Was hat es mit diesem revolutionären Antifaschismus auf sich?

Gefunden auf materiales x la emancipación, die Übersetzung ist von uns. Amadeo Bordiga war unser Wissen nach der erste der den Antifaschismus als eine konterrevolutionäre Bewegung der Bourgeoisie, wenn auch der demokratischen, dass muss gesagt werden, kritisierte und sein Wesen und Charakter als solche entlarvte. Der Kern dieser Kritik ist dass der Antifaschismus eine Waffe der herrschenden Klasse ist und die Frage von „Sozialer Revolution oder Kapitalismus“ (im Sinne Bordiga´s natürlich „Kommunismus oder Kapitalismus“) hinzu „Demokratie oder Faschismus“ lenkt/verschiebt, also am Ende anderes formuliert, und zu „Kapitalismus oder Kapitalismus“ reduziert wird. Wenn wir auch seine Ideen nicht teilen, denn Bordiga war, Rätekommunismus hin oder her, bis zum Ende ein Leninist, und wir sind bis zum Ende gegen den Leninismus, kann der Fakt seiner brillanten Kritik nicht ignoriert werden. Seit dem haben sich nicht wenige Revolutionäre dieser Kritik angeschlossen, die aber im deutschsprachigen Raum eher selten vorkommt und von den meisten dämonisiert wird, jene die es trotzdem tun werden jegliche Form des Ostrazismus an ihren Leib erfahren.

Dieser Text ist zwar nicht von Bordiga selbst, subsumiert aber seine Gedanken und da auf dieser spätere Kritiken aufgebaut wurden, sei es nur im Ansatz den Antifaschismus zu kritisieren, wäre es ein Fehler diese zu ignorieren oder nicht zu erwähnen. Erst vor einigen Jahren kam eine Broschüre auf Deutsch heraus welche aus einer anarchistischen Position den Antifaschismus kritisierte, es handelt sich um „Der Anarchismus gegen den Antifaschismus“, und unser Wissen nach war es in der Form, zumindest so explizit, die erste die dies tat. Es handelte sich um eine Sammlung anarchistischer Texte, alle aus verschiedenen Ländern, die auf verschiedene Arten und Weißen den Antifaschismus kritisieren. In anderen Ländern ist die Kritik an den Antifaschismus aus der anarchistischen Bewegung weit verbreiteter wie hier, Gründe dafür gibt es viele. So wichtig wir diese Broschüre damals auch empfunden haben, was wir noch tun, finden wir dass einige dieser Kritiken nur an der Oberfläche ankratzen. Das Thema beschäftigt uns sehr seit vielen Jahren und sehen nicht nur wie wichtig es ist sich damit auseinanderzusetzen, sondern diese Kritik weiterhin voranzutreiben. Nicht nur weil des das Flaggschiff der (radikalen) Linken des Kapitals ist, sondern weil unter seiner Fahne, wie im Krieg in der Ukraine, und auf seinen Schoß die Konterrevolution weiter und weiter gewoben wird, verstanden als Zwangsjacke und jeglichen revolutionären und aufständischen Ansatz im Keim zu ersticken, den es geht immer darum die Demokratie zu schützen, ergo, das Kapital.

Andere kommunistische Gruppen, im deutschsprachigen Raum sowie weltweit, haben sich auch diesbezüglich ausgetobt, doch sind sie in Vergessenheit geraten, oder werden komplett ignoriert. Wie wir schon sagten ist der Antifaschismus das Flaggschiff der radikalen Linken des Kapitals und es darf nicht kritisiert werden, nun wir werden es in Zukunft des Öfteren machen und intensivieren hiermit auch weiter die Kritik, wie viele andere, in diese Richtung.

Soligruppe für Gefangene


Was hat es mit diesem revolutionären Antifaschismus auf sich?

Am 5. Juli, 2022 veröffentlicht.

Im Faden der Zeit

GESTERN

Amadeo Bordiga beschäftigte sich zwischen 1921 und 1926 in zahlreichen Artikeln mit dem Thema Faschismus. Der Faschismus war das Hauptproblem, mit dem sich die Kommunistische Partei Italiens (PCd’I ) in diesen Jahren auseinandersetzen musste.

Um Bordigas Thesen zum Faschismus zu verstehen, ist es zunächst notwendig, sein Denken von der antifaschistischen Ideologie abzugrenzen.

