Gefunden auf der Seite von Edizione Anarchismo, die Übersetzung ist von uns, wir entschuldigen uns für alle Übersetzungsfehler die auf diesen Text erscheinen mögen.
Und wir werden immer bereit sein, den Himmel wieder zu erobern
Gegen die Amnestie
von Alfredo Maria Bonanno
Einleitung der Soligruppe für Gefangene,
der folgende Text erschien in der Nummer 42 der anarchistischen Publikation Anarchismo aus Italien, die im März des Jahres 1984 veröffentlicht wurde. Auch wenn es den Anschein machen sollte, dass wir wieder einen alten staubigen Text ausgraben, wir versichern es jedem, der es wissen will, dem ist nicht so.
Dieser Text hat in allerlei Hinsicht nichts an seiner Aussagekraft verloren und ist gewiss noch sehr aktuell und daher ist es kein Zufall, dass wir diesen seit einiger Zeit im Blick haben. Der Text beschäftigt sich mit vielen Fragen über den Umgang und der Kritik einer möglichen politischen Lösung – mittels einer Amnestie, oder anderen Wegen – die tausende von Gefangenen, die sich damals in den Knästen entlang des italienischen Staates befanden, betraf und bis heute noch betrifft, genauso wie es diejenigen betrifft, die immer noch im Exil und auf der Flucht sind. Sowie über die Fragen des Kampfes, der sozialen Revolution, also eine komplexe, breite und ausgiebige Debatte bei der man viele Faktoren berücksichtigen muss, um die Gleichung zu verstehen. Die Rede ist hier zwar von einer konkreten Zeit, nämlich die, die so viele Namen trägt und sich in Italien von 1969 bis 19811 ausdrückte und als eine der intensivsten Klassenkonfrontation unserer Zeit auch verstanden wird, zumindest im Herzen der Bestie, in der Metropole des Kapitals, aber die seit langem vorbei ist, diese konkrete Erfahrung, nicht der soziale Krieg und der Klassenkampf im Allgemeinen und diese jetzige Zeit, in der wir uns befinden, die davon bestimmt wird.
Zurückblickend wird die Vielfältigkeit dieser realen Bewegung von 1969 bis 1981 auf vielen Ebenen greifbar, seien es die Streiks, die Revolten, die Aufstände, die hochgradige Auseinandersetzung in den Fabriken, in den Universitäten, Schulen, Stadtteilen, im alltäglichen Leben; durch die autonome Organisation des Proletariats, durch die Bewaffnung von diesem und alle Probleme, Widersprüche, Lösungen, Sackgassen und befreiende Momente, die aus dem ganzen herausgingen.
Aus diesem sozialen Krieg und Klassenkrieg ging eine Spezialisierung hervor, die Bildung bewaffneter Gruppen. Aus ihnen die militärische Logik und das militärische Verständnis des Konflikts gegen Staat und Kapital und die daraus folgende Trennung zwischen der realen Bewegung und jene, die früher oder später losgelöst von ihr, nur noch in ihrem und in dessen Namen reden würde und auch nur noch so reden konnte.
Also, sehr viel was zu berücksichtigen ist und für viele heutzutage nicht gerade viel bedeutet.
Im Laufe des Textes ist die Rede von politischen Gefangenen, es werden jene Gefangene gemeint, die aus der Konfrontation gegen Staat und Kapital in der Zeit von 1969 bis 1981 eingesperrt wurden, und Protagonisten späterer Auseinandersetzungen wurden. Nicht alle die bewaffnet agierten waren in bewaffneten Gruppen, der Kampf artikulierte sich nicht ausschließlich mit der Waffe und nicht alle, die in bewaffneten Gruppen waren, kämpften ja auch mit der Waffe in der Hand.
Wir lehnen diesen Begriff zwar im Allgemeinen ab, aber aus logischer Rücksicht auf den Originaltext und hinsichtlich einer spezifischen Gruppe von Gefangenen ergibt dieser Begriff in diesem Kontext einen Sinn.
Es bedeutet, dass in Italien eine Debatte und Diskussion im Gange war, die sich mit dem Werdegang der Kämpfe auseinandersetzte, oder mit den Trümmern, die von diesen hinterlassen wurden. Große dialektische und historische Debatten die damals das Vergangene, das Geschehene und das Kommende diskutierten. Aus Sicht der Gefangenen, aus Sicht der im Exil lebenden und aus Sicht der Personen die noch nicht im Knast waren. Denn jeder Revolutionäre ist immer nur so lange „Frei“ wie er oder sie noch nicht im Knast ist und dies ist eine absolute Garantie für das unausweichliche.
Ein Teil der Bewegung, versuchte für sich die Bedingungen der Niederlage so günstig wie möglich zu verhandeln, denn im Kapitalismus ist die Verhandlung ein wichtiger und essentieller Moment, und dies zieht sich bis in unsere Tage. Dazu werden wir aber in kommender Zeit einen spezifischen Text dazu veröffentlichen, welche diese Fragen um konkrete Fälle, aber auch aus einer historischen Haltung und Perspektive abhandeln wird.
Wir haben einige Begriffe aus dem Italienischen übernommen, weil erstens diese die ursprüngliche Begriffe sind und am besten das beschreiben, was sie meinen und bedeuten.
Es handelt sich um folgende Begriffe, sowie hier eine Erklärung dieser2:
„Pentito: Der Reuige, Kronzeuge, Verräter, ehemalige Militante, die mit Polizei und Justiz zusammenarbeiten und aus „Reue“ ihre ehemaligen GenossInnen verraten. Die Pentiti konnten unglaubliche Strafnachlässe erhalten, was oftmals dazu führte, dass sie wilde Geschichte erfanden und unzählige Leute belasten, denn für die Strafnachlässe mussten sie etwas bieten.
Dissociato: Der Losgesagte, „Abschwörer“; jemand, der dem bewaffneten Kampf abschwört, sich als von seiner Geschichte und Praxis im bewaffneten Kampf lossagt und für die Distanzierung Strafnachlässe erhält.
Irriducibili, „Unbeugsame“ werden jene genannt, die weiterhin zur Linie des bewaffneten Kampfes stehen.“
Da einerseits die Linke des Kapitals und anderseits Anarchistinnen und Anarchisten wieder mehr Repression erleben und das Thema der Repression, des Verrates und anderen Dingen wieder zur Debatte stehen, kann dieser Text sicherlich für einige eine inspirierende Hilfe sein.
Vorwort der italienischen Ausgabe von 1984
In den letzten vierzehn Jahren haben die „politischen Flüchtlinge“ eine Gegeninformationsarbeit über die Realität der Klassenkonfrontation in Italien und über spezifische Veröffentlichungsversuche entwickelt; all diese Dokumentationen, die notwendigerweise unzureichend sind, boten uns nur einen teilweisen Ausdruck der revolutionären Bewegung und nur bestimmte Aspekte der bewaffneten Erfahrung in diesem Land.
Der Text, den wir hier veröffentlichen und der in der Ausgabe Nr. 42 der italienischen anarchistischen Zeitschrift Anarchismo erschienen ist, kann sich in diese Dokumentation einfügen. Seine Kritik an bestimmten Modellen und Methoden, die von bewaffneten Organisationen entwickelt wurden, ist keine generelle Ablehnung des bewaffneten Kampfes der letzten Jahre. Sie versucht, den positiven Aspekt dieses Kampfes darzustellen, der in der politischen Lösung verschwunden ist, die ein Teil der Bewegung gegenwärtig zu verwirklichen versucht.
Von den Thesen der Verallgemeinerung der Gewalt der Arbeiterklasse in den 70er Jahren bis hin zur militärischen Hinrichtung von R.L. Hunte (Leiter der „Internationalen Beobachtungstruppe“ im Sinai), der im vergangenen Februar in Rom von den Roten Brigaden getötet wurde, wird ihre Entfernung von den „Massenzielen“, auf die sie hinarbeiteten, immer deutlicher. Die militärischen Ziele der bewaffneten Partei sind die einzige Art und Weise, wie das Problem des Klassenkrieges gestellt wurde. Das vorgebliche Fehlen einer gründlicheren Dialektik zwischen der Organisation und den Massen hätte es dem Proletariat nicht erleichtern können, ein Projekt, das es nicht interessiert – das der eigenen Diktatur – aufzugeben.
Gegenwärtig wird angesichts des Problems der pentiti oder der dissociati und in Anbetracht der tragischen Situation von Tausenden von inhaftierten Gefährten ein Projekt des Kampfes für eine Amnestie vorgeschlagen. Anstatt einen schmerzhaften Kampf fortzusetzen oder die Beweise des Staates umzudrehen, wollen einige eine kollektive Amnestie vom Staat erwirken, um danach neue Zyklen des revolutionären Kampfes zu beginnen.
Innerhalb der französischen libertären Bewegung haben wir über dieses Projekt gesprochen, indem wir es mehr oder weniger mit konkreten Kämpfen gegen Gefängnisse und Repression in Italien in Verbindung gebracht haben. Wir hätten die Verurteilung der Methoden der bewaffneten Formationen durch dieses Projekt begrüßt, aber wir müssen angesichts der offensichtlichen Zweideutigkeit im Engagement für diesen Kampf objektiver denken. Die Wahl des vorliegenden Textes trägt zu diesem Denken bei. Wir stellen unsererseits fest, dass eine Kritik an der Undurchführbarkeit des bewaffneten Modells dieser scheiternden Organisationen, wenn sie sich auf die reine und einfache Kapitulation beschränkt, eine spätere Entwicklung des libertären und aufständischen bewaffneten Kampfes negativ beeinflussen könnte.
Die Gefährten der Publikationen Révolte et Liberté.
Einleitung von Pierleone Porcu
Bevor es den Revolutionären einfiel, sorgte der Staat frühzeitig dafür, das Vakuum, das die zersplitterte Bewegung hinterließ, zu verwalten, indem er das Projekt der Abschwörung in die Tat umsetzte. Wer mit lauter Stimme die Rückgabe3 der Gefährten mit allen Mitteln fordert, darf sich hinterher nicht darüber beklagen, sich an der Seite von fügsamen Kreaturen, von Instrumenten in den Händen der Macht, wiederzufinden.
Noch nie haben sich Wahrheit und Lüge auf der politischen Bühne Italiens so überlagert wie heute, bis hin zu einem Spektakel von Positionen, die von der Regierung und der institutionellen Opposition demokratisch produziert werden, um die Aufmerksamkeit der uninformierten Revolutionäre zu gewinnen.
Ich beziehe mich zum Beispiel auf den Fall Naria4, der von nun an eine „Staatsaffäre“ ist, ein Symbol für die Zeit nach dem Ausnahmezustand, die auf einer Rekuperation5 und allgemeinen Wiederentdeckung der menschlichen Werte beruht. Die gegenwärtigen Probleme des Gefängnisses und des jetzt laufenden Prozesses der Abschwörung scheinen alle in diesem schmerzlichen menschlichen Ereignis zusammenzulaufen, das ganz klar die offensichtliche Barbarei der Justizverwaltung und der Administration verkörpert, Mechanismen, die, indem sie die Befreiung eines Mannes, der langsam stirbt, verhindern, ganz klar die mörderische Absicht derer zeigen, die sie manipulieren. So verkündeten der Minister Martinazzoli, Doktor Amato, Leiter des Gefängnissystems und natürlich der gute Pertini (um nur die bekanntesten zu nennen), dass sie sich offen gegen die negative Stellungnahme der Richter (die souverän in der strikten Anwendung des vom Parlament verabschiedeten Gesetzes sind) zum Befreiungsantrag der Anwälte von Naria aussprechen.
Über die menschliche Bedeutung hinaus sollten wir uns fragen, was sich hinter diesen gefälschten Appellen und den Debatten verbirgt, die von allen Seiten provoziert und organisiert werden.
Wir alle wissen, dass sich der Staat mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes über die Präventivhaft, das deren Dauer verkürzt hat, und mit der schrittweisen Aufhebung der restriktiven Normen des traurig berühmten Artikels 90 anschickt, der internen Kontrolle der Gefängnisse eine andere Ordnung zu geben, eine rationalere Ordnung als die, die den Sondergefängnissen und den „Todesflügeln“ auferlegt wurde. So kann die Barbarei besser auf den Schienen einer differenzierten inneren Sozialität fahren. Die Nutzung des Justizapparats für ausschließlich politische Zwecke zeigt sich in der Unterstützung, die jedem zuteil wird, der vom „Terrorismus“ abschwört, einschließlich Strafminderungen und „möglichen/günstigen Gelegenheiten“.
Der Staat verlässt nach und nach den Tunnel des Ausnahmezustands und reguliert seine neue Position der Vorherrschaft in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Periode der Eroberung der sozialen Sektoren, die ihm durch den Kampf entrissen wurden und die sich von seiner Einmischung unabhängig gemacht haben, ist vorbei; er bereitet gegenwärtig eine präzise Kontrolle vor. Die Charakteristika dieser Kontrolle werden nicht mehr auf einer militaristischen Strategie beruhen, sondern sich im Wesentlichen um die Ideologisierung des Konsenses drehen, und zwar so, dass „abweichendes“ soziales Verhalten normalisiert wird. Nun will der Staat hinter den neuen Figuren der sozialen Betreiber und Kontrolleure, die in die Mikrostrukturen des Landes eingefügt worden sind, die Dinge fördern und aktivieren. Unter diesen traurigen Gestalten – abgesehen von den Psychologen und Soziologen – ist der Abschwörungsologen6 des Antagonismus auffallend.
Daher das aktuelle Spektakel politischer Positionen, die um das Phänomen der Abschwörung kreisen (vom Dokument der Rebibbia 51, über das der 40 Unterzeichner des Prima Linea-Prozesses in Turin bis hin zu den aktuellen Dokumenten der dreizehn, noch aus Turin, oder denen, die aus dem Prima Linea-Prozess in Mailand hervorgegangen sind). Die „homogene“ Einflusssphäre breitet sich überall aus und wird bis hinauf zu Amato7 gestützt. Es handelt sich nicht mehr um kleine Gruppen, sondern um eine kompakte Masse innerhalb der Gefängnisse, die den Weg der Abschwörung einschlägt, die auch außerhalb der Gefängnisse Fürsprecher findet und einem Labyrinth von Positionen Leben einhaucht, in dem es schwierig ist, die Dinge selbst zu sortieren.
Alle warten auf weitere Informationen des Staates über die Rolle, die er diesen revidierten und korrigierten Subjekten zugedacht hat, und diese Auseinandersetzung ist Gegenstand eines politischen Kampfes im Parlament (es gibt zum Beispiel eine Strömung der Säkularen, die sich distanziert haben, eine der Katholiken, die sich distanziert haben, eine andere der so genannten „Totalen“ und so weiter).
Wenn die Mehrheit der politischen Gefangenen in den Gefängnissen in das Projekt der Abschwörung, das der Staat verwirklichen will, hineingezogen wurde, ist es draußen.k nicht anders. Ein großer Teil des revolutionären Milieus besteht darauf, die Initiativen der Abschwörungen, die aus den Gefängnissen kommen, aufzugreifen. Sogar einige libertäre Milieus, die scheinbar missverstehen und zu gedankenlos behaupten, ein solches Projekt zu unterstützen, indem sie sich mit den abschwörenden Positionen einiger Gefangener solidarisieren, die sich mit dem Begriff „Anarchist“ aufplustern und so die „Staatsbürgerschaft“ in unserer Bewegung genießen, die mehr und mehr mit einer zustimmenden Konformität gesättigt ist, die aus „Toleranz“ heraus verbreitet wird.
Die Angelegenheit wird ernsthaft erwogen und analysiert, vor allem im Hinblick auf die negativen Konsequenzen, die unsere subversive Tätigkeit betreffen. Die Annahme solcher Positionen würde die anarchistische Bewegung auf das Terrain des politischen Opportunismus und der Kompromisse mit der Macht führen, ein Terrain, das den autoritären Elementen lieb und teuer ist, die es nutzen, um ihre eigene Existenz und den Erhalt ihrer Positionen zu rechtfertigen.
Bis jetzt hat ein Teil der anarchistischen Bewegung nichts mit der Frage der Repression und der sozialen Kontrolle zu tun gehabt. Das Interesse, das sie jetzt zeigt, hängt insbesondere mit neuen Positionen bestimmter libertärer Gefangener zusammen, die sich von den Praktiken und Motiven distanzieren, die sie in der Vergangenheit zu Gegnern von Kapital und Staat gemacht haben.
Eine solche plötzliche Interessenkonvergenz zwischen diesen Gefangenen und diesem Teil der anarchistischen Bewegung resultiert aus einer Parallelität der Ansichten bezüglich des Wertes, den beide dem Liberalismus, dem Sozialismus und der Demokratie beimessen.
Um sich dessen bewusst zu werden, reicht es aus, verschiedene Artikel zu lesen, die in verschiedenen anarchistischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, die eindeutig den Eindruck erwecken, sich nur in einem Milieu von Studien und kulturellen Interventionen zu bewegen.
