(Miguel Amorós) Leninismus, faschistische Ideologie

Übersetzt aus dem Spanischen.

Ein paar einleitende Wörter zu diesem Text und warum wir diesen veröffentlichen. Ein Gefährte, nochmals danke, schickte uns diesen Text vor langer Zeit, um es zu veröffentlichen und bat uns darum diesen zu korrigieren, außerdem führten wir einige Fußnoten bei, die unserer Meinung wichtig waren. Wir kennen die Schriften von Miguel Amorós und wissen dass er in seiner Scharfsinnigkeit, auch sehr fähig ist es zu übertreiben, oder weit übers Ziel hinausschießen kann. Dies haben wir gesehen wo er über Sachen schrieb über die er keine Ahnung hatte, oder wenig darüber wusste, bester Beispiel ist seine kritische Abhandlung ‚Professionelle Anarchie und theoretische Abrüstung: Zum Insurrektionalismus‘, welche milde gesagt ein fürchterlicher Text ist. Nicht desto trotz hat Miguel Amorós zu anderen Themen sehr viele interessante und wichtige Bücher und Texte zu historischen und aktuellen Ereignissen geschrieben, wir hoffen dass dies für eine lange Zeit noch so bleiben wird.

Wir beziehen uns auch gerade bei diesem Text auf die erste und prägendste Erscheinung, nämlich den Titel selbst. Wir sind nicht damit einverstanden den Leninismus als eine faschistische Ideologie zu bezeichnen. Konterrevolutionär; reaktionär, all dies ja, keine Frage, ob dass was Amorós eigentlich meinte, nämlich die logische Weiterführung von Lenin´s Ideen durch Stalin und dies als faschistisch bezeichnen will, nun dies erklärt er nicht und falls dies der Fall wäre, würde eine fundierte Analyse für die Feststellung fehlen, genauso wenig wenn er auf Schriften von Otto Rühle hinweist, die viel fundierter sind als sein Text und auf Fragen eingeht die er, also Amorós, selber nicht eingeht, auch wenn genau die Komparation bei beiden fehlt. Soweit wir Rühle selbst zum Thema des Leninismus verstanden haben, und wir denken dass wir es haben, sagt dieser dass Lenin den Weg für den Faschismus geebnet hat, weil dieser das revolutionäre Anstreben des Proletariats bekämpft hat, nun dies wäre ein Punkt des Texts ‚Brauner und Roter Faschismus‘ auf dem sich Amorós bezieht. Die historische Aufgaben des Bolschewismus und des Faschismus sind aber dennoch entgegengesetzte, wenn auch einen Ähnlichkeiten auffallen mögen, darauf jetzt tiefer einzugehen würde den Rahmen leider sprengen, dies ist eine Aufgabe der wir uns in kommender Zukunft widmen werden.

Dasselbe denken wir uns zu seiner Bemerkung von Amoros bezüglich der Zeitschrift ‚Bilan‘ und andere die er im Verlauf des Textes angreift, der Grund ist aber nicht immer ersichtlich, vor allem wenn man es sich selbst aus der Nase ziehen muss und nicht klar ist, was eigentlich damit gemeint sein kann. Vor allem im Bezug auf die belgische Publikation ‚Bilan‘ die in ihrer Kritik an den konterrevolutionären Charakter der anarchistischen Bewegung, ganz voran deren Anführer – was ein Widerspruch, aber dennoch zutreffend ist – während der sozialen Revolution von 1936, viel Zuspruch auch von Anarchistinnen und Anarchisten genießen die nicht nur der Selbstkritik und Kritik fähig sind, sondern diese auch leidenschaftlich anwenden.

Zusätzlich muss gesagt werden dass dieser Text sehr auf einen historisch-spezifischen Kontext im spanischen Staat sich bezieht. Auch wenn seine Kritik am Leninismus richtig ist, es gibt viel bessere, macht diesen Text aber deswegen nicht schlechter, wir weißen auf gewisse Aspekte und Lücken hin die uns aufgefallen sind. Alles andere, sein Abriss über den Konzept der Partei von Lenin, die Einflüsse von Kautsky, die Rolle der Bolschewiki während der russischen Revolution und einiges mehr, all dies ist richtig. Wir werden uns aus mehreren Gründen, was wir einige Male schon erwähnten, mit der Thematik des Leninismus beschäftigen und weitere Texte dazu veröffentlichen. Als letztes, wie Otto Rühle zu sagen vermochte, „Jede Schwächung der Revolution durch ein Kompromiß endet aber zwangsläufig im vorzeitigen Zusammenbruch oder im schließlichen Bankrott der revolutionären Bewegung.“

