Der ewige Israel-Palästina-Konflikt

Auf alerta comunista gefunden, die Übersetzung ist von uns.


Der ewige Israel-Palästina-Konflikt

Im Folgenden haben wir zwei Texte ins Englische übersetzt, die wir 2018 während der damaligen Proteste an der Grenze zum Gazastreifen geschrieben haben. Der erste Text wurde als Vorwort zu einer griechischen Übersetzung des „Lettera sull’antisionismo1 [„Brief über den Antizionismus“] aus dem Blog von Il lato cattivo geschrieben. In dieser Zeit veröffentlichten einige „Autonome“, die hauptsächlich von der griechischen Zeitschrift Sarajevo vertreten wurden, zur Unterstützung der palästinensischen Proteste Artikel und Plakate gegen den israelischen Staat, die wie üblich eindeutig antisemitisch waren. Was ihre allgemeine politische Haltung angeht, so glauben sie, vom italienischen Operaismo und der Autonomia Organizata beeinflusst zu sein – in Wirklichkeit ähneln sie aber eher der Autonomia Diffusa. Dieses Vorwort war eine Kritik an ihrem Diskurs über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Der zweite Text mit dem Titel „All or Nothing? – Alles oder nichts?“ ist eine konkrete Antwort auf einige abstrakte Kritikpunkte an unserem ersten Text. Leider sind ein paar Links im zweiten Text nach all den Jahren tot und wurden auch vom Internet Archive nicht gerettet.

Auf dem Foto sind Beamte der Palästinensischen Autonomiebehörde zu sehen, die vor einer Bank in Gaza-Stadt Schlange stehen, um ihre Gehälter zu erhalten, 3. Mai 2018.

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Vorwort zu Lettera sull’antisionismo (Brief über den Antizionismus)

meine analytische Methode, die nicht von dem Menschen, sondern der ökonomisch gegebnen Gesellschaftsperiode ausgeht.“ – Karl Marx, [Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie” (Zweite Auflage), Band I, 1879]

Die Leidenschaft der letzten verbliebenen Maoisten, Drittweltler aller Couleur, „Antiimperialisten“, schottischen Nationalisten, Alterglobalisten, Trotzkisten und sogar Anarchisten und „Antagonisten“ für Rojava kann nur mit der für die „palästinensische Sache“ verglichen werden. Nach der stalinistischen UdSSR, Maos China und all den exotischen Zielen, die folgten, ist es nun an Rojava, „revolutionäre“ Hoffnungen zu tragen. Rojava nährt die Hoffnungen derjenigen, die dem Klassenkampf den Rücken gekehrt haben oder nie die Fahne des Klassenkampfes geschwungen haben. Die Popularität dieser Randerscheinungen der permanenten Umstrukturierung der kapitalistischen Herrschaft ist umgekehrt proportional zur Intensität des Klassenkampfes, der dort stattfindet. Heute tritt er kaum noch in Erscheinung, so dass Interklassismus und Nationalismus verschiedener Couleur gedeihen. Pilgerfahrten von „Antagonisten“ zu den neuen heiligen Stätten des Antiimperialismus und Nationalismus häufen sich wie in der Vergangenheit nach Kuba, dem maoistischen China, Palästina oder Chiapas.

– Mouvement Communiste/Kolektivně proti Kapitălu, „Rojava: The Fraud of a Non-existent Social Revolution Masks a Kurdish Nationalism Perfectly Compatible with Assad’s Murderous Regime“, S. 9.

In letzter Zeit haben wir einige Plakate gesehen, die die Wände in Athen „schmücken“. Wir setzen die Anführungszeichen nicht, weil wir etwas gegen Plakate als Plakate haben, sondern wegen des Inhalts dieses speziellen Plakats. Es lautet: „From the river to the sea, Palestine will be free – Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“. Beginnen wir mit einer Lektion in Geografie: Der Fluss ist der Jordan, das Meer ist das Mittelmeer. Weiter geht es mit einer Lektion in Geschichte. Der Slogan wurde erstmals von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) verwendet. In der Geschichte der PLO gibt es einen Raketenangriff auf einen Schulbus in der nordisraelischen Stadt Avivim (12 Israelis, darunter 9 Kinder, wurden getötet und 25 verwundet) am 22. Mai 1970 – und diejenigen, die schnell sagen, dass der Angriff von der PFLP-GC durchgeführt wurde, wollen wir daran erinnern, dass die PFLP-GC bis 1974 Mitglied der PLO war. Ein weiteres kleines Beispiel für die Aktivitäten der PLO ist die Entführung eines Busses auf dem Küstenboulevard von Tel Aviv (38 Israelis, darunter 13 Kinder, wurden getötet und 71 verwundet) im Jahr 1978. Diese Aktion wurde von der Fatah, der führenden Gruppierung der PLO, durchgeführt. Wir denken, dass wir nicht weiter auf die Aktionen der PLO eingehen müssen. Heute wird dieser Slogan von der palästinensischen islamistischen Organisation Hamas übernommen, einer bekannten islamistischen fundamentalistischen Organisation, die unter anderem für viele Selbstmordattentate gegen israelische Zivilisten verantwortlich ist.

Deshalb fragen wir uns: Kennen die „Autonomen“, die dieses Plakat unterschreiben, die Geschichte des Slogans, den sie sich zu eigen machen, nicht? Aber selbst wenn sie es nicht wüssten, kann der Slogan allein aufgrund der Geografie etwas anderes bedeuten als die totale Beseitigung des Staates Israel? Würden die „Autonomen“ die Gründung eines palästinensischen Staates ablehnen, wäre ihre Propaganda ausgewogen. Das Problem ist jedoch, dass sie die Gründung eines palästinensischen Staates unterstützen. Und schließlich: Haben für die „Autonomen“ (und alle, die sich diesen Slogan zu eigen machen) alle Völker das Recht auf die sogenannte „Selbstbestimmung“ oder nicht? Oder sind einige, die Juden, von diesem Recht ausgeschlossen? Und wenn der israelische Staat aufgelöst und der Slogan verwirklicht wird, was wird dann mit den derzeitigen israelischen Staatsbürgern geschehen? Wird der palästinensische Staat ein multikultureller und säkularer Staat sein, der Juden die volle Staatsbürgerschaft und Gleichberechtigung mit arabisch-muslimischen Palästinensern gewährt? Wird er sie massakrieren? Wird er sie deportieren? Die Geschichte Israels und Palästinas zeigt, dass die Juden in einem palästinensischen Staat wahrscheinlich keinen Platz haben werden (man erinnere sich an die Nazi-Hakenkreuze, die von einigen Palästinensern hochgehalten wurden, die zum Dschihad und einem neuen Holocaust aufriefen), genauso wie das Gegenteil heute der Fall ist. Was genau soll ein Rollentausch also lösen? Warum unterstützen „Autonome“ nicht eine Variante der Zwei-Staaten-Lösung in der Region, eine israelische und eine palästinensische?

