Das Parlament abschaffen! Aktualisierung zur Rebellionswelle in Indonesien

Kurze Textsammlung zum Aufstand in Indonesien, was auf materiales x la emancipacion erschienen ist. Die Übersetzung ist von uns.


Das Parlament abschaffen! Aktualisierung zur Rebellionswelle in Indonesien

Hier ist ein Flugblatt von Anarchistinnen und Anarchisten aus Indonesien, das den Kontext der Rebellion in dieser Region kurz erklärt. Wir fanden es wichtig, eine ergänzende und kritische Anmerkung vom Blog Proletarios Hartos de Serlo (plus zwei zusätzliche Texte) zu einigen Positionen hinzuzufügen, die in den Kommuniqués der in der Revolte aktiven Gruppen hervorgehoben werden.


Das Parlament abschaffen! Aktualisierung zur Welle der Rebellionen in Indonesien

Diese Welle der Rebellionen, die Ende August 2025 begann, wurde durch die Wut ausgelöst, die sich aufgrund verschiedener politischer und ökonomischer Probleme angestaut hatte. Es gab nicht nur ein einziges Problem. Alles wurde durch eine massive Erhöhung der Grund- und Bauabgaben in allen Regionen aufgrund des Haushaltsdefizits der Regierung noch verschärft. Gleichzeitig bekamen die Parlamentsmitglieder eine mehr als zehnfache Gehaltserhöhung. Das wurde durch die oft willkürlichen Aussagen von Beamten noch verschlimmert. Zum Beispiel meinte der Regent von Pati, dass die Steuern nicht gesenkt werden würden, selbst wenn eine Massendemonstration mit 50.000 Menschen stattfinden würde. Pati war die erste Stadt, in der es am 10. August 2025 mit rund 100.000 Teilnehmern zu Ausschreitungen kam. Die Proteste gegen die Steuererhöhungen breiteten sich auf Bone und dann auf andere Städte aus. Bei einer Demo in Jakarta starb ein Transportarbeiter, nachdem er von einem Polizeifahrzeug angefahren worden war. Am nächsten Tag breiteten sich die Demonstrationen auf viele Städte aus und dauern bis heute an, während wir dieses Update erstellen. Mindestens 10 Zivilisten wurden getötet, die Häuser von vier Beamten wurden geplündert und ein halbes Dutzend Büros der DPR wurden in Brand gesteckt oder zerstört. Wir waren zuversichtlich, dass diese Rebellion abklingen würde, aber die Wut der Bevölkerung nicht.

Es gab einfach zu viele Organisationen, Netzwerke und Gruppen, die Forderungen stellten. Sogar jede Stadt hatte andere Forderungen. Es gab zwei revolutionäre Forderungen: eine von der Sozialistischen Union (PS) und eine andere von einem informellen, dezentralen Netzwerk, das die Erklärung der Revolution des indonesischen Föderalismus 2025 herausgab, in der die Auflösung des Einheitsstaates und des Systems der Volksvertretung (DPR) und deren Ersatz durch den Demokratischen Föderalismus mit Tausenden von Volksräten zur Umsetzung der direkten Demokratie gefordert wurde. Die progressiven Liberalen forderten einen eher reformistischen Aufruf: die Forderung 17+8. Und die Anarchistinnen und Anarchisten, Individualistinnen und Individualisten sowie aufständischen Post-Linken konzentrierten sich auf Angriffe und Straßenkämpfe und forderten die Zerstörung des Staates und der Zivilisation, ohne sich jedoch um Plattformen oder Programme zu kümmern. Es gab keine Einheitsfront, aber wir vermieden übertriebenen ideologischen Sektierertum.

Es gab zwar kein einziges Thema, aber die Debatte konzentrierte sich gleichzeitig auf drei: Steuererhöhungen, Polizeigewalt und vor allem die Auflösung der DPR. Die Freiheitsassoziation hat noch keine Position bezogen, nimmt aber an allen Demos in jeder Stadt teil und nutzt sie, um ihr Netzwerk zu erweitern. Wir rufen zur Solidarität der weltweiten Volksbewegung auf, um unseren Kampf in Indonesien mit verschiedenen Taktiken und Methoden zu unterstützen.

Es lebe die Revolution!

Die Freiheitsassoziation

Quelle: https://perhimpunanmerdeka.org/2025/09/02/statement-august-2025-protest/


[Debatte] Kritische Kommentare zum anarchistischen Text Die föderalistische Revolution Indonesiens von 2025” (31. August 2025) aus radikal-kommunistischer Perspektive (Von Proletarios Hartos de Serlo]

Interessant, dass es in Indonesien eine mehr oder weniger starke anarchistische Bewegung gibt. Aber gerade dieser Text ist sehr umstritten, vor allem wegen zweier kontroverser Punkte:

1) „Indonesischer demokratischer Konföderalismus“?!

