Aus der letzten Ausgabe von Antipolitik, der Nummer Drei, die Übersetzung ist von uns. Mehr Texte gegen den Nationalismus.
(Antipolitika # 3) Jungslawen und nihilistischer Nationalismus 1907-1914
1.
Die Jungslawen waren die jungen jugoslawischen revolutionären Nationalisten aus Bosnien und Kroatien, die sich in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg politisch entwickelten.
Weil sie so sehr von den europäischen nationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts inspiriert waren und weil es unter ihnen einen starken deutschen intellektuellen Einfluss gab, gab der Historiker Milorad Ekmečić ihnen den Namen „Jungslawen“.
Heute ist die bekannteste und am meisten geschätzte Sektion dieser Bewegung das Mlada Bosna (Junges Bosnien), eine Gruppe, die 1914 das Attentat auf Franz Ferdinand in Sarajewo verübte. Viele Anarchisten und Anarchistinnen auf dem Balkan sind heute bereit, auf die anarchistischen Einflüsse dieser Gruppe hinzuweisen oder sie sogar zu Anarchisten und Anarchistinnen zu erklären, obwohl die Mitglieder von Mlada Bosna (A.d.Ü., ab hier Junges Bosnien oder JB) den Anarchismus zugunsten des Nationalismus klar ablehnten.
Mit diesem Text soll versucht werden, diese Verwirrung zu beseitigen.
Um besser zu verstehen, was die Jungslawen waren, werden wir mit einigen Aspekten der Geschichte Serbiens, Kroatiens und Bosniens beginnen und dann die Ideen untersuchen, die die jugoslawische revolutionäre nationalistische Bewegung zu Beginn des 20sten Jahrhunderts beeinflussten.
2.
In dem von 1804 bis 1835 andauernden Prozess, den Leopold von Ranke als „Serbische Revolution“ bezeichnete, wurde Serbien als de facto unabhängiger Staat gegründet, und diese Unabhängigkeit wurde auf dem Berliner Kongress 1878 offiziell anerkannt.
Während dieses Prozesses wurden die feudalen Verhältnisse in Serbien abgeschafft und erste Versuche unternommen, ein liberales Verfassungssystem zu etablieren. Es wurden einige politische Parteien gegründet, die in einem ungleichen Verhältnis zu den oft autokratisch gesinnten Herrschern (zunächst Fürsten, später Könige) der beiden rivalisierenden Dynastien (Obrenović und Karađorđević) standen.
Die bei weitem zahlreichste Klasse in Serbien waren die Kleinbauern, die kleine Grundstücke besaßen. Aus der kleinen Zahl der Gebildeten bildete sich eine neue herrschende Klasse: die Bürokratie. So schrieb Bakunin in seinem Buch Staatlichkeit und Anarchie (1873) über die serbischen Bürokraten:
„Solange sie jung und noch nicht durch den Staatsdienst korrumpiert sind, zeichnen sich diese Individuen größtenteils durch glühenden Patriotismus, Liebe zum Volk, einen recht aufrichtigen Liberalismus und neuerdings sogar durch das Bekenntnis zu Demokratie und Sozialismus aus. Sobald sie jedoch in den Staatsdienst eintreten, macht sich die eiserne Logik ihrer Position, die Kraft der Umstände, die bestimmten hierarchischen und profitablen politischen Beziehungen innewohnt, bemerkbar, und die jungen Patrioten werden von Kopf bis Fuß zu Bürokraten, während sie vielleicht weiterhin sowohl Patrioten als auch Liberale sind. Aber jeder weiß, was ein liberaler Bürokrat ist; er ist unvergleichlich schlimmer als eine einfache und geradlinige bürokratische Geißel.“
1903 wurde König Aleksandar Obrenović, der ein pro-österreichischer Autokrat war, von einer Gruppe von Verschwörern ermordet, die alle Offiziere des serbischen Militärs waren. Petar Karađorđević (aus der rivalisierenden Dynastie) wurde König. Während dieser ganzen Zeit war die vorherrschende politische Partei die Radikale Volkspartei, die die Ermordung unterstützte und versuchte, Serbien enger an Russland und Frankreich anzugliedern.
Dieses Ereignis führte zu großen Spannungen zwischen dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich und Serbien. Diese Spannungen wurden durch eine Reihe von Ereignissen weiter verschärft, wie z.B.: der so genannte „Schweinekrieg“ 1906-1908, ein Handelskrieg, in dem Österreich-Ungarn ein Handelsembargo gegen Serbien verhängte; die einseitige Annexion Bosniens durch Österreich-Ungarn im Jahr 1908 (serbische Nationalisten betrachteten Bosnien als serbisches Land, und dieser Schritt wurde von den europäischen Mächten als illegal angesehen); und die unerwarteten Siege Serbiens in den Balkankriegen 1912-1913 mit der anschließenden territorialen Expansion Serbiens auf Kosten der Türkei.
3.
Der Nationalismus entwickelte sich in Kroatien unter Bedingungen, die vor allem durch die Tatsache bestimmt und begrenzt waren, dass Kroatien ein Gebiet innerhalb des Kaiserreichs Österreich-Ungarn war. Im Jahr 1867 wurde das Habsburger Reich als Kaiserreich Österreich-Ungarn reformiert. Mit dem so genannten „österreichisch-ungarischen Kompromiss“ wurde das Kaiserreich zu einer Doppelmonarchie, einem Bündnis zweier souveräner Staaten. Im darauf folgenden Jahr, 1868, wurde der „Kroatisch-Ungarische Ausgleich“ geschlossen, mit dem ein weiterer Dualismus eingeführt wurde, diesmal im ungarischen Teil des Kaiserreiches. Im kroatischen Verständnis dieses Kompromisses sollte Kroatien als ein Staat und eine Nation gesehen werden, die in einem Bündnis mit Ungarn steht, das wiederum als größere Einheit in einem Bündnis mit Österreich steht. Da die ungarische Seite eine andere Auffassung von der Regelung hatte, führte dies zu nationalistischen Spannungen.
Kroatien hatte ein Parlament, eine Regierung und einen ernannten „Ban“ – praktisch einen Premierminister.
Die verschiedenen politischen Parteien, die sich in Kroatien bildeten, wurden in der Regel durch ihre Ansichten über den Vergleich von 1868 bestimmt. Eine weitere entscheidende Frage war die nach der großen serbischen Bevölkerung in Kroatien.
Die kroatischen Nationalisten näherten sich dieser Frage auf unterschiedliche Weise, aber es gab zwei Hauptströmungen des Denkens.
Zum einen gab es die ilirische und später jugoslawische Bewegung der Volkspartei, später der Unabhängigen Volkspartei und noch später der Progressiven Jugend und anderer Gruppen. Nach dieser Auffassung waren die Kroaten und die Serben Kroatiens Teil ein und derselben Nation, die als jugoslawisch bezeichnet werden sollte. In Übereinstimmung mit dieser Idee traf das kroatische Parlament verschiedene Entscheidungen, wie z. B. 1861, als es beschloss, dass die Amtssprache Kroatiens jugoslawisch genannt werden sollte.
Im Gegensatz dazu bestand der zweite Strang, der von dem kroatischen nationalistischen Ideologen Ante Starčević verkörpert wurde, auf der Bedeutung der Beibehaltung des kroatischen Nationalnamens und der „historischen Rechte“, die diesem Namen zugeschrieben wurden. Nach dieser Auffassung gab es auf kroatischem Gebiet keine serbische Nationalität. Die Serben als solche wurden jedoch nicht abgelehnt. Starčević (dessen Mutter Serbin war) betrachtete die Serben als Kroaten. Tatsächlich betrachtete Starčević auch alle slawischen Einwohner Serbiens, Bosniens und Montenegros als Kroaten. Starčević und seine Anhänger gründeten die Partei der Rechten, die später viele verschiedene Fraktionen hatte, die sich alle unter dem Namen „Rechte“ zusammenfassen lassen, im Gegensatz zu den jugoslawisch orientierten „Progressiven“.