Soligruppe für Gefangene


Leninismus, faschistische Ideologie

Miguel Amorós

Befreit die Menschheit von dem segensreichen Joch des Staates! Es ist erstaunlich, in welchem Maße kriminelle Instinkte im Menschen schlummern. Ich sage es deutlich: kriminell. Freiheit und Kriminalität sind, wenn Sie so wollen, so eng miteinander verbunden wie die Bewegung eines Flugzeugs und seine Geschwindigkeit. Wenn die Geschwindigkeit des Flugzeugs null ist, bleibt es stehen, und wenn die Freiheit des Menschen null ist, begeht er kein Verbrechen. Das ist klar. Das einzige Mittel, den Menschen vom Verbrechen zu befreien, ist, ihn von der Freiheit zu befreien“. Jewgenij Samjatin, Wir, 1920.

Die Existenz von mehr oder weniger virtuellen immobilistischen Sekten, die sich auf Lenin berufen, hat heute mehr mit den Neurosen zu tun, die die Menschen unter den modernen Bedingungen des Kapitalismus plagen, als mit dem Kampf um Ideen, den die Rebellen gegen die Ideologen der herrschenden Klasse führen. Die Zeit vergibt nicht, und das endgültige Scheitern des Leninismus zwischen 1976 und 1980 hat die überlebenden Gläubigen zu einem schizoiden Überleben geführt. Wie Gabel bereits untersucht hat, ist der Preis, den sie für ihren Glauben zahlen müssen, ein gespaltenes Bewusstsein, eine Art gespaltene Persönlichkeit. Auf der einen Seite widerlegt die Realität das Dogma bis ins kleinste Detail, auf der anderen Seite muss die militante Interpretation sie verdrehen, korsettieren und bis zum Wahnsinn manipulieren, um sie dem Dogma anzupassen und eine manichäische Erzählung ohne Widersprüche zu fabrizieren. Als ob es sich um eine Bibel handeln würde, die alle Antworten enthält. Die leninistische Geschichte unterdrückt die Angst, die die Widersprüche der Praxis im Gläubigen hervorrufen, die eine mächtige Waffe ist, um der Realität zu entkommen. Das Ergebnis würde für den Rest der Lebewesen erbärmlich ausfallen, wenn es in einem kämpferischen Proletariat wie dem der 1970er Jahre Debatten gäbe, aber angesichts des gegenwärtigen Zustands des Klassenbewusstseins oder, mit anderen Worten, angesichts der spektakulären Umkehrung der Realität, bei der „das Wahre nur ein Moment des Falschen ist“, trägt die Anwesenheit von leninistischen Sektierern in den wenigen Diskussionen an der Basis nur dazu bei, die herrschende Verwirrung zu vervielfachen.

Die objektive Rolle dieser Sekten besteht darin, die Geschichte zu verfälschen, die Realität zu verschleiern, die Aufmerksamkeit von den wirklichen Problemen abzulenken, die Reflexion über die Ursachen des kapitalistischen Triumphs zu sabotieren, die Formulierung einer angemessenen Kampftaktik zu blockieren und schließlich die theoretische Aufrüstung der Unterdrückten zu verhindern. Die versteinerten Leninisten von heute sind nicht mehr (weil sie es nicht können) die Avantgarde der Konterrevolution von vor dreißig oder sechzig Jahren, aber ihre Funktion bleibt dieselbe: als Agents provocateurs für die Herrschaft zu arbeiten.

Angesichts der gegenwärtigen Zersetzung der Ideologie wäre es vielleicht besser, von Leninismen zu sprechen, aber weit davon entfernt, uns in den scholastischen Nuancen zu verlieren, die die verschiedenen Sekten unterscheiden, werden wir versuchen, die verwandten Merkmale zusammenzufassen, die sie am besten definieren, nämlich die kategorische Leugnung, dass es 1936 eine Arbeiterrevolution gegeben hat, die ebenso kategorische Bejahung der Existenz einer sich ständig weiterentwickelnden Arbeiterklasse und der Glaube an die Ankunft der führenden Partei, die Führung der Arbeiter auf dem Marsch zur Revolution. Erstere stammen entweder aus den defätistischen und kapitulierenden Analysen der belgischen Zeitschrift „Bilan“1 oder aus den triumphalistischen Diktaten der Komintern und der PCE2. Wenn es in dem einen Fall um einen imperialistischen Krieg ging, so ging es in dem anderen Fall um einen Unabhängigkeitskrieg; in beiden Fällen musste sich das Proletariat zermalmen lassen.

