs des Ungehorsams war genau die rebellische Komponente, die sie brauchten, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu kanalisieren und sie mit anderen Situationen der Rebellion auf historischer Ebene in Verbindung zu bringen. Auf diese Weise gewannen sie Sympathien auf lokaler und internationaler Ebene und ließen die Tatsache beiseite, dass der vermeintliche Ungehorsam nichts anderes als eine Strategie ist, die niemals die Hände der Herren in Frage stellen will, die die Ketten halten.

Der heute vorgeschlagene Ungehorsam ist nichts weiter als eine große Show, die nach den Regeln einer anderen, größeren und brutaleren Show abläuft: der Show der Demokratie. Alle Aktionen auf der Straße beruhen heute auf einem Gefühl der juristischen Unschuld und der verweigerten Legalität.

Der Schild der Demokratie

Wer auch immer wählt, wer auch immer gewinnt, der wahre Gewinner in diesem Konflikt sind die Institutionen und die Demokratie im Allgemeinen.

Nicht nur, weil sie nicht in Frage gestellt oder angegriffen wird, sondern auch, weil sie das Leitmotiv der Unabhängigkeitsbefürworter und der PP als Wortführerin der spanischen Einheit ist.

Beide Kräfte nutzen die Demokratie als Schild, und lächerlicherweise haben beide Kräfte in den letzten Tagen die Logik dieses Systems ausgequetscht, um ihre Strategien zu verwirklichen (die Strategie, die Volksabstimmung im Parlament zuzulassen und die verdeckte Anwendung von 155 durch die PP). Aber diese „Fummelei“ der Demokratie ist nichts anderes als die reinste Logik dieses Systems, weshalb es das profitabelste System für die Eliten Spaniens, Kataloniens und der Welt ist, denn alles geschieht innerhalb einer scheinbar neutralen Logik, während die reinste Realität ist, dass alles für die spezifischen politisch-ökonomischen Interessen jeder Partei getan wird; und die Gesetze, wenn sie nicht übergangen werden können, werden „interpretiert“. Die Ärzte der Gesetzesauslegung sind die Juristen, und dank ihnen und denen, die diese krankhaften Bedenken teilen, lässt sich in der Demokratie alles rechtfertigen: von der Registrierung konkurrierender politischer Parteien bis zur Militarisierung der Straßen.

Diese Militarisierung ist ein Markenzeichen der katalanischen Generalitat, die intelligente Kontrolle in Barcelona ist fast unvergleichlich in jeder anderen Stadt in Spanien und Europa. Die Straßen gehören uns, physisch und politisch, wenn wir diese Kontrolle in Frage stellen. Die Normalität in Barcelona ist eine extreme tägliche Militarisierung, nicht nur durch alle bestehenden Polizeikräfte – die örtliche Polizei, die Guardia Urbana, die Mossos d’Esquadra und heutzutage auch die Guardia Civil und die Policía Nacional – sondern auch durch den ehrbaren Staatsbürger, der den Diskurs des Staatsbürgersinns verinnerlicht hat.

Die Straßen Barcelonas und Kataloniens wurden nicht erst am 20. September militarisiert, der Polizeistaat ist schon lange da. Die Mannschaftswagen der Polizei stehen heute nicht nur am Hafen, sondern auch auf den großen Festivals, an den Ecken deines Viertels und vor den Werkstoren, wenn gestreikt wird.

Wir leben schon seit Jahren in einem Polizei- und Militärstaat! Und diejenigen von uns, die gegen sie und die Interessen, die sie vertreten, gekämpft haben, haben nie aufgehört zu sehen, wie sie die Rechte, von denen die Politiker heute reden, mit Füßen treten und verletzen.