4.
1878 beschloss derselbe Kongress in Berlin, der die Unabhängigkeit Serbiens (und Montenegros) anerkannte, dass Bosnien, obwohl es offiziell immer noch zur Türkei gehörte, von Österreich verwaltet werden sollte.
Von allen Gebieten, die später zu Jugoslawien gehören sollten, war Bosnien vielleicht dasjenige, das sich am deutlichsten in einer kolonialen Position befand. Das alte, vom Osmanischen Reich geschaffene Feudalsystem war noch in Kraft, und das Gebiet wurde von einem von Österreich ernannten Gouverneur verwaltet.
Im Jahr 1914 gab es in Bosnien 93.336 Leibeigenenfamilien. Die orthodoxe Bevölkerung, die mehr als 40 % der Gesamtbevölkerung ausmachte, kontrollierte nur 6 % des Bodens. Mehr als 90 % des Landes hatten muslimische Eigentümer – was natürlich nicht bedeutet, dass alle Muslime Landbesitzer waren. Andererseits bestand der größte Teil der staatlichen Bürokratie aus Ausländern. Die Minderheit der Einheimischen, die vom Staat beschäftigt wurden, waren fast ausschließlich Katholiken.
Das bedeutet, dass die Serben von den drei in Bosnien lebenden ethnischen Hauptgruppen die am meisten entfremdete Gruppe waren. Dennoch setzte sich die nationalistische Jugendbewegung, die sich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte, aus Angehörigen aller drei Ethnien zusammen und stand den jungen Nationalisten aus Kroatien persönlich und ideologisch nahe.
5.
Obwohl die jungen Nationalisten aus Bosnien (Junges Bosnien, JB) und Kroatien (Junges Kroatien, JK) eng miteinander verbunden waren, kann man nicht sagen, dass sie ein direktes Gegenstück in Serbien hatten.
Das, was einem jungen Serbien am nächsten kam, war eine Gruppe von Studenten, die sich um die Zeitschrift Slovenski Jug (Slawischer Süden) scharte, die 1903 veröffentlicht wurde. Die Gruppe wurde von Ljubomir Jovanović – Čupa angeführt, der einer der Anführer der Studentendemonstrationen gegen König Aleksandar im Jahr 1903 war und von einem der Ideologen der JB, Vladimir Gaćinović, als „Mazzini des jungen Serbiens“ bezeichnet wurde. Aber dies war offensichtlich eine ältere Generation als JB und JK.
Zu der Zeit, als die Jungslawen in Serbien aktiv waren und Verbindungen knüpften, gab es in Serbien noch keine entsprechende Gruppe. Was es dort gab, war eine Gruppe nationalistischer Offiziere, die sich 1903 zu einem Attentat auf den König verschworen hatten und nun einen Geheimbund mit dem Namen „Vereinigung oder Tod“ gründeten, besser bekannt als die Schwarze Hand.
Dies ist die Gruppe, mit der die Jungslawen in Serbien eine enge Verbindung eingingen. Die Gruppe von Čupa bildete den zivilen Teil der Schwarzen Hand. Sein Enthusiasmus für und sein Wissen über europäische nationalistische Geheimgesellschaften des 19. Jahrhunderts, wie die Carbonari, lieferte eine nützliche Vorlage für die Gründung der Schwarzen Hand sowie für ihre geheimen Rituale und Schwüre.
6.
Junges Bosnien als konkrete Organisation gab es nicht. Was es gab, waren viele Geheimklubs, die überall dort gegründet wurden, wo es in Bosnien Gymnasien gab. Der Name „Junges Bosnien“ wurde eher als Bezeichnung für eine Generation oder ein bestimmtes Milieu verwendet.
Die ersten Klubs dieser Art wurden im Gymnasium von Mostar gegründet. Sie wurden 1905 gegründet, einer von Dimitrije Mitrinović (dem späteren Hauptideologen von JB) und der andere von Bogdan Žerajić (dem späteren Märtyrer von JB). Schon bald verbreiteten sich die Gruppen in ganz Bosnien, und eine der wichtigsten Gruppen wurde 1911 in Sarajewo gegründet und nannte sich „Serbo-kroatische Fortschrittsorganisation“. Gavrilo Princip wurde ihr Mitglied.
1912 schrieb und veröffentlichte Dimitrije Mitrinović ein Programm mit dem Titel „Programm des Jugendclubs Nationale Vereinigung“ (eine solche Gruppe existierte nicht), und die Jungslawen-Gruppen in Bosnien und Kroatien machten es sich zu eigen.
7.
Im Gegensatz zu JB gab es eine konkrete Gruppe namens Junges Kroatien.
Dabei handelte es sich um eine Gruppe „rechter“ Jugendlicher, die sich 1910 von der Hauptpartei der Rechten abspaltete und die gleichnamige Zeitschrift herausgab. Sie begannen, sich von der älteren Generation abzugrenzen, ähnlich wie die Jungslawen in Bosnien, indem sie militantere Methoden des Kampfes annahmen und propagierten. Für eine Gruppe, die aus dem rechten Milieu stammte und sogar mit der am stärksten antiserbischen und chauvinistischen Fraktion dieser Bewegung um Josip Frank verbündet war, begannen sie, sich mehr und mehr für die Idee einer jugoslawischen kulturellen Zusammenarbeit zu öffnen, auch wenn sie vorerst noch ein exklusives kroatisches nationalistisches Programm vertraten, demzufolge in Kroatien und Bosnien nur die kroatische Nation existierte.
Dennoch gab es offensichtliche Widersprüche in der Gruppe, was sich daran zeigt, dass sowohl Mile Budak (ein schrecklicher Schriftsteller und zukünftiger Ustascha) als auch Tin Ujević (ein genialer Dichter und zukünftiger jugoslawischer revolutionärer Nationalist, der mit der Schwarzen Hand verbündet war) Mitglieder waren.
Dies ist jedoch nur ein engerer Rahmen, in dem der Name Junges Kroatien verwendet werden kann.
Die umfassendere Art ist die Bezeichnung einer neuen Bewegung, die sich in Kroatien vor allem während der Balkankriege (1912-13) entwickelte und die sich sowohl aus Teilen der rechten Jugend (wie der Ujević-Gruppe in der JK), die die jugoslawische nationalistische Position vertraten, als auch aus Teilen der pro-jugoslawischen „progressiven“ Jugend, die militantere Kampfmethoden anwandten, zusammensetzte. Diese neue Gruppierung wurde zu Junges Kroatien, die das direkte Gegenstück zu Junges Bosnien war und sich als die jugoslawische revolutionäre nationalistische Jugend verstand.
8.
In Serbien wurde bereits 1902 eine geheime Gruppe als „Privatinitiative“ gegründet, die als „Mazedonisches Komitee“, „Serbisches Komitee“ usw. bezeichnet wurde. Die Gruppe wurde von der militanten mazedonisch-bulgarischen Gruppe VMRO (Interne Mazedonische Revolutionäre Organisation) inspiriert, die den Guerillakrieg in Mazedonien, damals noch ein Teil der Türkei, koordinierte.
Das Ziel der Gruppe war es, proserbische Tschetnik-Kommandos zu organisieren, die als paramilitärische Formation den nationalistischen Interessen der serbischen Bourgeoisie dienen sollten, ohne offiziell an den serbischen Staat gebunden zu sein.