Im leninistischen Universum ist Lenin die Jungfrau Maria und die Arbeiterklasse, von der sie sprechen, ist wie das Christentum. In der heutigen Zeit ist das Internet eine Art Himmel, in dem sich praktisch ihre gesamte Tätigkeit konzentriert. Ein Schiit des Leninismus, d.h. ein Bordigist, beklagte im Internet: „Wenn sie uns die Arbeiterklasse wegnehmen, was bleibt uns dann noch?“ Für die Leninisten hat die Arbeiterklasse in der Tat eine rituelle, wenn man so will therapeutische, psychologische Funktion. Sie ist ein ideales Wesen, eine Abstraktion, in dessen Namen die Macht ergriffen werden soll. Ein verrückter Bordiga sprach ihr das Recht ab, ohne den „Rahmen“ der Partei zu existieren. Es ist nicht so, dass es eine solche Klasse nicht existiert, sie hat nie existiert. Die von Lenin nach dem russischen Modell von 1917 erfundene Minderheit der Arbeiterklasse in einem feudalen Land mit überwiegend bäuerlicher Bevölkerung, ohne eigene kulturelle Traditionen und daher zugänglich für eine äußere Führung, die sich aus in einer Partei organisierten Intellektuellen zusammensetzt, ist nichts was man jeden Tag sieht. Sie gehört einer überholten Vergangenheit an. Es ist ein utopisches, antihistorisches Ideal. Die trotzkistische Sekte der Posadisten3 glaubte, es bei den Außerirdischen in einer fernen Galaxie gefunden zu haben, von wo aus sie fliegende Untertassen mit sozialistischen Botschaften zur Erde schickten, ohne dabei zu scherzen. Die UFO-Enthüllungen müssen sich verbreitet haben, weil das leninistische Proletariat in jeder Planetensuppe auftaucht; laut der leninistischen Presse kann seine Epiphanie bei jedem Ereignis auftreten, zum Beispiel im Bürgerkrieg im Irak, bei den Mobilisierungen der französischen Studenten oder bei der Konstituierung einer gewerkschaftlichen/syndikalistischen „Linken“, wenn auch am häufigsten bei Arbeitskonflikten.

Da es für den Leninismus nach der Erstürmung des Winterpalastes keine Geschichte gibt, scheint es seit der Russischen Revolution weder Niederlagen noch bedeutende Siege gegeben zu haben, höchstens einige Stolpersteine entlang einer unveränderlichen Entwicklungslinie, die zu einer unbefleckten Arbeiterklasse führt, die auf die Priester der Kirche, ihre Führer, Mitglieder von Rechts wegen der „Partei“, wartet. Denn das eigentliche historische Subjekt ist für die Leninisten nicht die Klasse, sondern die Partei. Die Partei ist das absolute Kriterium der Wahrheit, die nicht aus sich selbst heraus existiert, sondern in ihr, in den heiligen Schriften, die von führenden Hohepriestern richtig interpretiert werden. Innerhalb der Partei die Rettung, außerhalb die ewige Verdammnis. Dieser halluzinierte Avantgardismus ist das antiproletarische Merkmal des Leninismus, denn die Idee einer einzigen messianischen Partei ist Marx fremd; sie stammt von der Bourgeoisie der Freimaurer und Carbonária4. Marx bezeichnete die Gesamtheit der Kräfte, die für die Selbstorganisation der Arbeiterklasse kämpfen, als Partei, nicht als autoritäre, aufgeklärte, exklusive und hierarchische Organisation.

