Dritter-Weltismus oder Sozialismus – Solidarity

Auf libcom gefunden, die Übersetzung ist von uns. Eine weitere Kritik an der Ideologie des Anti-Imperialismus, der nationalen Befreiungsbewegungen… Nur die Abschaffung aller Nationen-Staaten und der weltweite Kampf gegen Kapitalismus wird uns zufrieden stellen und eine menschliche Gemeinschaft aufbauen können.


Dritter-Weltismus oder Sozialismus – Solidarity

Es gibt verschiedene Theorien, warum die Linke in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern nationale Befreiungskämpfe unterstützen sollte.

Die kommunistischen Parteien zum Beispiel unterstützen solche Kämpfe, weil der Nationalismus in der Dritten Welt mit den Interessen der USA zu kollidieren scheint. Die nationale Befreiung wird daher als „Schwächung” des US-Imperialismus angesehen. Sie hoffen, dass Russland, das diese Bewegungen ideologisch und/oder materiell unterstützt, davon profitieren wird.

Die Maoisten folgen einer ähnlichen Logik, obwohl man nach Nixons Besuch in China vermuten könnte, dass Maos „antiimperialistischer” Eifer nur gegen die russische Bürokratie gerichtet ist. Westliche Castro-Anhänger und „fortschrittliche” Liberale aller Couleur unterstützen solche Bewegungen aus einem Gefühl der „moralischen Pflicht” heraus.

Für diese Leute ist die nationale Befreiung ein universeller Segen, der den „Anführern” der Dritten Welt zuteilwerden oder von ihnen in Anspruch genommen werden sollte. Man sollte vielleicht hinzufügen, dass diese edlen Gefühle dieselben Castro-Anhänger und Liberalen nicht davon abhalten, kapitalistische „Anführer” wie McGovern in den USA zu unterstützen – oder bei den nächsten britischen Wahlen eine Rückkehr der Labour Party zu fordern.

Die Unterstützung der Nationalbefreiung durch die Trotzkisten ist etwas differenzierter. Sie besteht aus großartigen (und banalen) historischen Plänen. Erstens sollten die nationalen Befreiungsbewegungen unterstützt werden – darin sind sich alle Trotzkisten (Mandel, Cliff, Healy, Ah usw.) einig. Ob die Unterstützung „kritisch” oder „unkritisch” ist, ist eine andere Frage – und hier trennen sich die Wege der Trotzkisten und sie gehen in ihre jeweiligen Räume.

Aber, könnte man fragen, warum überhaupt Unterstützung? Die Antwort darauf ist ein Beispiel für historische Schemata: Der US-Imperialismus werde durch solche Bewegungen „geschwächt”. Eine solche „Schwächung” werde dem „Todeskampf des Kapitalismus” einen weiteren „Übergangs”-Ruck verleihen, der wiederum andere Ruckbewegungen hervorrufen werde … und so weiter. Wie alle Mystifizierungen gibt auch der Trotzkismus keine schlüssige Antwort darauf, warum der Imperialismus insbesondere seit 1945 vielen ehemaligen Kolonialländern politische Unabhängigkeit gewähren konnte, eine Möglichkeit, die Lenin und Trotzki ausdrücklich verneint hatten.

Die Theorie der „permanenten Revolution” macht Trotzkisten blind für die Realitäten der nationalen Befreiung. Sie sind nach wie vor der Ansicht, dass die Bourgeoisie in der Dritten Welt nicht in der Lage ist, für „nationale Unabhängigkeit” zu kämpfen. Sie verstehen aber nicht, dass die „permanente Revolution” beispielsweise in Russland sowohl als bourgeoise Revolution begann als auch endete (trotz der angeblichen „führenden Rolle” des Proletariats bei der Entfaltung des Prozesses). In Russland sorgte die bourgeoise Phase (d. h. sowohl der Februar als auch der Oktober) ganz konkret dafür, dass es keine zukünftige „sozialistische” Entfaltung geben würde. Die von den Bolschewiki durchgeführte „permanente ~” führte nur zu einer staatlich-kapitalistischen Neuordnung der Ökonomie und des sozialen Lebens. Die „Lösung” der bourgeoisen Aufgaben wird, wie in Russland, alle autonomen Basisorganisationen der Arbeiterklasse (Räte und Fabrikkomitees) zerstören. Sie werden zu Untergebenen des Staates, der der Organismus par excellence für die Durchführung „verspäteter” bourgeoiser Revolutionen ist.