Die Einwanderer und die Marginalisierten des beleuchteten und überwachten Barcelona kennen eine viel schlechtere Behandlung durch die örtliche Polizei und die katalanischen und spanischen Institutionen. Die respektvollen Stimmen dieser Tage zu den Politikern, die diese Aktionen im Rechtsstaat rechtfertigten und rechtfertigen, spielen heute die Rolle des Opfers mit einem volkstümlichen Charakter des Pseudokampfes, daher die Aussagen von Mas im Radio: „Wenn sie einige berühren, berühren sie alle“; oder die Aussagen des Vizepräsidenten der Generalitat, Oriol Junqueras: „Nur das Volk kann das Volk retten“. Die Intervention der Polizei in den symbolischen Prozess der Volksabstimmung, den wir gerade durchleben, hat nicht nur katalanische Politiker und Institutionen in die Position derjenigen gebracht die unter der „Repression litten“, sondern auch unentschlossene Wähler und Nichtwähler vereint, als ob die Verletzung katalanischer Institutionen ein Gleichnis für die Verletzung der Freiheit der in Katalonien lebenden Menschen wäre.

Der Prozess für die Unabhängigkeit und die Gründung eines katalanischen Staates musste durch andere Ideen und Konzepte gestärkt werden, die historisch nicht so sehr in Frage gestellt wurden wie die Demokratie. Die sogenannte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ besiegelt letztendlich die Wahrhaftigkeit des Unabhängigkeitsprozesses. Wer kann gegen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker sein? Das ist eine weitere perverse Frage, die eines Politikers würdig ist.

Die Neutralität

Die Neutralität bedeutet nicht, zu wählen oder nicht zu wählen, mit den Massen auf die Straße zu gehen oder zu Hause auf dem Sofa zu bleiben. Das ist der Diskurs der Demokratie, das ist ihre Logik, die das Leben auf die Regeln reduziert, die sie für ihr Spiel aufstellt.

Die Neutralität in dieser Welt ist ein Konzept, das es nicht gibt. Wenn wir also vor der Frage stehen, auf wessen Seite Anarchist*innen angesichts des Vormarschs der spanischen Faschismus stehen werden, ist die Antwort einfach: die Frage selbst ist entweder schlecht formuliert oder eine Falle.

Wir werden die jagen, die wir schon immer gejagt haben: spanische Faschisten, katalanische Faschisten und Faschisten überall auf der Welt. Der Faschismus befindet sich nicht außerhalb Kataloniens und wartet auf den Befehl, einzutreten. Der Faschismus ist Teil des aktuellen Staates und des Staates, den die Unabhängigkeitsbefürworter gründen wollen, egal ob er die Form einer Republik hat oder nicht. Der Faschismus steckt in den menschlichen Beziehungen und wird von dort aus bekämpft.

Wenn es eine unterdrückte Sprache gibt, müssen wir sie und die anderen Sprachen, die in einem Gebiet koexistieren, verteidigen; wenn es eine unterdrückte Kultur gibt, stehen wir auf ihrer Seite, aber auf kritische und konstruktive Weise, indem wir die Werte der Standardisierung von Sprachen beachten, die Kulturen leben und die autoritären Werte, die sie haben, polieren, ohne den Respekt für eine Kultur in Gehorsam gegenüber ihren Traditionen umzuwandeln, sei es die katalanische Sprache und Kultur oder irgendeine andere, zu der wir uns entscheiden, zu gehören.

Über Allianzen in diesem Konflikt

Ich halte Bündnisse mit politischen Parteien oder Bewegungen, die für die Demokratie kämpfen, für Fehler, die eher historische Schrecken als innere Widersprüche darstellen würden.

Da wir uns nicht in einer Extremsituation wie einem Krieg oder einer Revolution befinden, ist es dumm, darüber nachzudenken. Man muss schon sehr verblendet sein, um diese Situation mit der von 1936 zu vergleichen oder mit einer Situation, in der Gehorsamsverweigerung einen Schuss in den Schädel oder Schlimmeres bedeutet. Und selbst wenn wir uns in einer solchen Situation befänden, ist das Thema so ernst und komplex, dass es nicht auf die leichte Schulter genommen werden kann.