Ausgehend von einer Selbstkritik der eigenen Kampferfahrung sind die Abschwörende an dem Punkt angelangt, jede konflikthafte Beziehung zu den Institutionen auf ein Nichts zu reduzieren. Sie stellen sich daher direkt in eine Diskussion und parlamentarische Vermittlung, die alle sozialen Konflikte rekuperierenwill. Und weil diese Selbstkritik in ihrer Subjektivität versucht, den Wert des zuvor so vernachlässigten individuellen Raums wieder zu behaupten, folgt daraus, dass sie sich die Utopie des modernen Liberalismus zu eigen macht, der die staatlichen Strukturen humanisieren und vergesellschaften möchte, indem er sie in einen Handlungsraum einschließt, der weitaus eingeschränkter ist als der aktuelle. Diese Gefangenen konvergieren auf einem anderen Weg mit dem Teil der Bewegung, der hofft, den Staat auf friedliche und utopische Weise seiner Funktionen zu entleeren, indem er schrittweise von innen heraus durch den Einsatz einer libertären Massenkultur handelt, die in der Lage ist, autonome Gegenstrukturen der Gesellschaft vorzuschlagen. Es ist ein Projekt, das die liberale Maxime der „minimalen Intervention des Staates in die Gesellschaft“ verwirklichen möchte. Die „Saat unter dem Schnee“, von der Kropotkin sprach.
Ein anderer Teil der anarchistischen Bewegung, wenn auch auf andere und viel zurückhaltendere Art und Weise, behält eine abwartende Haltung der Verfügbarkeit in Bezug auf die Abschwörung bei, die das Ergebnis eines Mangels an Analyse und der Unfähigkeit ist, autonome Vorschläge zu machen. Das ständige Hinausschieben einer inhaltlichen Diskussion stellt das Problem also nur unverändert wieder auf und bestätigt abschwörende Positionen, ohne dies deutlich zu sagen.
Dies ist der Fall bei Vorschlägen, die ein wenig besser zu sein scheinen als viele andere und die die Gefährten – die übrigens großzügig sind – dazu bringen, sie zu unterstützen, wie zum Beispiel der Amnestievorschlag, der von den Befürwortern von Scalzones8 Positionen lanciert und von den Anarchisten auf den Seiten der Zeitungen der Bewegung aufgegriffen wurde.
Diese Leute spielen mit politischen Lösungen, aber mit einem Minimum an Würde und Feindseligkeit gegenüber dem Staat. Kurz gesagt, sie möchten antagonistisch bleiben, aber gleichzeitig über die Befreiung der Gefährten verhandeln, zu Zeiten und in Modi, die ihnen diktiert werden, obwohl sie nicht die notwendige revolutionäre Kraft besitzen, um sie durchzusetzen. Was kann man über eine solche Position sagen? Sie würden gerne „ein Omelett machen, ohne Eier zu zerschlagen“.
Es sollte verstanden werden, dass sich alle Vorschläge, von denen, die am meisten zu einem Dialog mit dem Staat bereit sind, bis hin zu den würdigsten, tatsächlich nur durch unterschiedliche Grade und eine größere oder geringere moralische Zurückhaltung unterscheiden, wobei alle jedoch gezwungen sind, sich in einem Bereich innerhalb der Institutionen zu messen und die gleichen Probleme zu lösen. Die ersteren schienen sogar einen größeren politischen Realismus, einen größeren praktischen Sinn und einen unbefangeneren Zynismus im rückhaltlosen Tausch dessen, was sie besaßen, zu besitzen, im Bewusstsein des Preises, den der Staat für die Erlangung jeglichen Nutzens festsetzte.
Das Pamphlet, das wir herausgeben, passt in den Kern der Ereignisse, über die bisher berichtet wurde, und wird zum Material für eine Debatte innerhalb und außerhalb der anarchistischen Bewegung und möglicherweise erweitert um den Teil der revolutionären Bewegung, der auf der verzweifelten Suche nach einem anderen Weg als dem von der Macht vorgezeichneten ist.
Seine unbestrittene Aktualität – obwohl es bereits im März dieses Jahres in der Zeitschrift Anarchismo veröffentlicht wurde – zeigt sich in den Urteilen und Elementen der Analyse, die es vorlegt, die nun nicht mehr glückliche Eingebungen von etwas sind, das sich damals in der Debatte über das Problem des Gefängnisses abzeichnete, sondern eine greifbare Realität, die aus Ereignissen und Entscheidungen besteht, die uns aus nächster Nähe angreifen.
Der Gefährte, der dieses Pamphlet geschrieben hat, ist vor allem damit beschäftigt, außerhalb ideologischer Heiligtümer und Gemeinplätze alle Etappen der Wege nachzuvollziehen, die zu den Formen der Assoziation geführt haben, die die revolutionäre Bewegung in den letzten Jahren zum Ausdruck gebracht hat, die theoretische Debatte, die sich darauf bezieht, die Instrumente, die benutzt wurden und die Aktionen, die durchgeführt wurden. Er erfasst ihre Vorzüge und ihre Schwächen, ihre Grenzen und Widersprüche und versucht gleichzeitig, einen logischen Faden zu erneuern, der in der Lage ist, aus der „Laissez-faire“-Haltung herauszukommen, die den repressiven Aktionen und der staatlichen Kontrolle Tür und Tor öffnet.
Probleme genau zu definieren ist heute sehr wichtig, vor allem, um nicht in kurzfristige Perspektiven und Kompromisse zu verfallen, die uns unweigerlich in das Labyrinth der Abschwörung führen und uns jede Möglichkeit des direkten Handelns zur Veränderung der Realität verwehren würden. Viele Gefährten werden Argumente und Konzepte finden, die ihnen ziemlich vertraut sind. Und auch andere, neue, die in einer Sprache ausgedrückt werden, die in Bildern spricht und an Zeiten beschwingter Hoffnungen und Zeiten der Schwierigkeiten und des Unbehagens erinnert. Es ist eine Einladung, all unsere vergangenen Erfahrungen kritisch zu überdenken, mit dem Ziel, die Bedeutungen und das Positive oder Negative in unserer Erfahrung von Kämpfen zu erfassen, die erst kürzlich und doch so weit weg sind. Und zwar nicht, um die Vergangenheit zu erklären, sondern um Instrumente für zukünftiges Handeln bereitzustellen, indem wir über die Ursachen und Auswirkungen der begangenen Fehler hinausgehen, mit dem Ziel, auf einer konkreten Grundlage neu beginnen zu können, die der Realität, in der wir leben, besser entspricht.
Angesichts der Dringlichkeit der Probleme, die auf uns zukommen, und der Pflichten, die wir uns als Anarchisten und Revolutionäre auferlegen wollen, müssen wir die Grenzen der Gemeinplätze und Selbstverständlichkeiten überschreiten, und zwar so, dass die Assoziation nicht mehr ein formales Festhalten an libertären Ideen wäre, sondern eine persönliche Suche nach einer kohärenten Praxis der Selbstverwirklichung hier und jetzt durch soziale Aktion.
Einleitende Anmerkung von Paolo Ruberto (Oktober ’84)
Ich denke, es wäre interessant, eine zusammenfassende Darstellung des Aufkommens und der Entwicklung von Positionen des „Rückzugs“ zu geben, die von den pentiti bis hin zu jenen reichen, die abgeschworen haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass eine detaillierte Darstellung praktisch unmöglich ist, da es viele Varianten und Modifikationen sogar innerhalb derselben Position gibt.
Nach dem Auftauchen von „größeren“ und „kleineren“ pentiti, die ihre Desertion des Kampfes auf eine ausschließlich militärische und politische Grundlage stellten, indem sie mit Waffen und Gepäck zum Staat überlaufen und die Aufgabe auf sich nahmen, alle Formen des Widerstands zu brechen (die Verhaftung von Hunderten von Gefährten, die Ermordung von vier Gefährten in Genua durch die von Peci9 geschickten Carabinieri usw.), die Champions der politischen „Desertion“ begannen (schon) in den ersten Monaten des Jahres 1980 zu erscheinen.
Im Mai desselben Jahres wurde in Lotta Continua10 ein kollektives politisches Dokument veröffentlicht, das von den Partisanen der „Desertion“ verfasst wurde, die fast alle aus den Reihen der Prima Linea stammten, darunter Donat-Cattin und Gai. Darin wurde die Notwendigkeit der Selbstkritik erwähnt und die Tatsache, dass man sich auf seine historische Vergangenheit besinnen müsse; es wurde darauf hingewiesen, dass die Denunzianten Söhne der Bewegung seien.
Auf diese Weise entstand das Milieu der Desertion und des Verzichts auf bewaffnete Aktionen, das von Lotta Continua und den üblichen Totengräbern der Bewegung, von der Sorte Boato und Pinoto, flankiert von denen, die als Demokraten bekannt sind, von der Sorte Neppi Modona und Mario Scialoja, bis zum Äußersten unterstützt wurde.
Diese erste Gruppe von Deserteuren war kurzlebig, weil es bei vielen von ihnen nie gelang, sie klar von den pentiti zu unterscheiden, und auch, weil fast alle von ihnen schließlich mit der Magistratur und der Polizei kollaborierten.
Am 30. September 1982 erschien das Dokument, bekannt als das der 51 (von der Anzahl der Unterzeichner), das den Beginn eines regelrechten Wettlaufs um Selbstdistanzierungen, Selbstabschwörungen, Befriedungsvorschläge, Amnestievorschläge usw. signalisierte.
In dem genannten Dokument behaupteten die Unterzeichner, die hauptsächlich aus dem Autonomie-Milieu kamen, dass es notwendig sei, „kämpferische“ und den Terrorismus begünstigende Positionen und Aktivitäten abzulehnen und zu verurteilen, um eine Dialektik der Kontroverse wieder zu eröffnen und zu Verhandlungen mit dem Staat zu gelangen. In der Praxis sagen Negri, Ferrari, Bravo, Vesce und die anderen, dass wir auf dem Weg des vergangenen radikalen Antagonismus voranschreiten müssen, um uns in eine dialektische Beziehung zu begeben, die aktiv und Träger von Vorschlägen zusammen mit den so genannten „gesunden“ sozialen und politischen Kräften ist, die ihren Wunsch, über die Kontingenz der Notstandsgesetze hinauszugehen, verständlich machen werden. Sie behaupten, dass dadurch auch der Staat gezwungen sein wird, seine Selbstkritik in Bezug auf die Schaffung von Sondergesetzen und den Geist der Rache zu üben, wodurch wir eine gegenseitige Versöhnung des einen mit dem anderen und eine neue Art und Weise der Festlegung der Spielregeln sehen würden, gemäß neuen Bedingungen des politischen Kampfes, der auf einem Dissens basiert, der nicht mehr radikal und in einer totalen Opposition ist, sondern einem dialektischen, der auf dem Dialog basiert, mit dem Ziel, den Staat zu ermutigen, sich immer mehr Merkmale von Demokratie und Freiheit zu geben.
So entstand und entwickelte sich ein „Abschwörungs“-Milieu, das im Laufe der Zeit eine beträchtliche Anzahl unterschiedlicher Positionen vereinigen sollte. Dann gab es diejenigen, die sich weigerten, sich mit den Abschwörendenin einen Topf werfen zu lassen und versuchten, die Sache zu beschönigen, indem sie behaupteten, dass man, ohne auf irgendetwas zu verzichten, dennoch zugeben müsse, dass der bewaffnete Kampf nun überholt sei, da er nicht in der Lage gewesen sei, sein Projekt der gesellschaftlichen Transformation zu verwirklichen. Es sei notwendig, andere Projekte in Angriff zu nehmen, die darauf abzielten, ein neues kritisches Bewusstsein aufzubauen, das zu einer Transzendierung der vergangenen Erfahrungen einer Generation und zu einer Überwindung des bewaffneten Kampfes führen würde, indem man sich zu einer Kulturrevolution öffnete.
Eine andere Linie von Leuten, die abgeschworen hatten, die später auftauchte, nahm Scalzone und andere politische Flüchtlinge in Frankreich zum Ausgangspunkt. Diese Leute behaupteten, dass es notwendig sei, sich zu mobilisieren, um eine große Schlacht für eine Amnestie für alle politischen Gefangenen zu organisieren. Da das bewaffnete Projekt besiegt war und eine Wiederaufnahme des Konflikts nicht mehr möglich war, war es notwendig, eine Verhandlungsperspektive zu schaffen und einen Waffenstillstand mit dem Staat zu definieren. Die Bewegung musste einen „Waffenstillstand“ garantieren, d.h. eine Periode des sozialen Friedens.
Der Staat musste eine Amnestie garantieren, um das Ende der Feindseligkeiten ordnungsgemäß zu ratifizieren. Die beiden Parteien würden den Preis für die Niederlage der Bewegung aushandeln, wobei der zu zahlende Preis auf fünf Jahre Haft für jeden geschätzt wurde.
Ein anderes großes Milieu, das sich innerhalb der Gefängnisse bildete, war das sogenannte „Ent-Inhaftierungs“-Milieu. Seine Vertreter räumten zwar die Notwendigkeit einer Kritik an der Vergangenheit ein und erkannten an, dass die Bedingungen, die in den 70er Jahren zu einer Entwicklung des bewaffneten Kampfes in Italien geführt hatten, nicht mehr gegeben waren, weigerten sich jedoch, in irgendeiner Weise abzuschwören, sondern räumten die Notwendigkeit ein, andere Wege zur sozialen Transformation zu finden, Wege, die über pazifistische und ökologische Kämpfe und solche für eine bessere Lebensqualität führten. In ihrem objektiven Zustand als Gefangene wollten sie sich mobilisieren, um einen politisch-kulturellen Kampf zu beginnen, der die negativen Auswirkungen der Segregation verringern und eine normale Entwicklung des Lebens ermöglichen sollte. Dieses Milieu hielt es für notwendig, Versammlungen, Demonstrationen, Konzerte, Ausstellungen und Produktionsgenossenschaften sowie kulturelle Veranstaltungen zu organisieren, mit dem Ziel, soziale Beziehungen und Strukturen zu schaffen, die eine Alternative zum Gefängnis darstellten, und all dies als Teil einer Perspektive, die einen Übergang von der erträumten politischen Revolution zu einer möglichen sozialen Transformation ermöglichen würde. Dieses Gefangenenmilieu, das mit Morucci, Monferdin, Strano, Faranda, Fiora Pirri, Premoli usw. endete, näherte sich immer mehr dem Milieu der eigentlichen Selbstabschwörern an, die mit ihnen zusammen die so genannte „homogene Bewegung“ bildeten und den berühmten Kongress „Alternative Maßnahmen zur Haft und die Rolle der externen Gemeinschaft“ organisierten, der Ende Mai im Gefängnis von Rebibbia unter Teilnahme von 30 Häftlingen stattfand.
Viele Ex-Militante der Prima Linea (darunter Sergio, Ronconi, Rosso, Galmozzi, etc.) begannen ihrerseits einen Weg, der sie immer näher an die Positionen der Selbstabschwörern heranführte. Zunächst entwickelten sie eine Selbstkritik in Bezug auf die Kluft zwischen dem bewaffneten Kampf und den traditionellen Kämpfen des Proletariats; dann kamen sie zu dem Schluss, dass die italienischen Bedingungen heute den bewaffneten Kampf nicht mehr zulassen, und folgerten, dass nur die Voraussetzungen für einen Kampf bestehen, der aus der „Notsituation“ herausführen soll. Sie sprachen daher von „Versöhnung“ und erklärten auch deren angebliche Unterschiede zur Befriedung.
Neben den bisher skizzierten Positionen gibt es eine ganze Reihe von Facetten, die alle zu einer Vorstellung vom Ende einer historischen Periode des totalen Antagonismus, des totalen und permanenten Konflikts führen, sowie zu dem Urteil, dass die revolutionäre Gewalt ein falsches Instrument war und deshalb von der Geschichte überholt wurde, weil sie sich nicht bewährt hat.
„Heute, in einer komplexen Gesellschaft, in einer Phase der Krise und des Auseinanderbrechens der großen Gruppen und des Auftauchens des Individuellen, des Lokalen, des Vielfachen, die der Einheit und dem Ganzen sowie den Unterschieden unerbittlich entgegenstehen, scheint das einzige Modell (postsozialistisch in der Gesellschaftsform, postkommunistisch in der Form der Gesellschaft, postkommunistisch in der historischen Form der Bewegung) der sozialen Transformation ein direkter Übergang zu einem Prozess der Auslöschung des Staates zu sein“, schreibt Scalzone und behauptet, dass in den modernen kapitalistischen Gesellschaften eine radikale Veränderung durch Revolution nicht mehr notwendig ist, weil die Gesellschaft selbst sich bereits in einem postrevolutionären Zustand befindet.