Bald wurde diese Gruppe vollständig vom Staat übernommen und existierte als geheime Organisation mit dem Namen „Serbische Verteidigung“, die sowohl ein nachrichtendienstliches Netzwerk als auch eine Struktur für den organisierten Guerillakrieg in Form von Tschetnik-Kommandos war.
Als Österreich 1908 beschloss, Bosnien zu annektieren – was bedeutete, dass es aufhörte, so zu tun, als würde es die Souveränität der Türkei über Bosnien anerkennen, und es einfach offen zu seinem eigenen Territorium erklärte – führte dies zu großen Spannungen innerhalb Serbiens.
Dies führte zu großen Spannungen in Serbien. Der Schritt wurde als große Provokation gegen die serbischen Interessen angesehen und eine intensive nationalistische Mobilisierung wurde in Gang gesetzt. Es wurde offen darüber spekuliert, dass ein Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien ausbrechen könnte.
Unter diesen Umständen wurde die „Serbische Verteidigung“ in „Nationale Verteidigung“ umbenannt und als öffentliche nationalistische politische Organisation reorganisiert. Die Nationale Verteidigung war zuständig für öffentliche nationalistische Veranstaltungen und für die Rekrutierung von Menschen in Tschetnik-Kommandos zur Vorbereitung auf einen möglichen Krieg. Bald wurde die Organisation zu einer Massenorganisation.
Doch die serbische Bourgeoisie beschloss, dem Beispiel der Großmächte zu folgen, von einer kriegsbereiten nationalistischen Position abzurücken und sich mit der Annexion zu arrangieren. Dies wurde von den extremeren nationalistischen Kreisen in Serbien als Verrat angesehen.
9.
Die extremeren nationalistischen Kreise waren vor allem im serbischen Militär einflussreich. Bald beschloss eine Gruppe jüngerer Verschwörer und Attentäter aus dem Jahr 1903, dass die Regierung aus schwachen Männern und Verrätern bestehe und dass es an ihnen sei, zu handeln.
Ihre Organisation wurde in den Jahren 1910-11 unter dem Namen „Vereinigung oder Tod“ formalisiert und besser bekannt als die Schwarze Hand.
Die Schwarze Hand war ein extrem nationalistischer Geheimbund mit einigen protofaschistischen Elementen. Obwohl sie nicht öffentlich auftrat, beschloss sie, eine Zeitung mit dem Namen Pijemont (benannt nach dem italienischen Staat Piemont, der als der Staat angesehen wurde, der den Prozess der italienischen Einigung anführte) zu gründen, die ihren Zielen dienen sollte. Die Zeitung wurde von Čupa herausgegeben, der auch viele freimaurerische Einflüsse in die Gruppe einbrachte.
Die von der Gruppe propagierte Ideologie war ein extremer Nationalismus und eine offene Propagierung des Kultes der Nation und des Staates. Sie befürworteten die Aufhebung von Freiheiten, Menschenrechten und Demokratie, um die Interessen der Nation zu schützen. In ihrer Ideologie wurde die jugoslawische Idee oft mit der Idee eines Großserbiens verbunden.
Angeführt wurde die Gruppe von dem fanatischen und skrupellosen Oberst Dragutin Dimtrijević – Apis, der als graue Eminenz des serbischen politischen Lebens galt und von den Politikern gefürchtet wurde. Seine rechte Hand war Voja Tankosić, der wichtigste Tschetnik-Kommandant und Organisator von Tschetnik-Ausbildungslagern. Tankosić wurde von seinen Zeitgenossen als ein dummer Mann beschrieben, der dafür bekannt war, Deserteure und feindliche Soldaten persönlich mit einem Messer zu töten.
Die Schwarze Hand hatte eine wirksame Kontrolle über die Tschetnik-Organisation und platzierte ihre Mitglieder in einflussreichen Positionen innerhalb der Nationalen Verteidigung.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Nationale Verteidigung weiterhin als Geheimdienstorganisation genutzt wurde, ein Netzwerk von Agenten, das eng mit der Tschetnik-Organisation und dem serbischen Staat zusammenarbeitete. Aber jetzt bekam die Nationale Verteidigung ihr paralleles Geheimnis, wir können sagen ein „tiefes staatliches“ Zentrum, das von der Schwarzen Hand kontrolliert wurde und von dem viele seiner Mitglieder nichts wussten.
Ab 1908 konzentrierte sich die Nationale Verteidigung zunehmend auf Bosnien und baute dort ihr Agentennetz aus. Nach den Siegen der serbischen Armee in den Jahren 1912-13, nach denen der serbische Staat die Kontrolle über große Teile Mazedoniens übernahm, verlagerte sich der Schwerpunkt vollständig auf Bosnien. Die Schwarze Hand war in der Lage, die von der Nationalen Verteidigung aufgebauten Netzwerke zu nutzen, ohne dass die serbische Regierung davon wusste. Genau über diese Kanäle wurden Mitglieder des Jungen Bosnien nach Sarajewo geschickt, um Franz Ferdinand zu ermorden.
Die Siege in Mazedonien bedeuteten nicht, dass die Spannungen zwischen der Schwarzen Hand und der serbischen Regierung verschwanden. Die Militärbehörden in den neu eroberten Gebieten Mazedoniens und des Kosovo, zu denen viele Mitglieder der Schwarzen Hand gehörten, weigerten sich, die Vormachtstellung der zivilen Behörden anzuerkennen, und diese Gebiete wurden als besetzte Gebiete von den Militärs regiert. In dieser Zeit wurde Apis‘ Macht offiziell anerkannt, als er die Position des Leiters des serbischen militärischen Geheimdienstes übernahm.
10.
Für die Jungslawen in Kroatien und Bosnien wurde Serbien immer attraktiver. Es war ein unabhängiger südslawischer Staat mit einem politischen und ökonomischen System, das den jungen Nationalisten sehr egalitär erschien, insbesondere im Vergleich zu Österreich.
Vladimir Čerina, der Anführer der nationalistischen Revolutionäre in Kroatien, sagte über die serbische Demokratie: „Serbien ist eine lebendige Demokratie, wie es sie nirgendwo in Europa gibt: Seine Sozialisten und Anarchisten sind zahlreicher als unsere Konservativen, und die Mädchen sind dort emanzipierter als hier.“ Dies war eine sehr typische Ansicht. Als die Mitglieder von JB vorübergehend in Belgrad lebten (sie wurden wegen ihrer Aktivitäten oft von bosnischen Schulen verwiesen und setzten ihre Ausbildung in Serbien fort, wo sie Beziehungen zur Schwarzen Hand knüpften), waren sie sehr beeindruckt von der egalitären Kultur in Belgrad, wo Menschen mit sehr unterschiedlichem sozialen Status in Bars zusammenkamen. Und obwohl sie nicht religiös waren, besuchten sie gerne die Liturgie in einer kleinen Belgrader Kirche namens Ružica, weil sie dort König Petar selbst bei der Messe sehen konnten.
Die Aktivitäten von JB inspirierten auch JK dazu, sich stärker in die proserbische Richtung zu bewegen. Als Bogdan Žerajić 1910 versuchte, den bosnischen Gouverneur Varešanin zu ermorden (und anschließend Selbstmord beging, wodurch er zum Märtyrer und zu einer großen Inspirationsquelle für die jungen Revolutionäre wurde), erklärte sein Freund und JB-Ideologe Vladimir Gaćinoć, dass Žerajić Varešanin töten wollte, um die kroatischen Nationalisten des 19. Jahrhundert Eugen Kvaternik und Vjekoslav Bach zu rächen. Kvaternik und Bach versuchten 1871 einen bewaffneten Aufstand gegen Österreich. Als der Versuch scheiterte, wurde Varešanin von den kroatischen „Rechten“ für ihren Tod verantwortlich gemacht. Sowohl Kvaternik als auch Bach waren enge Mitarbeiter von Ante Starčević und gehörten zu den Gründern der Partei der Rechten.
