Gefunden auf dark nights, die Übersetzung ist von uns.
Brief von einigen inhaftierten Gefährtinnen und Gefährten aus dem Fall „Chaos Star” (Indonesien)
Veröffentlicht am 30.11.2025
Palang Hitam/ABC: Dieser Brief stammt von einer Gruppe der Chaos Star-Angeklagten im Gelände der paramilitärischen Polizei in Westjava. Die Erwähnung von FAAF in der Unterschrift bezieht sich auf die Free Association of Autonomous Fires. Feuer den Gefängnissen!
Grüße an Freunde und Feinde gleichermaßen,
Auch heute noch stehen die Strukturen der Macht – uralt, starr und hoch aufragend. Doch im vergangenen August haben die Menschen die Illusion ihrer Unbesiegbarkeit durchbrochen. Sie haben gezeigt, dass nichts unwandelbar ist, wenn unsere Wünsche zu einer Kraft verschmelzen, die Wege zu den Welten ebnen kann, die wir uns ersehnen.
Wir sind Individualisten, weil wir die ideologischen Fantasien verwelkter Anarchistinnen und Anarchisten ablehnen, die wie Missionare einer aussterbenden Religion predigen.
Wir sind Individualisten, weil wir an eine Anarchie der Fantasie glauben – kreativ, vielfältig, ungebunden.
Wir sind Individualisten, die davon überzeugt sind, dass Nihilismus ein konkreter Weg zur Selbstverwirklichung ist, jenseits der messianischen Sackgassen, die Realität in „gut“ und „böse“ zu unterteilen, da wir genau wissen, dass die Komplexität des Lebens nicht in die verfallenden Relikte der jüdisch-christlichen Doktrin gezwängt werden kann – Relikte, die begraben werden sollten wie die Mythen der Propheten und ihrer verblassenden Götter.
Wir sind Individualisten, weil wir an die absolute Autonomie jedes Einzelnen glauben, sein Leben nach seinen Wünschen zu gestalten – aber wir glauben auch an Zusammenarbeit, an die Gleichheit von Individuen, die gemeinsam ihre Wünsche verfolgen. Unsere antisoziale Anarchie ist eine aktive Ablehnung der alten Werte, die sich im Alltag endlos reproduzieren.
Gleichzeitig sind wir verwirrt, amüsiert und unterhalten von den törichten Anschuldigungen einiger sozialer Anarchistinnen und Anarchisten, die uns als „Puristen“ bezeichnen, als ob unsere Ablehnung von Organisation aus der Loyalität zu einem klassischen anarchistischen Kanon entstanden wäre – einer Ideologie, die von Eurozentrismus durchtränkt, von den kolonialen Überresten der westlichen Zivilisation durchzogen und vom Humanismus der Aufklärung, der eigentlichen Wurzel der autoritären Demokratie, durchdrungen ist. Wir lehnen alle Ideologien ab. Die Rebellen der Pariser Kommune von 1871, die Revolutionäre Spaniens von 1936, die Träumer von Paris 1968 und die von August 2025 – sie alle erinnern uns an kurze Leben, die jenseits aller Ideologien wirklich lebenswert waren.
Hinter diesen Mauern und Gittern senden wir einen scharfen Wind zu jeder wilden Seele und erinnern sie daran, dass sie nicht allein sind gegen die abstoßenden Realitäten, die von den Mächtigen geschaffen wurden.
Der Kompass der Anarchie führt uns zusammen an der Schwelle zwischen freiem Willen und dem Willen zur Macht. Wir gehören keiner formellen anarchistischen Organisation an (verschont uns damit).
Wir sind weder Teil von machtlosen Kollektiven wie der PRISONERS‘ UNION (Serikat Tahanan) noch von Gruppen, die uns für sich beanspruchen – geschweige denn der sogenannten anarchistischen Bewegung mit ihrer kirchenähnlichen Rigidität und archaischen Moral.
Auf zur Verschmelzung von sozialer und individueller Anarchie und zur Negation jeder radikalen Bewegung, die die geistigen und physischen Gefängnisse des Staates und des Kapitalismus widerspiegelt – oder sogar übertrifft!
Dies ist ein offener Brief an alle Anarchistinnen und Anarchisten der Praxis. Scheißt auf alle Idole, verbrennt alle radikalen Bibeln und greift den Feind an allen Fronten an.
– FAAF und individualistische Gefangene, Polizeigefängnis West-Java, 1. Dezember 2025.