Prozessbericht vom fünften Verhandlungstag

Am Donnerstag, den 08.07.21, begann der fünfte Verhandlungstag des RAZ-RL-radikal Prozesses pünktlich um 13:00 Uhr. Es waren um die zehn solidarischen Personen anwesend.

Gleich zu Beginn stellte die Verteidigung einen Antrag in Bezug auf den Zutritt der Öffentlichkeit zum Prozess. Daher verlangte die Verteidigung den Beschluss des vorherigen Prozesstermins in schriftlicher Form. Der Richter will an der Entscheidung des vorherigen Verhandlungstages nichts ändern, die Begründung dafür ist die rasante Verbreitung der Delta Variante des Coronavirus, er hätte sich mit seinen Kollegen bei anderen Verhandlungen besprochen und es gäbe unterschiedliche Meinungen dazu, letzten Endes wäre die Begründung man müsse die Sicherheit aller Anwesenden gewähren. Auch wenn die Inzidenzrate in der BRD niedrig ist und in vielen Bundesländern die Coronamaßnahmen gelockert werden, wie in Läden, oder dass in öffentlichen Räumen (nicht überall) auch nicht mehr Masken getragen werden müssen, ergibt es für diesen Verfahren keinen Sinn, dass die Maßnahmen sehr akribisch eingehalten werden und dies dazu führt, dass der Zutritt der Öffentlichkeit (solidarischen Personen) eingeschränkt wird, so die Verteidigung. Der Richter will nicht mehr an jedem Verhandlungstag darüber debattieren und schlägt vor, dass ein Antrag gestellt wird. Dazu fragte die Verteidigung um die konkrete Gefährdungslage, was mit geimpften Personen wäre, was mit negativ getesteten Personen wäre, wenn z.B. keine Pressevertreter anwesend wären. Bei diesem Punkt willigte der Richte auf einmal ein, denn dies seien doch zu beachtende Umstände, auch wenn er nicht wüsste, wie all dies überhaupt kontrolliert werden sollte. Da die Kontrollen für den Eintritt in den Gerichtsaal sehr penibel und streng sind, so die Verteidigung, wäre dies keine viel größerer Aufwand als bis jetzt, aber es könnten doch auf einmal fünf weitere Personen in den Saal rein, wenn die Pressevertreter nicht anwesend wären, was in diesem Falle die Zuschauerzahl, wieder auf 15 Personen erhöhen würde.

Der erste Zeuge des Tages war ein pensionierter Bulle, der nur durch die Vorladung wusste, dass es sich um Brandanschläge bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung handeln würde, ansonsten habe er nur dunkle bis gar keine Erinnerungen an die Geschehnisse. Um seine Erinnerungen zu erfrischen hatte der Ex-Bulle Zugang zu dem Bericht über die Straftat, in diesem wurde aber ein weiterer Brandanschlag erwähnt, der am Amtsgericht in Wedding stattfand, daran könne er sich aber nicht mehr erinnern. Um das Erinnerungsvermögen wieder zu erfrischen wurden Fotos des Tatorts in Wedding ausgehändigt. Der Ex-Bulle konnte bestätigen, dass er am Tatort gewesen sei, er könne sich grob an die Schäden erinnern, was aber genau dort war, daran könne er sich nicht mehr erinnern, es seinen ja über 10 Jahre vergangen.

Zum Brandanschlag beim Amtsgericht hätte er keine Erinnerungen mehr und könnte daher nichts sagen. Ob die Taten miteinander verglichen wurden, daran kann er sich nicht erinnern, auch wenn dies das übliche Prozedere sei. Denn an beiden Orten sollen ähnliche blaue, aus Kunststoff wie üblich, Getränkekisten gefunden worden sein, in denen die Brandsätze deponiert gewesen sein sollen. Im Bericht selbst steht dieser Vermerk. Was der Ex-Bulle zu der Tat selbst geschrieben hat, darin könne sich dieser auch nicht mehr erinnern.

Zwischendurch bemerkte der Ex-Bulle, dass ihm nur bekannt gewesen wäre, dass die Täter lange als unbekannt galten.