Demokratie ist in Wirklichkeit die soziale Diktatur der Weltbourgeoisie über das Weltproletariat, an der sich die Sozialdemokratie mitschuldig macht, egal wie man sie auch immer nennen mag; in diesem Fall „demokratischer Konföderalismus“. Um sie wirklich zu zerstören und zu überwinden, muss das aufständische Proletariat der mörderischen Bourgeoisie – ohne Dialog und Verhandlungen – eine revolutionäre Macht mit antikapitalistischem/antistaatlichem Inhalt und in Form einer Kommune aufzwingen, in Indonesien, in Kurdistan und in allen Ländern. Der Föderalismus reproduziert die soziale Atomisierung des Marktes und schwächt die proletarische Revolution gegen den Staat als zentralisierte bourgeoise Macht. Im Gegenteil, die Geschichte der Revolutionen und Konterrevolutionen zeigt, dass die Zentralisierung – in Form eines Netzwerks und einer Kommune – der Macht des revolutionären Proletariats eine materielle Notwendigkeit erster Ordnung ist, um den Markt, den Staat und die Klassengesellschaft zu zerstören.

2) Ohne Abschaffung des Werts und der Klassengesellschaft gibt es keine Revolution

Bei der sozialen Revolution geht es nicht darum, dass die Arbeiter die kapitalistische Ökonomie „selbst verwalten”, geschweige denn den Haushalt des bourgeoisen Staates für „Gesundheit, Bildung, Entwicklung öffentlicher Einrichtungen und vom Volksrat verwaltete Dorfgelder” (sic.), wie es in dem betreffenden anarchistischen Text heißt. Das würde nur das kapitalistische System, das man eigentlich abschaffen will, in einem anderen Gewand reproduzieren und seine Wurzeln intakt lassen. Das war schon immer das Programm der Sozialdemokratie. Im Gegenteil, bei der sozialen Revolution geht es darum, den Wert, die Lohnarbeit, das Geld, das Privateigentum, die Klassenverhältnisse, den Staat und alle kapitalistischen Institutionen durch die Schaffung und Institutionalisierung kommunistischer und anarchistischer sozialer Beziehungen zwischen den Individuen verschiedener Gebiete abzuschaffen. Wir sagen Institutionalisierung, weil die Kommune eine revolutionäre Institution ist, die aus dem kommunistischen Aufstand entstanden ist. Und wir sagen Individuen, weil die Proletarier dank der sozialen Revolution aufhören, Proletarier zu sein. Der Kommunismus ist die soziale Unmittelbarkeit der Individuen.

Kurz gesagt, wir solidarisieren uns mit dem aktuellen Aufstand in Indonesien, aber wir romantisieren ihn nicht. Wir romantisieren auch nicht den Anarchismus dieser Region oder die Art von Kommuniqués und Vorschlägen, die in der Hitze des Gefechts von ihr kommen.

Ein Aufstand ist keine Revolution, schon gar nicht in der aktuellen weltgeschichtlichen Phase mit ihrem konterrevolutionären Charakter. Und kein ideologischer „Ismus” – in diesem Fall der Anarchismus – kann sie zu einer solchen machen, sondern nur die Vertiefung und Ausweitung des Klassenantagonismus auf weltgeschichtlicher Ebene. Die Anarchie – oder der Kommunismus – ist die reale Bewegung, die die kapitalistische und staatliche Ordnung zerstört und überwindet, keine Ideologie und keine Utopie. Die Revolution kann mit einer Revolte beginnen, aber die Revolution ist ein Bruch und ein Sprung gegenüber der Revolte.

Sobald sie historisch und weltweit wieder aufgenommen wurde, ist es in einem revolutionären Prozess eine Frage von Leben und Tod, mit der Sozialdemokratie aller Couleur innerhalb des Proletariats selbst zu brechen, in diesem Fall mit der Sozialdemokratie der schwarzen Couleur. Möge die Zukunft der aktuellen realen Bewegung dafür sorgen.


INDONESIEN: AUFSTAND ODER REVOLUTION?

Wir alle haben die Nachrichten gesehen; wir wissen in etwa, was in den letzten Wochen in Indonesien passiert ist: das Bild des brennenden Parlaments, die brutale Polizeirepression und die Demonstranten, die zu Tausenden in Reihen marschieren. Angesichts dieses Spektakels stellt sich jedoch die Frage, ob das, was wir sehen, eine Revolution, ein Volksaufstand oder nur ein gewalttätiger Protest ist.

Mehrere andere „linke” Gruppierungen, Reformisten des Kapitals, schweigen zu den gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen ein Regierungsgebäude gestürmt und zerstört wurde. Vielleicht tun sie das, weil sie es selbst besetzen wollen. Tatsache ist, dass jede Demonstration ein integraler Bestandteil des Klassenkampfs ist, der der kapitalistischen Produktionsweise innewohnt. Die Gewalt, die in den Medien zu sehen ist, ist nichts anderes als die Antwort auf jahrelange Erniedrigung des Proletariats. Wenn die Geduld am Ende ist, greift es das an, was es als Hauptverantwortlichen für seine schlechten Lebensbedingungen ansieht, das, was ihm seine Freiheit nimmt.