Negri und andere Ex-Autonome sind im Prinzip der gleichen Meinung wie Scalzone, aber mit anderen Motiven. Auch sie leugnen die Nützlichkeit des Konzepts eines revolutionären Bruchs und vertreten die Hypothese einer Bildung kommunistischer Gemeinschaften, die in Symbiose mit der kapitalistischen leben und in der Lage sind, bis zum Punkt der Verschlingung zu wachsen.
So kommen wir an den Punkt, an dem Tränen über die unschuldigen Opfer jener düsteren Jahre vergossen werden, über die unglücklichen Menschen, die von einer Ideologie der Gewalt mitgerissen wurden, die sich für notwendig und sogar für befreiend hielt. Das ist es, was Morucci, Faranda, Guerra, Maino und andere tun. Diese Menschen fühlen ein herzzerreißendes Bewusstsein für den Schmerz und die Opfer, die eine ganze Bewegung hinter sich gelassen hat.
Um wieder zu leben, verspüren sie nun das Bedürfnis, zu vergeben und aufzuhören, diejenigen zu hassen, die in jenen Jahren den Weg der Kollaboration gewählt haben.
Lassen wir den „kontinuistischen“ Kern der Roten Brigaden beiseite, der sich, wie in der von uns herausgegebenen Broschüre klargestellt wird, in eine von der Realität abgeschnittene Unbeweglichkeit verstrickt und beharrlich von der Notwendigkeit der Bildung einer Kämpfenden Kommunistischen Partei11 spricht; verschiedene Gefangene von Palmi, unter ihnen Curcio, traten in einem Bereich der Selbstkritik auf, in dem sie die Grenzen und Fehler des bewaffneten Kampfes und der Organisationen, die ihn praktizierten, aufzeigten. Obwohl es gelungen ist zu zeigen, dass es möglich ist, revolutionäre Gewalt anzuwenden, ist es dem bewaffneten Kampf – so behaupten sie – nicht gelungen, ein konkretes Projekt zu entwickeln, das es geschafft hätte, alle grenzüberschreitenden Sprachen, die das Proletariat in den letzten Jahren zum Ausdruck gebracht hat, miteinander in Verbindung zu bringen. Sie entwickelten auch eine Kritik an den Kämpfen derjenigen, die den Mythos der Roten Brigaden als monolithische und kompakte bewaffnete Avantgarde lebten und immer noch leben, und die das Element repräsentierten und weiterhin repräsentieren, das am unempfindlichsten für die qualitative Erneuerung ist, die durch die Veränderung der Bedingungen des Kampfes auferlegt wurde. In dieser Analyse verschwanden die Konzepte des unersetzlichen Charakters der Partei im Sinne der Komintern und der Form der Kämpfenden Kommunistischen Partei, was die Möglichkeit eines Guerillakampfes nahelegte, der innerhalb der proletarischen Widersprüche und Forderungen angreifen würde. In der Nähe dieser Positionen, die in Palmi entwickelt wurden, findet man Franceschini, Ognibene und andere, die im Dezember ’83 im Gefängnis von Nuoro anlässlich ihres Hungerstreiks gegen die unmenschlichen Haftbedingungen ein Dokument verfasst haben. Während und nach dem Hungerstreik nahmen diese Gefangenen jedoch eine besondere Beziehung zur katholischen Kirche auf und erkannten deren Rolle bei der Verteidigung der Lebensbedingungen der Gefangenen an. Dies war keine zufällige Entscheidung, sondern entsprach ihrer politischen Einschätzung, die jedes Konzept des kollektiven Kampfes ablehnt und sich auf eine „Do-it-yourself“-Linie nach kurzfristigen Bedürfnissen zurückzieht. Es ist kein Zufall, dass sich einige von ihnen genau als Ex-Kommunisten definiert haben.
Eine andere Gruppe von Gefangenen, diejenige, die im März dieses Jahres den Hungerstreik gegen die „Todesflügel“ organisierte und daran teilnahm, führte einen kollektiven Kampf gegen eine der repressivsten Formen der Inhaftierung, obwohl es sich, wie einige von ihnen selbst zugaben, um eine Form des Kampfes handelt, die leicht von der Macht instrumentalisiert werden kann, die aber die einzige war, die sie zu diesem Zeitpunkt nutzen konnten. Das bedeutet nicht – wie sie weiter erklären -, dass sie Pazifisten geworden sind, und sie sind vorsichtig, darauf hinzuweisen, dass sie nichts mit dem „homogenen Gebiet“, den Verfechtern „politischer Lösungen“ oder denen, die von einer „Neugründung des Staates“ sprechen, zu tun haben.
Schließlich gibt es nicht wenige Gefährten, die politische Lösungen kritisieren und die Notwendigkeit einer Erneuerung der Kampfinitiativen der Bewegung innerhalb und außerhalb der Gefängnisse aufrechterhalten, indem sie das Problem der Befreiung aus den Gefängnissen innerhalb desjenigen der Befreiung vom kapitalistischen System stellen. Viele Gefährten haben sich entschieden, zu schweigen, um dem Wortschwall, der sich über dieses Thema ergießt, nichts hinzuzufügen, aber wir wissen, dass sie, obwohl sie schweigen, prinzipiell gegen die machbaren politischen Lösungen sind.
Was die inhaftierten anarchistischen Gefährten betrifft, so haben nur wenige eine klare und korrekte Position in einem revolutionären Sinne eingenommen. Die meisten von ihnen haben sich entschieden, zu schweigen, und aus diesem Schweigen sollte man, bis zum Beweis des Gegenteils, eine Fortsetzung ihrer anfänglichen Position des Antagonismus, gegen jede Form von Pakt oder politischer Lösung, ableiten. Wir betrachten natürlich gesondert die wenigen anarchistischen Gefährten, die die Dokumente der Strömung der Abschwörung unterschrieben haben und die somit offiziell eine Position eingenommen haben, die wie es scheint, vom revolutionären Standpunkt aus nicht geteilt werden kann.
Einleitende Anmerkung zur dritten Auflage
Angesiedelt in einer Zeit, in der der Trubel des Tuns dem einsamen und trostlosen des Sagens wich, setzt diese Schrift, während sie aus ihrer eigenen Natur heraus nichts anderes zu tun vermag, nämlich sich auf das Wort zu verlassen, dem üblichen Verräter so vieler guter Absichten, einer unanständigen Debatte über das Schicksal von viertausend gefangenen Gefährten ein Ende setzt.
Die Zeit, die vergangen ist, fast dreißig Jahre, erlaubt es uns nicht, die brennende Atmosphäre jener Tage zu erfassen, aber die Leser, die sich diesen Zeilen heute nähern, sollten sich bemühen, wichtig für das Verständnis der Gründe, die der Ablehnung jeglicher Anpassung zugrunde lagen – und immer noch liegen -. Im Hintergrund des Possibilismus12 der verschiedenen Scalzone und Negri, so abscheulich wie jede Aufarbeitung, mit der zusätzlichen Schwere, aus der Höhe ihres Szientismus13 ohne Appell das Wissen des Absoluten aufzudrängen.
Es ist noch ein langer Weg, und auch heute gibt es noch keine Klarheit. Nicht nur das, sondern einige dieser widerlichen Figuren, die von einer notwendigen Kapitulation wegen eines verlorenen Krieges schwafeln, kommen manchmal wieder in Umlauf und rauben vielen Gefährten den guten Glauben.
Möge diese Schrift, die nun der Vergangenheit angehört, dazu beitragen, jedem das Seine zu geben.
Triest, 4. November 2011
Alfredo M. Bonanno
Und wir werden immer bereit sein, den Himmel wieder zu erobern.
Gegen die Amnestie
Es ist nicht mehr möglich, weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken, wenn es um das Problem des Gefängnisses und des „Was tun?“ geht.
Die Initiativen der Unterstützung und der Gegeninformation sind alle sehr wertvoll, besonders wenn sie beabsichtigen, verschiedene Komponenten der anarchistischen Bewegung einzubeziehen, aber sie können nicht zugeben, dass sie nur den Vorhof des Problems betreffen.
Es scheint mir, dass an dieser Stelle einige Überlegungen erforderlich sind, die – so hoffe ich zumindest – dem anarchistischen und dem libertären Umfeld nahestehende Gefährten und vielleicht sogar die diesem Umfeld weiter entfernten, dennoch sich der Widersprüche und Zweideutigkeiten, die ungehemmt kursieren, durchaus bewusst sind, interessieren können.
Ich wiederhole: Dieser Text hält die Aktion der Gegeninformation zur Repression für gültig, teilt die Ziele und Methoden der Realisierung, fragt sich aber, was wir noch tun müssen. Die Gefährten sind im Gefängnis, die Gefängnisfront ist in „politisch“ und „nicht politisch“ geteilt, unter den sogenannten „politischen“ gibt es die traditionellen Spaltungen, die drohen, nicht mehr Wege des Bewusstseins, sondern blutige Wege des Misstrauens zu werden.
Von außen haben einige Gefährten eine Art moralische Erpressung zurückgewiesen, die aus dem Inneren der Gefängnisse kam, und damit das Kind zusammen mit dem dreckigen Badewasser weggeschüttet. In Worten bekräftigen sie die Globalität ihrer Intervention (Gefängnis eingeschlossen), in Taten betreiben sie immer offensichtlichere und einfachere Sektorisierungen.
Auf der anderen Seite sammeln auch andere Gefährten die Seufzer des Gefängnisses auf und geben den Geistesbewegungen Raum, die als politische Analyse getarnt sind und nicht anders tun können, als zu Verwirrung und Missverständnissen beizutragen.
Man muss – ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen – sagen, was man tun kann, wovon man jetzt nicht zu träumen braucht und was man nicht tun will, weil man es für kontraproduktiv hält.
Es scheint mir, dass die Zeit gekommen ist, dass jemand diesen Stein anhebt, unter dem sich bereits ein gefährliches Wurmloch gebildet haben könnte.
Warum wir gegen einen Kampf für Amnestie sind
Es gibt viele Wege aus dem Gefängnis. Viele weitere Möglichkeiten um dort reinzukommen. In der revolutionären Auseinandersetzung ist das Gefängnis ein wesentlicher Bestandteil, es kann nicht als eine äußere Variable betrachtet werden. Wenn es eintritt und Tausende von Gefährten zur Einsamkeit und Stille zwingt, kann sich der Kreis schließen oder er kann durchbrochen werden. Es ist nichts wert, sich vorzustellen, dass diejenigen, die die Schlüssel im Namen der Macht halten, sie in einen Graben werfen, nachdem sie die Türen geöffnet haben. Keiner von ihnen ist bereit, dies umsonst zu tun. Sie werden uns nicht umsonst amnestieren. Wir werden dafür bezahlen müssen.
Die Rechnung, die die werten Herren vorlegen, ist zu hoch. Im Moment sind wir eine Belastung, keine Bedrohung. Wir haben keine Verhandlungsmacht, die auf Gewalt beruht, wir können uns nur auf Mitleid verlassen, auf ihren Sinn für demokratische Ordnung, der durch eine so hohe Zahl von „politischen Gefangenen“ verletzt wird, auf die Tatsache, dass sie selbst die ersten sind, die das Bedürfnis haben zu sagen, dass „der Krieg vorbei ist“, um das Zeichen des Monsters zu exorzieren, das anders sein wollte, das von einer Welt im „hier und jetzt“ träumte.
Jetzt wollen sie uns auf den Knien sehen. Nach den Tagen von Canossa, in der Kälte und im Schlamm, wollen sie das Vergnügen haben, uns die Freiheit zu „schenken“.
Ihre Gesetze mahlen lebenslängliche Haftstrafen aus und zerbröseln die Freilassung von berüchtigten und zwielichtigen Gestalten im Dienste des Verrats. Die gleichen Gesetze sollten Amnestie sanktionieren. Alle raus. Das Spiel ist vorbei. Setzt den Kampf mit anderen Mitteln fort. Die Mittel, die man bisher verwendet hat, sind zu laut. Bitte seid leise. Setzt den Klassenkampf „in Klammern“. Vergesst die Revolution.
Aber welcher Krieg ist vorbei?
Für diejenigen, die sich einen Frontalkrieg vorgestellt hatten, ein Aufeinandertreffen von Mini-Übungen und mikroskopisch kleinen Herbst- oder Frühlingskampagnen, ist der Krieg vorbei. Doch die Darstellung auf dem kleinen Theater der Politik kommt der Realität nicht einmal nahe. Ein immenses unterirdisches Pulsieren hat gerade seinen Rhythmus leicht verändert. Das große Blutopfer, das von der proletarischen Klasse gefordert wird, dauert ununterbrochen an. Die offiziellen Schlächter töten systematisch. Ihre Henker schießen auf der Straße. Wenn sie die Soutane des Richters anziehen, häufen sie Tausende von Jahrhunderten auf die mickrigen Schultern der Proletarier, die dafür verantwortlich sind, das heilige Recht des Eigentums anzutasten.
Der neoghibellinische14 Wohltäter lächelt skeptisch über diese Überlegungen und lädt uns ein, über die Güte des neuen Fürsten nachzudenken, über seine Wohltaten, über das Ende des Elends.
Aber der soziale Krieg geht weiter, jenseits des ideologischen Ausheckens dieser neuen Brut von Erholungssuchenden, wird es immer möglich sein, morgen zurückzukehren, um den Himmel ein weiteres Mal zu erobern.
Von welcher Niederlage ist die Rede?
Von ihrer Art, den Kampf zu begreifen. Stumpfsinnig wiederholend, unfähig zu einer kritischen Perspektive, mechanisch, deterministisch. Das war kein Traum, das war eine Abrechnung. Die Rechnung ging nicht auf. Die Geschichte wiederholt sich nicht immer auf die gleiche Weise. Die Muster der Vergangenheit – ob alt oder neu – können nicht beliebig überlagert werden. Aber Phantasielosigkeit braucht Muster, schwört auf sie, lebt nur durch sie.
Der Frontalaufprall wurde besiegt. Der Zusammenstoß, der die Stärke zwischen zwei sich bekriegenden Armeen messen sollte. Aber ihr Krieg war nicht der soziale Krieg. Zwei Schläger, die aufeinander schießen, sind nicht unbedingt ein wahrer Querschnitt der gesamten Gesellschaft, sie erfassen nur einen Teil davon, oft den marginalen und verschärften Teil.
In vielen von ihnen war guter Glaube, weshalb wir auf das Wunder der Gänseblümchen warteten. Schließlich findet auch die blinde Henne am Ende das Weizenkorn zum Picken. Aber die Blindheit war zu verallgemeinert. Die ideologische Schwere überzog alles mit einem dichten Nebel. Die Arroganz und die geistige Dummheit waren gepaart mit der lächerlichen Anmaßung, alles zu vertreten.
Auf welchen Sieg hin waren wir unterwegs?
Die Eroberung der Macht. Die Diktatur des Proletariats. Die Bildung des proletarischen Staates. Und darüber hinaus. Andere, nicht minder gefährliche Phantasien waren in ihrem Gepäck.
Wir gaben ihnen Raum und kritische Glaubwürdigkeit, weil wir uns immer sicher waren, dass ein Missgeschick passieren könnte. Selbst Gefährten, die mit einer Perspektive gestartet sind, die so weit von der unseren entfernt ist, wenn sie angreifen, müssen unterstützt werden. Sicherlich können wir sie jetzt nicht unterstützen, da sie sich auf einen Verrat vorbereiten.
Eine korrekte Bewertung dessen, was sie als Niederlage bezeichnen, sollte durch eine Kritik der anfänglichen Einstellungen gehen, dessen, was sie glaubten, dass Klassenkampf sei, dessen, wie sie das Instrument des bewaffneten Kampfes einsetzten, dessen, wie sie ihre Beziehungen zu der Realität einrichteten, die sie zu verändern versuchten.
Stattdessen gibt man lieber einfach zu, dass man besiegt wurde, dass die Dinge richtig vorbereitet wurden, aber das Fortuna nicht auf der richtigen Seite war, sie küsste der Macht lieber die Stirn.
Und wenn sich eine Stimme erhebt und einen kritischen Diskurs eröffnet, trifft sie den Schlüssel der Außergewöhnlichkeit des Augenblicks: viertausend Gefährten als politische Gefangene, und diese Tatsache wird zu einer Priorität. Die Erklärung der Niederlage ist in der Tat das erste, was diejenigen tun müssen, die über die Kapitulation verhandeln wollen.
Wir haben immer gesagt, dass selbst im Falle eines Sieges für uns der Krieg weitergehen würde, deshalb ist uns ihre schamlose Niederlage jetzt egal. Es ist eine Buchführung der Macht.
Erinnern wir uns daran, dass, als Togliatti15 eine Amnestie erließ, um die Faschisten aus den Gefängnissen zu holen, unmittelbar danach begannen unsere Gefährten in diese einzutreten. Die Macht einigt sich immer mit der Gegenmacht, die den Umwälzungsprozess nicht erschaffen hat, aber sie kann nie einen Dialog mit den Revolutionären herstellen. Es gibt keine Möglichkeit, sich gegenseitig zu verstehen.