Es ist aufschlussreich, dass Leninisten heute bestimmte5 ökonomische Interessen als Klasseninteressen ansehen, obwohl sie keine Klasseninteressen mehr sind, und dass sie sie in den 1970er Jahren, als sie noch welche waren, als gewerkschaftliche/syndikalistische, „trade unionistische“ Fragen behandelten. Der Unterschied ist, dass das Proletariat damals auf seine eigene Art und Weise, mit seinen eigenen Waffen, den Vollversammlungen, gekämpft hat. Dadurch wurde die Teilforderung in eine Klassenforderung umgewandelt. Aber die Leninisten verachten die wirklich proletarischen Formen der Organisation und des Kampfes: die Vollversammlungen, die gewählten und widerrufbaren Komitees, das imperative Mandat, die Selbstverteidigung, die Koordinationen, die Räte…. Und sie verachten sie, weil sie als authentische Formen der Arbeitermacht die Parteien ignorieren und den Staat auflösen, auch den „proletarischen“ Staat. Deshalb haben sie die Existenz der Vollversammlungsbewegung (Movimiento Asambleario)6 ebenso verheimlicht wie die Medien in den siebziger Jahren, denn sie sind Feinde der realen Arbeiterklasse, die mit der ihren nicht vergleichbar ist und deren spezifische Organisationsformen sie aus offensichtlichen Gründen hassen. Im Gegensatz zu Marx bestimmt für die Leninisten nicht das Sein das Bewusstsein7, sondern es muss durch das Apostolat der Führer beigebracht werden. Die Arbeiter, so Lenin, können nur ein gewerkschaftliches/syndikalistisches Bewusstsein erlangen und müssen auf die Rolle von bloßen Ausführenden reduziert werden; die Gewerkschaften/Syndikate oder Massenorganisationen, die sie bilden und kontrollieren, sind daher der Transmissionsriemen der Partei. Das hindert die Leninisten nicht daran, die Vollversammlungen und Räte zu loben, wenn sie dadurch einen gewissen Einfluss ausüben und Anhänger rekrutieren können. In den 1970er Jahren unterstützten sie sie, aber sobald sie sich stark fühlten, verrieten sie sie, genau wie Lenin es – abgesehen von historischen Unterschieden – mit den Sowjets tat.

Die von Paul Mattick herausgegebene Publikation „Living Marxism“ lancierte den Slogan, dass „Der Kampf gegen den Faschismus beginnt mit dem Kampf gegen den Bolschewismus“8. In den 1950er Jahren entwickelte sich der Kapitalismus der Manager zu den totalitären Formen des sowjetischen Staatskapitalismus. Heute, da die kommunistische bürokratische Klasse zum Kapitalismus konvertiert9 ist und die Welt mit technologischen Mitteln in Richtung faschistischer Herrschaft zerrt, ist die leninistische Ideologie residual, verstaubt und museumsreif. Sie untersucht den Kapitalismus nicht, weil der Kapitalismus nicht ihr Feind ist, und sie will ihn schon gar nicht bekämpfen. Es ist wie mit dem Knoblauch, es stoßt immer wieder auf10. Die Hauptaufgabe ihrer Sekten besteht darin, untereinander in Konkurrenz zu treten, indem sie „einen besonderen Punkt (hervorheben), der sie von der Klassenbewegung unterscheidet“ (Marx).

Der theoretische Kampf gegen die Leninisten ist also ein Nebenkriegsschauplatz, so etwas wie das Treten von lebenden Toten, aber als primärer Rahmen für neue Ideologien der Konterrevolution wie den Hardt-Negrismus sollte er nicht vernachlässigt werden, und mit diesem Ziel erinnern wir uns an einige grundlegende Banalitäten über den Leninismus, die jeder in den Werken von Rosa Luxemburg, Karl Korsch, den Rätekommunisten (Pannekoek, Gorter, Rülhe) oder den Anarchisten (Rocker, Berneri, Volin, Archinov) finden kann. Der Leninismus durch Negri und seinesgleichen (z.B. die neotrotzkistischen und nationalistischen Varianten, der linke Staatsbürgertum usw.), wie zuvor durch den Stalinismus, seine extreme Form, kehrt vollständig zum Denken und zu den Gewohnheiten der Bourgeoisie zurück, insbesondere in der totalitären Globalisierungsphase, was sich in der Verteidigung des Parlamentarismus, der politischen Kompromisse, der Mobiltelefonie und des Spektakels der Bewegung11 zeigt. Der Negrismus unterstützt ideologisch die schwachen, unterlegenen Fraktionen der Herrschaft, die politisch-administrative Bürokratie, den Gewerkschafts-, Syndikatsapparat und die Mittelschichten, die an einem Kapitalismus mit staatlicher Intervention interessiert sind. Im Allgemeinen verteidigt der Leninismus, auch wenn er sich als „Lagarterana“12 verkleidet, immer Interessen, die gegen das Proletariat gerichtet sind.