Aber auf welcher Seite stehen wir? Natürlich verteidigen wir nicht den israelischen Staat, das wäre einfach nur dumm. Palästina oder Israel? Was ist das für eine Frage? Panathinaikos FC oder Olympiacos FC? Wen unterstützen wir in der Meisterschaft? Diese letzte Frage ist bedeutungslos und jede Antwort ist austauschbar mit jeder anderen: Ob man Panathinaikos oder Olympiacos unterstützt, die eigene Position in diesem Dilemma hat keine Substanz, sie bedeutet absolut nichts. Aber die Wahl zwischen einem israelischen oder einem palästinensischen Staat ist eine politische Wahl: Sie beschreibt, wenn nicht die gesamte Politik, so doch zumindest einen Teil davon. In Anlehnung an Bebel sagen wir, dass der Antiimperialismus der Sozialismus der Narren ist und der Antisemitismus der Antiimperialismus der noch größeren Narren. Wir geben keine Antwort auf diese Frage. Wenn wir eines von Marx gelernt haben, dann, dass wir immer zuerst und vor allem die Frage selbst stellen müssen.

Es reichte keineswegs aus, zu untersuchen: Wer soll emanzipieren? Wer soll emanzipiert werden? Die Kritik hatte ein Drittes zu tun. Sie mußte fragen: Von welcher Art der Emanzipation handelt es sich? Welche Bedingungen sind im Wesen der verlangten Emanzipation begründet? ( Karl Marx, Zur Judenfrage)

Die palästinensische Emanzipation, die von der Mehrheit derer, die sich mit dem „palästinensischen Widerstand“ solidarisieren, propagiert wird, ist eine politische Emanzipation. Es geht um die Schaffung eines palästinensischen Staates, in dem sie als Staatsbürger anerkannt werden. Aber „die Grenze der politischen Emanzipation erscheint sogleich darin, daß der Staat sich von einer Schranke befreien kann, ohne daß der Mensch wirklich von ihr frei wäre, daß der Staat ein Freistaat sein kann, ohne daß der Mensch ein freier Mensch wäre.“ (ebd.). Hier bezog sich Marx auf die Religion als eine Einschränkung der Freiheit. Aber genau das Gleiche und mit viel größerem Gewicht lässt sich auch über die ökonomischen Bedingungen sagen. Natürlich würde die Gründung eines palästinensischen Staates zweifellos eine Verbesserung des Lebensstandards der Palästinenserinnen und Palästinenser bedeuten: Es würden ihnen keine Bomben und Kugeln auf den Kopf fallen. Aber die Mehrheit der Palästinenserinnen und Palästinenser würde wahrscheinlich weiterhin in Armut leben, und das palästinensische Proletariat würde innerhalb der globalen Arbeitsteilung keine besonders bessere Position einnehmen. Oder, wenn die Juden in der Region blieben und nicht abgeschlachtet oder vertrieben würden, müssten die Juden in der hierarchischen Schichtung des Proletariats in der Region ganz nach unten gedrängt werden, damit die Palästinenser eine bessere ökonomische Position erlangen. Eine palästinensische Einstaatenlösung würde also entweder eine Massenvernichtung/Deportation der Juden bedeuten, während die Mehrheit der Palästinenser in der gleichen ökonomischen Situation verbleibt, oder es würde zu einer Umkehrung der Rollen zwischen Juden und Palästinensern kommen.

Es mag einen Konflikt zwischen palästinensischen und israelischen Nationalismen geben, aber dieser Konflikt enthält in sich selbst keine Dynamik, die das Potenzial hat, die Bedingungen des Konflikts aufzuheben. Ein Konflikt zwischen zwei Nationalismen kann nur dazu führen, dass der eine über den anderen dominiert. Ein Konflikt zwischen zwei Nationalismen hat nicht das Potenzial, die Nationalismen selbst zu zerstören – es sei denn, wir sprechen von der „Zerstörung der Nationalismen“ und meinen damit die vollständige Auslöschung der beiden gegnerischen Bevölkerungen. Der einzige Gegensatz, aus dessen innerer Dynamik eine zentrifugale Kraft entstehen kann, eine Möglichkeit zur Abschaffung der Bedingungen, die den Gegensatz selbst bestimmen, ist der Klassenkampf: Das Proletariat hat die Möglichkeit, das Kapitalverhältnis abzuschaffen und damit sowohl die Kapitalistenklasse als auch sich selbst als Proletariat abzuschaffen. Und das Absterben des Staates, ein grundlegendes Merkmal schon vom Nullpunkt der Revolution an, schafft die materielle Grundlage der Nation ab: den Staat.

[Die] Kommune beweist, dass der „Nicht-Staat“ (die Zerstörung des Staates) nicht nur das Endergebnis des revolutionären Prozesses ist. Im Gegenteil, er ist sein ursprünglicher Aspekt, der direkt in ihm vorhanden ist und ohne den es überhaupt keinen revolutionären Prozess gibt. […] [D]as Absterben beginnt sofort, und seine unmittelbare Einleitung, nicht in Form von Absichten, sondern in Form von praktischen Maßnahmen, die sich dem unvermeidlichen „Überleben“ des Staates direkt entgegenstellen, ist die materielle Voraussetzung sowohl für die effektive Transformation der Produktionsverhältnisse als auch für das endgültige Verschwinden des Staates selbst. (Étienne Balibar, Κράτος, Μάζες, Πολιτική, Εκτός Γραμμμής Press, 2014, S. 40-41.)

Wo führt uns das hin? One solution – revolution? In gewisser Weise, ja. Wenn wir keine „halben Sachen“ für die „palästinensische Frage“ wollen, gibt es keine andere Antwort. Man mag uns vorwerfen, dass die Antwort „Revolution“ nur die einfache Lösung ist, der Versuch, eine Antwort zu vermeiden. In der Realität ist die „Revolution“ jedoch die schwierige Antwort: Im Moment ist der Ausbruch der kommunistischen Weltrevolution nicht in Sicht. Aber die Bestimmung der Frage geht der Bestimmung der Antwort voraus. Die Antwort „Revolution“ ist die Antwort auf die „palästinensische Frage“ als Ganzes, die ihrerseits nur ein kleiner Teil der globalen und allgemeinen „sozialen Frage“ ist. Für die „palästinensische Frage“ als eigenständige „politische Frage“, d. h. als Frage der politischen Souveränität über ein bestimmtes geografisches Gebiet, kann die Antwort nicht aus dem bourgeoisen Rahmen fallen und lautet „palästinensischer Staat“ – und die Einstaatenlösung „From the river to the sea, Palestine will be free“ ist eine der reaktionärsten Varianten des breiten Spektrums eines „palästinensischen Staates“, da sie die Ausrottung oder gewaltsame Unterdrückung der Juden impliziert: Auge um Auge und Zahn um Zahn.