Klar ist, wenn es in diesem ganzen Konflikt Kampfgeist und Würde gibt und wenn man es schafft, die Vision eines Staates und der Demokratie gegen die Vision eines zukünftigen Staates und seiner zukünftigen Demokratie zu überwinden, dann werden wir Seite an Seite stehen, so wie wir es bei den Streiks und auf den Straßen Tag und Nacht getan haben und auf die Ziele zielen, die die Herrschaft reproduzieren.

Wenn das Schema „guter Bulle/böser Bulle“, „ja oder nein“ durchbrochen werden kann, werden wir uns mit jedem Akt der Würde solidarisch zeigen. In der Zwischenzeit werden wir dort zielen, wo wir immer zielen.

Und was nun?

Das Problem, das sich heute stellt, ist die Frage, wie Anarchist*innen nicht zu einem Stoßtrupp des katalanischen Nationalismus werden. Werden wir erleben, wie Anarchist*innen mit der Policiía Nacional kämpfen, wenn sie in Wahllokale eindringen, um Wahlurnen mitzunehmen? Werden wir mit dem Volk auf den Straßen sein und dabei die Policía Nacional oder die Guardia Civil beschimpfen, während man die Mossos d’Esquadra schützt, indem man sie als repressive Kraft unsichtbar macht?

Wenn die Mossos ihre „neutrale“ Haltung ändern die sie gerade haben und zu einer repressiveren Haltung übergehen, die eine Reaktion der Bevölkerung auf die Mossos hervorruft, aber den kapitalistisch-demokratischen nationalistischen Diskurs beibehält?

Ist der nationalistische Kampf zu diesem Zeitpunkt gültig?

Werden wir Anarchist*innen die ersten sein, die sich den Gruppen spanischer Faschisten entgegenstellen, die in Barcelona demonstrieren wollen? Wenn es zu einem Generalstreik kommt, wie wird dann ein nationalistischer Generalstreik sein? Werden die katalanischen Institutionen und lokalen Banken von der Bevölkerung geschützt werden?

Wenn wir nicht offen sind, die Realität zu interpretieren, führt uns das zu Nationalismus oder einem anderen historischen Fehler. Jeder wird beurteilen, ob der Anarchismus in diesem Konflikt das fünfte Bein des Tisches ist oder ob er eine wesentliche Rolle als Diskurs spielt, der von denjenigen aufgenommen werden kann, die auf der Straße sind und die Grundlage der Repression in Frage stellen und ihre zivilen Handlungen in Akte der Würde verwandeln. Es ist wichtig zu verstehen, dass Massen auf der Straße nicht immer gleichbedeutend sind mit der Möglichkeit zur Revolte, zum Aufstand oder zum Sammeln von Erfahrungen.

Sich von der Verführung der Massen auf der Straße verführen zu lassen, ist ein emotionaler Fehler, und diesen ganzen Prozess abzutun, ist meiner Meinung nach ebenfalls ein emotionaler Fehler.

Was auch immer man tut, das Wichtigste sind die Gründe, warum man auf der Straße ist oder nicht. Nur eine gründliche Analyse der Situation wird uns nicht auf die Seite des Feindes bringen.

Das Ziel ist das Ende aller Herrschaft und derer, die uns beherrschen wollen.

Anarchische Grüße und revolutionärer Nihilismus.

3. Oktober 2017


Weder Katalanen noch Spanier

Positionierung der anarchistischen Gruppe „L’Albada Social (F.I.J.L.) zum schwarzen Block der Demonstration vom 11. September in Mataró.