Kritik wird von denen geäußert, die noch nie etwas damit anfangen konnten.
Dieselben aufgeblasenen und stolzierenden Analytiker der historischen Schicksale des Proletariats befinden sich jetzt inmitten der Ambitionen der Kritik. Diejenigen, die sich so selbstbewusst für die „Kritik der Waffen“ entschieden hatten und die keine Diskussion über den richtigen strategischen Einsatz eines Instruments zuließen, das gültig war und bleibt (der bewaffnete Kampf): diese Leute scheinen jetzt im Delirium der Tränen zu sein.
Im zerstörerischen Eifer dessen, was sie – auch ohne es zu wollen – aufgebaut hatten; in der Eile, sich anders präsentieren zu lassen, als sie es waren; lehnen sie alles ab: sowohl Positive als auch das Negative.
Man spürt, dass sie in ihrem kritischen Gewand unbeholfen sind, und ihr Festhalten an dem, was die jüngere und weniger jüngere Vergangenheit hervorgebracht hat, keinen Sinn ergibt und zeigt die eigentliche Inkonsequenz ihrer theoretischen Anliegen.
Geschickt im Entwickeln von Worten mögen sie in der Lage sein, einige ahnungslose Gefährten zu täuschen, aber ich glaube nicht, dass sie in der Lage sein werden, diejenigen zu überzeugen, die die harlekinartige16 Wendung erkennen, die sich vollzieht. Die gleichen Leute, die noch vor nicht allzu langer Zeit jeden, der eine andere Hypothese als die eigene wagte, provokativ verurteilten, sind jetzt auch bescheiden und vorsichtig, wenn es um die Aufstellung von Hypothesen geht.
Die zentrale Struktur dieser so genannten Kritik zielt darauf ab, zu zeigen, dass ihre Aktion ja gar nicht stattgefunden hat, oder wenn, dann nur sehr wenig, und dass dieses Wenige ein Exzess war, der auch auf die schlechte Lehre, auf die kollektive Lust an der Gewalt, auf die Illusionen, die von den alten 68ern herrühren, usw. zurückzuführen ist.
Hinter all dem verbirgt sich eine gewisse Wahrheit, aber wie üblich neigt sie dazu, das Negative zusammen mit dem Positiven zu verwerfen. Eine solche pauschale Ablehnung ist keine Kritik, sondern die Tirade eines Strafverteidigers, die Tirade eines Menschen, der in Schwierigkeiten steckt und um jeden Preis herauskommen will.
Es ist also besser, das alles klar zu sagen und nicht zu versuchen, die eigene „Distanzierung“ hinter einer komplexen „kritischen Analyse“ zu verstecken.
Während einige Aspekte der Kritik, wie z.B. die eindimensionale Schwere des bewaffneten Modells, unseren Positionen entlehnt sind, sind andere Aspekte nichts anderes als die tragische Umkehrung derjenigen, die am Ende das Gegenteil von dem sagen, was sie vorher gesagt haben, und das ohne ihre Gründe kritisch zu begründen. Wenn diese Leute sich selbst vorwerfen, die soziale Komplexität „zu sehr vereinfacht“ zu haben, sagen sie in der Praxis nichts, sie leugnen es nur. Sie erklären nicht – und können es auch nicht -, was für ein „un-simplifiziertes“ Projekt sie jetzt angesichts der zukünftigen Aktionen vorschlagen.
Wenn sie von einer „Krise“ der marxistischen und dritten-internationalistischen Vulgata sprechen, sagen sie nicht, auf welches andere theoretische Arsenal sie sich morgen beziehen werden, wann diese Klammer der Bleiernen Jahre geschlossen, wann sie auf die eine oder andere Weise das letzten Endes„alle nach Hause“ kommen werden. Sie reden wohl eher von der spießbürgerlichen Ideologie von Popper und Feyerabend? Vielleicht von Husserls Kritik der Existenz?
Schon immer unfähig zu einer Kritik, sind sie jetzt nur noch in der Lage, unter der Dringlichkeit des von der Gegenseite entstandenen Drucks, nach der „Notwendigkeit“ einer Kritik zu schreien, aber was dabei herauskommt, ist eine Block-Ablehnung, irrational und vorhersehbar: ein Erbrechen auf sich selbst, das nichts Gutes ankündigt.
Der intermediäre Kampf der Revolutionäre
Indem wir die Durchführbarkeit der Amnestie verneinen, erkennen wir nicht einen vagen Maximalismus außerhalb der Realität an, sondern wir versuchen im Gegenteil, den gegenwärtigen Kampf in die Bedingungen seiner tatsächlichen Möglichkeiten zurückzubringen.
Es wurde gesagt, dass jeder Moment, den man im Gefängnis verbringt, ein verlorener Moment des Lebens ist. Und das ist wahr, wie leider diejenigen, die unter dem Vorwurf der lebenslangen Freiheitsstrafe im Gefängnis waren, aus eigener Erfahrung wissen. Es muss aber auch gesagt werden, dass man sich nicht zur Überwindung dieser ersten Ebene der Überlegungen nicht zwingen kann. Sonst ist es unverständlich was wir jemals vom Staat erwartet haben, als wir ihm – alle zusammen – ins Gesicht geschrien haben? Vielleicht eine Stelle beim Grundbuchamt?
Angesichts der mehr als leicht vorhersehbaren Verdrängung hat sich also jeder seine Meinung gebildet. Wir waren nie wie jene Abenteurer der Waffe, fasziniert von Gewalt um der Gewalt willen, in einen Prozess hineingezogen, der in der Masse die Stärke und in der Stärke die Unvermeidlichkeit des Sieges sah. In unserer Rebellion hat es immer ein Fundament revolutionärer Reife gegeben. In jedem einzelnen von uns.
Das heißt aber nicht, dass wir nicht Wege finden sollten, die Haftzeit von Gefährten, die im Gefängnis sind, zu verkürzen. Wir müssen verstehen, welche Wege praktikabel sind und welche nicht praktikabel sind, weil sie zu hohe Kosten erfordern, viel höher als der Knast selbst.
Alle wahren Revolutionäre waren nie aus Prinzip gegen intermediäre Kämpfe. Sie wissen, dass diese Kämpfe unabdingbar sind, um das Projekt schrittweise an die gesellschaftlichen Bedingungen heranzuführen, die es nutzen werden. Es ist nicht möglich, eine direkt revolutionäre Entwicklung für eine Situation des sozialen Konflikts vorzuschlagen, die nur einen Blick auf einige Aspekte der Widersprüche erlaubt, die sie charakterisieren, während andere Aspekte, vielleicht die wichtigsten, verborgen bleiben.
Aus diesem Grund beteiligen wir uns an Demonstrationen, Gegeninformationen, Kämpfen in Fabriken, Schulen und Stadtvierteln. Versuchen wir, sie von Zeit zu Zeit zu Zielen zu drängen, die viel breiter sind als die einfache Behauptung, Information und Dissens.
Für uns sind die intermediären Kämpfe kein Ziel, sondern sie sind ein Mittel, das wir (sogar sehr oft) einsetzen, um einen anderen Zweck zu erreichen: die Rebellion voranzutreiben.
Bei all dem geben wir nicht zu, dass man sich mit der Macht arrangieren kann. Um eine Verhandlung zu vereinbaren, um en bloc für die Freiheit der Gefährten im Gefängnis zu verhandeln.
Wir sind nicht einverstanden, denn ein solches Feilschen wäre kein intermediärer Kampf, sondern der Anfang vom Ende, wäre nur auf sich selbst gerichtet: die Freiheit der Gefährten, die mit der Freiheit der Gefährten bezahlt wird. Alle (oder fast alle) aus dem Gefängnis, aber von allem beraubt, vor allem von ihrem Anspruch, Revolutionäre zu sein, von ihrer Würde, von ihrem menschlichen Wert.
Es ist nicht wahr – wie gesagt wurde -, dass die heutigen Verhandlungen der Auftakt für die Fortsetzung der Kämpfe von morgen wären. Wenn wir heute die Verhandlungen akzeptieren, könnten wir höchstens morgen im Ghetto kämpfen, wo die Macht uns unterbringen wird. Das Ghetto der Veteranen eines Scheiterns, einer Niederlage, einer Kapitulation.
Es ist nicht wahr – wie gesagt wurde -, dass, wenn wir nicht sofort über diese Kapitulation verhandeln, die Kämpfe von morgen zur wahnsinnigen Wiederholung des bereits gesehenen Schemas des bewaffneten Kampfes verdammt sein werden. Wer kann sich schon so einen Blödsinn ausdenken?
Die Kämpfe der Zukunft werden ganz anders sein, wenn wir uns die hausgemachten Fehler und die positiven Dinge vor Augen halten. Wenn wir alles auf den Haufen einer bedingungslosen Kapitulation werfen, wird es keine eigene Vergangenheit mehr geben, außer in den Reproduktionen von Ölmalereien für den Gebrauch und den Konsum der Bourgeoisie des nächsten Jahrhunderts.
Die schäbige Aussicht auf Kollaborationismus
Sie rufen uns zur Vernunft und zum Nachdenken auf. Sie laden uns ein, nicht die üblichen bösen Buben zu sein, zu verstehen, wie die Dinge sind. Sie laden uns zur Zusammenarbeit ein.
Auf der einen Seite (der der Macht) sind die Arme offen, auch wenn der anfängliche Preis für das Feilschen noch exorbitant ist. Auf der anderen Seite (der der ehemaligen imaginären Gegenmacht) sind die Arme nicht weniger offen und es wird nicht versucht, einen Rabatt zu bekommen.
Die biologische Dringlichkeit wird in den Vordergrund gestellt. Die physische und moralische Einsamkeit von viertausend Gefährten bedeutet einen Berg auf unserer Brust, aber er kann uns keinen Zentimeter bewegen. Wir sind nicht unbeugsam im Irrtum, wir sind unbeugsam in der kritischen Bewertung.
Wir wollen nicht kollaborieren, weil wir an unsere Ideen und an unsere Fähigkeit glauben, die Realität zu verändern, und nicht, weil wir an das Bisherige glauben und eine Veränderung nicht für möglich halten. Wir sind nicht die schwachsinnigen Verehrer eines Modells, das als Wahrheit gilt. Aber wir sind auch nicht die Kollaborateure, die ihre Überzeugung auf eine Kritik stützen, die in den Büros des Innenministeriums ausgearbeitet wurde.
Indem wir kollaborieren, liefern wir uns en bloc dem Feind aus, wir schlagen keine Alternative vor, um den Kampf woanders hin zu verlagern. Es wird nie ein „Anderswo“ für die Kollaborateure geben. Sie werden ihre Vergangenheit immer mit sich herumtragen, verpackt in der Scheiße ihrer Gegenwart.
Ihre Vernunft ist in die Krise geraten.
Eingefleischte Rationalisten, die nun in eine Krise geraten sind. Die Liste, die der Stalinist Lukács erstellt hatte (Verurteilung von Nietzsche, Verurteilung von Stirner), reichte ihnen nicht, um ihren Frieden mit der Philosophie zu machen. Jetzt sind sie wieder in den Armen von Spinoza und, weiter unten, in den Armen von Husserl.
Praktisch Priester, schon immer. Jetzt haben sie die radikale und possibilistische Haltung derjenigen, die die Krise als das andere (ebenso monolithische) Gesicht des Bewusstseins entdeckt haben. Sie stürzen sich kopfüber in die Ratlosigkeit, wie sie sich einst kopfüber in die Gewissheit stürzten.
Jetzt wollen sie die Politik „benutzen“. Sobald sie sich von ihr benutzen lassen. Die Krise kam für sie nach einer militärischen Niederlage. Wie ein guter Buchhalter, der nicht mehr die Bilanz ausgleichen kann, weil ihm jemand – manu militari – diese unter Gewalt ins Minus gezogen hat.
Auf diese Weise wird die Krise zum Alibi, nicht zum Anlass. Eine Tarnung für die eiternden Geschwüre der eigenen Stumpfheit und der fehlenden Offenheit für das Andere, für das Kreative.
So irren sie wie Katzen auf der Suche nach ihren Schwänzen um das Problem herum, warum die Krise und wie man aus ihr herauskommt. Sie merken nicht, dass sie nie in eine Krise geraten sind, sondern sich nur nach und nach in verschiedenen deformierenden Spiegeln betrachtet haben: gestern haben sie sich schön und stark, heute hässlich und schwach, weinerlich und besiegt vorgestellt.
Es ist sehr schwierig für sie zu verstehen, was sie gewesen sind und was sie wirklich sind.
Was sie nie verstanden haben
Sie hatten nie eine Vorstellung. Das Bild ihrer Existenz war düster und begrenzt. Erinnerungen wiederholten sich endlos. Orte, die durch den Takt von Sieg und Niederlage diskontiert werden. Realer Sozialismus als Kommunismus und Freiheit. Das tiefe Schicksal der Schmach kehrt sich um in das strahlende Zeichen der Herrlichkeit. Nicht Verwirrung, sondern Düsternis und polizeiliche Ordnung.
Sie verstanden nicht, wie befreiend der Angriff sein konnte, und sie spielten ihn wie ein klassisches Stück, unter den Augen strenger Regisseure, die auf Formalitäten achten.
Die Subversion geht scheinbar durch die gleichen Straßen, wählt manchmal die gleichen Ziele, entwickelt sich aber und öffnet sich zu anderen Horizonten.
Sie sucht nicht die Beteiligung durch die Gnade der Medien: sie ist die Beteiligung selbst. Sie wächst mit dem Wachstum der subversiven Tatsache, sonst schrumpft sie, zieht sich in sich selbst zurück, plant andere Interventionen. Sie schreit nicht nach dem Skandal der Geschichte, sie liegt nicht vor den Füßen des Unterdrückers, sie spricht nicht von Krise, sie glotzt nicht auf Kollaboration.
Sie haben nicht verstanden, dass die Kritik im Moment des Fortschritts und des Angriffs, im Moment des Wachstums und der Entwicklung erfolgt. Wenn in dieser Phase nur Illusionen genährt werden, kann man in der nächsten Phase, wenn die begangenen Fehler abgewertet werden, keine „Kritik“ mehr üben, höchstens ein „mea culpa“ aufsagen.
Die wirkliche Bewegung findet nicht in den Gefängnissen statt
Sie haben immer den Fehler gemacht, den privilegierten Gesprächspartner in diesem oder jenem Teil der Realität zu suchen. Heute das Subproletariat, gestern der Fabrikarbeiter, zwischen gestern und heute der Massenarbeiter, morgen der politische Gefangene.
Ihre Kurzsichtigkeit bringt sie wieder einmal aus dem Spiel. Sie schneidet sie ab. Und so ist es nicht wert, noch abscheulicher, noch unbeugsamer, noch mehr Leichenfledderer und Ausrufer zu sein als je zuvor in der Geschichte. Die Urzeitensind voll von diesen Dingen.
Inhaftierte Gefährten können keinen privilegierten Bezugspunkt darstellen. Sie können nicht der fortgeschrittenste Maßstab des Kampfes sein. Sie befinden sich in einem Opferraum, in einem Zustand ständiger physischer und psychischer Folter. Sie sind das Symbol des Klassenkampfes. Sie sind nicht der Klassenkampf.
Wir sind keine Christen. Das Zeugnis einiger von uns, auch der gefallenen Gefährten, führt uns nicht zu anderem als symbolischen Überlegungen. Wir leiden dabei weder an einem Mangel an Zuneigung zu diesen Gefährten noch an einer Krise der Bindung an ein Symbol. All diese Dinge sind Teilprobleme.
Wir haben unsere Flagge, aber wir legen keinen Eid auf sie ab. Wir haben unser Wort, aber wir wickeln es nicht in eine Fahne ein. Wir haben unsere Selbstliebe, aber wir kristallisieren sie nicht zum Nutzen andererheraus. Wir haben unsere Träume, unsere Hoffnungen, unsere Sehnsüchte, unsere Lieben, aber wir konditionieren sie nicht alle zu einer einseitigen Sicht des Lebens. Bei all dem sind wir nicht eklektisch oder possibilistisch (Entscheidungsfreiheit). Unsere Starrheit kommt aus der Vernunft und aus dem Herzen. Manchmal überwiegen die Gründe des Herzens, manchmal die der Vernunft, aber nicht deswegen fühlen wir uns schuldig oder glauben, wir hätten uns und unsere Prinzipien verraten.
Die Zuneigung zu unseren Gefährten im Gefängnis kann uns nicht dazu bringen, die Augen vor der Realität zu verschließen, dass sie in der Tat Gefährten im Gefängnis sind. Gefährten in einem Zustand der Entbehrung und Isolation. Wenn wir sie befreien wollen, müssen wir von dem ausgehen, was anderswo ist, von der wirklichen Bewegung. Wenn wir von ihnen ausgehen, von ihrer Besonderheit, werden wir dazu beitragen, sie – auf die eine oder andere Weise – auf ihre Gefängnissituation festzunageln, was auch immer das Ergebnis unserer Initiative sein mag (sogar das einer möglichen Befreiung).