Die Geschichte unseres Kontinents und die Kämpfe der letzten Jahre auf der ganzen Welt zeigen aber, dass es nicht reicht, einer politischen „Kaste” oder einer Institution wie dem Staat, den Abgeordneten oder den Machtgruppen die Schuld zu geben. Wir müssen über die Proteste hinausgehen und einen Prozess starten, der es ermöglicht, die Klassenspaltung zu überwinden und einen wirklich revolutionären Weg einzuschlagen. Mit anderen Worten, ein Prozess, der darauf abzielt, den Wert, die Ware, die aus Lohnarbeit und Ausbeutung entsteht, abzuschaffen.

Es geht definitiv nicht um „eine Revolution”, denn es fehlt die notwendige Struktur, um die etablierte Ordnung zu stürzen. Der „Aufruf zu den Waffen” vieler politischer Gruppierungen ist insofern verhängnisvoll, als keine Theorie präsentiert wird, die die Überwindung dieser Produktionsweise ermöglicht. Gewalttätige Bewegungen – die gerechtfertigt sein können oder auch nicht – führen, wenn ihnen eine solide theoretische Grundlage und organisatorische Strukturen fehlen, die es dem Proletariat ermöglichen, sich als bewusste Klasse und nicht nur als Volk zu konstituieren, letztendlich zu Aktionen, die zu einer Verschärfung der Repression führen.

Die Solidarität unter den Arbeitern angesichts der Ermordung eines Demonstranten durch die Polizei ist echt und unbestreitbar, aber es muss mehr getan werden, damit es nicht nur bei einer spontanen und anekdotischen Bewegung bleibt. Eine Revolution wird jedenfalls nicht mit Steinen und Parolen gemacht. Die Situation kann eskalieren – es wäre naiv, das nicht zu bedenken –, aber das hängt von den Bedingungen des indonesischen Proletariats ab. Wenn das Spontane nicht überwunden wird, bleibt die Gewalt in einem Kreislauf von Unterdrückung und Widerstand ohne Aussicht auf Veränderung gefangen.

Editorial Ande

Peruanische Region, 4. September 2025


ÜBER DEN AUFSTAND IN INDONESIEN

Jede gegenwärtige Revolte ist zwangsläufig widersprüchlich. Warum? Weil jede existierende Revolte aus den Widersprüchen und Antagonismen der kapitalistischen Gesellschaft entsteht. Diejenigen, die rebellieren, sind Menschen, die durch die kapitalistische Sozialisation geprägt sind. Ihre rebellische Praxis steht im Widerspruch zu den sozialen Formen des Kapitals.

Es gibt jene, die aus einer verwirrten ultra-linken Haltung heraus ein perfektes, radikales Bewusstsein von denjenigen fordern, die an der Revolte teilnehmen. Das ist absurd, weil es unmöglich ist. Keine Revolte entsteht mit einem klaren radikalen Bewusstsein und einem perfekten Verständnis ihrer Widersprüche, Grenzen und Herausforderungen, die es zu überwinden gilt. Keine Revolte entsteht auch mit den materiellen und organisatorischen Mitteln, die nötig sind, um sich gegen den Staat und die militärische Reaktion der herrschenden Klassen zu behaupten.

Die Revolte ist das, was sie ist, weil sie der aktuelle Ausdruck des Möglichen unter den gegenwärtigen Bedingungen des kapitalistischen Systems und den ihm innewohnenden Widersprüchen ist. Die Revolte ist daher Ausdruck und Entwicklung des der kapitalistischen Gesellschaft eigenen Antagonismus. In diesem Sinne zeigt sie die notwendige Form, die die Möglichkeit eines praktischen Bruchs mit dem System heute annimmt, und damit auch alle Widersprüche und Grenzen, die dieser tatsächlich existierenden Möglichkeit eigen sind.

Die Revolte in Indonesien zeigt uns, dass der Aufstand von Millionen heute absolut möglich ist, dass man sich die unmittelbare Zukunft des Kapitalismus ebenso wenig ohne Gaza vorstellen kann wie ohne die Antagonismen, die sich in Indonesien als Massenrevolte entwickeln. Die Praktiken der Revolte, ähnlich denen, die wir in den letzten Jahren weltweit gesehen haben, zeigen uns die praktische Form, in der sich der Klassenkampf und seine inneren Widersprüche heute notwendigerweise entwickeln. Wir müssen daraus lernen und radikale Schlussfolgerungen ziehen, die praktische Werkzeuge für den Kampf sind. Für uns ist die Insurrektion/Aufstand eine Kunst.

Nec Plus Ultra

Chilenische Region, 4. September 2025

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