Angesichts des Auftretens eines „schwarzen Blocks“ bei der von der von den linken Unabhängigkeitsbefürwortern organisierten Demonstration am 11. September in der Stadt Mataró, halten wir es für angebracht, die Position unserer Gruppe in Bezug auf die Teilnahme von Anarchisten an Aktionen und Mobilisierungen mit nationalistischem Charakter öffentlich zu machen.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir nicht daran teilnehmen werden, und wir werden im Folgenden die Gründe dafür erläutern. Wir hoffen, dass unser Beitrag vom anarchistischen Standpunkt aus zur Entwicklung einer sozialen Kraft des Denkens und der Aktion beitragen kann, die sich der herrschenden nationalistischen Strömung entgegenstellt. Politische Parteien aller Couleur, bourgeoise und pseudo-Arbeiterparteien, rechte und linke, nähren eine herrschende Denkströmung mit patriotischem und nationalistischem Charakter, in der die katalanische Gesellschaft ertrinkt und der nur wenige von uns entkommen können.

Nationalistische Bewegungen neigen dazu, folgende Kriterien anzuwenden: Du bist entweder für mich oder gegen mich, du gehörst entweder zu meinem Volk oder zum Feind (du bist entweder Katalane oder Spanier, Serbe oder Kroate, Ukrainer oder Russe). Jeder, der sich entscheidet, sich von den Plänen und dem Programm einer nationalistischen Bewegung zu distanzieren, wird beschuldigt, das verhasste Volk, den Feind, zu bevorzugen und zu ihm zu gehören. Egal aus welchem Grund, es gibt keine (rationalen) Gründe, die dem (irrationalen) Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Volk standhalten können, das entschlossen ist, seine ruhmreiche Tat zu verwirklichen.

Wir Anarchistinnen und Anarchisten folgen weder der katalanischen herrschende Strömung, noch rudern wir mit allen politischen Kräften für die Unabhängigkeit Kataloniens, noch identifizieren wir uns mit dem katalanischen Vaterland. Deshalb werden wir beschuldigt, Spanier zu sein.

Mit diesem Text wollen wir die katalanisch-spanische, pro-Unabhängigkeit-spanische Dualität aufbrechen. Wir wollen einfach eine dritte Vision anbieten, einen neuen Weg zur Überwindung des nationalen Konflikts. Wir wollen den Konflikt überwinden, indem wir den Fokus auf das Individuum legen, um eine gerechte Gesellschaft ohne Unterdrückung aufzubauen.

Über die Befreiung und das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Heute breitet sich der Autoritarismus in seinen verschiedenen Formen (Kapitalismus, Patriarchat, Religion, Staat…) auf der ganzen Welt aus und hält alle Völker in der einen oder anderen Form in der Unterwerfung. Dieser entfremdenden und lähmenden Macht der Autorität setzen wir die Aktionen und Ideen derjenigen entgegen, die eine neue Welt schaffen wollen, die auf der brüderlichen, freien und unterstützenden Beziehung zwischen Individuen und ihren Gemeinschaften basiert: die Anarchistinnen und Anarchisten.

In Katalonien identifiziert sich ein großer Teil der Bevölkerung mit einer Reihe von sprachlichen und kulturellen Merkmalen, die in ihrer Gesamtheit nicht mit den sprachlichen, moralischen, religiösen, kulturellen, traditionellen, künstlerischen, ästhetischen und ethischen Werten übereinstimmen, die das Königreich Spanien fördert und allen seinen Untertanen gleichermaßen auferlegt. Man könnte sagen, dass sich ein großer Teil der katalanischen Bevölkerung einem Kollektiv von Menschen zugehörig fühlt, mit denen sie eine relativ ähnliche Art zu sprechen, Feste zu feiern, zu essen, Fußball zu schauen, Frauen zu heiraten… teilen.

Diejenigen, die sich mit diesem Kollektiv identifizieren, sind sich vielleicht nicht ganz im Klaren darüber, welche Eigenschaften sie haben müssen, welche Bedingungen sie erfüllen müssen, um zu diesem Club von Mitgliedern zu gehören, der so heterogen, so breit gefächert und so abstrakt ist. Die Mitglieder dieses Clubs sagen „Ich bin Katalane!“, aber sie können kaum sagen, was es bedeutet, Katalane zu sein, oder klar definieren, was das katalanische Volk ist.