Und natürlich die wichtigste Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen einer nationalen Befreiung und einer kommunistischen Revolution? Sind die Palästinenser ein Volks-Proletariat und die Israelis eine Volks-Bourgeoisie? Gibt es nicht in beiden Völkern Klassen? Gibt es keine palästinensischen Kapitalisten? Bedeutet also „Befreiung in Palästina“ in der Praxis nicht „Erlangung einer Staatsmaschine für die Klassenherrschaft des palästinensischen Kapitals“? Wie wir oben gesehen haben, fragte Marx: „Umwelche Art von Emanzipation handelt es sich? Welche Bedingungen ergeben sich aus dem Wesen der Emanzipation, die gefordert wird?“ Nationale Befreiungskämpfe werden in der kommunistischen Tradition oft mit Klassenkämpfen gleichgesetzt, weil sie die „Unterdrückten“ organisieren (eine sehr allgemeine Kategorie, deren Inhalt variiert) und, wenn sie erfolgreich sind, Veränderungen in der globalen sozialen Strukturierung der Kapitalakkumulation bewirken könnten. Aber wovon befreit die nationale Befreiung? Nur von ungleichen Beziehungen zwischen verschiedenen Zonen der globalen kapitalistischen Ökonomie – aber auch das ist nur eine Möglichkeit, keine Gewissheit. Diejenigen, die die „Befreiung Palästinas“ predigen, vergessen das:

Wo führt uns das hin? One solution – revolution? In gewisser Weise, ja. Wenn wir keine „halben Sachen“ für die „palästinensische Frage“ wollen, gibt es keine andere Antwort. Man mag uns vorwerfen, dass die Antwort „Revolution“ nur die einfache Lösung ist, der Versuch, eine Antwort zu vermeiden. In der Realität ist die „Revolution“ jedoch die schwierige Antwort: Im Moment ist der Ausbruch der kommunistischen Weltrevolution nicht in Sicht. Aber die Bestimmung der Frage geht der Bestimmung der Antwort voraus. Die Antwort „Revolution“ ist die Antwort auf die „palästinensische Frage“ als Ganzes, die ihrerseits nur ein kleiner Teil der globalen und allgemeinen „sozialen Frage“ ist. Für die „palästinensische Frage“ als eigenständige „politische Frage“, d. h. als Frage der politischen Souveränität über ein bestimmtes geografisches Gebiet, kann die Antwort nicht aus dem bourgeoisen Rahmen fallen und lautet „palästinensischer Staat“ – und die Einstaatenlösung „From the river to the sea, Palestine will be free“ ist eine der reaktionärsten Varianten des breiten Spektrums eines „palästinensischen Staates“, da sie die Ausrottung oder gewaltsame Unterdrückung der Juden impliziert: Auge um Auge und Zahn um Zahn.

Und natürlich die wichtigste Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen einer nationalen Befreiung und einer kommunistischen Revolution? Sind die Palästinenser ein Volks-Proletariat und die Israelis eine Volks-Bourgeoisie? Gibt es nicht in beiden Völkern Klassen? Gibt es keine palästinensischen Kapitalisten? Bedeutet also „Befreiung in Palästina“ in der Praxis nicht „Erlangung einer Staatsmaschine für die Klassenherrschaft des palästinensischen Kapitals“? Wie wir oben gesehen haben, fragte Marx: „Von welcher Art der Emanzipation handelt es sich? Welche Bedingungen sind im Wesen der verlangten Emanzipation begründet?“ Nationale Befreiungskämpfe werden in der kommunistischen Tradition oft mit Klassenkämpfen gleichgesetzt, weil sie die „Unterdrückten“ organisieren (eine sehr allgemeine Kategorie, deren Inhalt variiert) und, wenn sie erfolgreich sind, Veränderungen in der globalen sozialen Strukturierung der Kapitalakkumulation bewirken könnten. Aber wovon befreit die nationale Befreiung? Nur von ungleichen Beziehungen zwischen verschiedenen Zonen der globalen kapitalistischen Ökonomie – aber auch das ist nur eine Möglichkeit, keine Gewissheit. Diejenigen, die die „Befreiung Palästinas“ predigen, vergessen das:

Englands industrielle Tyrannei über die Welt ist die Herrschaft der Industrie über die Welt. England beherrscht uns, weil die Industrie uns beherrscht. Wir können uns nur nach außen hin von England befreien, wenn wir uns nach innen hin von der Industrie befreien. Wir können seine Konkurrenzherrschaft nur töten, wenn wir innerhalb unserer Pfähle die Konkurrenz überwinden. England ist mächtig über uns, weil wir die Industrie zur Macht über uns gemacht haben. Dass die industrielle Gesellschaftsordnung die beste Welt für den Bourgeois ist, die geeignetste Ordnung, um seine „Fähigkeiten“ als Bourgeois zu entwickeln und die Fähigkeit, die Menschen wie die Natur auszubeuten, wer wird diese Tautologie bestreiten? Dass alles, was heutzutage „Tugend“ heißt, individuelle oder gesellschaftliche Tugend, zum Profit des Bürgers ist, wer bestreitet es? Wer bestreitet, dass die politische Macht ein Mittel seines Reichtums ist, dass selbst die Wissenschaft und die geistigen Genüsse seine Sklaven sind! Wer bestreitet es? (Karl Marx, Über F. Lists Buch „Das nationale System der politischen Ökonomie“ 1845)

Natürlich, in der bezieht sich Marx in der obigen Passage auf die ökonomische Weltherrschaft Englands über Deutschland. Aber ergibt sich diese militärische Vorherrschaft über die Palästinenser nicht auch aus seiner Ökonomie? Und wenn die Palästinenser einen Staat, d. h. politische Macht, bekommen, bedeutet das nicht, dass die palästinensische Bourgeoisie dadurch mehr Reichtum anhäufen, d. h. das palästinensische Proletariat effektiver ausbeuten wird? Wohin führt die nationale Befreiung das Proletariat? Ist sie nicht mehr als ein „Schichtwechsel“, wer die Peitsche hält, die auf dem Rücken des palästinensischen Proletariats landet? Kann die Befreiung des Proletariats etwas anderes bedeuten als eine kommunistische Revolution?

Die Wahrheit ist, dass wir keine besondere Antwort von den „Autonomen“ erwarten. Auf die Einwände, die bisher von anderen gegen ihren Diskurs zu diesem Thema vorgebracht wurden, haben sie es vermieden zu antworten, indem sie von „Mitarbeitern des israelischen Geheimdienstes“ oder „nützlichen Idioten“ sprachen. Wir hingegen bringen Argumente vor und keine substanzlosen ad hominem Beleidigungen. Wohin würde eine solche Taktik führen? Zu substanzlosem Schwachsinn wie der Behauptung, die „Autonomen“ seien Agenten der Hisbollah oder des Iran und deshalb gegen den Staat Israel? Wir sind Kommunisten und keine Verschwörungstheoretiker. Und wir versuchen auch nicht, den Dialog zu vermeiden, auch wenn das unweigerlich Konfrontation und nicht Einigung bedeutet.

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Alles oder nichts?