Was sie befreien wird, ist die wirkliche Bewegung, die draußen ist, die Anstrengung des Kampfes, die wir als spezifische Bewegung entwickeln können, indem wir die tausend (oder die hundert oder sogar die paar Dutzend) Fäden verbinden, die die spezifische Bewegung und die wirkliche Bewegung verbinden.
Sonst werden es tausend Jahre Einsamkeit für alle sein.
Wer nie Vorstellungskraft hatte, kann keine Krise der Vorstellungskraft haben.
Erst jetzt kam ihnen ein grausamer Verdacht: dass es keine Vereinbarkeit zwischen der Kultur, deren Träger sie waren, und der Praxis, die sie ausübten, gab. Auf der einen Seite der Traum von einer Sache, auf der anderen die Sache ohne einen Traum. Der Sprung musste mit der Phantasie gemacht werden, der Sprung in den Himmel des Unmöglichen, des außerordentlich Anderen, der ihnen aber immer verwehrt war.
Aber nicht einmal jetzt erkennen sie, dass die Kompatibilität da war, und sie war einfach grässlich. Jeder wählt seine eigenen Mittel, diese sind ihm wie ein Handschuh angenäht, es liegt an seinem Erfindungsvermögen, Zusammenhänge und Nutzungsmöglichkeiten, Perspektiven und Richtungen im Hinblick auf immer andere Zwecke zu finden. Der Erstickungstod ist einer der grausamsten Tode.
Für den reisenden Verkäufer des Todes ist nur der Urlaub am Jahresende (oder am Ende der Kampagne) erlaubt. In der Regel muss er die Guillotine in Gang halten. Das Geräusch des Fallbeils kennzeichnet schließlich die Momente seines Tages. Nach einer gewissen Zeit kann er darauf nicht mehr verzichten.
Das Projekt ist abgeschlossen. Der Anfang verbindet sich mit dem Ende. Ein neuer Anfang und ein neues Ende liegen vor uns: immer gleich und wiederkehrend. Die dadurch geförderte Kultur wird wiederum zu einer angekündigten Tatsache.
Wo findet man den Körper der Phantasie? Hier gab es nicht einmal den Traum von etwas Phantasievollem.
Das Stereotyp der bewaffneten Partei
Die Seilrolle der Partei dient dazu, die Initiative der organisierten Minderheit auf das unorganisierte Proletariat zu übertragen. In der Perspektive des eschatologischen Ereignisses ahmen die kleinen zerstörerischen Ereignisse von heute die Apokalypse nach.
Die Partei plant, kodifiziert, führt aus, transformiert, wiederholt. Die letzte Phase dieses Prozesses ist immer die gleiche.
Die Partei ist das organischste eindimensionale Projekt, das die Menschheit kennt. Nichts entgeht seinem Organigramm, alles kann nach und nach einbezogen werden. Diese extreme Kompatibilität suggeriert, dass es sich um einen Mini-Staat im Entstehen handelt. Es ist das aktuelle Aufkochen jener großen und weit verbreiteten Krankheit, die die Politik der Staaten ist.
Klassenkampf und leninistischer Zentralismus
Die Richtung der Klassenereignisse (im kodifizierten Imaginären) zwingt dem Zusammenstoß den Aspekt des militärischen Krieges auf. Das unendlich komplexe Geschehen des gesellschaftlichen Konflikts wird reduziert und vereinfacht, es wird alles auf die Fakten der Waffen reduziert.
Dieselbe periphere Spontaneität, die am Anfang in einer Armee notwendig ist, die gut oder schlecht gesammelt ist und keine regelmäßige Versorgung aus irgendeiner Quelle erhält, dasselbe „Behelfsmäßige“, um Waffen zu beschaffen, wird zu einer negativen Grenze, die so bald wie möglich überwunden werden muss. Die Progression ist notwendigerweise schnell. Wer stehen bleibt, ist verloren. Der Gegner rüstet sich für den Guerillakrieg. Der Guerillero muss sich ausrüsten, indem er sich in einen Soldaten verwandelt.
Die Ausrichtung der Interventionen, das politische Urteil, die saisonalen Kampagnen, die Ziele, die möglichen Folgen und vieles mehr: alles wird gefiltert und den verschiedenen Ebenen der zentralisierten Struktur zugeführt. Grundlegende Diskussionen, Debatten, Vorschläge, Analysen werden so lange ausgewählt, bis sie in einer vereinfachten Form an die Spitze gelangen, die geeignet ist, in neue Handlungsvorschläge übernommen zu werden, die immer von der Mitte aus entwickelt werden. Schließlich ist man in einer demokratischen Armee.
Die Reduzierung des Klassenkrieges auf eine einfache militärische Auseinandersetzung führt zu der logischen Schlussfolgerung, dass der Klassenkrieg als solcher aufhört zu existieren, wenn dieser eine Niederlage auf dem Feld erleidet.
Das führt zu der nicht nur theoretischen, sondern auch praktischen Absurdität, dass heute, in Italien, nach der Niederlage der kämpfenden Organisationen, kein Klassenkrieg mehr stattfindet und dass es deshalb im Interesse aller (in erster Linie des Staates) liegt, eine Kapitulation auszuhandeln, um zu vermeiden, dass sich ein konfliktreicher Prozess entwickelt oder weiter entwickelt, der absolut fiktiv und völlig nutzlos, ja schädlich für alle ist.
Die Marginalität der bewaffneten Parteien in Bezug auf den Klassenkampf
Es ist leicht zu erkennen, dass bewaffnete Strukturen, vor allem solche, die die Form einer Partei annehmen, immer eine Randerscheinung des Klassenkampfes sind. Nicht, dass sie irrelevant wären, sie sind einfach nur marginal.
Der Verlauf des Zusammenstoßes hat Auswirkungen auf sie, er drängt sie dazu, sich zu schließen oder zu öffnen, je nach einer geringeren oder größeren sozialen Spannung. Aber all dies hält sich in recht engen Rahmen. Das Verhältnis der Repräsentativität wird nie hergestellt, wenn nicht für sehr kleine marginale Minderheiten oder für Gruppen mit einer hohen politischen Sensibilität.
Es ist klar, dass auch diese Phänomene von großer Bedeutung sind, und es ist auch klar, dass der Staat alles tut, um sie innerhalb einer „terroristischen“ Logik zu vereinnahmen, die sie als außergewöhnliche Tatsachen darstellt, die von Verrückten, exaltierten Kriminellen oder Agenten des Geheimdienstes ausgeführt werden.
Der Weg, den man in diesen Fällen einschlagen muss, ist, sich auf die populäre Sensibilität einzulassen und Aktionen und Klärungen zu konstruieren, die die Menschen einbeziehen und sie nicht stattdessen in einer spektakulären Fixierung immobilisieren.
Nun stellt sich die Partei ihrem Wesen nach als ein Filter dar, der die Menschen abstößt und sie in einer amorphen Kompaktheit sozialer Schichten isoliert: Arbeiter, Hausfrauen, Angestellte, mittleres Management, Studenten usw. Sie stellt sich als ein Filter dar, der einen Teil dieser Menschen erst nach einer einleitenden Akzeptanz ideologischer Art aufnimmt. Politik ist das Instrument der Selektion. Auf diese Weise ist ein Weg des quantitativen Wachstums nur über das Parteiorganigramm machbar. Handlung und Aufklärung treten in den Hintergrund, sie werden pädagogischen Mechanismen anvertraut, die fälschlicherweise für automatisch gehalten werden. Der Staat zerstört dann sorgfältig selbst die kleinen Reflexe eines solchen Mechanismus (wenn er existiert).
Was sie ablehnen können
Ist der konditionierte Reflex beim Menschen. Die induzierte Sympathie. All das ist durch die dicken Maschen der staatlichen Zensur gegangen. Die Unterstützung, die man für diejenigen hat, die einen grundsätzlich gerechten Kampf geführt haben, wenn auch mit Methoden, die nicht jeder teilt.
Sehr wenig, um einen Einfluss auf den laufenden revolutionären Prozess zu haben. Die wirkliche Bewegung – die nie etwas verliert – könnte davon Gebrauch machen, aber diese winzigen Krümel müssen genutzt werden, kritisch gerahmt, gestärkt werden, jenseits des riesigen schwarzen Klumpens, den die Macht vor dem kritischen Blick der Leute zu platzieren vermochte. Beginnend mit dem Wort „Terrorismus“.
Was kann man dagegen tun? Man sieht sich im Zentrum einer Erfahrung, die anders war als das, was in den Zeitungen geschrieben oder in den Gerichtssälen bestätigt wurde. Die Palastwahrheit wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Man erklärt, dass der Krieg vorbei ist.
Auf diese Weise wirft man selbst die wenigen Krümel weg, die positiv und revolutionär geblieben sind.
Was sie für die Zukunft vorhersehen können
Überhaupt nichts. Der unumkehrbare Prozess der realen Bewegung wird sie definitiv als Kollaborateure ausschließen. Keine dialektische Erfindung wird in der Lage sein, ihren heutigen Entscheidungen Glaubwürdigkeit zu verleihen, dem Neokontraktualismus17, der in tausend Gestalten hinter den komplizierten Analysen der Wortmacher auftaucht.
Sie können dann auf die gebrauchte Leinwand zurückgreifen. In hoffentlich besseren Zeiten werden sie wieder die alte und schäbige Zweideutigkeit der Hüter des Tempels, der Kalkulatoren des proletarischen Gedächtnisses spielen.
Die Sache wurde in der Vergangenheit bereits durchgeführt. Vielleicht wird es in Zukunft wieder gemacht. Es gibt immer viele gute Menschen, die auf nichts mehr warten, als an etwas zu glauben.
Aber all das hat nur wenig mit Revolution zu tun.
Werkzeuge in den Händen der realen Bewegung
Letzten Endes handelt und lebt jeder von uns auf der Grundlage von Überzeugungen – ob richtig oder falsch -, aber die meiste Zeit sind wir nicht in der Lage, die wirklichen Konsequenzen unseres Handelns und unseres eigenen Lebens zu sehen. In diesem Sinne haben auch die Schleifer von Parteipsalmen ihren Anteil gehabt. Ein Gepäck von Kämpfen und Erfahrungen hat sich angesammelt, das bereit ist, verwendet oder zerstreut zu werden. Es gibt keine Möglichkeit, sie in den Tresoren der Geschichte zu verwahren. Wir müssen es jetzt, sofort, zu den äußersten Konsequenzen bringen. Sonst werden auch die unbewussten Werkzeuge der Revolution rostig.
Dies beweist auf andere Weise die Nutzlosigkeit von Entscheidungen, wie sie heute so selbstbewusst getroffen werden: Zusammenarbeit ist immer eine Frage der Parteizugehörigkeit, ja der Partei. Die Realität der Kämpfe kollaboriert nicht. Sie kann Menschen und Methoden instrumentalisieren, um sie dann am Rande, an der Stelle der Einsamkeit oder des erbarmungslosen Nachdenkens zu verwerfen. Aber all dies lenkt nicht vom Verlauf des sozialen Kampfes ab.
Es sind andere Dinge, die das Ergebnis ins Spiel bringen, andere Bewusstseinsebenen, andere Beteiligungen, andere objektive Veränderungen. Und im Auftreten dieser „anderen Dinge“ werden auch die ersten, die Unbedeutsamkeit der nun verrosteten Instrumente, trotz ihrer selbst aufhören, solche zu sein.
Sehr wenige Gefährten
Es werden nur sehr wenige von ihnen am Scheideweg der Entscheidungen stehen. Nicht wegen ihrer Verweigerung der Zusammenarbeit, sondern wegen ihrer Kritik an den Fehlern und Grenzen des bisherigen Handelns. Die Konstruktion ist eine relationale Tatsache, sie erlaubt keine Summen oder Subtraktionen. Budgets sind eine Angelegenheit für Buchhalter.
Diejenigen, die sich über die Möglichkeit der Unterdrückung der kapitalistischen Ausbeutung durch eine militärische Entscheidung – im Feld – Illusionen gemacht hatten, müssen jetzt erkennen, dass eine solche Mythologie nur dann verwirklicht werden kann, wenn sie die Form einer realen Ausbreitung der Konfrontation annimmt. Die ganze Prärie brennt, wenn der Wind von der niedrigen Seite weht, und der Wind ist nicht immer zu unserer Verfügung. Nun, wer das nicht versteht, kann sehr wohl nicht mitarbeiten, bleibt aber trotzdem von den Kämpfen der Zukunft abgeschnitten: eine Karyatide18, die auf Gedeih und Verderb an ihrem Platz festsitzt.
Jenseits der Partei
Jenseits der Partei, der libertäre, anarchistische, populäre und aufständische bewaffnete Kampf. Im Moment des Abstiegs, wenn sie sich vorbereiten, Waffen und Gepäck an diejenigen zu übergeben, die sie als Sieger anerkennen, genau hier verkünden sie entschieden die Unmöglichkeit dieser Art von Kampf.
Es ist mehr als sicher, dass diejenigen, die die Erfahrung des bewaffneten Kampfes innerhalb einer kämpfenden Partei gemacht haben, diese Möglichkeit nicht erkennen. Sicher ist aber auch, dass die anfänglichen Gründe, die damals eine operative Forschung in diesem Sinne blockierten, ideologischer Natur waren und sicher nicht strategisch oder taktisch. Es war die Seele des altmodischen Bolschewismus, die das Schema der „Iskra“19 und des Winterpalastes durchsetzte. Nicht die bewiesene Gewissheit der Unmöglichkeit einer anderen Methode des libertären Guerillakrieges.
Jetzt, im Moment der Zusammenarbeit und des Ausverkaufs, macht es keinen Sinn, ein kritisches Umdenken zu erwarten. In ihnen ist vielleicht ein Rest von gutem Glauben, die Lösung der Niederlage als einzige Möglichkeit zu sehen. Wie fängt man wieder an? Auf welcher Grundlage? Mit einem unbekannten Programm und Verfahren? Häufiger verabscheut oder verspottet? Um welche Perspektiven zu treffen? Mit welcher Glaubwürdigkeit? Das Eingeständnis der Niederlage nicht eines militärischen Projekts (was nur eine banale Tautologie wäre), sondern eines politischen Projekts? Es ist besser, sich für eine Zusammenarbeit zu entscheiden, um zu retten, was zu retten ist, und morgen wieder anzufangen und vielleicht die gleichen Wege zu wiederholen.
Das anarchistische Projekt
Wir haben schon oft darüber gesprochen, wie die Anarchisten den bewaffneten Kampf betrachten. Wir haben dies in Zeiten getan, die nicht verdächtig waren, als alles auf die heiße Luft der großen spektakulären Aktionen hinauslief, systematisch von den Medien für den Gebrauch und den Konsum des Plebs geschliffen.
Die Ablehnung vertikaler Strukturen, die nicht sektorübergreifende Zusammenarbeit, die Kontrolle innerhalb der Grenzen der Sicherheit, die Autarkie der Gruppen, die Wahl von Minimalzielen, die zugängliche Bedeutung dieser Ziele, die Kontinuität der Intervention, die fortschreitende Radikalisierung in den sozialen Sektoren, die Selbstinformation, die Propagandatätigkeit, die kritische Klärung, die Zirkulation von Ideen innerhalb der Bewegung, die Vorbereitung von Situationen der Propaganda, die Zwischenkämpfe, die Verbindung zwischen dieser Phase und der folgenden aufständischen Phase, die Versuche und die Ergebnisse der einzelnen Aktionen, die durch einen logischen Faden ohne unverständliche Sprünge miteinander verbunden sind, die Gleichheit aller Ebenen des Kampfes, der polyedrische Charakter der streng militärischen Dimension, die bipolaren Aspekte der organisierten Strukturen, die Fähigkeit, sich in jedem Moment leicht zu destrukturieren, die Kritik am Professionalismus, die Kritik an der Oberflächlichkeit, die Kritik am Effizienzismus, die Kritik am technischen Ökonomismus, die Kritik an den Waffen.
Der aufständische Ausgang
Gemeinsam mit den Leuten, mit den Ausgebeuteten im Allgemeinen, an den dazwischen liegenden Kämpfen teilnehmen: für Wohnraum, gegen Krieg, gegen Raketen, gegen Atomkraftwerke, für Arbeitsplätze, für die Verteidigung der Löhne, für das Recht auf Gesundheit, gegen Repression, gegen Gefängnisse usw.
Und dann setzen wir unsere organisatorische Stärke ein, um diese Kämpfe allmählich weiter und weiter voranzutreiben, hin zu einem möglichen aufständischen Ausgang.
Die Entwicklung der realen Bewegung ist in der Praxis ein Prozess der gewaltsamen Transformation der Klassenkonfrontation.