Die Mitglieder und vor allem der Präsident des Clubs sind sich jedoch darüber im Klaren, wie du nicht sprechen darfst, wenn du Mitglied des Clubs sein willst, wie du Weihnachten nicht feiern darfst und welche Fußballmannschaft du nicht anfeuern darfst. Um Katalane zu sein, kannst du sprechen wie die vornehmen Leute in Barcelona oder die Zigeuner in Lleida, aber du kannst nicht sprechen wie Don Quijote, du kannst an Heiligabend keine Zarzuela essen, du kannst kein Madrid-Fan sein, du kannst nicht, du kannst nicht, du kannst nicht, du kannst nicht.…

Seit der Entstehung des spanischen Staates (1714) haben seine herrschenden Eliten einen Plan zur Homogenisierung der Bevölkerung auf kultureller und sprachlicher Ebene durchgeführt, indem sie kulturelle und sprachliche Merkmale einführten, die nur von einem Teil der Untertanen geteilt wurden: den Bewohnern von Kastilien. Das Ziel war es, eine homogene Gemeinschaft von Untertanen zu schaffen, die sich mit einer einzigen Sprache, einem einzigen König, einem einzigen Staat und einer einzigen Flagge identifizieren sollten.

Das Opfer dieses Prozesses der kulturellen Vereinheitlichung sind Vielfalt und Heterogenität. Dieses Herrschaftsverhältnis hat in der Vergangenheit zur Unterdrückung und Verfolgung aller kulturellen und sprachlichen Eigenheiten der katalanischen Gebiete geführt.

Gegen diese kulturelle Unterdrückung haben sich im Laufe der Geschichte auch soziale und politische Initiativen gebildet, die das Selbstbestimmungsrecht des katalanischen Volkes gefordert haben. Heute besteht diese Spannung weiter, wenn auch mit weniger Brutalität, und katalanische nationalistische und für die Unabhängigkeit eintretende Kräfte fordern weiterhin das Selbstbestimmungsrecht, aber immer unter dem gleichen Prinzip: die Schaffung eines katalanischen Staates. Aber in welcher Form kann das katalanische Volk wirklich frei sein?

Anarchistinnen und Anarchisten verstehen unter Freiheit die volle Entfaltung des Einzelnen in all seinen Facetten (intellektuell, emotional, kulturell, körperlich…) in einer freien und solidarischen Gesellschaft ohne jegliche Autorität. Deshalb lehnen wir die Vorstellung ab, dass irgendein Nationalstaat die Lösung für unsere Sklaverei sein könnte, auch wenn er sich katalanisch nennt. Wir sind für die Zerstörung aller Staaten und nicht für die Schaffung neuer Staaten.

Der Anarchismus schlägt vor, die Gesellschaft aufzubauen, indem er sich auf die Interessen jedes Einzelnen konzentriert, da er davon ausgeht, dass diese Individuen nicht geboren wurden, um die Wünsche anderer zu erfüllen, sondern um sich selbst zu verwirklichen. Der Nationalismus hingegen versucht, die Gesellschaft und die Gerechtigkeit aufzubauen, indem er sich auf die Interessen der Nationen konzentriert. Nationen sind abstrakte Gebilde, die auf einer höheren Ebene als der des Individuums konstruiert sind. In Nationen ist der Einzelne ein Mittel, um das nationale Interesse zu befriedigen. Sobald das Interesse des Einzelnen dem nationalen Interesse entgegensteht, zwingt die auf der Nation basierende Gesellschaft den Einzelnen dazu, gegen sein Interesse und seinen Willen zu handeln, um das zu befriedigen, was am heiligsten ist: den nationalen Willen.

So ziehen Soldaten in den Krieg gegen die feindliche Nation und sind bereit, ihr Leben zu geben, um das Vaterland zu retten.