In Russland gab es 1905 keine Bourgeoisie, die in der Lage gewesen wäre, einen Kampf gegen den Zarismus und die Kirche als zukünftige herrschende Klasse zu führen. Diese Mission fiel den russischen Intellektuellen zu, die im Marxismus die Klärung ihrer nationalistischen Impulse suchten und im Lager der Arbeiter ihre besten Verbündeten fanden. Der russische Marxismus nahm einen völlig anderen Aspekt an als der orthodoxe Marxismus, da in Russland die historische Aufgabe, die es zu bewältigen galt, die einer zu schwachen Bourgeoisie war: die Abschaffung des Absolutismus und der Aufbau eines nationalen Kapitalismus. Die Marxsche Theorie, die von Kautsky und Bernstein adaptiert wurde, identifizierte die Revolution mit der Entwicklung der Produktivkräfte und dem entsprechenden demokratischen Staat, was eine reformistische Praxis begünstigte, die vielleicht in Deutschland, nicht aber in Russland funktionieren konnte.

Lenin akzeptierte zwar den sozialdemokratischen Revisionismus von Marx in seiner Gesamtheit, wusste aber, dass die Aufgabe der bolschewistischen Sozialdemokraten, den Zarismus zu stürzen, nicht ohne eine Revolution zu bewältigen war, für die bessere Kräfte als die der russischen Liberalen erforderlich waren. Eine bourgeoise Revolution ohne Bourgeoisie, und sogar gegen sie. Der Revolte der Arbeiter von 1905 fügte dem absolutistischen Regime ernsthafte Wunden zu, und die Revolution vom Februar 1917 bereitete ihm ein Ende. Obwohl es sich um eine Insurrektion der Arbeiter und Bauern handelte, hatte sie kein revolutionäres Programm und keine besonderen Parolen, so dass die Vertreter der Bourgeoisie ihren Platz einnahmen. Die Bourgeoisie war der Situation nicht gewachsen, während das Proletariat politisch gebildet und sich seiner Ziele bewusst wurde; in kurzer Zeit verlor die Revolution ihren bourgeoisen Charakter und nahm einen entschieden proletarischen Charakter an. Im April hatte Lenin seine Partei mit der Parole „Alle Macht den Sowjets“ überrascht, nur um sie im Juli für nicht mehr richtig zu halten und sie nach Kornilows Putsch im August wieder in den Vordergrund zu stellen. Bis dahin hatte Lenin ein bourgeoises Regime mit einer Präsenz der Arbeiter befürwortet, aber angesichts des Vormarschs der Sowjets oder Arbeiterräte änderte er seine Orientierung und ließ die Parole fallen, und er ging sogar so weit, über das Aussterben des Staates zu theoretisieren. Die Idee der horizontalen Macht war ihm (A.d.Ü., Lenin) jedoch fremd, denn er hatte eine Partei nach dem bourgeoisen militärischen Modell organisiert, vertikal, zentralisiert, immer von oben herab entscheidend, mit einer starken Trennung von Führung und Basis. Wenn er für die Sowjets war, dann nur, um sie zu instrumentalisieren und die Macht zu ergreifen. Seine Hauptfunktion war nicht die Entwicklung jener (A.d.Ü., der Sowjets), die in seinem System keinen Platz hatten; es war die Umwandlung der bolschewistischen Partei in einen bürokratischen Staatsapparat, die Einführung des bourgeoisen Autoritarismus in die Ausübung und Darstellung der Macht. Die Sowjets, die Protagonisten der Oktoberrevolution, wurden bald von einem „proletarischen“ Staat entmachtet, der es sehr eilig hatte, die Armee und die Polizei wieder aufzubauen. Die Bolschewiki kämpften im Namen der „Diktatur des Proletariats“ gegen die Arbeiterkontrolle und die Durchsetzung der Revolution in den Werkstätten und Fabriken und generell gegen die souveräne Manifestation des Willens der Arbeiter in Organen der direkten Demokratie. Im Jahr 1920 war die proletarische Revolution abgeschlossen und die Sowjets waren nur noch kastrierte, dekorative Gebilde. Die letzten Bastionen der Revolution, die Kronstädter Matrosen und die Armee der Makhnovisten, wurden mit einer Energie vernichtet, die sie bei den Weißgardisten nie an den Tag legten.