Mit intermediären Kämpfen kann die reale Bewegung sicher nicht unbegrenzt wachsen. Andernfalls wäre der Anarcho-Syndikalismus die beste Lösung, da er auch einen Export der Strukturen des Kampfes in die Gesellschaft von morgen und ihre Umwandlung in konstitutive Strukturen der neuen Gesellschaftsordnung vorsieht.
Tatsache ist, dass die dazwischen liegenden Kämpfe einen gewaltsamen Ausgang finden müssen, eine Sollbruchstelle, eine Linie, jenseits derer eine Erholung nicht mehr möglich ist, außer in minimaler und daher vernachlässigbarer Form. Aber um dies zu erreichen, muss der Prozess der gewaltsamen Transformation so allgemein wie möglich sein. Nicht in dem Sinne, dass sie notwendigerweise von großen Massenbewegungen ausgehen muss, die gewalttätig sind und das unmittelbare und greifbare Ergebnis verweigern, aber sie muss schon in der minimalen Dimension des Ausgangs die Idee und die Absicht haben, sich als Massengewalt zu entwickeln. Andernfalls wird die Rolle der spezifischen Bewegung wieder symbolisch, in sich selbst geschlossen, in der Lage, nur (bis zu einem gewissen Punkt) die Komponenten der Minderheit (oder, wenn sie es vorziehen, des Schlägers) zu befriedigen.
Der ethische Wert von Gewalt
Nur so machen Diskurse über Gewalt haben einen Sinn. Sicherlich nicht in der abstrakten Idiotie derer, die von einem absoluten Wert des Lebens sprechen. Was mich betrifft, ist das Leben der Ausbeuter und ihrer Diener keinen Cent wert. Und Unterschiede – wie sie gemacht wurden – zwischen dem Ende von Moro und dem von Ramelli zu machen, scheint mir ein fadenscheiniges Vorspiel für einen Diskurs der Entleerung.
Eine Anpassung der befreienden Gewalt an die Bedingungen des Konflikts ist nie möglich. Der Prozess der Befreiung ist seiner Natur nach exzessiv. In einem übermäßigen Sinn oder in einem mangelhaften Sinn. Wann hat man je gesehen, dass ein populärer Aufstand ins Schwarze trifft, indem er die Feinde, die gestürzt werden sollen, deutlich auswählt? Es ist eine Tigertatze, die reißt und nicht unterscheidet.
Natürlich ist eine organisierte Minderheit nicht das aufrührerische Volk. Da unterschieden wird, muss unterschieden werden. Aber es ist auch in dieser Verpflichtung zur Vorsicht gebeten, dass sie sowohl ihre eigene Grenze als auch den Sinn einer möglichen Öffnung findet. In diesem Sinne ist es etwas anderes als echte revolutionäre Gewalt, in diesem Sinne ist es ein „in vitro“-Experiment, in diesem Sinne kann es zu einem lächerlichen Sturm im Wasserglas werden.
Die Unterscheidung ist aber nicht in Bezug auf die Entschlüsselbarkeit der Aktion, sondern in Bezug auf ihre Reproduzierbarkeit zu treffen. Die beiden, wenn man so will, sind nicht getrennt, weil sie unterschiedlich sind. Die Dechiffrierbarkeit des Handelns ist eine andere als die, die die Minderheit selbst erreichen kann, da sie an die Intervention der großen Informationen und damit an die Verzerrungen der Macht gebunden bleibt. Die Reproduzierbarkeit ist eine immanente Tatsache der Aktion selbst. Die Macht, um sie zu entstellen, muss sie zum Schweigen bringen, denn selbst in den gewagtesten Kommentaren kann die Tatsache selbst – nackt und roh – nicht in Frage gestellt werden.
Wir haben daher dieses komplizierte Problem, dass ich wie folgt entwirrt:Der Angriff auf den Klassenfeind ist immer gerechtfertigt. Das Leben derer, die uns unterdrücken und uns am Leben hindern, ist keinen Cent wert. Dieser Angriff kann allgemein, also mit einer massiven Intervention der Leute, durchgeführt werden, und dann ist er nicht an den realen Bedingungen des Zusammenstoßes messbar: er fällt immer disharmonisch, übertrieben oder reduzierend aus. Das ist die maximale Dimension der revolutionären Gewalt, kreativ und destruktiv zugleich. Umgekehrt versucht man in einer Minderheitendimension immer, den Schlag zu messen, ihn an die realen Grenzen des Zusammenstoßes anzupassen. Jeder von uns glaubt, genaue Vorstellungen über den Grad des Klassenkonflikts zu haben und schlägt deshalb Rezepte vor und zieht Grenzen. Was uns in der Praxis leitet, ist die Entschlüsselbarkeit. Wir sind Pädagogen auf der Suche nach Jüngern. Stattdessen sollte die Reproduzierbarkeit der Maßstab sein, an dem man die Gewalt von Minderheiten misst, damit sie eben von der Minderheit verallgemeinert wird.
Der Rest ist Gerede von Priestern.
Das Vereinfachungsprojekt der Partei
Unter anderem sind wir der Illusion verfallen, dass die Partei das Modell, um die Aktionen zu erschaffen vereinfacht. Die Dechiffrierbarkeit wird dann den Propagandaorganen anvertraut, die horrende Plattitüden verfassen, die Proklamationen oder Programme oder Kommuniqués genannt werden. Die Sprache ist ebenso standardisiert wie die Aktionen. Alles wiederholt sich. Alles wird jedem familiär (außer den Leuten). Die Vertrautheit erwerben die großen Massen durch die Interpretation von Macht. Das Ergebnis sind vorgefertigte Aktionsmuster. Andere schauen zu und sind zufrieden mit dem Nervenkitzel des bezahlten Risikos. Das Modell findet ein Glücksfall, wie bei einem Krimi-Roman oder Horrorfilm. Aber niemand käme auf die Idee, einen Menschen in seiner eigenen Badewanne zu zerreißen, um zu sehen, wie es gemacht wird. Sowas sieht man lieber im Kino.
Und es ist nicht wahr, dass es um die Angst vor der Beteiligung geht. Viele Menschen gehen weitaus größere Risiken ein, wenn sie ein Lenkrad oder eine Spritze in der Hand halten. Es geht um die Entfernung. Es ist eine romantische Verzerrung der Realität. Es geht um eine Sakralisierung, die auf befreienden Praktiken aufbaut, die nichts Außergewöhnliches an sich haben. Ausgrenzungen, oft religiösen Ursprungs, die wir vielleicht nie ganz überwinden können.
Die Partei gibt vor, dies alles von außen zu klären, ein vorgekochtes Modell der Reproduzierbarkeit zu konstruieren. Sie erkennt auf diese Weise nicht, dass sie die gleiche Arbeit wie der Staat leistet. Vorschlag für eine verzerrte Verwendbarkeit. In der Distanz zum realen Umfang der befreienden Gewalt berühren sich die beiden Pole. Macht und Gegenmacht laufen parallel und unterstützen sich gegenseitig.
Von welcher Kommunikation ist die Rede?
Bei einem Diffusionsphänomen hätte sich die Brandwirkung des Beispiels ausbreiten müssen. Aber die Aktion blieb unentzifferbar. Es gibt wenig Initiative in dieser Richtung. Den Rest sollte das große Mittel der Information erledigen.
Aber was können diese ideologischen Vehikel der Macht vermitteln? Genau das, was die Macht will. Aber ist die Partei nicht selbst eine Mini-Macht, zumindest in der Entstehung? Und in der Tat, zumindest am Anfang, ging die Argumentation weiter. Die Macht selbst pumpt ein vergrößertes (und damit verzerrtes) Bild des realen Angriffs auf den Feind aus. Aber es war genau zu dem Zweck, die Furche zu graben, sie tiefer und tiefer zu machen. Die winzige Realität in der Entstehung in ein allgemeines und illusorisches Theater des Todes zu verwandeln, mit den zahlenden Zuschauern auf ihren Plätzen, mit der entsprechenden Atmosphäre des Schweigens und der Unsicherheit: alle Elemente des bourgeoisen Dramas. Dann, wenn der Abstand zwischenzeitlich zu groß geworden war, kommt der totale Verschluss, die Unterbrechung. In der Vorstellung des Gebrauchers dehnte sich der mysteriöse Sachverhalt ins Unermessliche aus. Irgendwas zwischen der Bonnot-Bande und Jack the Ripper.
Und die zaghaften Versuche der Verallgemeinerung? Der massenhafte Illegalismus, der hier und da stotterte? Die kleinen Praktiken der Sabotage? Die tausend Brände, die Hunderten von anonymen Mückenstiche, die eingeschlagenen Schaufenster, die wahrhaft proletarischen Plünderungen? Alles ausgelöscht. Kleinigkeiten für Wohltätigkeitsdamen. Wiegenlieder für abweichende Kinder. Vorstadt-Szenen. Im Zentrum (aber welches Zentrum?) spielte sich die große Hauptszene ab, in Partnerschaft mit dem Staat und dem Gegen-Staat.
Und doch gab es auch in dieser Hauptszene, mit all ihren Grenzen, die Keime der absurdesten Entartung und die Keime der möglichen Verbreitung im Territorium. Es hätte gereicht um den immer schwerfälliger werdenden Militarismus zum Schweigen zu bringen, die wortreiche Schrecklichkeit der Vergangenheit, die nun in die ebenso illusorische Schrecklichkeit der Streiks übergegangen war.
Aber dazu war echte Kritik nötig, keine Lippenbekenntnisse. Ein Feldtest, nicht auf dem Tisch der Anatomieinstitute. Ein Toter ist ein Toter, egal, wie man es betrachtet. Es ist notwendig, erst einmal anzukommen, parallel zu erschaffen, zu zeigen, nicht nur auf Risse und Brüche hinzuweisen, die niemand wahrhaben wollte.
Die anarchistische Beziehung zwischen der aktiven Minderheit und den realen Bewegung
Weder ein Bezugspunkt noch ein sicherer Tresor, der die Erinnerung bewahrt, welches die Bewegung selbst alleine auf die Reihe kriegen kann. Weder Planer von Strategien und Methoden noch ein Recyclingzentrum. Doch unabdingbare Voraussetzung des revolutionären Projekts. Bei der magischen Intervention von tausend Bedingungen wird das Warten unerträglich, oft sinnlos.
Man muss pushen, die minimalen Bedingungen erschaffen, damit das Ereignis eintritt, damit die Magie eines Geschehens sich verallgemeinert, sich ausbreitet, wie ein Knoten in der Kehle. Aber mit dem Gehirn und den Augen weit offen. Mit einem Projekt. Mit den unverzichtbaren Mitteln.
Aber es ist auch notwendig, dass das Projekt und die Mittel nicht das Wichtigste werden, das Einzige, wofür wir kämpfen. Ihre Wesentlichkeit kann niemals in Exklusivität umschlagen. Man muss auch wissen, wie man alles über den Haufen werfen kann. Nicht vorher, indem man wartet, dass das Ereignis von selbst eintritt, sondern nachher, wenn die notwendigen (sicherlich minimalen) Bedingungen nicht gegeben sind. Nicht die freie Reproduktion, weil man weiterleben muss. Wir sind anders als diese Geschichte hier. Wir gehen viel weiter, deshalb können wir immer wieder neu beginnen.
Sie sind ausschließlich das. Ein Theorem, das an sich selbst wächst. Ein monströses und kompliziertes Wirrwarr von Tautologien.
Die Ideologie der getrennten Kapitulation
Und die anderen? Von denen, die am nächsten dran sind, zu denen, die am weitesten weg sind? Von jenem Sub-proletariat, das so viel Schönfärberei inspiriert hat, nah, im selben Käfig, aber tausend Meilen entfernt aus eigenen, realen, Gründen der Opposition. Dem Proletariat im Allgemeinen, dem mythischen, aber auch dem realen, dem, das morgens früh aufsteht, das produziert, das sich mit der Systematik einer Stoppuhr umbringen lässt, dem, das weniger geschmeichelt wurde, aber das viel mehr Theorie erhalten hat, was beides sicherlich ebenso nutzlos ist. Man kann nichts dagegen tun. Die Kapitulation erfolgt getrennt.
Es macht wenig aus, dass der Kampf insgesamt weitergeführt werden sollte. Die Avantgarde ist nun vom Feind gefangen genommen worden. Man kann sagen, dass der Großteil der proletarischen Armee das Ereignis nicht einmal bemerkt hat. Sie schweigen und lassen sich weiterhin ausbeuten. Zur Hölle damit. Wir schicken auch den Rest zur Hölle, der vorgibt, seine Schlägertrupps aufzubauen, die sich für einen politischen Diskurs zur Verfügung stellen, sich dann aber als inkonstant erweisen, keine Aufträge annehmen, keine Theorien verdauen. Vorübergehende Allianzen, aber im Grunde nicht viel wert. Also machen wir allein weiter, einigen wir uns mit dem Staat und lassen die anderen im Gefängnis (oder in der Fabrik), solange sie wollen. 1.000 Jahre Einsamkeit, aber nur für sie. Schließlich sind sie undankbar.
Die Hölle ist mit solchen Argumenten gepflastert. Jeder Priester ist bereit, sich zu opfern, aber er verlangt eine Vergütung. Beginnend mit Paulus ist die Bedingung klar gestellt: Entlohnung und Knechtschaft. In dieser fadenscheinigen Argumentation verbirgt sich die geistige Reserve, dass das Proletariat (ob unten oder oben) als Manövriermasse, als Stoßtruppe, die von der kämpfenden Partei geführt und aufgeklärt wird, zu dienen habe. Zum Totlachen.
Doch wenn wir diese Geschichten in der Vergangenheit hörten, waren sie sehr ernst, ja sehr traurig.
Für sie wird der Grad der Konfrontation durch die Feuerkraft bestimmt, die sie auf das Schlachtfeld mobilisieren konnten. Sie begreifen nicht, dass, wenn das Proletariat sie in Stich gelassen hat, als sie Moro und seine Eskorte angriffen (und wie könnte es jemals eingreifen), sie ihrerseits das Proletariat in seinen tausend, ganz kleinen alltäglichen Aktionen in Stich ließ. In seiner kontinuierlichen Konfrontation. In seinem Leiden. Im Zusammenbruch seiner Träume, seiner Hoffnungen. In der tragischen Komödie, die es gezwungen ist zu sehen, gespielt von den verschiedenen Gewerkschaftern/Syndikalisten, Parteifunktionäre, Bossen, Dienern der Bosse usw..
Wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Schwierigkeit darin liegt sich dem Proletariat durch eine endlose Zahl von bewaffneten Konfrontationen anzuschließen (und warum sollten Waffen nur solche Dinge sein, die von Industrien wie Breda hergestellt werden?), sind wir gezwungen zu schließen, dass die bewaffnete Partei notwendigerweise alleine bei ihren Angriffen gegen einen oder hundert Ausbeuter sein musste. Nicht nur im physischen Sinne, denn das ist sekundär, sondern im politischen Sinne, im revolutionären Sinne, im Sinne des Projekts der Umgestaltung der Welt.
Hier taucht nun die Einsamkeit der Vergangenheit in der Ideologie der Kapitulation wieder auf. Jeder zieht an seinem Ruder im Boot. Das Proletariat hat sich schon vor langer Zeit das Ruder zu eigenen Gunst herangezogen . Warum sollte es sich an einem Projekt beteiligen, das es gar nicht gibt? Sie ziehen jetzt die Ruder. Der Staat ist in der Mitte, ein sehr parteiischer und interessierter Richter.
Das „in Klammern setzen“ als Verrat
Lasst uns für einen Moment innehalten und nachdenken. Jeder mit seinen eigenen Vorstellungen von damals, aber im heutigen Zustand. Um das Problem zu lösen, müssen wir den Klassenkonflikt in Klammern setzen, um einen Moment der idyllischen Aussetzung zu hypothesieren. Wir drinnen, der Rest anderswo, an einem Ort, der nirgendwo ist.
Neue Worte für eine Haltung, die so alt ist wie die Welt: Verrat. Man ist kein Verräter, weil man kritisches Licht, Vertiefung der Fehler, richtige Einstellung des zukünftigen Handelns will. Man ist ein Verräter, weil man sich selbst in ein Gefängnis sperrt, das viel schmutziger und schrecklicher ist als das schlimmste Benthamsche20 Gefängnis. Wir sind Verräter, wenn wir Barrieren zu denen aufbauen, die unsere gleichen Erfahrungen gemacht haben, das gleiche Brot gegessen haben, die gleichen Fehler gemacht haben. Wenn wir uns von dem Ziel, das wir uns gesetzt hatten, entfernen und es still und unverändert lassen, wenn wir ein Waschbecken suchen, um unsere Hände zu waschen.
Der Verräter von einst küsste auf die Wange. Der Verräter von heute hat Lakatos21 gelesen und spielt mit der Mehrdeutigkeit von Worten. Er weiß, dass Husserl von einer „Aussetzung des Urteils“ als methodischem Kanon zur Erkenntnis der Wirklichkeit sprach. Aber dieser schäbige „Realismus“ ist nicht einmal der des Ostens, der seine eigene bäuerliche Schwere hat, sondern der des Westens, der raffiniert ist, weil er in Leuven gelebt hat.