Dieses Opfer von Žerajić veranlasste junge „Rechte“ wie Tin Ujević, eine jugoslawisch-nationalistische und pro-serbische Position einzunehmen: „Die Serben schießen und rächen unsere Märtyrer“.
Aber ein wichtiger Anstoß für die proserbische Sache waren die Erfolge der serbischen Armee in den Balkankriegen – sie schufen einen proserbischen Rausch unter der Jugend sowohl in Kroatien als auch in Bosnien. Ujević verkündete: „Unsere Leute in der Monarchie begreifen nicht, wie sehr unser Serbien uns gehört, wie es hundertmal mehr, ich will nicht sagen serbisch, aber mehr kroatisch ist als Kroatien selbst, und das müssen sie begreifen, hören und sehen.“ Sein enger Mitarbeiter und ebenfalls ein ehemaliger „Rechter“, Krešo Kovačić, betonte: „Die Kroaten sollten nie vergessen, dass es einen freien kroatischen Staat gibt: Serbien, und ebenso sollte Serbien nie vergessen, dass es einen versklavten serbischen Staat gibt: Kroatien.“
Sowohl Ujević als auch Kovačić gingen nach Serbien, ebenso wie andere kroatische Jungslawen wie Vladimir Čerina, Luka Jukić, Oskar Tartaglia und Pavle Bastajić, die alle Beziehungen zur Schwarzen Hand knüpften. Wir wissen mit Sicherheit, dass Tartaglia und Bastajić Mitglieder der Schwarzen Hand wurden, dass Ujević und Kovačić eine revolutionär-nationalistische Broschüre schrieben, die vom Verlag Pijemont der Schwarzen Hand veröffentlicht wurde, und dass Luka Jukić von Voja Tankosić und seinen Tschetniks Waffen und Ausbildung erhielt. Er nutzte diese Ausbildung und die Waffen, um 1912 ein Attentat auf Ban Cuvaj in Zagreb zu verüben.
Die bosnischen nationalistischen Revolutionäre hatten eine noch engere Beziehung zur Schwarzen Hand, und nach den Erinnerungen eines von ihnen, Mustafa Golubić, „wurden alle Mitglieder des Jungen Bosnien Mitglieder der Schwarzen Hand“ – er bezog sich wahrscheinlich auf diejenigen, die nach Serbien gingen. Viele von ihnen wurden Tschetniks, gingen in die Ausbildungslager und sammelten Kampferfahrung in Mazedonien.
Einige von ihnen, wie Princip und seine Freunde, wurden von Tankosić als zu kränklich und ungeeignet für den Guerillakrieg eingestuft, aber die Tatsache, dass sie bei schlechter Gesundheit waren, über Tod und Opfer nachdachten und bereit waren, für eine nationalistische Sache zu sterben, machte sie zu sehr guten potenziellen Attentätern. Es ist unklar, ob Apis und Tankosić tatsächlich glaubten, dass das Attentat auf Franz Ferdinand erfolgreich sein würde. Es wurde spekuliert, dass sie tatsächlich glaubten, Princip und seine Freunde würden scheitern und dies würde die serbische Regierung, die die Schwarze Hand als ihren Feind betrachtete, in Verlegenheit bringen. Auf jeden Fall versorgten sie die Attentäter von Junges Bosnien mit Zyanidkapseln, damit sie nach dem Attentat Selbstmord begehen konnten.
11.
Die Ideologie der Jungslawen war in erster Linie von den nationalistischen Bewegungen inspiriert, die zu den Vereinigungen Deutschlands und Italiens führten. Die Anarchistinnen und Anarchisten, die Linken sowie die Nationalisten, die heute die Jungslawen bewundern, verleugnen, was der Kern ihrer Ideologie war: der Liberalismus.
Die Jungslawen hatten verschiedene ideologische Einflüsse, aber diejenigen, die ihre Ziele definierten – die Gesellschaft, die sie in der Zukunft sehen wollten – waren liberal.
So veröffentlichten sie zum Beispiel eine Broschüre des in Wien lebenden Anarchisten und Anarchisten Pierre Ramus Die Lüge des Parlamentarismus. Und das war tatsächlich eine anarchistische Kritik am Parlamentarismus als solchem. Aber wenn sie selbst über den Parlamentarismus schrieben, wie er in Bosnien oder Kroatien existierte, schrieben sie nicht über die Lüge des Parlamentarismus (auf serbokroatisch: „laž parlamentarizma“), sondern über den falschen Parlamentarismus (auf serbokroatisch: „lažni parlamentarizam“).
Immer wieder kamen sie zu dem Schluss, dass sie revolutionäre Mittel wählten, weil es sinnlos sei, in einem Land mit Scheindemokratie wie Bosnien parlamentarische Mittel des politischen Kampfes einzusetzen. Andererseits hielten sie das parlamentarische System, das in Serbien in Kraft war, für authentisch und attraktiv.
Darüber hinaus glaubten sie, dass die sozialen, ökonomischen und politischen Probleme, mit denen sie konfrontiert waren, automatisch gelöst würden, wenn auf den Trümmern des österreichischen Kaiserreichs ein jugoslawischer Nation-Staat gegründet würde, der sowohl das landwirtschaftliche als auch das parlamentarische System, das in Serbien (dem Kerngebiet dieses neuen Staates) existierte, einführen würde.
12.
Es bedurfte einer gewissen kognitiven Dissonanz, um eine solche Sichtweise auf Serbien aufrechtzuerhalten.
Erleichtert wurde dies durch die Tatsache, dass die Mitglieder von Junges Bosnien nach ihren eigenen Erinnerungen, während sie in Belgrad lebten, fast ausschließlich unter sich verkehrten. Einer von ihnen, Ratko Parežanin, sagte, er habe sich während seines monatelangen Aufenthalts in Belgrad (und als Zimmergenosse von Gavrilo Prinicip) nicht nur mit keinem der dortigen Jugendlichen angefreundet, sondern nicht einmal mit einem von ihnen gesprochen. Ihre einzigen Kontakte in Belgrad waren diejenigen, die mit der Schwarzen Hand verbunden waren.
Zu dieser Zeit gab es in Belgrad junge Anarchistinnen und Anarchisten und revolutionäre Syndikalisten. Hätten die bosnischen Jungslawen Kontakte zu ihnen gehabt, hätten sie ihnen schildern können, dass sie an vielen Streiks teilgenommen haben, dass einige dieser Streiks brutal niedergeschlagen wurden und dass es in einigen Fällen Arbeiterinnen und Arbeiter gab, die vom Staat erschossen wurden, und dass ihre Freunde, die Tschetniks, manchmal zur Niederschlagung der Arbeiterbewegung eingesetzt wurden. Sie hätten ihnen auch sagen können, dass anarchistische Zeitungen vom Staat verboten wurden.
Aber da solche Gespräche nicht stattfanden, mussten sich Junges Bosnien, die anarchistische Literatur lasen und mit einigen ihrer Inhalte sympathisierten, nicht der Realität stellen, wer ihre neuen Verbündeten waren, oder sie wollten sich dieser Realität vielleicht nicht stellen. So konnten sie engste Beziehungen zur antidemokratischen und protofaschistischen Schwarzen Hand knüpfen, während sie gleichzeitig die „serbische Demokratie“ bewunderten.
Der einzige unter ihnen, der sich später als Anarchist bezeichnete, Nedeljko Čabrinović, war auch der einzige, der einige Kontakte zu den jungen Anarchisten in Belgrad hatte. Aus diesem Grund schwankte er zwischen anarchistischen und nationalistischen Positionen und wurde als solcher von Gavrilo Princip verachtet, der ihn für „nicht intelligent genug“ und „nicht national genug“ hielt, weil er früher Anarchist und Sozialist gewesen sei.