Für den Antifaschismus ist der Faschismus im Wesentlichen durch die gewaltsame Unterdrückung der Legalität und der demokratischen politischen Freiheiten gekennzeichnet. Für Bordiga charakterisiert, innerhalb der reinsten marxistischen Orthodoxie, die offene Anwendung von Gewalt nichts. Die Gewalt an sich hat keine präzise Bedeutung. Es geht darum, zu analysieren und zu konkretisieren, welche Klasse gegen welche andere Klasse Gewalt anwendet. Für Bordiga lehrt das elementarste ABC des Marxismus, dass in jeder Gesellschaft die in Klassen aufgeteilt ist, die herrschende Klasse Gewalt anwendet, um die beherrschte Klasse zu unterdrücken.

Bordiga vertrat die Auffassung, dass die Ideologie, die den Faschismus als Regression zu vorkapitalistischen Formen charakterisiert, der marxistischen Theorie fremd ist.

Die politischen Formen ändern sich nicht mit der Mode, sondern werden durch die vorherrschenden sozialen Beziehungen bestimmt, und ihre Entwicklung hängt nicht vom Zufall, von der Willkür oder vom Willen ab, sondern von der ökonomischen und sozialen Entwicklung dieser Gesellschaft, d. h. von den Veränderungen, die sich in dieser Struktur der sozialen Beziehungen in Verbindung mit den historischen Ereignissen vollziehen.

In Bordigas Denken bedeutete die Akzeptanz der antifaschistischen Ideologie durch das Proletariat, die Demokratie zu verteidigen, indem es auf seine Klasseninteressen verzichtete, mit anderen Worten, indem es darauf verzichtete, sich als revolutionäre Klasse zu behaupten.

Die Antithese Demokratie/Faschismus war für Bordiga also falsch. Demokratie und Faschismus sind nicht gegensätzlich, sondern komplementär: Dies wäre eine grundlegende und unverwechselbare These, nicht nur für Bordiga, sondern für die Italienische Kommunistische Linke Fraktion in den 1930er Jahren.

Sowohl der Faschismus als auch die Demokratie sind in Bordigas Artikeln Methoden der Herrschaft der Großbourgeoisie, die auf die Aufrechterhaltung der kapitalistischen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse ausgerichtet sind.

Bordiga gab die fetischistischen Definitionen und Vorstellungen von Kapital auf, d.h. das Kapital als Sache, sei es Geld, Fabriken usw., und griff die marxistische Definition des Kapitals auf, das als gesellschaftliches Produktionsverhältnis definiert wird, und zwar als dasjenige, das zwischen einer sozialen Klasse, die sich durch ihre Freiheit (Freiheit, ihre Arbeitskraft zu verkaufen) auszeichnet, und der anderen sozialen Klasse, die sich dadurch auszeichnet, dass sie der Käufer von Lohnarbeit ist, hergestellt wird.

Ausgehend von der marxistischen Definition des Kapitals behauptete Bordiga, dass die herrschende Klasse, d. h. die Klasse, die sich durch den Kauf von Arbeitskraft auszeichnet, abwechselnd (oder gemeinsam) die demokratische Methode und/oder die faschistische Methode der Herrschaft anwendet, um die kapitalistischen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse aufrechtzuerhalten, d. h. den Kauf und Verkauf von Arbeitskraft auf einem Markt, der durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage geregelt wird.

Ob die herrschende Kapitalistenklasse zur demokratischen oder zur faschistischen Methode griff, hing nicht von einer ideologischen Entscheidung ab; es war kein freiwilliger Akt, sondern hing vom Reifegrad der sozialen Konflikte ab.

Die geschickteste Methode, die in Italien in den Jahren 1920-1925 die besten Ergebnisse brachte, war der kombinierte Einsatz von faschistischer Gewalt, die von den demokratischen Institutionen gefördert und unterstützt wurde, zusammen mit der subtilen und lähmenden Waffe des sozialen Reformismus und der Verteidigung der demokratischen Freiheiten und der bourgeoisen Legalität, als das der Arbeiterbewegung vorgeschlagene Ziel.

Der Faschismus war für Bordiga weder eine Regression zu vorkapitalistischen politischen Formen, noch eine mit demokratischen Postulaten unvereinbare politische Form, sondern eine präventive Konterrevolution zur Abwehr der revolutionären Bedrohung durch das Proletariat.

Bordiga und seine Anhänger in der Führung der PCd’I schöpften ihre Thesen aus der historischen Erfahrung, die das Proletariat in Italien Tag für Tag machte.

Das Werk der parlamentarischen Demokratie war die Unterdrückung der populären Bewegungen während des Biennio rosso1, die als Folge der ökonomischen Krise der Nachkriegszeit entstanden waren: Inflation, industrielle Umstellung und Arbeitslosigkeit, die die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse hart trafen.