Seit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA sind einige Jahrzehnte vergangen. Im Jahr 2018 haben die USA seit acht Jahren einen afro-amerikanischen Präsidenten. Im Jahr 2018 sitzt jeder zehnte schwarze Mann im Alter von 18 bis 35 Jahren im Gefängnis. Von den Schwarzen, die in den späten 1970er Jahren geboren wurden, hat jeder Vierte im Alter von 35 Jahren bereits eine Zeit lang im Gefängnis verbracht. Die Inhaftierungsrate für Schwarze ohne Highschool-Abschluss liegt bei 70 % (siehe Bruce Western, Punishment and Inequality in America, Russell Sage Foundation, 2006). 1970 sagte der amerikanische Soziologe Sidney M. Willhelm in seinem Buch „ Who Needs the Negro?“ voraus, dass die Bürgerrechtsbewegung zwar versprach, die Diskriminierung am Arbeitsplatz zu beenden, die Automatisierung aber die Arbeitsplätze zerstörte, von denen Schwarze ausgeschlossen waren. Trotz seiner dystopischen Prophezeiung glaubte selbst er, dass solche Inhaftierungsquoten zur Bewältigung des schwarzen Bevölkerungsüberschusses2 (surplus population) nicht durchsetzbar seien. Aber die Realität hat ihn eines Besseren belehrt.

Was ist also aus der Bürgerrechtsbewegung und Black Power geworden? Hatte sie Erfolg? Ist sie gescheitert? Was ist das Kriterium für Erfolg und damit für Misserfolg? Tatsächlich wurden viele der Reformen, die die Bewegung forderte, umgesetzt. Tatsächlich ist die Diskriminierung, die sie in ihrem täglichen Leben sowohl auf institutioneller Ebene als auch auf der Ebene ihrer täglichen zwischenmenschlichen Beziehungen erfahren, geringer geworden. Es haben sich Wege des sozialen Aufstiegs aufgetan, zu denen sie vorher keinen Zugang hatten. Aber die Verhaftungen und Hinrichtungen durch die Bullen haben nicht aufgehört. Doch selbst in diesem Punkt war die Steigerungsrate der Inhaftierungsrate von Schwarzen im Zeitraum von 1970 bis 2000 die gleiche wie die von Weißen, und während die Steigerungsrate nach 2000 bei Schwarzen zu sinken begann, stieg sie bei Weißen weiter an. Die Inhaftierungsrate für Schwarze ist immer noch viel höher, aber die Kluft hat sich verringert. Das heißt, Rassismus ist nicht der (einzige) Grund dafür, dass Schwarze in den USA massenhaft inhaftiert werden. Die Inhaftierung ist ein Mittel, um sowohl den schwarzen Bevölkerungsüberschuss (surplus population) als auch (zumindest einen Teil) den weißen Bevölkerungsüberschuss (surplus population) zu verwalten. Im Jahr 2018 hat das grundlegende Erbe des Rassismus in den USA mehr damit zu tun, wer in die Überschussbevölkerung (surplus population) verbannt wird. Der Anstieg der weißen Inhaftierungsrate zeigt, dass die Art und Weise, wie die Überschussbevölkerung (surplus population) verwaltet wird, eine sekundäre Funktion des Rassismus ist. Eine politische Lösung für den Rassismus würde nur bedeuten, dass Weiße, Schwarze, Mexikaner usw. gleich behandelt werden, indem man sie zur Überschussbevölkerung (surplus population) degradiert.

Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.

(Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, 23ster KAPITEL. TEIL I. (ABSCHNITT 1 bis 4) Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation)

Es kann keine politische Lösung für das Problem der Produktion von Bevölkerungsüberschüssen geben. Das ist genauso unmöglich wie die Forderung nach der Abschaffung der Mehrwertproduktion durch ein staatliches Dekret. Der Staat spielt eine zentrale Rolle bei der Verteilung des Mehrwerts. In Bezug auf die Überschussbevölkerung (surplus population) kann die Politik also nur Lösungen anbieten, die das Leid der Überschussbevölkerung (surplus population) lindern (Sozialhilfe) und bestenfalls die Überschussbevölkerung (surplus population) reduzieren (staatliche Rekrutierung), sie aber nicht abschaffen. Und damit der Staat diese Lösungen umsetzen kann, muss die Masse des Mehrwerts groß genug sein, damit der Staat einen Teil davon an das Proletariat im Allgemeinen und an die Überschussbevölkerung (surplus population) im Besonderen umleiten kann. Doch in Krisenzeiten werden all diese staatlichen Maßnahmen über den Haufen geworfen.

Warum ist die Goldene Morgenröte (A.d.Ü., Die Goldene Morgenröte ist eine faschistische Partei in Griechenland) bei den Wahlen im Juni 2012 von ihrer vorherigen Wahlstärke von fast Null auf 6,92 % gestiegen? Natürlich haben nicht nur Proletarier für die Goldene Morgenröte gestimmt, aber sie sind es, die hier von Interesse sind. Wurden sie in die Irre geführt? Der Hauptpfeiler der politischen Vorschläge der Goldenen Morgenröte war die Einwanderung. Die Forderung „Arbeitsplätze nur für Griechen“ ist in einer Zeit steigender Arbeitslosenquoten und sinkender Löhne entscheidend (entscheidend in dem Sinne, dass sie zum richtigen Zeitpunkt aufgestellt wurde, um Resonanz zu finden). „Die industrielle Reservearmee drückt während der Perioden der Stagnation und mittleren Prosperität auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und des Paroxysmus im Zaum. Die relative Übervölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt.“ (Marx).

Eine massenhafte Abschiebung von Einwanderern würde eine Verringerung des Angebots an Arbeitskräften bedeuten, was wiederum eine Erhöhung der Verhandlungsmacht der Arbeitskräfte nach sich ziehen würde. Die Anhänger der Goldenen Morgenröte sind definitiv Arschlöcher, denn die kriminellen Aktionen der Goldenen Morgenröte sind allgemein bekannt. Aber im Allgemeinen hat die Unterstützung einer Einwanderungspolitik, die die Zahl der Einwanderer in Griechenland reduziert, nicht unbedingt etwas mit einem Hass auf Einwanderer zu tun. Es hat etwas mit den Gesetzen der politischen Ökonomie zu tun und mit dem Verständnis der klassischen politischen Ökonomie, wie die Interessen der einzelnen Klassen definiert werden: Für Adam Smith werden die Interessen auf dem Markt definiert.

Erstens war die dreigliedrige Gesellschaftsordnung, von der [Smith] sprach, ein Prädikat für eine bestimmte Art von Gesellschaft, die durch die territoriale Reichweite eines bestimmten Souveräns oder Staates definiert war. Das waren die Staaten Europas, die sich innerhalb eines zwischenstaatlichen Systems in sich gegenseitig ausschließenden Gebieten gebildet hatten und noch bildeten.