Jede Bürokratie kann unter günstigen Bedingungen die bourgeoisen Aufgaben in der Dritten Welt „lösen”. Die „permanente Revolution” braucht die Arbeiterklasse nur als Kanonenfutter. Die Akkumulation von Kapital durch erweiterte Reproduktion ist die Basis ihrer bürokratischen Macht, und ob die Bürokratie erfolgreich akkumuliert oder nicht, ist dabei nebensächlich. Auf jeden Fall hat es noch nie ein „reines” kapitalistisches Land gegeben, das alle seine bourgeoise Aufgaben „gelöst” hat. Selbst Großbritannien hat immer noch eine Königin.

Die Unterstützung der Trotzkisten für nationale Befreiungsbewegungen ist jedoch eine Unterstützung für eine andere soziale Gruppe … und nicht für die Arbeiterklasse oder die Bauernschaft. Die Trotzkisten stellen ihre Unterstützung für die Führung verschiedener nationaler Befreiungsbewegungen als „Taktik” dar, die es ihnen ermöglichen wird, die Kontrolle über die Bewegung zu erlangen. In ihrer Mythologie sind die Führungen solcher Bewegungen nicht in der Lage, den Kampf für nationale Unabhängigkeit zu führen. Wie wir gesehen haben, ist das schlicht und einfach Quatsch: Die chinesische, kubanische oder nordvietnamesische Bürokratie hat die westlichen Kapitalisten „vollständig” enteignet, ohne auch nur ein bisschen Hilfe von irgendeiner der Vierten Internationalen. Außerdem haben sie alle Trotzkisten in diesen Ländern gnadenlos abgeschlachtet oder eingesperrt. Soweit Trotzkisten von einer „Demokratisierung“ solcher Regime durch eine „politische Revolution“ faseln, sind sie Reformisten des Staatskapitals.

Lenins Theorie des Imperialismus aus dem Jahr 1916 wird normalerweise von allen traditionellen linken Gruppen zitiert, um ihre Unterstützung für die nationale Befreiung zu rechtfertigen. Die Theorie besagt, dass eine westliche „Arbeiteraristokratie” aus den Superprofiten entstanden ist, die aus den Kolonialländern herausgepresst wurden. Das ist ein bourgeoises Konzept, weil es nationale Faktoren über die Klassenanalyse stellt. Konzepte wie „proletarische Nationen” im Gegensatz zu „imperialistischen Nationen” ergeben sich ganz natürlich aus einer solchen Analyse – sie wurden tatsächlich in den 30er Jahren von Faschisten verbreitet. Heutzutage liefern Gunder Frank mit seiner Theorie der „Entwicklung der Unterentwicklung” und Emmanuel mit seiner Theorie des „ungleichen Austauschs” neue Beispiele für die bourgeois-leninistischen Einstellungen, die in der Linken so tief verwurzelt sind.

Nationalismus und Klassenkampf sind unvereinbar. Eine Nation ist eine bourgeoise Realität: Sie ist Kapitalismus mit all seiner Ausbeutung und Entfremdung, aufgeteilt in eine einzige geografische Einheit. Es spielt keine Rolle, ob die Nation „klein”, „kolonial”, „halbkolonial” oder „nichtimperialistisch” ist. Alle Nationalismen sind reaktionär, weil sie unweigerlich mit dem Klassenbewusstsein kollidieren und es mit Chauvinismus und Rassismus vergiften.

