(Alfredo Maria Bonanno) Nein zum palästinensischen Staat

Veröffentlicht in „Provocazione”, Nr. 18, Dezember 1988, die Übersetzung ist von uns.


(Alfredo Maria Bonanno) Nein zum palästinensischen Staat

Im Zuge des Volksaufstands in den besetzten Gebieten des Gazastreifens und des Westjordanlands hat die PLO den palästinensischen Staat gegründet.

Was viele sicher als etwas Positives sehen, können wir nur als Rückschritt betrachten, als Abkehr von dem richtigen und produktiven Weg, den die palästinensischen Kämpfe in den letzten Monaten eingeschlagen hatten.

Der bürokratische Apparat der PLO hat eingegriffen, und man kann nicht sagen, dass es keine Komplizenschaft seitens jener islamischen Staaten gab, die die Entstehung einer palästinensischen Staatsbildung im Nahen Osten begrüßen, und hat damit die hypothetisch mögliche Entwicklung antistaatlicher Kämpfe, die angesichts der jüdischen Präsenz in diesem Gebiet die einzig mögliche Entwicklung wäre, ernsthaft gefährdet.

Die Existenz eines palästinensischen Staates, so unrealistisch das heute auch erscheinen mag, kann nur zu sterilen, international bedingten diplomatischen Vereinbarungen führen, die ein friedliches Zusammenleben zwischen den beiden Gemeinschaften – der palästinensischen und der israelischen –, die beide das Recht haben, in ihrem eigenen Gebiet zu leben, unmöglich machen werden.

Mit aller Wahrscheinlichkeit wird der palästinensische Staat die Wege einschlagen, die für jeden Staat üblich sind: militärische Aufrüstung, allgemeine bewaffnete Interventionen, Umwandlung möglicher diplomatischer Vereinbarungen in Mittel der Vergeltung und Drohung.

Der Weg, den die Juden jetzt gehen, zeigt, wie schnell die Ausgebeuteten und Unterdrückten, wenn sie von Staatsbeamten regiert werden, zu Ausbeutern und Unterdrückern werden können.

Der Befreiungskampf der Palästinenser, so wie er in den letzten vierzig Jahren geführt wurde, mag mehr oder weniger intensive Höhen und Tiefen gehabt haben, aber er hat nie, selbst in den schlimmsten Momenten der Vergeltungsmaßnahmen (zum Beispiel bei der Aktion gegen den Flughafen von Lot), den Wert des Volksaufstands verloren. Sicher, auch unter den damaligen Bedingungen war die Hand der Organisationen, allen voran der PLO, im Hintergrund zu spüren, aber es handelte sich im Grunde um eine instrumentelle Hand, die man ablehnen konnte, die nicht alle im Namen eines präzisen Kodexes, der in der Versammlung der Nationen der ganzen Welt festgelegt war, bedingte.

Wir wissen nicht, wie viel diese Nationen der Welt, allen voran die USA, selbst in einem Moment des einhelligen Konsenses wirklich für das palästinensische Volk tun können, das weiterhin stirbt und gefoltert wird. Sie können sich sicherlich nicht in die inneren Angelegenheiten des Staates Israel einmischen, schon allein aus dem Grund des Völkerrechts, das alle Staaten der Welt souverän und damit unanfechtbar macht. Israel ist unanfechtbar in seinem „Recht”, das palästinensische Volk weiterhin zu unterdrücken, und Palästina ist unanfechtbar in seinem „Recht”, nicht unterdrückt, besetzt, zerstört, getötet, gefoltert usw. zu werden. Jeder hätte seine „Rechte”, und diese könnte man nur mit der Kraft der eigenen (und fremden) Waffen durchsetzen. Wo das hinführen kann, ist bekannt.

Ein so gegründeter Staat könnte ein großes Hindernis auf dem langen und schwierigen Weg zur Befreiung des palästinensischen Volkes sein. Schon allein deshalb, weil diejenigen, die leiden, solche Dinge, die wie Nuancen erscheinen mögen, kaum verstehen können. Die Gründung einer Organisation wird oft als etwas Positives angesehen. Man wird stärker. Man kann mit allen anderen Nationen der Welt auf Augenhöhe verhandeln. Was, wenn genau das der Weg ist, um scheinbare Verhandlungen und eine wesentliche Fortsetzung der Unterdrückung zu ermöglichen? Was, wenn die Erlaubnis, die Arafat gegeben wurde, Staatsoberhaupt zu werden, nichts anderes ist als ein diplomatisch geschickter Weg, sich die Hände in Unschuld zu waschen?

Niemand kann ausschließen, dass es nicht genau so ist. Schließlich kam der Beifall für den entstehenden palästinensischen Staat in unserem Land aus widersprüchlichen Lagern: aus dem Außenministerium und von Organisationen von Gefährten, die sicher nicht in Ministeriumskreisen verkehren. Wovon hängt diese Einigkeit ab? In erster Linie davon, dass beide, Minister und autoritäre Revolutionäre, auf derselben Wellenlänge sind: Die Größe der Organisation macht die Stärke der Kampfbewegung aus, und aus dieser Stärke kommt der Sieg. Diese Argumentation, die nie die unsere war, kann uns daher nicht dazu bringen, die Freude zu teilen, die viele über die Gründung des palästinensischen Staates empfinden.

Mehr noch. Unserer Meinung nach bringt der unbeschreibliche Andreotti [1988] den Sinn dieser Tatsache sehr gut auf den Punkt. Der palästinensische Staat wird zu einem hervorragenden diplomatischen Gesprächspartner. Der Druck wird auf diplomatischem Wege ausgeübt werden. Man wird versuchen, Israel klar zu machen, was dieser in seiner theozentrischen Logik gefangene Staat nicht verstehen kann. Was kümmert Andreotti und den italienischen Staat und alle Staaten der Welt schon das Schicksal von fünf Millionen Palästinensern?

Das Gleiche gilt für die spät-autoritären Revolutionäre bei uns. Was hätten sie denn anders machen können? Vielleicht direkt gegen den Staat Israel vorgehen? Vielleicht den palästinensischen Aufstand in den besetzten Gebieten direkt unterstützen? Klar nicht! Jetzt, wo der Staat da ist, gibt es auch für diese letzten Pioniere der Struktur um jeden Preis eine Möglichkeit, im Schatten des bereits bekannten Modells Unterstützung zu organisieren.

Wir denken, dass sich die Situation mit der Entscheidung von Algier nicht verbessert hat. Ob diese nun echt oder unrealistisch war. Die einzige Realität, auf die wir unsere Unterstützung richten und über die wir nachdenken sollten, sind die Hunderte von jungen Menschen, die mit Steinen gegen die israelischen Panzer kämpfen, die ihr Land besetzen. Eine Realität, die nichts mit Diplomatie oder Staat zu tun hat.

Dieser Beitrag wurde unter Alfredo M. Bonanno, Krieg, Krieg/Konflikt Israel Palästina, Texte veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.