Der katalanische Nationalismus neigt wie jeder andere dazu, eine homogenisierende und vereinfachende Vorstellung davon zu schaffen, was es bedeutet, an einem bestimmten Ort geboren zu sein. Das nationalistische Denken selbst, der Patriotismus, beschuldigt, schließt aus und bestraft kulturelle Vielfalt (z. B. die Koexistenz verschiedener Sprachen oder unterschiedlicher Identitäten innerhalb desselben Territoriums) und betrachtet sie als Bedrohung der eigenen Identität, die unterdrückt und kontrolliert werden muss. Die patriotische Verherrlichung dessen, was einem Volk eigen ist, führt auch oft dazu, dass wir Traditionen und Bräuche aufrechterhalten wollen, die, weil sie anachronistisch oder ungerecht sind, überwunden werden sollten.

Die eindeutigste Schlussfolgerung, die wir ziehen können, ist, dass jede Art von Nationalismus, auch der separatistische Nationalismus (z. B. der baskische oder katalanische), zentralistisch ist und die Unterschiede, die innerhalb der Nation bestehen, unterdrückt, da er auf der „Nation“ basiert und vergisst, dass jeder Mensch eine autonome Einheit mit eigenen Merkmalen ist, die ihn jedem anderen Menschen gegenüber ungleich machen.

Oft lassen sich zwei Völker, zwei Nationen, vor allem dadurch unterscheiden, dass sie eine unterschiedliche Religion praktizieren (Serben-Orthodoxe, Bosnier-Muslime und Kroaten-Katholiken), aber sie teilen eine gemeinsame Sprache (Serben, Bosnier und die meisten Kroaten teilen eine slawische Sprache namens štokavica, štokavština oder štokavsko *narječe).

Im Fall der Katalanen und der Kastilier ist die Sprache das entscheidende oder offensichtlichste Unterscheidungsmerkmal, denn sowohl die Katalanen als auch die Kastilier unterstehen traditionell dem Papst in Rom.

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Beispiele für Nationen oder Völker, die je nach den politischen Interessen der herrschenden Eliten der jeweiligen Zeit gegründet und wieder aufgelöst wurden.

Um eine neue nationale Identität zu schaffen, die einen neuen Staat umfasst, muss man nur das, was allen Gebieten des Staates gemeinsam ist, in den Mittelpunkt stellen und ihm die Kategorie des nationalen Wertes, ein Unterscheidungsmerkmal, geben. Im Fall von Titos Sozialistischer Föderativer Republik Jugoslawien wurden die religiösen Unterschiede zwischen Serben, Bosniaken und Kroaten vergessen, und die jugoslawische nationale Identität wurde auf der Grundlage des Kampfes gegen den Faschismus und der gemeinsamen slawischen Sprache „Serbokroatisch“ aufgebaut.

Um eine Nation in zwei oder mehr Nationen aufzuteilen, muss man nur das Gemeinsame leugnen und das Unterschiedliche maximieren. Um die Katalanen von den Valencianern zu trennen, werden die Gemeinsamkeiten der valencianischen Sprache mit der westkatalanischen Sprache ignoriert und die Aufmerksamkeit auf die Besonderheiten der Sprache der valencianischen Hauptstadt gerichtet, um die Trennlinie zu ziehen. Um die jugoslawische Nation in die serbische, die kroatische und die bosnische Nation aufzuteilen, musste die Bevölkerung nur daran erinnert werden, in welche Kirche oder Moschee die Eltern der Serben, Bosnier und Kroaten vor der sozialistischen Ära gingen.

Die Schaffung von Nationen und ihre Entwicklung werden eindeutig von den politischen Interessen der herrschenden Eliten bestimmt, die Pläne zur Homogenisierung oder Spaltung der Bevölkerung umsetzen, indem sie kulturelle Unterschiede und Merkmale verstärken oder ausmerzen. Die Nationen, wie wir sie kennen, und ihre Grenzen sind das Ergebnis von Kriegen und Interessenkonflikten zwischen Machteliten aus verschiedenen Teilen des Territoriums.