Auf geht’s, im Verrat kommen sich der deutsche Professor und der russische Bauer näher, wenn beide in der Partei Karriere gemacht haben. Jeder verwendet seine eigenen Mittel, das Ergebnis ist das gleiche.
Es gibt diejenigen, die eine Abkürzung nehmen: Sie singen sofort und verhandeln direkt an der Quelle. Es gibt die anderen, die den langen Weg gehen und sich mit komplizierten Konzepten herumplagen, um über einen Vermittler zu einer Einigung zu kommen. Es ist der gleiche Dreck.
Alle Ratten kommen früher oder später zurück ins politische Boot.
Ein Schritt zurück ist immer ein politisches Einverständnis mit der Macht. Ein Schritt nach vorne kann auch falsch sein, aber er hat eine soziale Wirkung. Manchmal nur marginal, in einem minimalen Ausmaß, aber was zählt, ist die Richtung, die Fahrtrichtung. Die Ratte kann sich ins Meer stürzen, um zu ertrinken, aber früher oder später findet sie den Weg zurück zum Boot. Ihr Instinkt rettet sie.
Die Verhandlung ist ein politisches Moment, wie der Krieg im Wasserglas. Wie der Waffenstillstand. Wie der Frontalaufprall und die Verschärfung des Klassenkampfes. Politik ist auch dies. Eine Kunst des Auskommens, während wir darauf warten, dass andere tun, was wir hätten tun sollen. Deshalb sind Ratten auch keine Maulwürfe.
Indem wir die Forderung auf ihr realistisches Minimum reduzieren, schlagen wir uns als Träger einer Alternative vor: viertausend Gefährten aus dem Gefängnis zu holen. Die Wichtigkeit des Ergebnisses drängt uns dann dazu, die Verschlungenheit des Weges zu überbrücken. Der Kampf kann nur politisch sein. Eine Plattform von Forderungen, nichts Unannehmbares, ein umschriebener Befreiungsprozess, der als die einzig mögliche Lösung für das Problem des gesamten Befreiungsprozesses ausgegeben wird. Im Grunde ist es das übliche Spiel der politischen Superrealisten. Reformen sind sofort umsetzbar. Revolution ist es nicht. Die Utopie stört die Träume der Herren, der reformistische Dialog versöhnt ihren Schlaf. Ihre aktuelle Angst ist die Anwesenheit von viertausend politischen Gefangenen in Italien, die mehr oder weniger mit einer Masse von 35.000 sogenannten gewöhnlichen Gefangenen in Kontakt stehen. Wer weiß, wenn erstere erst einmal aus dem Gefängnis entlassen sind, könnte es möglich sein, für letztere hervorragende Schulen zur sozialen Umerziehung zu organisieren, eine Art Halbdienst nach dem Gefängnis. Utopie für Utopie, das eine ist das andere wert. Der Phantasie von „Stück für Stück“ sind keine Grenzen gesetzt.
Als diese Ratten noch wie Adler kreischten, wäre solches Gerede mit Waffen erledigt worden. Aber das waren andere Zeiten. Nun, nachdem die Kerze abgebrannt ist, ist auch der Kerzenständer verloren.
Das unkritische Aufgeben des Militarismus
Nicht einmal ein Nicken. Feuer einstellen und das war’s. Wir müssen alle nach Hause gehen, denn der Krieg ist vorbei.
Aber wer und was wurde besiegt? Sicherlich nicht die echte Bewegung, die ihren Weg im Untergrund fortsetzt. Sicherlich keine Methode, die weder Niederlage noch Sieg erleiden kann. Eine Mentalität ist besiegt worden.
Und das nicht nur auf dem Terrain des bewaffneten Kampfes.
Aber die Kritik an dieser Mentalität ist oberflächlich und isoliert. Gegen monolithischen Militarismus haben sie wenig zu sagen.
Die alten Karyatiden22 und die alten Argumente
Deshalb besteht auch immer die Gefahr, dass alte Argumente neu präsentiert werden. Vielleicht als neu verkleidet.
Heute erleben wir eine andere Aufmachung des alten reformistischen Diskurses, einen Appell an alle, die die Bewegung wieder zum Atmen bringen wollen. Morgen werden wir Zeuge einer Wiederaufführung des alten leninistischen Zentralismus. Unhöflichkeit kennt keine Grenzen.
Theorie der Flucht und Theorie des Widerstands
Auf der Ebene der revolutionären Kritik sind Kapitulation und Ultra-Unbeugsamkeit gleichwertig.
Die Aussage sollte nicht überraschend sein. Wir sind hier, um uns mit schmerzhaften und schwierigen Problemen auseinanderzusetzen, nicht um Klischees nachzuplappern. Was wir brauchen, ist keine Art der Romantik, keine Treue zu den eigenen strategischen Entscheidungen. Wir müssen uns vorwärts bewegen. Deshalb wollen wir auch nicht weglaufen. Nicht, weil wir glauben, dass alles so gemacht wurde, wie es gemacht werden sollte, und dass deshalb in der besten aller möglichen Welten alles in Ordnung ist.
Weglaufen bedeutet, sich in Nachhutgebiete zu flüchten, wo die Revolution nicht nur in Worten geleugnet, sondern in Taten bekämpft wird. Die Alternative des zivilen Ungehorsams, des Reformismus, des Pazifismus, der Demonstrationen um ihrer selbst willen, ist nichts anderes als Ablassen, Dissoziation, Entfremdung, Weigerung, weiter zu kämpfen. Sich auf die Gesetze zu berufen, auf das Parlament, auf die Mittelsmänner des politischen Handels, dessen Bedeutung mittlerweile bekannt ist, bedeutet, das Blatt zu wenden, bedeutet Verrat.
Aber bei den alten Entscheidungen stehen zu bleiben, die unbestrittene Gültigkeit der Methode der bewaffneten Partei, die unvergängliche Zuverlässigkeit des Militarismus der Minderheit zu bekräftigen, ist auch eine Flucht, eben eine Flucht vor der eigenen kritischen Verantwortung. Vielleicht ist dieser letzte Weg angenehmer, er ist weniger abstoßend, er erweckt einen intimen Ausdruck der Solidarität, aber es ist nicht mit den Bewegungen der Seele, dass revolutionäre Bedingungen gebaut werden.
Ändern, um voranzukommen
Wir brauchen daher Kritik. Was wir brauchen, sind Methoden der Beteiligung, bei denen wir unsere Erfahrungen aus vergangenen Kämpfen einbringen können. Auf diese Weise ist es möglich, den bewaffneten Kampf der kommenden Jahre zu verstehen. Als ein in sich abgeschlossenes Projekt einer bestimmten Organisation hat er nicht einmal mehr jene minimalen Antriebsmöglichkeiten, die diese Erfahrung am Anfang – im Zustand des reifen Kapitalismus – hätte erahnen lassen können.
Wir müssen weitermachen. Die spezifische Organisation ist in Ordnung. Es ist kein Instrument, das ersetzt werden kann, denn es ist der direkte Ausdruck der spezifischen Bewegung, was eine unmittelbar operative Objektivierung des revolutionären Bewusstseins geben kann. Aber es muss ausschließlich auf den Dienst der Beteiligung gerichtet sein. Dem Grad der Kampfbereitschaft der Massen genau einen Schritt voraus zu sein, auf den spezifischen Terrains, in denen sich diese Kampfbereitschaft manifestiert, auch in kleinen Dimensionen, und seine Aktionen auf die erwähnten Fähigkeiten der Massen zu beschränken. Nicht mit voller Geschwindigkeit vorwärts zu fahren und für sich selbst Bedeutungen und Rollen anzunehmen, die nicht zu der spezifischen Organisation gehören.
In diesem Sinne gibt es noch eine Menge zu tun. In der Tat ist es notwendig, an zwei Fronten zu kämpfen. Einerseits gegen die militaristische Mentalität, die eine bestimmte Organisation nicht als umschrieben und begrenzt begreift. Andererseits gegen eine reformistische Mentalität, die selbst den kleinen Schritt nach vorn, den die spezifische Organisation zu machen hat, mit Misstrauen betrachtet und ihn als Ausflucht und Avantgardismus interpretiert.
In einem Versuch, diese Probleme zu klären, haben wir von Insurrektion gesprochen.
Im Vorschlag der Amnestie steht die Ablehnung voranzukommen
Es gibt keine Lösbarkeit des Problems innerhalb der kapitalistischen Struktur. Die Gefängnisse müssen vollständig und endgültig abgerissen werden. Wir können nicht um eine Teilbefreiung feilschen.
Natürlich können wir dem Staat unerträgliche Bedingungen aufzwingen, so dass er – von sich aus – zu einer Teillösung des Problems kommt. Aber das ist kein post-revolutionäres Feilschen, sondern ein Moment des Konflikts. Der Verzicht muss vom Staat kommen. Wir machen uns keine Illusionen, dass es sich um eine totale Kapitulation handeln kann, sondern um irgendeine Art der Abmachung. Dies, ist… Dies ist möglich. Und es muss die wirkliche Bewegung sein, die diese Abmachung durchsetzt, der Klassenkampf, nicht eine Minderheitenentscheidung, die sich an jene reformistischen Ränder klammert, die jede Gelegenheit nutzen wollen, um ihre Machtstrategien durchzusetzen.
Wir dürfen nicht diejenigen sein, die eine Amnestie für die viertausend politischen Gefangenen fordern. Wir müssen die Abschaffung des Gefängnisses für alle fordern (oder erzwingen?), die endgültige Aufhebung des Konzepts des „gefangenen Menschen“. Es ist im Prozess des Kampfes, diese Methode des „Alles und Jetzt“ durchzusetzen, dass der Staat beschließen kann, sich zu arrangieren, irgendeine juristische Teufelei zu gewähren, die auch Amnestie genannt werden kann, oder Begnadigung, oder Aussetzung der Strafe, oder Sozialarbeit, oder was auch immer. Es wird an uns liegen – basierend auf einer Einschätzung der Bedingungen der Konfrontation – zuzustimmen oder nicht.
Deshalb steckt in dem nackten und kruden Vorschlag der Amnestie der latente Wunsch, nicht weiterzumachen.
Der enorme moralische Druck von viertausend Körpern, die praktisch in Einsamkeit sterben, kann uns nicht dazu bringen, die Augen vor den Tatsachen zu verschließen. Wenn wir den Weg des Aushandelns von Plädoyers, des Verhandelns mit dem Staat wählen, werden wir sie nie wirklich herausbekommen. Wir werden viertausend Scheinfiguren von Frauen und Männern herausbringen, die in eine Dimension versetzt werden, in der sie immer die Gitterstäbe eines anderen Gefängnisses vorfinden werden: das Gefängnis ihrer eigenen Nutzlosigkeit, ihrer eigenen Entleerung, des Gefühls, ständig „anderswo“ zu sein, an dem Ort, an dem sie ihre Identität als Revolutionäre abgegeben haben.
Es ist notwendig, das schändliche Theorem zu stürzen, das vorgeschlagen wird: um die Befreiung der Gefährten zu feilschen, um den Kampf wieder aufzunehmen, in die logische und konsequentere Behauptung: um den Kampf wieder aufzunehmen, um die Befreiung der Gefährten durchzusetzen.
Aber diese Wiederaufnahme darf nicht die wahnhafte Wiederholung der monolithischen Modelle der bewaffneten Partei sein, sondern eine kritische Entwicklung in andere Richtungen.
Das trügerische Wesen der Reduktion des Staates auf den minimalen Repressionskoeffizienten
Abprallen, um besser springen zu können, ist ein altes französisches Sprichwort, das nicht zur Klassenkonfrontation passt. Wer zurückweicht, ist verloren. Der Staat lässt kein Zögern zu. Die Repression nimmt nicht ab, wenn sich die revolutionäre Aktion verlangsamt, sie verwandelt sich einfach. Sie wird vorsichtiger und durchdringender. Sie infiltriert auf sozialdemokratische Weise, sie lässt die Suche nach Zustimmung über den Knüppel des Polizisten siegen. Es stellt die Formalitäten der Rechtsstaatlichkeit wieder her. Denn diejenigen, die die Gesetze machen, handhaben sie immer so, wie sie wollen.
Mit dem Zögern über das zu befolgende Verhalten tun wir der Repression einen Gefallen. Wir geben ihm eine unerwartete Atempause. Kein Unterdrückungsinstrument kann lange halten. Kein Sonderrecht kann sich auf Dauer institutionalisieren. Früher oder später leidet der Konsens. Es ist dann notwendig, zur Normalität zurückzukehren. Der Staat ist der erste, der sich dieser Notwendigkeit bewusst ist. Und er wendet sich an die Vernünftigsten unter uns. Das ist ein überzeugendes Argument. Es verspricht nicht, aber es rät auch nicht ab. Es erlaubt einen Einblick. In der Zwischenzeit baut er nicht ab, er ändert die Richtung der Repression. Er unterstellt sie den Verlockungen der Wohlfahrt, den Versprechungen von Arbeit, den reformistischen Projekten.
Es ist nicht möglich, den Staat auf seinen minimalen Repressionskoeffizienten zu reduzieren. Wir können den Klassenangriff abbauen und damit dem repressiven Organismus eine sozialdemokratische Fassade erlauben, wir können so viele Schritte rückwärts machen, wie die Macht Pinselstriche für ihre eigene Schönfärberei macht, um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Sie [die Abschwörer] wollen sich innerhalb des Staates Freiräume schaffen, mit ihm um ein größeres Ghetto im Gegenzug für das jetzige kleinere Ghetto feilschen. Auf diese Weise geben sie vor, nicht ein Projekt widerzuspiegeln – was für die makroskopische Irrelevanz wirklich unglaublich wäre -, sondern eine Illusion, einen Standpunkt, der nichts mit dem Zustand der realen Bewegung zu tun hat. Sicherlich ist die Behauptung klug, aber sie verbirgt immer noch den Schein des Fortschritts, auch wenn sie das zweideutige und prätentiöse Kleid einer Arbeitshypothese trägt. Die Substanz bleibt dieselbe: Ein Erbe wird versteigert. Wir wollen helfen, die Versteigerung zu verhindern. Nicht, weil wir glauben, dass dieses Erbe für die Entwicklung der wirklichen Bewegung absolut unentbehrlich ist, sondern weil sein Ausverkauf erstens keine „Befreiung“ bringen würde und zweitens, weil dieses Erbe selbst einem kritischen Licht unterzogen werden muss und ein Ausverkauf en bloc keinen Sinn machen würde, er wäre die Exhumierung eines Willens, eines heiligen und lächerlichen Fetischs.
Die Gemeinschaften der Zukunft werden Gemeinschaften des Kampfes sein, deshalb können sie nicht durch politisches Feilschen geboren werden.
Diejenigen, die noch nie aus ihrem politischen Schneckenhaus herausgekommen sind, behaupten nun, sich auf eine lange Reise begeben zu haben. Sie geben eine alte Mentalität auf und eignen sich eine Neue an. Alles soll so verändert werden, dass alles beim Alten bleibt. Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln war (aber mit welchen Mitteln?); nun sollte die Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln sein. Wie viele Menschen werden auf diesen Trick hereinfallen? Schließlich hat die menschliche Naivität keine Grenzen. Jeder von uns glaubt immer, schlauer zu sein als der andere, und deshalb schlagen wir uns systematisch den Kopf an allen Ecken und Enden an.
Sie waren schon immer Politiker. Sie haben dem „Herzen“ des Staates den Krieg erklärt, jetzt wollen sie um Frieden und Kapitulation feilschen. All dies ist mehr als normal.
Aber die Tausende von Gefährten, die am Kampf teilgenommen haben, diese Tausende, für die es einen Kampf gab, mit all seinen Fehlern und Begrenzungen; dieses enorme Pulsieren der Hoffnungen, der Träume, der Freude, der unerfüllten Wünsche; dieses Ungeheuer mit tausend Köpfen und hunderttausend Armen, das das obszöne Universum der Bosse wirklich zum Zittern bringen konnte; all das wurde in ein Projekt eingekapselt, wenn auch mit einigen Variationen, ein einziges Projekt, das tragisch falsch war.
Nun liegt ein großer Teil dieses wunderbaren Pulsierens in Ketten. Wenn wir gemeinsam die Projektualität von morgen aufbauen wollen, müssen wir die Möglichkeiten einer spezifischen Bewegung erschließen, die in der Lage ist, Treffpunkte mit der realen Bewegung zu etablieren, an den Orten und Gefühlen, wo der Puls der letzteren für den Puls der ersteren spürbar wird.
Haltet ihr es für möglich, dass so etwas jemals aus einer vertraglichen Vereinbarung hervorgehen könnte?
Ein neuer garantistischer Betrug
Vom Staat wird ein Raum gefordert, in dem die Substanz dessen, was bleibt, vermittelt wird. Der Repressions- und Reproduktionsmechanismus sollte eine Aussetzung gewähren, die derjenigen gleichkommt, die sie – durch großzügiges Zugeständnis derer, die auf die Schnauze gefallen sind – dem Staat zu gewähren bereit sind.