Die faschistischen Milizen griffen erst nach der Liquidierung der Fabrikbesetzungsbewegung im September 1920, am Ende des Roten Bienniums, entscheidend ein.

Die wirksamste Waffe, die Giolitti bei der Demobilisierung der revolutionären Bewegung einsetzte, waren die CGL und die PSI, d.h. der gewerkschaftliche/syndikalistische und sozialistische Reformismus.

Der demokratische Staat hatte in Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie die Voraussetzungen für das Auftreten eines dritten konterrevolutionären Faktors geschaffen: die faschistischen Schwadronen.

Ihre Mission bestand nicht darin, eine revolutionäre Bewegung zu zerschlagen, die bereits durch die Repression des demokratischen Staates und die Kollaboration des reformistischen Sozialismus besiegt worden war, sondern ihr Wiederaufleben zu verhindern.

Ein wesentliches Merkmal des Faschismus war für Bordiga seine industrielle Verwurzelung, weshalb er den feudal-reaktionären Charakter der faschistischen Bewegung bestritt.

Bordiga behauptete, der Faschismus sei in den großen Industriestädten Norditaliens wie Mailand entstanden, wo Mussolini 1919 die Faschisten gründete. Daher die frühe Finanzierung des Faschismus durch die Großindustriellen und das Aufkommen des Faschismus als große Einheitsbewegung der herrschenden Klasse. Ihre Etablierung in den großen und reichen ländlichen Regionen der Emilia-Romagna fand noch vor der Vorherrschaft der großen Industriestädte gerade in den ländlichen Gebieten statt, die sich durch eine fortgeschrittene, vollkapitalistische Landwirtschaft auszeichneten, wie etwa in der Po-Ebene. Die große landbesitzende Bourgeoisie der Emilia-Romagna unterstützte voll und ganz den Faschismus, der im rückständigen Süden Italiens kaum Widerhall fand.

Es brauchte noch zwei Jahre echten Bürgerkriegs (1921 und 1922), die wertvolle Kollaboration des reformistischen Sozialismus und den Verrat des Syndikalismus/Gewerkschaftsbewegung der CGL, bis der Faschismus die großen Industriezentren Norditaliens beherrschte. Als dies jedoch nach dem Scheitern des Generalstreiks im August 1922 erreicht war, wurde der Marsch auf Rom zu einer reinen Formalität.

Eine Formalität, bei der Bordiga es nicht versäumte, die demokratische Machtergreifung der Faschisten zu unterstreichen, mit dem positiven Votum aller damals im Parlament vertretenen liberalen und demokratischen politischen Formationen.

HEUTE

Hundert Jahre nach der Veröffentlichung von Bordigas Artikeln über die Entstehung und den Aufstieg des Faschismus in Italien können wir ohne jeden Zweifel feststellen, dass der Antifaschismus die schlimmste historische und ideologische Folge des Faschismus war und heute das letzte theoretische Bollwerk des Kapitals ist.

Das Wesen des Antifaschismus besteht darin, den Kampf gegen den Faschismus durch die Stärkung der Demokratie zu fördern. Das heißt, er unterstützt nicht den Kampf gegen den Kapitalismus, sondern nur gegen seine faschistische Form. Er kämpft nicht für die Zerstörung des Kapitalismus, er kämpft nicht für die proletarische Revolution, sein Ziel ist der Sturz des Faschismus, um die bourgeoise Demokratie wiederherzustellen.

Der Antifaschismus führt zum Kampf für eine bourgeoise Option und schließt jede revolutionäre und antikapitalistische Alternative aus. Und genau diese Ausgrenzung ist die konterrevolutionäre Funktion des Antifaschismus.

Es gibt keinen revolutionären Antifaschismus, der über die leere Rhetorik eines verwirrten Oxymorons hinausgeht. Antifaschismus ist immer demokratisch und inklusiv, er ist nie systemfeindlich und immer objektiv konterrevolutionär.

Eine andere Sache ist das deformierte und falsche Bild, das antifaschistische Militanten von sich selbst als Kampfhähne mit einem schrecklichen Ansporn glauben und verbreiten, während sie nur gerupftes Geflügel sind, bereit, sich die Kehle aufschlitzen zu lassen und in den Kessel geworfen zu werden.

Agustín Guillamón

Barcelona, Juli 2022


1A.d.Ü., als Biennio rosso (auf deutsch: Die zwei roten Jahre) wird der Zeitraum in Italien von 1919 und 1920 bezeichnet bei dem viele Streiks und Besetzungen von Fabriken durch Arbeiter und Arbeiterinnen stattfanden.

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