Während sie die Sowjets zerstörten, landeten die bolschewistischen Abgesandten in Deutschland, wo der Rätekommunismus in den Arbeitermassen erwacht war und die Räte im Begriff waren, zu wirksamen Organen der proletarischen Macht zu werden, um der Revolution in den Rücken zu fallen. Überall diskreditierten sie die Parole der Arbeiterräte und plädierten für eine Rückkehr zu den korrupten Gewerkschaften/Syndikate und der sozialdemokratischen Partei. Die deutsche Räterevolution fiel unter der Last der Verleumdungen, Intrigen und der Isolierung durch die Bolschewiki. Mit Lenins Segen konnten die alte Sozialdemokratie und der deutsche Nachkriegsstaat auf ihrer Asche wieder aufgebaut werden. Lenin versäumte es nicht, die Verteidiger des Rätesystems zu bekämpfen, indem er sie in der Lieblingsschrift aller seiner Anhänger, „Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus“13, mit Schimpfworten überzog. Dort nahm er seine Maske ab. Indem er die Linkskommunisten und die Räte mit Unwahrheiten überhäufte, verteidigte Lenin seinen gesamtrussischen Pseudosozialismus, der sich, von Stalin in die Praxis umgesetzt, als eine neue Form des Faschismus erweisen sollte. Er war weit davon entfernt zu glauben, dass die Befreiung der Unterdrückten nur durch die Zerstörung von Macht, Terror, Angst, Bedrohung und Zwang erreicht werden kann.

Wer eine Ordnung durchsetzen will, findet die besten Voraussetzungen in der absoluten Trennung zwischen Massen und Führern, Avantgarde und Klasse, Partei und Gewerkschaften/Syndikate. Lenin wollte eine bourgeoise Revolution in Russland und hatte eine Partei gegründet, die für diese Aufgabe perfekt geeignet war, aber die russische Revolution nahm einen Arbeitercharakter an und machte seine Pläne zunichte. Lenin musste mit den Sowjets siegen und dann gegen sie siegen. Der Kommunismus plus Elektrifizierung wich der NEP und den Fünfjahresplänen Stalins, was zu einer neuen Form des Kapitalismus führte, in der eine neue Klasse, die Bürokratie, die Rolle der Bourgeoisie übernahm. Das war totalitärer Staatskapitalismus. In Europa wurden die arbeitenden Massen zurückgehalten, entmutigt und in die Niederlage getrieben, bis sie demoralisiert wurden und das Vertrauen in sich selbst verloren, ein Weg, der zur Unterwerfung und zum Nationalsozialismus führte. Hitler kam leicht an die Macht, weil die sozialdemokratischen und stalinistischen Führer das deutsche Proletariat so korrumpiert hatten, dass es nicht zögerte, sich klaglos zu ergeben. In Spanien gewann Franco den Krieg dank der konterrevolutionären Arbeit der PCE. Brauner und Roter Faschismus14 war der Titel eines erinnerungswürdigen Textes, in dem Otto Rülhe zeigte, dass der stalinistische Faschismus von gestern einfach der Leninismus von vorgestern ist. Dies ist die Inspiration für den Titel unseres Artikels.

Das letzte historische Auftreten des spanischen Leninismus während der turbulenten Periode von 1970-78 ist eine Konterrevolution wie aus dem Lehrbuch. Einerseits befürwortete die offizielle stalinistische kommunistische Partei ein Bündnis mit Teilen der herrschenden Klasse, um eine demokratische Umwandlung des Franco-Regimes zu erzwingen. Ihre Stärke beruht vor allem auf der Manipulation der Arbeiterbewegung, die sie in den faschistischen Gewerkschafts-, Syndikatsapparat einzubinden versucht. Alle leninistischen Verfahren zur Verhinderung der Selbstorganisationen der Arbeiter wurden von der PCE treu angewandt, aber die linken Parteien, die vor allem aus der Explosion der FLP15, den Spaltungen in der PCE und der ETA16 hervorgegangen sind, haben nicht anders gehandelt. Sie alle griffen die PCE an, weil sie nicht leninistisch genug war und nicht wie Lenin eine bourgeoise Revolution im Namen der Arbeiterklasse anstrebte. Sie bestritten ihr die Führung der Comisiones Obreras17, eine nutzlose Aufgabe, denn 1970 war Comisiones keine soziale Bewegung mehr, sondern die Organisation der Stalinisten und Sympathisanten in den Fabriken. Um Positionen zu erobern, machten sie Zugeständnisse an die echten Kampfformen der Arbeiter, die Vollversammlungen, aber sie haben sie nie gefördert. Nach den Ereignissen von Vitoria am 3. März 197618 verflüchtigten sich die Differenzen mit der PCE, und sie ahmten deren Kompromisspolitik nach. Sie stellten sich zur Wahl, ernteten die schlimmsten Misserfolge und verschwanden und hinterließen eine Spur von kleinen Sekten. Aber ihr politischer Selbstmord war auch der der PCE, die ab 1980 zu einer testimonialen Partei mit variabler Ideologie wurde, die nur von einigen proletarisierten Fragmenten der Mittel- und Kleinbourgeoisie getragen wurde.