13.
Die Sympathien für einige Aspekte des Anarchismus waren echt, aber sie waren auch bewusst oberflächlich.
Die Jungslawen sahen sich selbst als Revolutionäre und suchten nach Inspirationen bei anderen Revolutionären. Damals war es für jeden, der „das politische System stürzen“ wollte, schwer, sich nicht vom Beispiel anarchistischer Revolutionäre inspirieren oder teilweise beeinflussen zu lassen.
Die Sympathien galten vor allem den damals angewandten „anarchistischen Methoden“, die manchmal sogar als „russische Methoden“ bezeichnet wurden – aber in diesen Methoden (wie z. B. Attentaten) steckte nichts Anarchistisches, und die Jugend war sich dessen bewusst.
Während seines Prozesses erklärte Princip deutlich, dass er zwar der Meinung war, dass eine Gesellschaft im Sinne Kropotkins theoretisch möglich wäre, wenn sich die Umstände ändern würden, dass dies aber nicht ihr Anliegen war: „Aber da wir Nationalisten waren und obwohl wir sozialistische und anarchistische Literatur lasen, haben wir uns nicht so sehr mit diesem Thema beschäftigt, weil wir dachten, dass wir eine andere Pflicht haben, eine nationale Pflicht.“ Er stellte auch klar, dass ihr Ziel die Errichtung eines jugoslawischen Nation-Staats war, entweder in Form einer Republik oder einer Monarchie.
Auch Nedeljko Čabrinović, der sich zumindest eine Zeit lang als Anarchist sah, formulierte es so: „Ich bin ein Anhänger der radikalen anarchistischen Idee, damit wir mit Terrorismus das gegenwärtige System zerstören und an seine Stelle ein neues, liberaleres System setzen können; deshalb hasse ich alle Vertreter des heutigen angeblich konstitutionellen Systems, nicht als Personen, sondern als diejenigen, die in der Regierung sind, die das Volk unterdrückt.“
Die Gleichsetzung von „Anarchismus“ mit einer bestimmten Form des militanten Kampfes ist hier offensichtlich, ebenso wie der zugrunde liegende Liberalismus.
14.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand, wenn man bedenkt, dass die Jungslawen der Meinung waren, dass jede Nation ihre eigene „Französische Revolution“ haben sollte, und dass sie die „Erklärung der Menschen- und Staatsbürgerrechte“ mit Begeisterung gedruckt und verbreitet haben.
Einer der historischen Einflüsse, die für die Jungslawen sehr inspirierend waren, waren die deutschen liberal-nationalistischen Studentenvereine, des 19. Jahrhunderts, die Burschenschaften. Diese hatten großen Anteil an der Märzrevolution und an der Einigung Deutschlands 1871. Sie waren liberal und extrem nationalistisch, traten für Freiheit, Rechte und Demokratie ein, schlossen aber manchmal Juden von ihrer Mitgliedschaft aus, weil sie nicht „national genug“ waren.
Das Programm von Mitrinović, das von allen Jungslawen übernommen wurde und weitgehend ihre Phraseologie bestimmte, war ebenfalls von einem unterschwelligen Liberalismus geprägt. Darin hieß es, das Ziel des „Clubs“ sei die Verbreitung des Nationalbewusstseins unter den Teilen „unserer geteilten, vielnamigen und multikulturellen Nation“, die sich ihrer nationalen Rechte, ihrer nationalen Pflichten und ihres nationalen Wertes nicht oder nicht ausreichend bewusst seien: „Alle Elemente, die nicht national genug sind, sollten unterdrückt werden (anational und antinational im materiellen und geistigen Leben unseres Volkes).“
Das Ziel dieses Programms war die Modernisierung. Für JB bedeutete „Modernisierung“ die Übernahme der Werte des liberalen Europas und seiner Kultur. Mitrinović formulierte es so: „Wir können nicht unsensibel gegenüber dem reichen und vielfältigen Leben des modernen und starken Westens sein, denn in diesem Fall wird uns dieser reiche und starke Westen, unkultiviert und unmodern wie wir sind, mit der Kraft seiner Kultur überrollen.“ Und Vaso Čubrilović, der jüngste der Angeklagten, brachte es während des Prozesses um das Attentat auf Franz Ferdinand so auf den Punkt: „Ein Nationalist kämpft dafür, dass seine Nation das Niveau der anderen Nationen erreicht, um die Nation kulturell und politisch zu erheben.“ Dieser Gedanke, das Niveau anderer Nationen zu erreichen, ist in den JB-Schriften allgegenwärtig. So sagte Danilo Ilić auch während des Prozesses: „Wenn die Deutschen es geschafft haben, eine Nation zu sein, warum können Serben, Kroaten und Slowenen das nicht auch schaffen. „
Für sie war der Nationalismus eine notwendige Bedingung für die Einführung der Demokratie, des allgemeinen Wahlrechts, der nationalen Souveränität und der Abschaffung der aristokratischen Privilegien.
15.
Wie bereits erwähnt, hegten die Jungslawen vordergründig viele Sympathien für die von Anarchistinnen und Anarchisten und nihilistischen Revolutionären verübten Attentate. Aber es gab auch ähnliche Sympathien für die Methoden der revolutionären Syndikalisten. Dieser Einfluss kam aus Frankreich und Italien, wobei Sorel eine besonders wichtige Figur war.
Die Jungslawen sympathisierten mit den außerparlamentarischen Kampfmethoden und sahen sie als potentiell nützlich in ihrem eigenen Kontext an. In der Tat war es diese Generation, die das Wort “štrajk” (Streik) im Serbokroatischen popularisierte.
Aber auch hier veränderten sich die Grundlagen und Ziele dieser Methoden: Statt sich wie die Syndikalisten auf das Proletariat und die mit jedem neuen Streik wachsende Solidarität innerhalb des Proletariats zu konzentrieren, sah die nationalistische Jugend den Streik als Methode zur Umwandlung eines anationalen Volkes in eine Nation. Anstelle eines Generalstreiks, der den Kapitalismus stürzen würde, glaubten sie an eine Revolution, die den jugoslawischen Nation-Staat schaffen würde.
Im Jahr 1911 versuchte der Gymnasiast Šćerbak ein Attentat auf einen Lehrer zu verüben, und als es ihm nicht gelang, brachte er sich um. Dies führte zum ersten “Studentenstreik” in Kroatien, an dem hauptsächlich Gymnasiasten beteiligt waren. Šćerbak war in Wirklichkeit ein Anführer einer der vielen revolutionären nationalistischen Studentengruppen. Der zweite Studentenstreik brach 1912 aus, als Ban Cuvaj begann, das politische Leben in Kroatien mit absolutistischen Methoden zu regeln. Die Studenten besetzten das Universitätsgebäude und brachten eine schwarze Fahne an. Mehr als 300 Studenten nahmen daran teil.
In Sarajevo fanden Studentendemonstrationen in Solidarität mit den Studenten in Zagreb statt. Diese Demonstrationen wurden von den “serbokroatischen” Revolutionären organisiert, denen Gavrilo Princip angehörte. Dies entwickelte sich zu einem “studentischen Generalstreik” in Kroatien und war ein wichtiger Schritt für die Verbreitung der jugoslawischen nationalistischen Idee sowie für die Annäherung der serbischen und kroatischen Jugend, einschließlich der ehemaligen “Rechten”, die nun proserbische Ansichten vertraten und sich auf eine nationale Revolution mit dem Ziel der Errichtung eines jugoslawischen Staates vorbereiteten: In ihren Augen war Ante Starčević selbst ein Jugoslawe, weil er glaubte, dass alle Serben Kroaten seien. Sie glaubten, dass die jugoslawische Idee das gleiche Programm neu formulierte, aber auf einem höheren Niveau, und nun mit revolutionären Methoden zur Verfügung stand.