Die Països Catalans (Katalonien-Nord, País Valencià, Franga de Ponent, Principat, Alguer, Balearen) sind das Ergebnis der Machtausweitung von Jaume I., der ethnischen Säuberung in den von den Mauren eroberten Gebieten und der Ansiedlung der katalanischen Bevölkerung in den von der Krone annektierten Territorien. Die katalanischen Nationalisten wollen den von Jaume I. geerbten Status quo für die nächsten Jahrhunderte aufrechterhalten, während die spanischen Nationalisten den von Felipe V. geerbten Status quo aufrechterhalten wollen.

Beide beabsichtigen, ihre Pläne auf eine bestimmte Bevölkerung anzuwenden. Sie versuchen bewusst, die Kultur des Landes zu formen und sie nach ihren Interessen zu gestalten, indem sie sich der natürlichen Entwicklung der kulturellen und sprachlichen Merkmale der verschiedenen Gemeinschaften widersetzen und diese zu verhindern versuchen. Für diese geplante kulturelle Umgestaltung werden die nationalen Medien genutzt, Sprachstandards geschaffen, wünschenswerte kulturelle Merkmale in den Schulen im ganzen Land gleich gelehrt oder im Extremfall ethnische Säuberungen durchgeführt und Rassismus gefördert.

Anarchistinnen und Anarchisten lehnen jeden Versuch einer geplanten Manipulation der Bevölkerung zur Verfolgung politischer Interessen ab. Wir stehen für kulturelle und sprachliche Vielfalt, für Vermischung aller Menschen, für Austausch, für die Überwindung ungerechter Traditionen. Wir verteidigen die freie und natürliche Entwicklung der Kulturen. Wir praktizieren den Respekt vor den Besonderheiten jedes Einzelnen und jeder Gemeinschaft.

Deshalb lehnen wir den spanischen Staat und seine Pläne zur künstlichen und vorsätzlichen Homogenisierung genauso ab wie den katalanischen Nationalismus, der darauf abzielt, Grenzen zu schaffen, zu katalanisieren und soziale Gerechtigkeit auf der Grundlage nationaler Interessen zu schaffen.

Nur wenn wir jede Art von Nationalismus, ob baskisch, spanisch, galicisch, katalanisch oder andalusisch, gleichermaßen bekämpfen, können wir einigermaßen kohärent sein, denn sie sind alle gleichermaßen schädlich. Und nur auf der Grundlage von Föderalismus und libertärem Internationalismus kann man die persönliche Autonomie, die verschiedenen einheimischen Kulturen und die Eigenheiten jedes Gebiets respektieren, ohne sie politischen Interessen zu opfern.

Über die Zusammenarbeit mit politischen Parteien und anderen Organisationen, die sich für den Staat als Institution zur Regelung des gesellschaftlichen Lebens einsetzen

Der „Schwarze Block“ wird bei der Demonstration am 11. September mit der politischen Partei CUP und anderen gesellschaftlichen Organisationen wie Maulets, die sich für die Schaffung eines katalanischen Staates einsetzen, zusammenkommen.

Wir gehen davon aus, dass der „schwarze Block“ die Freiheit für die Katalanen fordern wird, ohne dass sie einen eigenen Staat gründen müssen. Trotzdem sind wir der Meinung, dass es als Anarchisten inkohärent ist, an einer Demonstration teilzunehmen, bei der genau das Gegenteil von dem gefordert wird, was wir wollen. Wir respektieren den Willen der Genossinnen und Genossen, die im „Schwarzen Block“ demonstrieren, aber wir glauben, dass es in jedem Fall viel angemessener wäre, zu einer eigenen Mobilisierung aufzurufen.