Zweitens wurden seine Gesellschaftsordnungen (oder Klassen) auf der Grundlage von Eigentumsverhältnissen definiert. Das Eigentum an Grund und Boden, an Kapital und an Arbeitskraft definiert seine drei großen Gesellschaftsordnungen. […]

Drittens wurden die Interessen jeder Gesellschaftsordnung/Klasse mit ihrer Marktsituation identifiziert, d. h. sowohl ihre Wettbewerbschancen im Verhältnis zueinander als Klassen (und der Individuen innerhalb jeder Klasse zueinander) als auch die Kosten und Vorteile der Monopolmacht auf den Märkten, verstanden als Beschränkung des Marktzugangs, für jede Klasse. In The Wealth of Nations beschränkt Smith den subjektiven Grund für kollektive Aktionen einer Klasse auf diese Marktinteressen. […]

Viertens wurden die Marktbeziehungen innerhalb oder zwischen nationalen ökonomischen Räumen definiert. Klassenkonflikte und Bündnisse beschränkten sich somit auf den Kampf innerhalb eines Staates um Einfluss und Kontrolle über seine Politik. Die Analyseeinheit war also der Nation-Staat, der sowohl den Kontext als auch das Objekt der Klassenwidersprüche bestimmte.

Fünftens wurde eine „relative Autonomie“ staatlicher Aktionen in Bezug auf Klasseninteressen und -macht vorausgesetzt. Der Erlass von Gesetzen und Vorschriften durch den Staat wurde immer wieder auf die Macht und den Einfluss bestimmter Klassen oder „Fraktionen“ zurückgeführt. Es wurde jedoch davon ausgegangen, dass der Souverän in der Lage ist, sich von jedem Partikularinteresse zu distanzieren, um eine Form von Allgemeininteresse zu fördern und einen Konsens für dieses Allgemeininteresse zu reflektieren und/oder herzustellen. (Arrighi, Hopkins & Wallerstein, Antisystemic Movements, Verso, 1989, S. 5-6)

Konflikte innerhalb des Proletariats entstehen nicht durch „falsches Bewusstsein“, sondern durch gegensätzliche materielle Interessen der verschiedenen Fraktionen des Proletariats. Es gibt kein einziges und objektives Interesse des Proletariats – die kommunistische Revolution. Das Proletariat ist nur in dem Sinne revolutionär, dass sein Kampf die Möglichkeit der Abschaffung des gesellschaftlichen Verhältnisses des Kapitals beinhaltet. Nicht jeder Kampf des Proletariats ist revolutionär – im Gegenteil, er kann extrem reaktionär sein -, aber nur das Proletariat kann Kämpfe führen, die zur Abschaffung der bestehenden Ordnung führen können.

Man hat uns (wegen unseres Vorworts zur Übersetzung des Textes „Lettera sull’antisionismo“) einen Manichäismus des „Alles oder Nichts“ vorgeworfen, „entweder eine klassenlose Gesellschaft oder nichts“. Wir möchten unsere Kritiker an ein paar Dinge erinnern. Im ersten Band des Kapitals, im Abschnitt über den Kampf um einen normalen Arbeitstag, schrieb Marx über die einschlägigen Gesetze, die erlassen wurden: „Diese minutiösen Bestimmungen, welche die Periode, Grenzen, Pausen der Arbeit so militärisch uniform nach dem Glockenschlag regeln, waren keineswegs Produkte parlamentarischer Hirnweberei. Sie entwickelten sich allmählich aus den Verhältnissen heraus, als Naturgesetze der modernen Produktionsweise. Ihre Formulierung, offizielle Anerkennung und staatliche Proklamation waren Ergebnis langwieriger Klassenkämpfe.“ (Marx,).

Wir möchten die Aufmerksamkeit auf den Begriff der militärisch uniform und die damit verbundene Zunahme der Kontrolle und Disziplin lenken. Seit der Verkürzung des Arbeitstages ist die erste Reaktion die Intensivierung der Arbeit als alternative Methode zur Steigerung des Mehrwerts (und die zweite Reaktion die Steigerung der Arbeitsproduktivität). Zum Abschluss des Kapitels über den Arbeitstag sagt Marx, dass die Arbeiter, um vor den Kapitalisten „geschützt“ zu werden, auf die Vermittlung des Staates zurückgreifen mussten, um Gesetze zur Begrenzung des Arbeitstages zu erlassen. Und er ruft aus: „An die Stelle des prunkvollen Katalogs der „unveräußerlichen Menschenrechte“ tritt die bescheidne Magna Charta eines gesetzlich beschränkten Arbeitstags, die „endlich klarmacht, wann die Zeit, die der Arbeiter verkauft, endet und wann die ihm selbst gehörige Zeit beginnt“. Quantum mutatus ab illo! <Welch große Veränderung!>“ (Marx) Dieser ironische Schluss des Kapitels über den Arbeitstag sollte uns nicht überraschen.

Gleich zu Beginn des Kapitels sagt er: „Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich und womöglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt.“ (Marx).

Der Kampf um den normalen Arbeitstag entgeht nicht dem Gesetz des Tausches von Äquivalenten: „Ich verlange den Normalarbeitstag, weil ich den Wert meiner Ware verlange, wie jeder andre Verkäufer.“ (Marx).

Marx betont im Kapital immer wieder, dass der Lohn ein Fetisch ist. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass der Lohn mit dem Wert der Arbeitskraft übereinstimmt, hat er nichts mit der Menge der von den Arbeitern geleisteten Arbeit zu tun. Denn der Wert der Arbeitskraft hat mit dem gesellschaftlich notwendigen Warenkorb für die (Re-)Produktion der Arbeitskraft zu tun. „So wenig aber bessere Kleidung, Nahrung, Behandlung und ein größeres Peculium das Abhängigkeitsverhältnis und die Exploitation des Sklaven aufheben, so wenig die des Lohnarbeiters. Steigender Preis der Arbeit infolge der Akkumulation des Kapitals besagt in der Tat nur, daß der Umfang und die Wucht der goldnen Kette, die der Lohnarbeiter sich selbst bereits geschmiedet hat, ihre losere Spannung erlauben.

[…] Die Bedingungen ihres Verkaufs, ob mehr oder minder günstig für den Arbeiter, schließen also die Notwendigkeit ihres steten Wiederverkaufs und die stets erweiterte Reproduktion des Reichtums als Kapital ein. […] Ganz abgesehn vom Steigen des Arbeitslohns mit sinkendem Preis der Arbeit usw., besagt seine Zunahme im besten Fall nur quantitative Abnahme der unbezahlten Arbeit, die der Arbeiter leisten muß. Diese Abnahme kann nie bis zum Punkt fortgehn, wo sie das System selbst bedrohen würde.“ (Marx).

Weiter unten stellt Marx fest, dass „Adam Smith hat bereits gezeigt, daß im großen und ganzen in solchem Konflikt der Meister stets Meister bleibt“.