Das nationalistische Gefühl in den fortgeschrittenen Ländern ist reaktionär, nicht nur, weil es die Ausbeutung der kolonialen Arbeiterinnen und Arbeiter und Bauern erleichtert, sondern auch, weil es eine Form des falschen Bewusstseins ist, das die westlichen Arbeiter ideologisch an „ihre” herrschenden Klassen bindet. Ebenso ist der „Nationalismus der Unterdrückten” reaktionär, weil er die Klassenkollaboration zwischen den kolonialen Arbeiterinnen und Arbeitern und Bauern und den „antiimperialistischen” aufstrebenden Bürokratien erleichtert.

Der Mythos der Trotzkisten, dass eine erfolgreiche nationale Befreiung später den „echten Klassenkampf“ auslösen wird, ist falsch, wie die Beispiele Äthiopien, Nordvietnam, Mexiko unter Cárdenas und Brasilien unter Vargas zeigen. Es ist eine Rechtfertigung für die Verteidigung neuer herrschender Klassen, die gerade entstehen. Wie die Geschichte zeigt, werden diese neuen Eliten normalerweise zu Anhängseln des bereits bestehenden staatskapitalistischen Blocks. Insofern ist der Trotzkismus eine Art stellvertretender Sozialpatriotismus.

Jede intelligente Person kann erkennen, dass das Schicksal der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder nicht von der Fähigkeit der Dritten Welt abhängt, die Rohstofflieferungen einzustellen. Die herrschenden Klassen der Dritten Welt werden sich niemals zusammenschließen, um einen wirksamen Boykott auf weltweiter Ebene zu planen oder in Praxis umzusetzen. Außerdem werden die USA und Westeuropa immer weniger abhängig von vielen Produkten der Dritten Welt. Dazu kommen noch die fallenden Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt und die protektionistischen Barrieren in den fortgeschrittenen Ländern, und schon hat man ein Bild von der drohenden Barbarei in der Dritten Welt. Ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Westen wird von Jahr zu Jahr schwächer. Befürworter des Dritte-Weltismus (Third Worldists) sollten ernsthaft über diese Tendenzen nachdenken.

Nationale Befreiungskämpfe können als Versuche von Teilen der einheimischen herrschenden Klassen gesehen werden, sich einen größeren Anteil des in „ihren eigenen” Ländern geschaffenen Wertes anzueignen. Die imperialistische Ausbeutung erzeugt in der Tat dieses Bewusstsein in den „gebildeteren” Schichten der Dritten Welt. Diese Schichten neigen dazu, sich als Hüter des „Vaterlandes” zu betrachten. Es versteht sich von selbst, dass eine Verschlechterung der Handelsbedingungen für Rohstoffe in der Dritten Welt diese Situation verschärft. Das Wachstum vieler nationaler Befreiungsbewegungen in den letzten 25 Jahren ist ein Ausdruck des Ungleichgewichts auf dem Weltmarkt. Die Länder der Dritten Welt versinken immer tiefer in Verfall, Hungersnot, Stagnation, politischer Korruption und Vetternwirtschaft. Nationale Rebellion kann dann von unzufriedenen Armeeoffizieren, Priestern, kleinen Bürokraten, Intellektuellen und (natürlich) wütenden Kindern der Bourgeoisie und der Großgrundbesitzer in aktive Politik umgelenkt werden. Die Beschwerden der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der Bauern sind auch echt (die oben genannten Würdenträger sind größtenteils dafür verantwortlich), aber die nationalistischen Anführer können immer noch hoffen, die Fantasie der Ausgebeuteten zu beflügeln. Wenn das passiert, sieht man die Anfänge einer nationalen Befreiungsbewegung, die ausdrücklich auf Klassenkollaboration basiert, mit allen reaktionären Auswirkungen, die das für die Ausgebeuteten hat. Sie kommen aus der Pfanne der ausländischen Ausbeutung ins Feuer des nationalen Despotismus.