In diesem Fall, wie in so vielen anderen, rufen die politischen Parteien und die sie unterstützenden sozialen Organisationen zur Einheit der „linken Kräfte“ gegen den „gemeinsamen Feind“ auf und dann sind sie diejenigen, die in Zukunft vom Erfolg der Mobilisierung profitieren können. Dieselben, die im Falle der Entstehung eines katalanischen Staates keinen Moment zögern werden, anarchistische Dissidenz zu unterdrücken, wenn sie an die Macht kommen

Über Gedenkveranstaltungen und historische Tage die in Anspruch genommen werden

Wir sind nicht besonders angetan von Gedenkveranstaltungen oder der Verherrlichung bestimmter historischer Daten. Dennoch sind wir der Meinung, dass Anarchistinnen und Anarchisten am 11. September nichts zu feiern oder zu gedenken haben sollten und dass es viel bessere Daten gibt, um die Freiheit der Katalanen zu rechtfertigen.

Am 11. September hat nicht das katalanische Volk verloren, sondern eine bestimmte königliche Familie, die Österreicher (A.d.Ü., gemeint sind die Habsburger), die sich wie die Bourbonen immer der Versklavung des Volkes verschrieben hatten und es durch Hunger, Religion und Gewalt unterjochten. Der Verlust der katalanischen Staatsinstitutionen und der Krone von Aragonien im Jahr 1714 kann nicht als Verlust für das katalanische Volk angesehen werden, denn sie dienten nur dazu, das Volk unterjocht zu halten und eine dominante und ausbeuterische Gesellschaftsschicht zu erhalten. Die wirkliche Freiheit Kataloniens kam nicht während der Zeit der Krone von Aragonien zustande, denn in dieser Zeit übten die katalanisch-aragonischen Institutionen einen widerwärtigen Imperialismus über mehrere Mittelmeergebiete aus.

Katalonien war im Juli 1936 frei, als die arbeitenden Menschen, inspiriert von den Ideen des Anarchismus und Anarchosyndikalismus, auf die Straße gingen, um den Faschismus zu bekämpfen, die Produktionsmittel zu kollektivieren und die staatlichen Institutionen durch revolutionäre Einrichtungen zu ersetzen. Als Anarchistinnen und Anarchisten und als Katalaninnen und Katalanen glauben wir, dass, wenn es einen Tag gibt, an dem man der Emanzipation und der Freiheit des katalanischen Volkes gedenken sollte, es zweifellos der 19. Juli 1936 ist und nicht der 11. September 1714.

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Anarchistinnen und Anarchisten am 19. Juli nicht für die Freiheit Kataloniens gekämpft haben, sondern für die Freiheit des Einzelnen und seiner Gemeinschaft. Die Freiheit Kataloniens als solche ist das Ergebnis und die Folge der Freiheit jedes Einzelnen, der sich mit der abstrakten Gemeinschaft, die „das katalanische Volk“ ausmacht, identifiziert.

Anarchistische Gruppe „L’Albada Social“.

Federación Ibérica de Juventudes Libertarias – Iberische Föderation Libertärer Jugend


Epilog

Angesichts des gegenwärtigen innerbourgeoisen Krieges (spanische Bourgeoisie gegen katalanische Bourgeoisie) ist die einzige Position des bewussten Proletariats der „revolutionäre Defätismus“. Das heißt, dass die Soldaten ihre Gewehre auf ihre Offiziere richten und aufhören, Kanonenfutter zu sein, wie es die russischen Soldaten im Ersten Weltkrieg taten.

Und auf der anderen Seite werden 8 Berufspolitiker inhaftiert. 8 Berufspolitiker, die bürokratisch, bourgeois und korrupt sind (wie alle anderen auch). 8 Berufspolitiker, die mehr als 8.000 € im Monat verdienen. Sind das unsere neuen Helden?

Denkt also daran, dass die nächsten Wahlen am 21. Dezember nur dazu dienen, zu entscheiden, mit welcher Hand der Staat euch einen Ohrfeige geben soll. Mit der Linken oder mit der Rechten !!!!

Weder Krieg zwischen den Völkern, noch Frieden zwischen den Klassen“.

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