Gleich darauf wurden auch die Fotos des Tatortes bei der Senatsverwaltung ausgehändigt. Aufgrund dieser kann sich der Ex-Bulle an die Graffitis erinnern und dass er dar war. Auch das für den Brandanschlag mit einer größeren Menge an Brandflüssigkeit verwendet wurde, könne man aus den Schäden sehen und der Ex-Bulle hätte auch eine 25jährige Erfahrung mit Brandanschlägen. Das Vorgehen mit Getränkekiste sei ihm schon damals aufgefallen, weil dies nicht üblich gewesen sei und ein Jahr später nach den Brandanschlägen um die es sich handelte, fand ein weiterer statt, nämlich am Platz der Luftbrücke gegen ein Gebäude der Ex-Bullen. Der Richter fragte, ob es sich um das Haus handeln würde, wo das LKA stationiert ist, der Ex-Bulle bejahte.

Der Ex-Bulle wiederholte noch einmal dass die Anschläge gegen das Amtgericht und gegen das Senatsgebäude am selben Tag gewesen seien und dass sie augenscheinlich sehr ähnlich gewesen seien. Mit wem er vor Ort geredet hätte, anderen Bullenkollegen, Feuerwehr, etc., daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, ob sich Personen in den Gebäuden während der Taten befanden, darauf konnte der Ex-Bulle nicht antworten, weil er sich daran nicht erinnere. Die Frage ob die Holztür, an der die Brandsätze platziert wurden, ab einem gewissen Punkt durch das Einwirken des Feuers von alleine brannte, bejahte der Ex-Bulle.

Die Verteidigung begann die Befragung des Ex-Bullen mit der Frage, woher er die Berichte erhalten habe, dieser sagte, er hätte sie über die Dienststelle erhalten. Dies sei der übliche Vorgang, evtl. auch weil der Zeuge im Ruhestand sei. Seine ehemaligen Kollegen fragten ihn, ob er sich an den Fall erinnern könnte. Bevor er selbst den Bericht las, hatte er keine Erinnerungen an irgendetwas.

Daraufhin fing ein Rechtsstreit an, weil der Staatsanwalt der Meinung war, dass die Verteidigung schon zuvor gestellte Fragen wiederholte und dies nicht zulässig sei. Der Richter musste kurz einschreiten um die Gemüter zu besänftigen. Die Verteidigung erwiderte, dass bei konkreteren Fragen der Zeuge andere Antworten als davor geben würde.

Die Befragung ging weiter über das Erinnerungsvermögen des Zeugen und an was sich dieser noch wirklich erinnern könne. Als Antwort erwähnte der Ex-Bulle die verbrannten Eingangstüren. An die blauen Getränkekisten und welche Kollegen was dazu gesehen und gesagt haben, kann er sich nicht erinnern. Er kann sich eigentlich nur anhand der Fotografien an die Kisten erinnern, weil auch bis dahin (sic!) solche Kisten nicht aufgefallen waren.

Der Ex-Bulle war selbst nicht als erster beim Tatort, er kann aber sagen, dass er bei der Senatsverwaltung der erste gewesen sei, der die Kisten wahrgenommen hatte, in Wedding kann er sich nicht erinnern, wer, zuerst die Kisten sah.

Auch die Frage ob sich der Ex-Bulle daran erinnern könnte Fotos bei den Tatorten geschossen zu haben, kann dieser nichts sagen. Ob er eine eingeschränkte Vermutung oder Erinnerung daran haben könnte? Dazu hätte er keine Erinnerung. Der Zeuge sei alleine unterwegs gewesen, was üblich sei, ein Fotograf wird, falls nötig, bestellt und fotografiert dass was man in anordnet.

Aus dem Bericht wird entnommen, dass der Ex-Bulle doch selbst Fotos in Wedding geschossen haben soll, aber bei der Senatsverwaltung ein Fotograf anwesend war und dies tat. Dies sei so gewesen um das Vorgehen zu beschleunigen, kam als Antwort.

Auf die Frage wie lange er bei den Tatorten gewesen sei, antwortete der Ex-Bulle so um die 1,5 – 2 Stunden. Aus dem Bericht geht hervor, dass er 45 Minuten dort war.

Der zweite Zeuge an diesem Verhandlungstag war ein Bulle der weiterhin im Dienst ist. Dieser könne sich noch grob daran erinnern, worum es gehen würde und anhand der Vorbereitung auf die Befragung wüsste er wieder, dass es um Brandstiftung geht. Vorgefunden wurden Getränkekisten, auf einmal ist auch die Rede von einem Joghurtbecher, aber erst durch das Durchlesen des Berichts konnte er sich an mehr erinnern. Er hätte Auszüge zu den Akten mehrfach gelesen. Darauf folgte die Frage des Richters, ob überhaupt irgendwelche Erinnerungen auftraten, der Zeuge bejahte dies.