16.
Die Jungslawen entwickelten ihre Ideen in einer Zeit, als die Ideen des “integralen Nationalismus” unter jungen Nationalisten populär waren. Diese aus Frankreich stammende Doktrin betonte die Bedeutung einer kulturell homogenen Nation mit einer einheitlichen Kultur.
Die Einflüsse des integralen Nationalismus machen sich besonders in der Vorstellung der Jugend bemerkbar, dass die einzelnen Teile der jugoslawischen Nation nicht isoliert überleben können und dass eine Nation, die im Entstehen begriffen oder in Gefahr ist, ihren einzelnen Mitgliedern, insbesondere der Jugend, große Opfer abverlangen muss. Nach dieser Doktrin ist moralisch, was der Nation dient.
Die Vorstellung, dass die Einheit und Homogenität einer Nation eine Voraussetzung für ihr Überleben und ihre Entwicklung ist, führte bei den Anhängern des integralen Nationalismus zu einer aggressiven Tendenz, andere Nationen zu assimilieren. Der integrale Nationalismus war ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der reaktionären Ideen in der europäischen Geschichte, eines, das eine Verbindung zwischen den liberalen extremen nationalistischen Ideen des 19. Jahrhunderts und dem Faschismus herstellte. Und genau unter jenen Intellektuellen in Frankreich und Italien, die beschlossen, Aspekte des integralen Nationalismus und des revolutionären Syndikalismus zu kombinieren, entstanden die ersten faschistischen Programme.
Die Jungslawen wurden stark von der Tendenz geprägt, die oft als “Revolte gegen die Vernunft” bezeichnet wurde. Dazu gehörte nicht nur der bereits erwähnte Einfluss von Sorel in der Art und Weise, wie er seine syndikalistischen Ideen formte und auf der Bedeutung des Mythos bestand, sondern in erster Linie der Einfluss, den Nietzsche auf sie hatte.
Die nationalistische Jugend in Bosnien und Kroatien las viel, und zwar immer, und gab alles Geld, das sie hatte, für Bücher aus (oft liehen sie sich Bücher aus kleinen Buchhandlungen, die auch als Leihbibliotheken dienten): Sie lasen beim Spazierengehen auf der Straße, während der Mahlzeiten und am Abend vor dem Schlafengehen. Einer der beliebtesten Autoren, die sie lasen, war Nietzsche. Seine Freunde sagten, dass Gavrilo Princip immer wieder Nietzsche zitierte.
Die Motive des Willens und der Entschlossenheit, der Vitalität und der Aktivität, sind bei den Jungslawen sehr stark ausgeprägt. Eines der Mitglieder sagte später, dass sich das gesamte Programm von JB in einem Wort zusammenfassen lässt: Aktion. Princip glaubte, dass für die Entwicklung eines starken Willens das Schlafen mit einer Bombe (was er praktizierte) eine viel geeignetere Methode sei als alle populären Ideen französischer Pädagogen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Jungslawen den Ideen der avanguardistischen Kunstströmungen, insbesondere dem Futurismus und dem Expressionismus, gegenüber sehr aufgeschlossen waren.
Miloš Vidaković, ein Mitglied von Junges Bosnien, schrieb über das Futuristische Manifest, noch bevor es bekannt wurde (1909). Die Jugend begrüßte das zerstörerische Programm der Futuristen mit Begeisterung, und laut Vidaković war das Ziel der Jugend ein radikaler Kampf bis hin zur Aufopferung. In den Gedichten dieser jungen Revolutionäre sind Tod und Blut ständig präsent, ebenso wie die Idee, das ultimative Opfer zu bringen, indem man sein Leben für das Wohl der Nation aufgibt, manchmal in einem Krieg, in dem alle, auch der Dichter selbst, sterben.
Dimitrije Mitrinović ging noch einen Schritt weiter und schrieb 1913 sein eigenes futuristisches Manifest: Ästhetische Kontemplation. Mitrinović war auch derjenige, der 1912 direkte Kontakte zwischen JB und den deutschen Expressionisten herstellte.
Die Idee eines Bruchs mit den älteren Generationen, deren gemäßigte Politik die jungen Nationalisten ablehnten, passte sehr gut zum Thema des Konflikts zwischen Vätern und Söhnen, das in expressionistischen Werken oft vorkommt, sowie zu Heinrich Mans Ansicht, dass der Expressionismus ein durch Aktion gestärkter Geist” sei.
17.
Die Begeisterung der Jungslawen für die deutschnationale Bewegung wurde erwidert, als Hitler in der ersten Ausgabe von Mein Kampf über die Ermordung Franz Ferdinands in Sarajewo durch die bosnischen Jugendlichen schrieb: „Es war die Hand der Göttin der Gerechtigkeit, die den größten und tödlichsten Feind Deutschösterreichs, den Erzherzog Franz Ferdinand, beseitigt hat“.
In den späteren Ausgaben wurde dieser Satz gestrichen, und heute wird Hitlers Haltung gegenüber Junges Bosnien gewöhnlich durch ein Foto veranschaulicht, das nach der Besetzung Jugoslawiens durch die Nazis aufgenommen wurde und zeigt, wie deutsche Soldaten Hitler die Gedenktafel für Gavrilo Princip und das Attentat überreichen.
Woran Hitler in diesem Moment genau gedacht hat, lässt sich nicht sagen, aber wir können etwas über die Beziehung zwischen einigen Mitgliedern der Jungslawen und dem Faschismus sagen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die den Jungslawen angeschlossenen Individuen unterschiedliche politische Entwicklungen, aber einige sehr prominente waren mit faschistischen Bewegungen verbunden und knüpften diese Bewegungen ausdrücklich an die Ideen der Jungslawen.
Ljubo Leontić, ein wichtiger Teil der jugoslawischen revolutionären nationalistischen Jugend aus Kroatien, arbeitete mit Enthusiasmus an der Gründung einer gemeinsamen revolutionären Organisation und wurde in seinen Bemühungen durch das Attentat von Sarajevo unterbrochen (an diesem Tag organisierte Leontić ein Treffen junger Nationalisten zur Gründung einer neuen Organisation).
In den 1920er Jahren war Leontić der Anführer der ORJUNA (Organisation der jugoslawischen Nationalisten), einer faschistischen Organisation, die für die Schaffung einer integralen jugoslawischen Nation eintrat. Diese Organisation trat auch für die Errichtung eines korporatistischen Systems ein, feierte „einheimisches produktives Kapital und Arbeit“ und verurteilte das Finanz- und Spekulationskapital als parasitär und anational.
Dobrosav Jevđević, ein Mitglied von Junges Bosnien, der Princip persönlich kannte, wurde einer der Anführer der ORJUNA, insbesondere ihrer paramilitärischen Tschetnik-Kommandos, die zur Zerschlagung der Arbeiterinnen und Arbeiter eingesetzt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs war Jevđević ein Kollaborateur.
Niko Bartulović war ein nationalistischer Revolutionär aus Dalmatien und verfasste nach dem Krieg als Mitglied der ORJUNA eine Broschüre, deren ausdrückliches Ziel es war, zu erklären, dass die faschistische Organisation ihre Wurzeln in der Jugendbewegung vor dem Ersten Weltkrieg hatte. In den 1930er Jahren tauchte in Jugoslawien eine neue faschistische Organisation auf. Es handelte sich um den Zbor, der später zur wichtigsten kollaborierenden Organisation während der Besetzung Serbiens durch die Nazis werden sollte. Einer ihrer Anführer war Ratko Parežanin, ein Mitglied von Junges Bosnien und ehemaliger Zimmergenosse von Gavrilo Princip.