Einige Wahrheiten können wir aus der klassischen Kritik des Leninismus lernen, auf die wir uns gestützt haben. Dieser Dialog mit Idioten ist konterrevolutionär: Leninisten werden weder diskutiert noch deprogrammiert, sie werden einfach bekämpft. Dass die Grundlagen der Aktion, die das soziale Gleichgewicht gegen den Kapitalismus kippen wird, nicht in gewerkschaftlichen/syndikalistischen oder parteilichen Organisationsmethoden, nicht in Parlamenten, nicht in staatlichen Institutionen und auch nicht in Zentren, die in irgendeiner Form der Herrschaft verpflichtet sind, zu finden sind. Dass die unterdrückten Massen isoliert und zerstreut sind, ohne Freunde. Dass Aktivisten die Fähigkeit zur Assoziation, die Stärkung des Willens zur Aktion und die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins auch über unmittelbare Interessen stellen müssen. Dass die Massen zwischen Angst haben oder Angst auslösen zu entscheiden haben.

Beitrag zur Debatte über das antikapitalistische historische Gedächtnis, 03. Dezember 2006.


1A.d.Ü., Bilan war die Publikation der Linken Fraktion der Kommunistischen Partei (Italienisch), 1935 wird es zur theoretischen Publikation der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken. Im Bezug zu dem was der Autor sagt, lässt sich verstehen, so zumindest denken wir, im Bezug was die Publikation selbst dazu sagte, dass die soziale Revolution in Spanien, oder zumindest das Anstreben danach, nicht existent gewesen wären, weil es sich um einen imperialistischen Konflikt handeln würde, wo verschiedene bourgeoise Fraktionen untereinander kämpften. Im Falle der anarchistischen Bewegung, hätte sich diese der demokratischen Fraktion der Bourgeoise angeschlossen, weil sie nicht den bewaffneten Konflikt neben der sozialen Revolution führte, denn, so sie, diese zweites dem ersten den Platz räumte. Dies wäre natürlich eine unglaubliche Verkürzung vom dem was Bilan sagte und es wäre einer interessanten Analyse wert, ob dies überhaupt zutreffend wäre.

2A.d.Ü., PCE Partido Comunista de España , Kommunistische Partei aus Spanien.

3A.d.Ü., die hier erwähnte Gruppe, oder Strömung ist nach dem in Argentinien geborenen Trotzkisten J. Posadas, der eigentlich Homero Rómulo Cristali Frasnelli hieß, benannt. Der Hinweise von Miguel Amorós bezieht sich auf eine 1968 veröffentlichte Broschüre mit dem Namen 1968 Platillos voladores, el proceso de la materia y la energía, la ciencia, la lucha revolucionaria y de la clase trabajadora y el futuro socialista de la humanidad (Fliegende Untertassen, der Prozess der Materie und der Energie, die Wissenschaft, der revolutionäre Kampf und der Kampf der Arbeiterklasse und die sozialistische Zukunft der Menschheit), auf die sich die Ideen des Posadismus stützen. Posadas war der Annahme dass, wenn er auch keine Beweise dafür hatte, es Außerirdische geben musste und dass diese so weit entwickelt sein mussten, dass sie den Kapitalismus schon überwunden haben müssten und nun der Menschheit helfen würden, diesen aufzuheben. Bzw., dass Außerirdische die Menschheit beobachten würden, um die Fortschritte des Sozialismus zu begutachten und erst dann die Menschheit in der galaktischen Gemeinde aufzunehmen.

4A.d.Ü., die Carbonária Portuguesa, war ein, Geheimbund, oder konspirative Gruppe die antiklerikale und revolutionäre Ideen verfolgte und in Portugal 1822 gegründet wurde.

5A.d.Ü., hier ist die Rede von intereses económicos particulares, was auch als typisch, charakteristisch, aber auch als ungewöhnlich, besonders, privat oder bestimmt übersetzt und verstanden werden kann.

6A.d.Ü., der Movimiento Asambleario war der Sammelbegriff aller Kämpfe die in den Stadtteilen, in den Fabriken, Universitäten, Knästen, usw., stattfanden, die ohne der Kontrolle von Parteien und Gewerkschaften/Syndikate sich organisierten. Die Vollversammlung galt als der Entscheidungsträger dieser Bewegung, wo alles entschieden wurde.