Auch diesem Zeugen werden die Fotografien ausgehändigt, da er zuvor keinen Zugriff auf diese gehabt hatte. Die Fotografien, die er nun anschaute, können ihm nicht weiterhelfen, weil es nicht jene waren die er damals vor Ort selbst geschossen hatte, auch weil sie damals Nachts geschossen wurden. Daran, dass er selbst die Fotos geschossen haben soll, kann sich der Bulle nicht erinnern. Zu den Fotografien die Nachts geschossen wurden kann er nichts sagen, weil diese keine Erinnerungen bei ihm wachrufen, dann reichte der Richter ihm einen Bericht und fragte den Bullen ob dies seine Unterschrift sei, diese erkannte er.

Zu seinem Zugriff auf die Berichte, antwortet der Zeuge, dass ihm die Berichte zu den Taten per Post nach Hause geschickt wurden.

Am Ende ging es nochmal um die Getränkekisten und deren Standort. Der Zeuge konnte sich daran teilweise erinnern. Als er beim Tatort ankam, wurde seinen Kollegen und ihm darüber berichtet. Ob er mit anderen Personen vor Ort – Feuerwehr, Kollegen, Zeugen vor Ort – sich unterhalten hätte, daran kann er sich auch nicht erinnern. Der Getränkekasten befand sich auch woanders als an der Stelle, wo dieser bei der Tat stand, in welcher Entfernung wüsste er nicht mehr.

Der letzte Zeuge des fünften Verhandlungstages, war ein Augenzeuge, der damals die Bullen benachrichtigte, dass es irgendwo brennt. Dieser konnte sich an die Geschehnisse selbst nicht mehr erinnern, als er die Vorladung bekam, aber nach einem Telefonat mit dem Gericht sind ihm ein paar wenige Sachen wieder eingefallen. Wie er selbst schilderte, feierte er mit ein paar Freunden aus der WG am Park vor dem Gericht. Das erste, was ihm auffiel, war der Geruch nach Verbranntem, ob er die Bullen oder die Feuerwehr anrief, daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Es habe an einer Tür an einem Haus gebrantt, an die genaue Zeit wann dies geschah, könne er sich auch nicht mehr erinnern, ebenso wenig ob er überhaupt Feuer bzw. Flammenschein gesehen habe. An einen Kasten oder an eine Kiste könne er sich auch nicht erinnern, genauso wenig wie an das Eintreffen der Polizei. Er denkt, dass er sich am nächsten Tag wahrscheinlich den Tatort angeschaut habe, aber genau wüsste er dies auch nicht mehr. An spätere Gespräche, Vorladungen der Bullen (BKA z.B.) kann er sich auch nicht erinnern. Vor Gericht sprach der Zeuge immer in der ersten Person Plural, aber in den Bullenberichten sprach er immer in der ersten Person Singular.

Aus dem Bericht kam auch hervor, dass der Zeuge in einer Kneipe war (Barrikade), er selbst sagte, dass zu der Zeit als er im Wedding wohnte, er jeden Abend im Park oder in der Kneipe war. Auch ist im Bericht die Rede von einem Selterskasten (Sprudelwasser) und wo dieser stand, aber an seine eigene Aussage, kann sich der Zeuge auch nicht erinnern.

Die Verteidigung fragte den Zeugen nach seinem Alkoholkonsum an besagtem Abend, was diesen sichtlich ärgerte, daraufhin antwortete er, dass er, wegen der Elektrolyte, Bier abwechselnd mit Wasser trinkt und dass daher sein Erinnerungsvermögen vollkommen okay wäre.

Als letztes verlas der Richter die Strafanzeige und den Tatortbericht zu dem Anschlag bei der Senatsverwaltung.

Kurz vor der Beendigung des Verhandlungstages machte der Richter die Verteidigung darauf aufmerksam, dass in der nächsten Sitzung Zeugen vom Verfassungsschutz erscheinen werden, dass diese evtl. – was anscheinend auch unüblich ist – aus einem Dokument, wegen der eingeschränkten Aussage, vorlesen werden und bei Unklarkeiten bei ihrer VS-Stelle anrufen würden, um sich zu erkundigen, worüber sie vor Gericht reden dürfen.

Die nächsten Prozesstermine sind nächste Woche am Dienstag dem 13.07.21 um 09:00 und am Donnerstag, den 15.07.21, um 13:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.

 

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