Damit solche Regime gegen die offene Feindseligkeit des westlichen kapitalistischen Blocks oder dessen heimtückische Weltmarktmechanismen überleben können, müssen sie zwangsläufig vom staatskapitalistischen Block (Russland und/oder China) abhängig werden. Ist dies nicht möglich, wird ein äußerst prekärer Balanceakt („Neutralismus“) zur vorherrschenden Lebensrealität (wie das Beispiel Ägyptens oder Indiens zeigt). Ohne massive Unterstützung durch den staatskapitalistischen Block ist es für ein solches Regime unmöglich, auch nur ansatzweise mit der primitiven Akkumulation zu beginnen. Die meisten Länder der Dritten Welt haben nicht die Ressourcen, um ein solches Programm aus eigener Kraft zu starten. Und selbst wenn sie es hätten, könnte es (wie jede Akkumulation) nur durch verstärkte Ausbeutung erreicht werden. Diese Regime können vorübergehend ein höheres Konsumniveau und Sozialprogramme einführen. Diejenigen, die nur ökonomistische Schritte zum „Sozialismus” sehen, führen dies gewöhnlich als Erklärung dafür an, warum Castro „besser” als Batista oder Mao gegenüber Chiang „vorzuziehen” ist. Ohne auf die reaktionären Auswirkungen eines solchen Reformismus auf nationaler Ebene einzugehen, wollen wir uns ansehen, wie dieses Argument auf internationaler Ebene funktioniert. Castro unterstützte 1968 die russische Invasion in der Tschechoslowakei, Ho Chi Minh verteidigte die Niederschlagung der ungarischen Revolution von 1956 durch Russland und Mao unterstützte Yahya Khans Genozid in Bangladesch. Was also im eigenen Land „gewonnen” wird, geht im Ausland in Form von Leichenbergen und massiver politischer Demoralisierung verloren. Berücksichtigt die traditionelle Linke eine solche reaktionäre Bilanz?

Die ideologischen Auswirkungen solcher internationalen Ereignisse sind schwer einzuschätzen, aber zweifellos reaktionär. Die zunehmende Bürokratisierung der Dritten Welt verstärkt nur die Vorurteile und die Apathie der Arbeiterklasse in den Industrieländern. Die imperialistischen Bourgeoisien werden darauf mit weiteren protektionistischen Barrieren und gleichzeitig mit einer Ausweitung des profitablen Waffenhandels reagieren. Die Bürokratisierung der Dritten Welt wird das Ansehen – sowohl ideologisch als auch diplomatisch – des staatskapitalistischen Blocks stärken, trotz dessen innerimperialistischer Rivalitäten. Dieser Prozess wird von einer zunehmenden Demoralisierung und Zynismus in den Kreisen der traditionellen Linken begleitet sein. Das ist schon heute offensichtlich: Bei vielen Demos zu internationalen Themen werden Bilder von Ho, Mao, Castro, Guevara und einer Reihe anderer Schurken (Hoxha, Kim Il Sung usw.) ziemlich unverschämt herumgezeigt. Solche Kulte zeigen, wie sehr die Ideologie unserer Zeit verkommen ist, und es ist kein Zufall, dass die arbeitenden Menschen nur Verachtung oder Gleichgültigkeit gegenüber der traditionellen Linken und den von ihr verehrten Helden empfinden.

Ein weiterer, ebenso wichtiger Aspekt der nationalen Befreiungskämpfe wird von der traditionellen Linken ignoriert. Es geht um die Frage der Demokratie der Arbeiterklasse und der Bauern sowie um die revolutionäre Selbstaktivität der Massen. Die nationale Befreiung wird solche autonomen Aktivitäten der Arbeiterklasse immer unterdrücken, weil die bourgeoise Ziele der nationalen Befreiung (d. h. der Aufbau einer Nation) – in klassenpolitischer Hinsicht – den historischen Interessen der arbeitenden Bevölkerung (d. h. der Befreiung der Menschheit) entgegenstehen. Damit wird klar, warum alle Führungen nationaler Befreiungsbewegungen versuchen, jede Initiative der Massen von oben zu kontrollieren und ihnen nur die Politik des Nationalismus vorzuschreiben. Dazu ist es notwendig, die arbeitenden Massen tatsächlich zu terrorisieren (Ben Bellas FLN massakrierte während des algerischen „Unabhängigkeitskrieges“ Dutzende algerischer Arbeiter, Ho’s Viet Mihn half den Briten und Franzosen bei der Niederschlagung der Arbeiterkommune von Saigon 1945 und ermordete später Dutzende von Trotzkisten; Guevara griff die kubanischen Trotzkisten öffentlich an, und Castros Angriffe gegen sie im Jahr 1966 besiegelten ihr Schicksal, selbst als Reformisten der castristischen herrschenden Klasse.) Die staatskapitalistischen Eliten müssen schon vor ihrer Machtübernahme versuchen, jede unabhängige Stimme der Opposition auszumerzen, und ihre vollständige Herrschaft macht jede Möglichkeit selbst geringfügiger Maßnahmen der bürgerlichen Demokratie zunichte.