Obwohl die Kämpfe um die Länge des Arbeitstages und die Höhe der Löhne an sich nicht aus dem allgemeinen Rahmen des Kapitalverhältnisses ausbrechen, haben sie das Potenzial, die Widersprüche des Kapitals an den Rand der Explosion zu bringen (dieses Potenzial haben nicht nur die Kämpfe um diese beiden Themen, wir erwähnen sie lediglich als Beispiel im Kapital). Wenn der Kampf um Löhne oder den Arbeitstag potenziell revolutionär ist, dann nicht, weil er unsere Lebensbedingungen verbessert. Er ist potenziell revolutionär, weil er, wenn er auf die Spitze getrieben wird, d.h. wenn er den Punkt erreicht, an dem er die Mehrarbeit vernichtet (oder genauer gesagt, die Menge an Mehrarbeit, die für die reibungslose Fortsetzung des Prozesses der Kapitalakkumulation notwendig ist), „das System selbst bedrohen“ würde. Und genau in dieser Krise, in dieser Destabilisierung, wird die Überwindung des Kapitalismus möglich: die Umwandlung des „alltäglichen“ Klassenkampfes in eine kommunistische Revolution. Das bedeutet nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Unterschied: Es geht nicht mehr um die Reduzierung der unbezahlten Arbeit, sondern um die vollständige Abschaffung der Lohnarbeit.

Parenthese: Der Kommunismus, „die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“, ist ein negativer Prozess par excellence. Er ist die Abschaffung aller gegenwärtig existierenden Formen von Herrschaft und Ausbeutung. Die Explosion des Klassenwiderspruchs bedeutet eine Katastrophe: Arbeitslosigkeit, Armut, Konflikte, etc. Das ist das Paradoxon des Kommunismus: Der Übergang vom Kapitalismus zur klassenlosen Gesellschaft bedeutet notwendigerweise die vollständige Destabilisierung, die Zerstörung all dessen, was heute als „normal“ und „gegeben“ gilt. Die Verschärfung der Krise bedeutet, dass alle Sicherheiten, die der Kapitalismus und der Nation-Staat bieten, verschwinden: Wie können sie Sicherheit und Normalität bieten, wenn sie auseinanderfallen, wenn sie außer Gefecht gesetzt werden, wenn sie all ihre repressiven Kräfte als letzten Versuch ihres Immunsystems entfesseln, um sich am Leben zu erhalten? In gewissem Sinne wird die Lage der Proletarier im revolutionären Prozess schlechter sein als vorher: Vorher hatten zumindest einige von ihnen Löhne, sie hatten Sozialleistungen. Wenn es keinen sofortigen Übergang zu einer neuen Lebensweise gibt, wenn nicht sofort am Nullpunkt der Revolution neue soziale Beziehungen geschaffen werden, dann ist alles, was vor uns liegt, entweder ein Rückzug zurück in den Kapitalismus oder der Tod. Die Linke des Kapitals will die Ökonomie retten, sie will einen „arbeiterfreundlichen“ Ausweg aus der Krise. Die Kommunisten wollen, dass der Klassenkampf die Krise verschärft und die Ökonomie zerstört. Wir schließen die Parenthese.

Ein Kampf der griechischen arbeitslosen Proletarier gegen Einwanderer, der Pogrome gegen Einwanderer, Forderungen an den Staat zur Abschiebung von Einwanderern und Forderungen an die Bosse, keine Einwanderer einzustellen, wird ein Kampf der griechischen Proletarier sein, die ihre besonderen Marktinteressen verteidigen, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern (Zugang zu Lohnarbeit und folglich zu Geld, um Mittel zum Leben zu kaufen). Es ist also klar, dass ein Kampf für bessere Lebensbedingungen nicht unbedingt bedeutet, dass er potenziell revolutionär ist. Und ein Kampf, der dieses Potenzial in sich birgt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er zu einer Revolution führen wird.

Das ist die Aufgabe der kommunistischen Theorie: „die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten.“ (Marx an Ruge, September 1843). Hier legte Marx eine erste Grundlage für die Aufgabe der kommunistischen Theorie. Aber er gehörte immer noch zu den Junghegelianern; seine Kritik war der Feuerbachschen Kritik nicht entgangen. Das Ziel der Kritik blieb die Veränderung des Bewusstseins, die „besteht nur darin, daß man die Welt ihr Bewußtsein innewerden läßt, daß man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, daß man ihre eignen Aktionen ihr erklärt. Unser ganzer Zweck kann in nichts anderem bestehn, wie dies auch bei Feuerbachs Kritik der Religion der Fall ist, als daß die religiösen und politischen Fragen in die selbstbewußte menschliche Form gebracht werden.“ (ebd.).

Wie vervollständigen wir also die Definition der Aufgabe der Theorie?

Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder entdeckt sind.

Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung.

[…]In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor. (Marx & Engels, „Manifest der Kommunistischen Partei“)

Kommunistische Theorie ist keine Philosophie, die die Welt interpretiert, sie ist eine Kritik, die in die Kämpfe eingreift, um die Welt zu verändern. Kommunistische Theorie bedeutet Reflexion über die Praxis, über wirkliche Bewegungen, und das Eingreifen in sie, um praktische Fragen aufzuwerfen. Das ist die Aufgabe der kommunistischen Theorie. Kommunistische Theorie ist keine Wissenschaft, die den Kommunismus aus der ökonomischen Analyse des Kapitals ableitet. Stattdessen geht die kommunistische Theorie von den Klassenkämpfen des Proletariats aus und versucht zu verstehen, wie der durch diese Kämpfe aufgedeckte Widerspruch eine Möglichkeit zur Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und zur Errichtung des Kommunismus bietet. Bei diesen praktischen Fragen geht es nicht darum, einen besseren Lebensstandard innerhalb des Kapitalismus zu erreichen, sondern darum, den Widerspruch des Klassenverhältnisses auf die Spitze zu treiben, damit er explodieren kann. Das Ziel von Kommunisten ist es nicht, Kämpfe für einen besseren Lebensstandard zu fördern: Bewegungen zu diesem Thema entstehen ohnehin spontan, ohne die Förderung von Kommunisten, sei es in fortschrittlichen oder reaktionären Formen – natürlich gibt es bei reaktionären Formen, wie dem oben genannten Beispiel der Anti-Immigrationsbewegung, in der Regel keinen Raum für Interventionen, sondern nur für direkte Konflikte. Die kommunistische Theorie blickt der Realität ins Gesicht und sucht nach Bewegungen, die eine praktische Kritik an der bestehenden Ordnung der Dinge darstellen.