Der kommunistische und antistalinistische Schriftsteller Miroslav Krleža, der viele der Jungslawen-Führer persönlich kannte, schrieb Folgendes über Vladimir Čerina, einen der Anführer der Jungslawen in Kroatien: „Seine Stimme zeigte die protofaschistischen Symptome eines hysterischen Chauvinismus.“
Es fällt schwer, Krleža zu widersprechen, wenn man bedenkt, was Čerina über den Dichter Vladimir Nazor schrieb: „Dieser Apostel unserer nationalen Energie, unseres Optimismus und unserer Religion, der Zerstörer der barbarischen Kultur und der Herold der zivilisierten Barbaren, von uns, den Erneuerern und Siegern von morgen, die feinste und leidenschaftlichste Stimme unseres Blutes und unserer Rasse, der Dichter der zukünftigen Revolution der Seelen, ein Visionär des neuen Vaterlandes, der Erleuchter des Landes und des Lebens und der Offenbarer der neuen Helden, er kommt von Gott. „
Interessant ist vielleicht auch, dass Dimitrije Mitrinović, als das Attentat 1914 geschah, die Nachricht davon in Deutschland erhielt, während er sich im Haus des deutsch-britischen Rassentheoretikers und antisemitischen Schriftstellers Houston Stewart Chamberlain aufhielt, den Mitrinović für eines seiner Zeitschriftenprojekte anzuwerben versuchte (Mitrinović war in dieser Hinsicht sehr eklektisch und versuchte, sowohl Chamberlain als auch Kropotkin für seine Ideen anzuwerben).
18.
Wie bereits erwähnt, debattierte Nedeljko Čabrinović während seines Aufenthalts in Belgrad im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedern von Junges Bosnien mit jungen lokalen Anarchistinnen und Anarchisten und war hin- und hergerissen zwischen nationalistischen und anarchistischen Positionen.
Letztendlich kehrte er zum Nationalismus zurück, was sich vielleicht auch teilweise dadurch erklären lässt, dass er in Belgrad auch Krsto Cicvarić kennenlernte. Cicvarić war der prominenteste Verfechter des Anarcho-Syndikalismus im Serbien der Vorkriegszeit.
Zu der Zeit, als er Čabrinović traf, wechselte Cicvarić selbst zu nationalistischen Positionen und war einer der Herausgeber der von der Schwarzen Hand betriebenen Zeitung Pijemont. Doch obwohl er immer mehr nationalistische Positionen einnahm, bezeichnete er sich vorerst weiterhin als Anarchisten.
Tatsächlich versuchte Cicvarić in einer von ihm verfassten Broschüre mit dem Titel „Wie werden wir Österreich besiegen“, die er Čabrinović übergab, Anarchismus und Nationalismus zu vereinen (Čabrinović bestätigte ausdrücklich, dass er diesen Text während seines Prozesses gelesen hatte).
Dies ist ein außergewöhnlicher Text und vielleicht ein erstes Beispiel für etwas, das man als „nationalen Anarchismus“ bezeichnen kann. Darin ruft Cicvarić zu einer „gesamtserbischen Revolution“ unter Führung des „serbischen Proletariats“ (das seiner Meinung nach hauptsächlich aus Bauern besteht) auf, die eine Fortsetzung und Vollendung der serbischen Revolution vom Anfang des 19. Jahrhunderts darstellen würde. Das Ziel einer solchen Revolution sei die Errichtung eines „Großserbiens“, in dem soziale Gerechtigkeit und Gleichheit herrschen würden, ohne „Tränen und Blut“. Dies war ein klarer Versuch, anarchistisches Gedankengut mit nationalistischer Rhetorik zu verbinden, der jedoch letztlich im Nationalismus endete. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Cicvarić zu einem offenen Nationalisten, Antisemiten und Befürworter des Faschismus, und während der Besetzung Serbiens durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg war er ein Kollaborateur.
Während Čabrinović also in einem Dilemma steckte, was seinen Nationalismus einerseits und seinen Anarchismus andererseits betraf, wurde er von jemandem angesprochen (bei dem es sich möglicherweise um einen Agenten der Schwarzen Hand handelte), der ihm sagte, er könne beides sein. Unter den intellektuellen Einflüssen der Jungslawen gab es viele Beispiele für die Vermischung von Nationalismus und eher revolutionären, anarchistischen und syndikalistischen Einflüssen (in einer oberflächlichen Form), aber dieser Text war einzigartig in seinem Versuch, solche gegensätzlichen Ideen explizit zu kombinieren.
19.
Aber natürlich schlugen nicht alle Jungslawen, die den Ersten Weltkrieg überlebten, die offiziell faschistische Richtung ein.
Ein äußerst interessanter Fall ist Vaso Čubrilović. Čubrilović war der jüngste der Attentäter von Sarajevo, der vor Gericht gestellt wurde, und er wurde ein bekannter Historiker, der 1990 in hohem Alter starb.
In den 1930er Jahren wurde Čubrilović Mitglied einer nationalistischen Intellektuellengruppe, die sich „Serbischer Kulturklub“ nannte, und 1937 schrieb er für die jugoslawische Regierung ein Papier mit dem Titel „Die Vertreibung der Albaner“, in dem er wissenschaftlich Methoden für das „Albanerproblem im Kosovo“ entwickelte, indem er verschiedene Wege empfahl, um eine totale ethnische Säuberung der Albaner aus Jugoslawien durchzuführen. Einige der empfohlenen Methoden waren: gewaltsame polizeiliche Repression, Niederbrennen von Dörfern und Stadtvierteln, ökonomischer Druck, religiöse Diskriminierung und andere.
Doch im Gegensatz zu vielen anderen nationalistischen Intellektuellen unterstützte Čubrilović während des Zweiten Weltkriegs die Partisanen und nicht die kollaborierenden Streitkräfte. Nach dem Krieg wurde er 1945 Minister in der Regierung des neuen titoistischen Regimes. Bereits 1944 schrieb er eine neue wissenschaftliche Abhandlung über ethnische Säuberungen mit dem Titel „Das Minderheitenproblem im neuen Jugoslawien“, diesmal für das von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens geführte Regime. Darin sprach er sich für die Ausweisung von Albanern, Deutschen, Italienern, Ungarn und Rumänen als „nichtnationale Elemente“ aus Jugoslawien aus und erklärte, dass der laufende Krieg der geeignetste Zeitraum für solche Lösungen sei und dass der Krieg die Möglichkeit biete, in Monaten oder einem Jahr zu erreichen, was in Friedenszeiten viele Jahre oder Jahrzehnte erfordern würde. Das neue Regime beschloss in der Tat, den größten Teil der einheimischen deutschen und italienischen Bevölkerung zu vertreiben. Obwohl es viele Repressionen gegen die albanische Bevölkerung gab, wurde die Entscheidung, den Čubrilović-Plan gegen die albanische Bevölkerung umzusetzen, erst 1999 getroffen, als es dem Milošević-Regime gelang, vorübergehend mehrere hunderttausend Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben und Tausende von ihnen zu töten.
20.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass es mindestens ein Mitglied der Jungslawen-Generation gab, das sich nach dem Ersten Weltkrieg öffentlich vom Nationalismus lossagte und gleichzeitig den revolutionären Sozialismus annahm. Dies war Rudolf Hercigonja, der vor 1914 in Zagreb wegen seiner Zugehörigkeit zu einer revolutionären nationalistischen Gruppe vor Gericht stand, nach dem Krieg aber zum Kommunismus übertrat.