7A.d.Ü., der Satz von Marx geht eigentlich so,Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“

8A.d.Ü., was auch der Namen eines Textes von Otto Rühle ist, was hier zu finden ist und hier die erwähnte Publikation.

9A.d.Ü., im Originaltext ist die Rede se ha convertido al capitalismo und wir setzten einen Akzent auf den Begriff convertir was ein Begriff ist der eine religiöse Konnotation hat. Daher diesen Schritt, als einen religiösen zu verstehen.

10A.d.Ü., hierbei handelt es sich um einen Spruch aus dem spanischen. Es como el ajo, se repite. Dieser Spruch hat eine Doppeldeutung, denn der Begriff se repite bedeutet in dem Kontext, sowohl dass etwas wieder aufstoßt, als auch dass es sich wiederholt. In diesem Falle werden wohl beide Bedeutungen gemeint.

11A.d.Ü. espectáculo movimentista, als movimentismo wird die Ideologie bezeichnet, die den „politischen Kampf“ auf eine leicht reproduzierbaren Warenlogik, auch ästhetische, auf der Straße reduziert. Gemeint sind die großen, inhaltsleeren, unbedeutenden Ereignisse auf der Straße die sich in Gipfel und Gegengipfel, als Beispiel, manifestieren.

12A.d.Ü., hierbei handelt es sich auch um einen Spruch aus dem spanischen, Lagartera ist eine Ortschaft bei Toledo, und sie wie einer aus Lagartera anzuziehen oder zu verkleiden, bedeutet was zu sein was man nicht ist.

13A.d.Ü., Wladimir Iljitsch Lenin, Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus, 1920, hier zu lesen.

14A.d.Ü., Otto Rühle, Brauner und Roter Faschismus, 1939, hier zu lesen.

15A.d.Ü., Frente de Liberación Popular, Volksbefreiungsfront, oder Populäre Befreiungsfront, abgekürzt FLP oder FELIPE, war eine klandestine linke Organisation in Spanien von 1958 bis 1969.

16A.d.Ü., der Frente Obrero de ETA, war auf der Vollversammlung von Euskadi Ta Askatasuna (ETA), die im August 1973 im französischen Hasparren stattfand, dort kam es zu einem Zusammenstoß zwischen den beiden Strömungen, die innerhalb der Organisation nebeneinander existierten: der Militärischen Front (Frente Militar) und der Arbeiterfront (Frente Obrero). Die Militärische Front bestand aus Militanten der ETA, die den bewaffneten Kampf gegen das Franco-Regime führten, während die Arbeiterfront aus Militanten der ETA bestand, die klandestine politische oder gewerkschaftliche/syndikalistische Arbeit leisteten. Letztere beschuldigten den Ersteren, den gesamten Apparat der bewaffneten Strategie untergeordnet zu haben. In den Jahren 1973 und 1974 kam es zu starken Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Fraktionen. Einige der von der Militärischen Front durchgeführten Aktionen, die vorher nicht mit der Arbeiterfront abgesprochen oder konsultiert worden waren, insbesondere die Ermordung des Admirals und Ministerpräsidenten Luis Carrero Blanco im Dezember 1973, führten dazu, dass sich die Repressionen des Franco-Regimes gegen die Mitglieder der Arbeiterfront richteten. Im Sommer 1974 verließ ein großer Teil der Mitglieder der Arbeiterfront mit Sitz in Guipúzcoa die Organisation und gründete die Partei Langile Abertzale Iraultzaileen Alderdia (LAIA), „Partei der Revolutionären Patriotischen Arbeiter“.

17A.d.Ü., Comisiones Obreras, Arbeiterkommissionen, ist zwar heutzutage die größte Gewerkschaft in Spanien, hatte sie jedoch ursprünglich einen radikalen Ausdruck in der autonomen Organisierung des Proletariats in Spanien, als es klandestin in den 1960ern gegründet wurde und viele wilde Streiks bei den Bergarbeitern in Asturias innitiierte. Als diese neue autonome Form des Organisation des Proletariats von der PCE übernommen wurde, verlor sie sofort jegliche radikale Handlung und wurde zu einen Instrument für die Interessen der PCE.

18A.d.Ü., am 3. März 1976 eröffneten die Bullen während eines wilden Streiks in der baskischen Stadt Gasteiz (Vitoria), als sie zuvor eine Vollversammlung in einer Kirche mit Tränengas beschossen und dadurch auflösten, das Feuer, als die Menschen aus der Kirche flohen. Fünf Personen wurden ermordet und weitere 150 verletzt.

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