In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, kann man sagen, dass wir eine Alles-oder-Nichts-Logik haben. Nur in dem Sinne, dass wir an den Bewegungen interessiert sind, in denen sich eine Dynamik entwickeln kann, die das Kapitalverhältnis abschaffen könnte. Ob sich diese Dynamik tatsächlich entwickeln wird und, wenn ja, ob sie gewinnt oder verliert, ist eine andere Frage. In dem bereits erwähnten Beispiel der Anti-Immigrationsbewegung kann sich eine solche Dynamik nicht entwickeln, also sind wir nicht an einer solchen Bewegung interessiert – oder besser gesagt, wir sind daran interessiert, diese Bewegung zu bekämpfen, weil sie die Entstehung einer Bewegung untergräbt, in der sich eine solche Dynamik entwickeln könnte. Im Fall von Rojava kann eine solche Dynamik nicht entwickelt werden. Wir können nicht sagen, dass wir einen Konflikt mit dieser Bewegung suchen. Es geht um die Schaffung eines Proto-Staates, aber es ist ein Überlebensversuch im Kontext eines Krieges, und was kann man über die Menschen sagen, die die Basis dieser Bewegung bilden? Sollen sie ruhig dasitzen, während Bomben auf ihre Köpfe fallen? Keine andere Bewegung hat eine revolutionäre Alternative entwickelt. Da keine andere Bewegung eine solche entwickelt hat, warum sollten wir von ihnen erwarten, dass sie es tun, und ihnen die Schuld dafür geben, dass sie es nicht tun? Sollten wir sagen, dass sie entweder eine revolutionäre Bewegung gründen oder tot umfallen sollen? Nein, natürlich nicht. Die einzige Kritik, die uns hier interessiert, ist keine Kritik an Rojava per se, sondern eine Kritik an denjenigen, die diesen Überlebenskampf inmitten des Krieges zur Revolution erheben.

Kehren wir nun nach Palästina zurück. Die palästinensischen Proletarier werden von zwei Seiten angegriffen: sowohl von ihrer eigenen herrschenden Klasse als auch von der Israels. Tatsächlich gibt es derzeit zwei Fraktionen der palästinensischen herrschenden Klasse, die miteinander im Konflikt stehen. Die eine ist die offizielle Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland, die von der Fatah geführt wird, und die andere ist die Regierung des Gazastreifens, die von der Hamas angeführt wird. Nach bewaffneten Zusammenstößen mit der Fatah im Juni 2007 übernahm die Hamas die Führung im Gazastreifen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, die beiden Regierungen zu versöhnen, wurde im letzten Jahr, 2017, ein Abkommen unterzeichnet, nach dem die Hamas die Kontrolle über die öffentlichen Dienste im Gazastreifen an die Palästinensische Autonomiebehörde (d. h. die Fatah) abgab und im Gegenzug das ökonomische Embargo gegen den Gazastreifen lockerte. Die Fatah scheint langsam ein Comeback in Gaza zu feiern, aber auch das war nicht weniger gewalttätig als die Übernahme der Führung durch die Hamas. Die Palästinensische Autonomiebehörde selbst hat einige Monate vor dem Abschluss des Abkommens Druck auf die Hamas ausgeübt, indem sie den Strom, den Israel an den Gazastreifen liefert, nicht bezahlte, was dazu führte, dass der Gazastreifen nur vier Stunden am Tag Strom hat. Laut Mkhaimar Abusada, einem Politikwissenschaftler an der Al-Zahar-Universität in Gaza, beschloss die Palästinensische Autonomiebehörde, anstatt ihre direkten Subventionen für den Gazastreifen zu kürzen, die Hamas indirekt anzugreifen, indem sie Israel nicht für den Strom bezahlte, den es an den Gazastreifen liefert. Für Abusada versucht die Palästinensische Autonomiebehörde, die Schuld auf Israel zu schieben, denn wenn Israel die Stromzufuhr unterbricht, weil die Palästinensische Autonomiebehörde nicht dafür bezahlt, werden die Menschen im Gazastreifen Israel die Schuld geben und nicht der Fatah (siehe den entsprechenden Artikel in der New York Times ). Und wir fügen hinzu: Wenn endlich eine Einigung erzielt wird, könnte sich die Fatah den Menschen in Gaza als Retterin präsentieren. Außerdem steht Katar, der Schirmherr der Hamas, unter einem Embargo von Ägypten und anderen Ländern. Katar unterstützt die Hamas weiterhin, wird aber unter Druck gesetzt, sich mit der Fatah zu versöhnen. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind daran interessiert, im Gazastreifen zu investieren, wenn dieser nicht mehr unter der Kontrolle der Hamas steht (siehe einen Artikel im Economist ).

Eine weitere Druckmaßnahme waren die drastischen Gehaltskürzungen für die Beschäftigten der Palästinensischen Autonomiebehörde im Gazastreifen im Jahr 2017, die zwischen 30 % und 70 % lagen (siehe Artikel von Electronic Intifada und Ma’an News Agency). Die Palästinensische Autonomiebehörde, die 1994 infolge der Osloer Abkommen von 1993 gegründet wurde, führte erst nach 18 Jahren, im Jahr 2012, einen palästinensischen Mindestlohn von 1.450 Schekel (damals 375 US-Dollar) ein, und das auch nur auf Druck der Proteste der palästinensischen Gewerkschaften/Syndikate und allgemeiner Proteste gegen Preiserhöhungen bei Grundstoffen. Shaher Sa’id, der damalige Generalsekretär des Palästinensischen Allgemeinen Gewerkschaftsbundes, erklärte gegenüber der palästinensischen Zeitung Al-Quds, dass der Mindestlohn an die Armutsgrenze gekoppelt werden sollte, die bei 2.300 Schekel liegt, und dass der aktuelle Mindestlohn Arbeiterinnen und Arbeiter zu Elend und Tod verurteilt (siehe Artikel in The Times of Israel und Ma’an News Agency). Anfang dieses Monats (Mai 2018) hat die Palästinensische Autonomiebehörde neue Gehaltskürzungen von 20 % für ihre Beschäftigten im Gazastreifen vorgenommen, während sie die Aprilgehälter noch nicht ausgezahlt hat und inzwischen 1/3 ihrer Beschäftigten im Gazastreifen in den Vorruhestand gezwungen hat (siehe Reuters-Artikel ).