Hercigonja schrieb 1919 ein Pamphlet, in dem er sich von den jugoslawischen nationalistischen Ideen lossagte und den neuen Staat als ebenso repressiv wie das österreichisch-ungarische Kaiserreich verurteilte und ihn als großes Gefängnis bezeichnete, das gesprengt werden müsse. Er unterzeichnete den Text mit den Namen toter Genossen und Genossinnen der Jungslawen-Generation. Hercigonja gehörte zu einer kommunistischen Gruppe in Jugoslawien, die wegen ihrer antiparlamentarischen Ausrichtung manchmal als Anarchistinnen und Anarchisten bezeichnet wurde. Diese Gruppe hatte auch Kontakte zu den Rätekommunisten aus Deutschland. Nachdem die Gruppe 1921 den jugoslawischen Polizeiminister ermordet hatte, ging Hercigonja in die UdSSR, wo er bei den stalinistischen Säuberungen ermordet wurde.
21.
Miroslav Krleža schrieb, dass für Junges Bosnien der Nationalismus viel wichtiger war als die Idee der sozialen Gerechtigkeit. In seinem Roman Zastave (Fahnen) schrieb er, dass JB die serbische imperialistische Politik in Kosovo und Mazedonien unterstützte. Dem können wir sicher zustimmen, wenn wir wissen, dass viele Mitglieder sich Tschetnik-Kommandos anschlossen, die in diesen Gebieten viele Verbrechen begingen und extreme nationalistische Ziele verfolgten. Gleichzeitig waren sich diese jungen Nationalisten der arbeiterinnen- und arbeiterfeindlichen und antisozialistischen Gewalt, die dieselben Tschetnik-Kommandos in Serbien ausübten, nicht bewusst oder wollten sie ignorieren.
Die Jungslawen verbanden ihre nationalistischen Ziele vollständig mit der Verwirklichung einer Art von sozialer Gerechtigkeit. Dies zeigt sich in der Art und Weise, wie Tin Ujević über die serbischen Siege in den Balkankriegen 1912-1913 schrieb. Er charakterisierte diese serbischen Gebietserweiterungen als „Verwirklichung einer Utopie“ und „das Unmögliche wird zur Realität“.
Diese Verwirrung rührte daher, dass die Jungslawen zwar in der Lage waren, begrifflich zwischen Nation und Staat zu unterscheiden, aber nicht in der Lage waren, das richtige Verhältnis zwischen diesen beiden Phänomenen zu bestimmen.
In einem nationalistischen Rausch, der teils durch Unterdrückung und Armut, teils durch eine nihilistische Veranlagung und einen starken Todestrieb und den Willen, sich auf dem Altar des Vaterlandes zu opfern, ausgelöst wurde, überzeugten sie sich, dass die Nation die Verwirklichung einer Utopie sei.
Heute sind wir leider noch nicht über diese Verwirrung hinweg.
Vor einigen Jahren behauptete ein „serbischer Anarchist“ während einer Diskussion über das Erbe von Krsta Civarić, dass es kein Widerspruch sei, wenn Cicvarić eine nationalistische Sprache benutze, während er sich noch in seiner anarchistischen Phase befinde, und dass, wenn Cicvarić von der Schaffung von „Großserbien“ spreche, er damit „Jugoslawien“ meine, und dass beides mit der Verwirklichung der Anarchie gleichgesetzt werde (Großserbien = Jugoslawien = Anarchie). Dieser Person zufolge war das, was Cicvarić und Junges Bosnier wollten, die „Vereinigung eines Volkes zur Anarchie“ – diese Umschreibung einer soziologischen Definition einer Nation kommt einer tatsächlichen Definition der Absurdität, die der nationale „Anarchismus“ ist, am nächsten.
In den Straßen Belgrads kann man außerdem Graffiti einer antifaschistischen Gruppe sehen, auf denen steht, dass der kollaborierende Premierminister und Nazi Milan Nedić „ein Verräter“ war. Hier, mehr als 100 Jahre nach Cicvarić, sehen wir einen Versuch, libertäre Politik durch die Verwendung einer nationalistischen Sprache zu formulieren.
Dies ist ein unmögliches Ziel, und jeder Versuch, Anarchismus mit Nationalismus zu verbinden, wird nur zu Nationalismus führen.
Wir sollten in der Tat in der Lage sein, Nation und Staat begrifflich zu unterscheiden, aber nur, damit wir besser gerüstet und effektiver in der Ablehnung beider sind. Aus dem Beispiel der Jungslawen können wir lernen, dass das Hinauswerfen eines bestimmten Staates durch die Tür, während man sich immer noch den Nationalismus zu eigen macht, nur den Staat durch das Fenster zurückbringen wird. Und mit dem Staat die ganze Repression, die damit einhergeht, wie Rudolf Hercigonja auf brutalste Weise erfuhr, als er ganz Jugoslawien zu einem riesigen Gefängnis erklärte. Aus diesem Beispiel können wir auch lernen, dass, wie edel und sympathisch einige nationalistische Kämpfer auch erscheinen mögen, aufgrund der Ungerechtigkeiten, die sie ihr ganzes Leben lang als Opfer von Unterdrückung und Ausbeutung erlitten haben, und ungeachtet ihrer edlen Absichten und Illusionen, die Art und Weise, wie sie den Kampf geführt haben, und die Ziele, die sie sich selbst gesetzt haben, nur Unterdrückung und Ausbeutung reproduzieren werden.
Wir sollten dies nicht lernen, um irgendjemanden moralisch zu verurteilen, sondern um den miserablen Zustand der Welt, der zum Teil durch Nationalismus und Nation-Staaten geschaffen wurde, wirksamer bekämpfen zu können.
Alles in allem ist dies eine sehr traurige, wenn auch lehrreiche Geschichte, und es scheint mir unangemessen, sie mit einem aufmunternden Slogan zu beenden. Aber manchmal ist traurig sein ein angemessenes Gefühl. Anstatt aus den Jungslawen anarchistische Helden zu machen, sollten wir vielleicht lieber um ihren Glauben trauern und um alle, deren Leben durch den Nationalismus noch elender geworden ist.
Aber ich kann hier einen Trick anwenden und den Artikel mit ein paar Fotos vom bosnischen Aufstand 2014 beenden, einem Aufstand, bei dem ein sehr guter Slogan an die Wände bosnischer Städte geschrieben wurde, während die Zentralen nationalistischer Parteien in Brand gesetzt wurden: „Tod dem Nationalismus!“.
Verwendete und nützliche Bücher:
Miloš Vojinović, Političke ideje Mlade Bosne, Filip Višnjić, 2015.
Josip Horvat, Pobuna omladine 1911-1914, SDK Prosvjeta – Gordogan, 2006.
Vladimir Dedijer, Sarajevo 1914, Prosveta, 1966.
Veselin Masleša, Mlada Bosna, Kultura, 1945.
Mirjana Gross, Nacionalne ideje studentske omladine u Hrvatskoj uoči I svjetskog rata, u: Historijski zbornik, godina XXI-XXII, 1968-1969.
Leo Pfefer, Istraga u Sarajevskom atentatu, Nova Evropa, 1938.
Vojislav Bogićević, Sarajevski atentat – stenogram Glavne rasprave protiv Gavrila Principa i drugova, Državni arhiv Sarajevo, 1954.
Ratko Parežanin, Gavrilo Princip u Beogradu, Catena Mundi, 2013.
Dobrosav Jevđević, Sarajevski zaverenici, Familet, 2002.
Miloš Ković, Gavrilo Princip – dokumenti i sećanja, Prometej, 2014.
Niko Bartulović, Od revolucionarne omladine do ORJUNE: istorijat jugoslovenskog omladinskog pokreta, Direktorijum Orujne, 1925.