Die Unterstützung für jeden nationalen Befreiungskampf ist immer reaktionär. Sie besteht in der Regel aus:

1) der Unterstützung eines Klientenstaates des staatskapitalistischen Blocks, was einer Verteidigung des staatskapitalistischen Imperialismus gegen den westlichen Imperialismus gleichkommt;

2) der Unterstützung despotischer Regime, die neben den klassischen bourgeoisen Eigentumsformen auch jede unabhängige Organisation der Arbeiterklasse und der Bauernschaft zerstören.

Oft wird behauptet, dass man zwischen den reaktionären und bürokratischen Führungen nationaler Befreiungskämpfe und den Massen, die an solchen Kämpfen beteiligt sind, unterscheiden muss. Ihre Ziele seien unterschiedlich. Wir glauben, dass diese Unterscheidung selten zutrifft. Der Ausländer wird in der Regel als Ausländer gehasst, nicht als Ausbeuter, weil er einer anderen Kultur angehört, nicht weil er Mehrwert abschöpft. Dies ebnet den Weg für lokale Ausbeuter, in die Fußstapfen der ausländischen Ausbeuter zu treten. Darüber hinaus verleiht die Tatsache, dass ein bestimmtes Programm (z. B. nationale Unabhängigkeit) beträchtliche Unterstützung findet, diesem nicht automatisch Gültigkeit. Massenbewusstsein kann Massen-Falschbewusstsein sein. Millionen französischer, britischer, russischer und deutscher Arbeiterinnen und Arbeiter haben sich im Ersten Weltkrieg gegenseitig abgeschlachtet, weil sie die „nationalen” Ideen ihrer jeweiligen Herrscher verinnerlicht hatten. Hitler sicherte sich im September 1930 6 Millionen Stimmen. Die Anführer nationaler Kämpfe können nur deshalb an die Macht kommen, weil es ein nationalistisches Gefühl gibt, das sie erfolgreich manipulieren können. Die Bande der „nationalen Einheit” erweisen sich dann als stärker als der wichtigere, aber „spaltende” Klassenkampf.

In der Praxis können Revolutionäre in der Dritten Welt derzeit nur Kompromisse in der Kernfrage vermeiden: nämlich dass die arbeitenden Menschen kein „Vaterland“ haben und dass für Sozialisten der Hauptfeind immer im eigenen Land zu finden ist. Revolutionäre können sich bemühen, autonome Kampforgane (Bauern- oder Dorfkomitees oder Arbeitergruppen) zu schaffen, mit dem Ziel, sich gegen Ausbeutung zu wehren, unabhängig von der Hautfarbe der Ausbeuter. Sie können systematisch vor den Gefahren und der Repression warnen, denen diese Gremien durch den ausländischen Imperialismus und die aufstrebende Bourgeoisie oder Bürokratie ausgesetzt sein werden. Sie können darauf hinweisen, dass ihre eigenen Gesellschaften in Klassen gespalten sind und dass diese Klassen miteinander unvereinbare Interessen haben, genau wie die Klassen in den „fremden” Gesellschaften, die sie unterdrücken.