Laut dem Palästinensischen Zentralbüro für Statistik (PCBS), dem offiziellen Statistikinstitut der Palästinensischen Autonomiebehörde, lag die Arbeitslosenquote 2017 im Gazastreifen bei 43,6 % und im Westjordanland bei 18,1 % (der Kürze halber sei darauf hingewiesen, dass wir im Folgenden immer dann, wenn wir uns auf den Gazastreifen beziehen, den Gazastreifen und nicht Gaza-Stadt meinen, wenn wir uns auf das Westjordanland beziehen, die Gebiete A und B des Westjordanlands meinen und wenn wir uns auf Israel beziehen, die israelischen Siedlungen einschließen). Insgesamt lag die Arbeitslosenquote bei den Männern bei 22,3 % und bei den Frauen bei 47,4 %. Von denjenigen, die in Palästina und nicht in Israel arbeiteten, waren 32,7 % der Arbeiterinnen und Arbeiter im Gazastreifen und 53,3 % im Westjordanland im Dienstleistungssektor beschäftigt. Im öffentlichen Sektor (der Palästinensischen Autonomiebehörde) arbeiten 36,5 % im Gazastreifen und 15,2 % im Westjordanland. Der durchschnittliche Tageslohn im Westjordanland liegt bei 101,5 Schekel (ca. 24 €), im Gazastreifen bei 59,4 Schekel (ca. 14 €). Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Lohnabhängigen im Westjordanland beträgt 44,2 Stunden, im Gazastreifen dagegen 37,6 Stunden. Von allen Lohnabhängigen in Palästina haben 25,3 % einen Arbeitsvertrag, 51,2 % haben keinen Vertrag und 23,5 % haben einen mündlichen(!) Vertrag. 17,9 % der Beschäftigten im Westjordanland erhalten weniger als den Mindestlohn, während es im Gazastreifen 80,6 % sind. Die Zahl der in Israel arbeitenden Palästinenser beträgt 130.700. Davon haben 67.900 eine Genehmigung, 43.400 haben keine Genehmigung (also Schwarzarbeit) und 19.400 haben eine israelische ID oder einen ausländischen Reisepass. Der durchschnittliche Tageslohn für Palästinenser, die in Israel arbeiten, beträgt 226,7 Schekel (ca. 54 €) bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 41,6 Stunden. 61,6 % der in Israel arbeitenden Palästinenser sind im Bausektor beschäftigt. (Für alle oben genannten Zahlen, siehe hier). Der durchschnittliche Tageslohn der in Israel arbeitenden Palästinenserinnen und Palästinenser scheint etwas unter dem israelischen Mindestlohn zu liegen, denn nach Angaben von Bituah Leumi (Nationales Versicherungsinstitut Israels, der Sozialversicherungsanstalt des israelischen Staates) lag der Mindesttageslohn für einen 5-Tage-Job im Jahr 2017 bei 230,77-244,62 Schekel (ca. 55-58€) (siehe hier).

Es gibt 504.600 Arbeiterinnen und Arbeiter im Gazastreifen und 870.000 im Westjordanland. Die Arbeitslosenquote im Gazastreifen beträgt 43,6 % und im Westjordanland 18,1 %. Somit beläuft sich die Gesamtzahl der Arbeitskräfte im Gazastreifen auf 894.680 Personen und im Westjordanland auf 1.062.271 Personen. Insgesamt also 1.956.951. Und wie wir bereits gesagt haben, arbeiten nur 130.700 Palästinenser in Israel. Das bedeutet, dass von allen palästinensischen Arbeitskräften nur 6,7 % in Israel arbeiten. Der Rest arbeitet entweder in Palästina oder ist arbeitslos. Wo ist also die „israelische Apartheid“, von der die „Freunde“ der Palästinenser sprechen? Die Apartheid in Südafrika hatte einen bestimmten Zweck: die Ausbeutung der Arbeitskraft von Schwarzen, Asiaten und anderen Minderheiten. Im Fall von Palästina wird die Mehrheit der palästinensischen Proletarier von Palästinensern ausgebeutet, nicht von Israelis. Und diese Arbeitslosen sind sowohl für das israelische als auch für das palästinensische Kapital eine überschüssige Bevölkerung. Das israelische Kapital will die palästinensischen Arbeiterinnen und Arbeiter nicht ausbeuten, die meisten von ihnen sind für es nutzlos und es versucht, sie von seinem Territorium fernzuhalten. Kein Wohlfahrtsstaat unterstützt die palästinensische Überschussbevölkerung, weder die israelischen noch die palästinensischen Behörden, und es ist bekannt, dass sie nur dank internationaler humanitärer Hilfe überleben kann.

Warum schweigen die griechischen „Freunde“ der Palästinenser zu all diesen Themen? Warum reden sie nur abstrakt über das palästinensische Volk, anstatt über die konkreten Bedingungen des palästinensischen Proletariats zu sprechen? Wenn das palästinensische Proletariat an dem dreifachen Konflikt zwischen der israelischen Bourgeoisie (die versucht, die Palästinenser von ihrem Territorium fernzuhalten) und den beiden sich bekriegenden Fraktionen der palästinensischen Bourgeoisie (die um die Zügel der politischen Souveränität in den palästinensischen Gebieten kämpfen) stirbt, warum reden sie dann nur über die israelische Bourgeoisie? Ist Israel allein für die Verarmung des palästinensischen Proletariats verantwortlich? Warum sprechen sie nicht über die Widersprüche und Konflikte innerhalb der palästinensischen Gesellschaft? Letzten Monat (April 2018) wurde ein 25-jähriger Palästinenser aus dem Westjordanland, Ahmad al-Awartani, von der Palästinensischen Autonomiebehörde verhaftet und bewusstlos geschlagen, weil er sie in einem Facebook-Post kritisiert hatte, und trat anschließend im Gefängnis in den Hungerstreik. Addameer, eine palästinensische Nichtregierungsorganisation, die palästinensische politische Gefangene sowohl in palästinensischen als auch in israelischen Gefängnissen unterstützt, berichtet immer wieder von der Folter politischer Gefangener durch die Palästinensische Autonomiebehörde (siehe auch einen Al Jazeera-Artikel ). Vor ein paar Monaten streikten die Reinigungskräfte in den Krankenhäusern im Gazastreifen, weil sie seit vier Monaten nicht bezahlt worden waren (siehe einen Artikel in Haaretz ). Streiks und Proteste von palästinensischen Arbeiterinnen und Arbeitern wegen der Demütigung, die sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit an den Kontrollpunkten für die Ein- und Ausreise aus den israelischen Gebieten erfahren, sind keine Seltenheit. Die „Freunde“ der Palästinenserinnen und Palästinenser, die nur über die Beziehungen der Palästinenserinnen und Palästinenser zu Israel sprechen, warum beziehen sie sich ausschließlich auf die Konflikte um die territorialen Grenzen der politischen Gebiete? Warum sprechen sie nicht über die Arbeitsbedingungen von Palästinenserinnen und Palästinensern in israelischen und multinationalen Unternehmen, die sich auf israelischem Gebiet befinden? Da diese Unternehmen ein Treffpunkt für palästinensische und israelische Arbeiterinnen und Arbeiter sind, ist dies der wahrscheinlichste Punkt, an dem ein gemeinsamer Kampf ausbrechen und die nationalistische Spaltung zwischen den beiden Arbeiterklassen überwinden könnte. „Freunde“ des palästinensischen Volkes, sagt uns doch bitte endlich: Welches Banner haltet ihr hoch? Das des Klassenkampfes oder das der nationalen Befreiung?


1A.d.Ü., BRIEF ÜBER DEN ANTIZIONISMUS, von uns übersetzt.

2A.d.Ü., wir hätten es auch als Mehrwertbevölkerung oder Mehrwertpopulation übersetzen können, es hätte aber wahrscheinlich zu Verwirrung geführt, den nach Marx ist der Begriff sowie wir ihn übersetzt haben. Marx bezog sich dabei auf die „industrielle Reservearmee“, also arbeitslose Arbeiterinnen und Arbeiter. „Es ist daher ebenso sehr Tendenz des Kapitals die arbeitende Bevölkerung zu vermehren, wie einen Teil derselben beständig als Überschuss-bevölkerung – Bevölkerung, die zunächst nutzlos ist, bis das Kapital sie verwerten kann“

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