Auch wenn es schwierig ist, ist dies essentiell und der einzige Weg, der nicht dazu führt, dass man sich selbst und seine eigenen Anhänger täuscht. In Südvietnam zum Beispiel ist der Interessenkonflikt zwischen Herrschern und Beherrschten offensichtlich genug. Es bedarf keiner großen Anstrengung, um die Kluft zwischen den wohlgenährten, korrupten Politikern und Generälen in Saigon und den Frauen zu erkennen, die von Hakenwürmern befallen sind und sich auf den Reisfeldern abrackern. Aber im Norden? Gibt es wirklich eine Interessengemeinschaft zwischen den Hafenarbeitern oder Zementarbeiter und den politischen Kommissaren in Hanoi? Zwischen denen, die den Bauernaufstand vom November 1956 initiiert haben, und denen, die ihn unterdrückt haben? Zwischen denen, die die Saigon-Kommune von 1945 angeführt haben, und denen, die sie niedergeschlagen haben? Zwischen Ta Tu Thau und seinen Anhängern und denen, die sie abgeschlachtet haben? Allein schon die Forderung, solche Fragen zu diskutieren, würde die Revolutionäre in Gefahr bringen. Gibt es einen besseren Beweis für die bösartige, arbeiterfeindliche Natur dieser Regime?

Einige Länder der „Dritten Welt” sind so rückständig oder isoliert und haben eine so unbedeutende Arbeiterinnen und Arbeiter, dass es schwer vorstellbar ist, wie eine solche Klasse überhaupt anfangen könnte, unabhängig zu kämpfen. Das Problem ist jedoch kein nationales. Die Lösung für das Elend und die Entfremdung dieser Arbeiterinnen und Arbeiter und Bauern liegt in der internationalen Entwicklung der proletarischen Revolution. Die Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern wird weltweit entscheidend ins Gewicht fallen. Der Erfolg einer solchen Revolution, selbst in ihren frühesten Stadien, wird enorme technologische Ressourcen freisetzen, die diesen isolierten, schwachen und ausgebeuteten Gruppen helfen werden.

Aufgrund der unterschiedlichen sozialen, politischen und ökonomischen Gewichtung der verschiedenen Länder der Dritten Welt werden proletarische Revolutionen oder revolutionäre Arbeiterräte in diesen Ländern unterschiedliche Auswirkungen auf ihre Nachbarn und auf die fortgeschrittenen Länder haben. Die Auswirkungen werden jedoch eher politischer als ökonomischer Natur sein. Eine Machtübernahme durch Arbeiterinnen und Arbeiter in Chile (die den Allende-Staat unwiderruflich zerschlagen würde) würde der amerikanischen Ökonomie keinen Schaden zufügen. Aber ein solch explosives Ereignis könnte den Arbeiterinnen und Arbeitern in Argentinien, Peru, Bolivien usw. ein revolutionäres Beispiel liefern und den amerikanischen Arbeiterinnen und Arbeitern helfen, ein revolutionäres Bewusstsein zu entwickeln. Das Gleiche gilt für Nigeria, Indien oder sogar Ceylon in ihrem jeweiligen Kontext. Wer diese Perspektive als „unwahrscheinlich” oder „unmöglich” ablehnt, gibt jede revolutionäre Perspektive für die Arbeiterinnen und Arbeiter der sogenannten „Dritten Welt” auf. Tatsächlich gibt es überall nur „zwei Welten”: die der Ausbeuter und die der Ausgebeuteten. Insofern ist die internationale Arbeiterklasse eine Klasse mit dem gleichen historischen Ziel.

Wir überlassen es der traditionellen Linken, den Imperialismus ihrer Wahl zu unterstützen, sei es den russischen, den chinesischen oder irgendeinen neuen leuchtenden Stern im stalinistischen Kosmos. Für uns wird der Hauptfeind immer im eigenen Land sein, und die einzige Möglichkeit, uns selbst und die Arbeiterinnen und Arbeiter der Dritten Welt zu helfen, besteht darin, hier eine sozialistische Revolution zu unterstützen. Es wäre aber gleichbedeutend mit Streikbruch, wenn wir reaktionäre Bewegungen unterstützen würden, die – egal wie geringfügig – einen Teil der internationalen Arbeiterklasse ausbeuten.

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