In diesem Raum sollte die spezifische Bewegung mit dem grundlegenden Beitrag von Gefährten, die aus dem Gefängnis gekommen sind, wiedergeboren werden.
Der Staat sollte dann eine neue Fürsorgeaufgabe wahrnehmen: der Ex-Häftlingsbewegung eine Halluzination neuer Art zu verschaffen, Konstruierbarkeit im Fiktiven. Für diejenigen, die an die unglaublichsten Mystifizierungen der bewaffneten Partei, der kommenden Diktatur des Proletariats, des zu bewahrenden Gedächtnisses und so weiter gewöhnt sind, ist dieses neueste Märchen aus der Welt der Wunder vielleicht akzeptabel. Hoffen wir, dass Alice schlauer geworden ist.
Verfolgen wir eine mögliche Argumentation. Der Staat ist ein Regulator von Kontroversen. Er beseitigt das Grundlegende des Kapitals: die Konkurrenz, aber er löst sie nicht vollständig auf. Er macht eine ganze Reihe von anderen Kontroversen überflüssig: kulturelle, physikalische, logistische, mystische; aber er löst sie nicht auf. Jetzt sollte er auch den Widerspruch zwischen der spezifischen, gefangenen Bewegung und ihrer Seele auflösen, die – zu Recht – versucht, durch die Risse in den Gängen und den Stacheldraht zu entkommen. Aber der „Sozialstaat“ verlangt seinen Preis vom Kapital und den Individuen, die sich auf die Scheinlösungen einlassen (von der Beschäftigung der Registrierung über die selbstverwalteten Räume bis hin zum Fernsehen), das Gleiche würde mit der spezifischen Bewegung passieren.
Erinnert ihr euch noch an die alte und miserable Aussicht auf kleine selbstverwaltete Aktivitäten: wie handwerkliche Arbeit für Kindersachen, für Leder, für orientalischen Schnickschnack, die kitschige Mystik? Da, so etwas in der Art. Der Staat, der einen beträchtlichen Gewinn (im Sinne der Herstellung des sozialen Friedens) aus der endgültigen Kapitulation der spezifischen Bewegung zieht, warum sollte er es nicht auf sich nehmen, solche Initiativen zu finanzieren? Schließlich kostet es Milliarden, einen Pentito (Reuigen) sicher (oder fast sicher) unterzubringen, ihm ein Gesicht und eine Identität zu geben, ihm eine Rente zu gewähren, warum sollte nicht ein (oder hundert?) Parlamentarier bereit sein, ein solches Gesetz zu unterstützen?
Könnte es sein, dass sich auf dem Grund der Seele vieler Ultra-Fürchterlicher23 das milde Akkumulationsgefühl des Ladenbesitzers verbirgt?
Aber der Staat wird nicht um Geld gebeten, sondern um eine Garantie. Die Abgrenzung eines Raumes (wird gebeten), innerhalb dessen die Bewegung an anderen Projekten wiederbelebt werden kann.
Ist dieser Raum jedoch bei näherer Betrachtung dem Gefängnis nicht sehr ähnlich? Wären sie nicht Geister ohne Namen und ohne Identität, die im Universum der in Gallarate24 gefertigten Schmuckstücke, Ledertaschen und Samoware umherirren und ums Überleben kämpfen würden?
Definitiv nicht. Sie haben eine viel breitere Vorstellung von diesem Ghetto. Es handelt sich nicht um eine neue Art von kommerziellem Unternehmertum, sondern um eine politische Selbstverwaltung von Räumen, in denen das quantitative Wachstum der spezifischen Bewegung oder die Verbindung mit der realen Bewegung möglich ist. Eine infrastrukturelle Verzweigung, die so subtil und ausgeklügelt ist, dass sie jenen Netzwerken ähnelt, in denen die Cotechini25 von Modena gekocht werden.
Offensichtlich würde all dies den Geist der Partei wiederbeleben. Natürlich nichts gefährliches, sonst wäre der Kunde am Ende wirklich sauer. Ein einfaches und faires Spiel, eine neue Art von Oxymoron: Sagen wir eine Vertikalisierung des Horizontalen.
Aber wenn wir diesen Raum des Elends und des Überlebens aushandeln, was ist dann mit den anderen? Mit denen, die nicht einverstanden sind? Und mit den anderen, die noch weiter weg sind, aber trotzdem im gleichen Boot wie die Proletarier sitzen? Und mit den sogenannten gewöhnlichen Gefangenen?
Die klassenübergreifende Seele des Hyperklassismus
Die Zentralität von etwas ist für sie unverzichtbar. Gestern die Arbeiterklasse. Heute sie selbst. Natürlich nicht als Klasse, sondern als privilegierte Gesprächspartner des Staates, um jeden Rest von revolutionärem Widerspruch zum Schweigen zu bringen, für ein Verständnis außerhalb von allem, aufgehoben im Vakuum des Klassenübergreifenden.
Denn selbst wenn sie hyperklassistisch waren, hatten sie eine klassenübergreifende Seele. Das Zentrum war eine Führung, ein Element der Koagulation. Man könnte endlos Hypothesen aufstellen über einen progressiven Übergang von der Klassenassimilation zum unbegrenzten quantitativen Wachstum. Runter, bis ganz runter auf einen begrenzten Kern von Aggregationsverweigerern, die – schon a priori – als Konterrevolutionäre definiert sind. Natürlich war die Gewalt ein diskriminierendes Element, aber ein zufälliges, ein pädagogisches Werkzeug, ein Mittel der Kommunikation. Wenn man es verstanden hat, können sich die Dinge von selbst ergeben. Gut schütteln und loslegen. Der Schlag ins Herz des Staates.
Der Klassenkampf wurde von ihnen immer als ein mittelfristiges Projekt gesehen, etwas, das zwischen einer Herbst- und einer Frühjahrskampagne gelöst werden sollte. Darin lag ihre klassenübergreifende Bedeutung. Ihre Unfähigkeit, die zahllosen und subtilen Widersprüche des realen Klassismus, des sozialen Krieges, gut zu verstehen. die tausend Rinnsale, in die sich die Klassenfront aufteilt. Die Unmöglichkeit, die Guten auf die eine und die Bösen auf die andere Seite zu stellen.
Es war das Erbe des Simplifizierens der dritten Internationalen. Jetzt ist es derselbe Prozess, der angestoßen wird, um den Glauben an die politische Methode intakt zu halten. Die Nuancen werden im Abstrakten entdeckt, in der Welt des Feilschens mit der Macht, im Neo-Reformismus der selbstverwalteten Gemeinschaften, die nicht aus dem Kampf, sondern aus dem Kompromiss entstanden sind. In diesem Sinne sind sie alle hochgradig durchdringend und decken Zusammenhänge auf, die niemand sonst entdecken könnte. Im eigentlichen Sinne, der revolutionären Erkenntnis, sind sie grob und oberflächlich. Sie wiederholen immer das Gleiche: Niederlage und Kapitulation, Flucht und die Unausweichlichkeit, sich für besiegt zu erklären.
Sie sind altmodische Fabianer26, nicht einmal in der Sprache modernisiert. Neo-Sozialisten des Gesellschaftsvertrages, sie sehen nicht einmal wie gefallene Engel vom Himmel aus. In diesem Sinne haben sie nie einen Versuch gemacht, ihr Flug war immer unbeholfen und ohne Horizont. Ein vergebliches Hüpfen zwischen verpassten Gelegenheiten.
Die unbegehbare Straße der Unschuld
Zumindest in einem Punkt sind wir uns einig: Es ist nicht möglich, sich für unschuldig zu erklären. Nicht technisch, nicht von einem revolutionären Standpunkt aus.
Sieht man von den wenigen Fällen ab, in denen eine bestimmte Tatsache bestritten wird, die man zweifelsfrei beweisen kann, so führt die Unschuldstuerei in den meisten Fällen zur Distanzierung von den anderen Gefährten, zum Elend, sich anderweitig zu äußern.
Und es ist offensichtlich, in welche Gemeinheit diejenigen verfallen sind, die zu diesem Versuch der Entfremdung gegriffen haben: die Ablehnung nicht so sehr der eigenen Verantwortung, sondern des eigenen revolutionären Weges, der eigenen Ideen. Arme Hoch als Symbol der befreienden Freude, oder im Zeichen der bedingungslosen Kapitulation?
Das Mitleid mit diesem Elend wächst, wenn man sieht, wie peinlich genau diejenigen, die die völlige Unschuld zum Reisepass gemacht haben, um die Mauern des Gefängnisses zu überwinden, sich bemühen, das Unbeweisbare zu beweisen. Auf welche Begründungen und Floskeln sie sich stützen.
Und dann, selbst aus den Tiefen des Elends einer solchen Position, ist das Ergebnis nicht unbedingt garantiert. Ein Weg der individuellen Verleugnung jeglicher Beziehung überzeugt selbst den oberflächlichsten Inquisitor nicht.
Außerdem sind wir alle für unseren Traum, in den Himmel zu kommen, verantwortlich. Wir können uns jetzt nicht in Zwerge verwandeln, wenn wir, Ellbogen an Ellbogen, jeder den Herzschlag des anderen spürend, davon geträumt haben, die Götter anzugreifen und zu besiegen. Es ist dieser Traum, der die Macht erschreckt. Es zu leugnen, hieße, die Gemeinschaft der süßen Gefühle zu leugnen, die uns zusammenhielt, als wir uns für den Aufstieg entschieden, auch wenn wir weit voneinander entfernt waren, auch wenn wir uns selbst nicht kannten, auch wenn wir – an der Grenze – starke kritische Ausgrenzungen hatten. Es zu leugnen ist einfach feige.
Auf einem anderen Weg ist die Unschuldsvermutung eine Anerkennung des Staates, ein Vertragswesen, so wie diejenigen, die einen Weg zur Amnestie für politische Gefangene suchen. Das unschuldige Selbst ist Schuld des anderen, das Prinzip, dass man anders war, nicht, dass diese oder jene Tatsache nicht so zustande gekommen ist, wie der Untersucher behauptet, sondern einfach Fremdheit und Abschwörung.
Niemand kann neutral sein, wir alle sind schuldig an der Verwaltung und Ausarbeitung jenes Klimas, das uns damals erregte und überwältigte. Selbst die kritischsten unter uns können keine verfassungsrechtliche Unschuld behaupten. Es ist genau dieses Klima, das für den Staat schuldig ist. Und das müssen wir einfordern. Unsere Kämpfe gegen die Repression, gegen die Gefängnisse, gegen die Ausbeutung wurden nicht geträumt. Die Macht weiß das. Ihre Polizisten kennen uns genau. Das ist der große Vorwurf, der uns alle eint.
Und dann bedeutet es die Anerkennung des repressiven Mechanismus: das Gericht an erster Stelle. Es ist in Ordnung, dass der alte Pselbstbezichtigende Prozess beiseite gelegt wurde, der übrigens zum Arsenal der militaristischen Perspektive des bewaffneten Kampfes gehört. Aber von hier bis zur Anerkennung der Legitimität der von den Gerichten ausgeübten Justiz ist der Schritt beträchtlich.
Die gerichtliche Konfrontation
Der Staat hat nie juristische Glaubwürdigkeit gehabt. Die Kanonen seiner Legitimation sind die, die aus der Gewalt abgeleitet werden. In diesem Sinne ist die Realität der Gerichte eine lächerliche Farce, die uns nicht beschäftigen sollte. Das Gleichgewicht der Kräfte – wenn wir dazu in der Lage sind – wird an anderer Stelle wiederhergestellt. In der realen Bewegung. Andernfalls ist jeder Diskurs von vornherein ein Verlierer.
Es gibt natürlich Grenzfälle, in denen es möglich ist, genaue Tatbestände der Fremdnützigkeit nachzuweisen. Diese müssen bis zum Ende ausgenutzt werden, um die Macht zu zwingen, ihre eigenen Regeln zu respektieren und deren Nichtbeachtung anzuprangern. Oft funktioniert das System, genauso oft aber auch nicht. Ein Versuch ist es aber wert.
Dann gibt es die allgemeine Propaganda, die darauf abzielt, den unglaublichen Widerspruch zwischen dem Gesetz und seiner repressiven und inquisitorischen Anwendung zu demonstrieren. Dies ist von Nutzen. Der fortschrittliche Bourgeois spürt, wie die Adern in seinem Hals anschwellen, wenn er so etwas bemerkt. Lärm schadet in dieser Angelegenheit nie.
Aber wir dürfen uns auch untereinander keine Illusionen machen. Wir wissen ganz genau, dass sowohl die Regeln des Rechts als auch die Wut der bourgoisen Fortschrittsfanatiker selbst relative Fakten sind. Die Gerechtigkeit liegt immer in den Händen des Stärkeren.
Die sogenannten Pentiti/Reuigen
Der Staat hat sich mit einer Handvoll armer Maschinengewehrschützen geeinigt, die sich zufällig in einem Erschießungskommando aus Gefährten wiederfanden. Ein Übel der wahllosen Rekrutierung? Defekte des Mythos der Quantität? Verzerrungen der militärischen Logik? Menschliches Elend? Was bedeutet es, zu spezifizieren. Wenn die Zeit kommt, werden wir uns mit diesen Menschen arrangieren.
Für den Moment müssen wir verstehen, dass der Staat keinen Rechtsgrundsatz verletzt hat, indem er mit den Verrätern übereinstimmte und lebenslange Haftstrafen gegen das Leben der Gefährten aushandelte. Es ist mehr als normal. Für diejenigen, die es nicht wissen, alle Staaten haben einen speziellen Organismus, der aus Spionen besteht (der Geheimdienst) und wenn nötig ist jeder gute Polizist ein ausgezeichneter Spion. Dass nun die Zahl dieser guten Leute zugenommen hat, sollte nicht überraschen.
Das Wunder kommt von denen, die sich einbilden, es gäbe einen „Rechtsstaat“, das ideale Gegenstück zu der Ware, die sie verkaufen wollen. Sie sind genau diejenigen, die am lautesten darüber schreien, dass der Staat die pentiti, die Dutzende von Morden gestanden haben, vor die Tür setzt und ihre Gefährten, die nichts gestanden haben, drinnen hält. Aber warum sind sie überrascht? Aus der einfachen Tatsache heraus, dass es zumindest peinlich ist, an eine Einigung mit denen zu denken, die nicht einmal ihre eigenen Regeln respektieren. Was würde passieren, wenn nach den neokontraktualistischen27 Versuchen und mehr oder weniger legalisierten Versprechen die Pakte nicht eingehalten werden?
Das Witzige an jedem Vertrag ist sein synallagmatischer28 Aspekt. Für eine vertragliche Vereinbarung braucht es zwei Personen. Aber es ist auch notwendig, dass keiner von beiden ein professioneller Betrüger ist.
Die Antwort wird sein, dass der Staat seine Pakte mit den pentiti respektiert hat. Ja, aber er hat seine eigenen Gesetze nicht beachtet, nach denen eine Katze eine Katze ist und niemals ein Kaninchen werden kann. Aber Gesetze können geändert werden. Dasselbe gilt für Verträge.
Der Staat wird die Vereinbarungen mit diesen neuen Unternehmern der sozialen Selbstghettoisierung nur dann respektieren, wenn diese Vereinbarungen einer effektiven Senkung des Niveaus der Konfrontation entsprechen. Die neue Infrastruktur, die sich abzeichnet, muss sozialen Frieden schaffen. Denken wir darüber nach, wie diejenigen, die gestern in der ersten Reihe der Demos marschierten und die fortschrittlichsten Aktionen (von einem bestimmten Standpunkt aus gesehen) durchführten, heute eine solche Aufgabe erfüllen. Denkt daran, was einige Leute, die gestern noch die befreiende Gewalt des Proletariats theoretisierten, heute sagen und tun. Sie sitzen auf den obszönsten Bänken, Mumien neben anderen Mumien, und reden über Frieden, während andere über Krieg reden. Sie sind sehr nützlich für den Staat. Aber sind sie nützlich für die Revolution? Sicherlich nicht.
Seid vorsichtig, Gefährten. Die Abschwörung hat viele Wege. Einige eindeutig abstoßend, andere eher erträglich, geschmückt mit dem Anschein eines gesunden Reformismus, voller nichtssagender Worte, die nur dazu geeignet sind, ein Feigenblatt vor die eigene Scham zu legen.
Zumindest die wirklichen pentiti, diejenigen, die Dutzende von Gefährten en bloc verraten haben, wissen, was sie erwartet: heute eine falsche Freiheit, ein ebenso falscher Pass, eine falsche Identität; morgen eine Kugel in die Stirnmitte. Die Neokontraktualisten wissen nicht, was sie erwartet: weder an der Front der Beziehungen zum Staat noch an derjenigen der Beziehungen zu den Gefährten.
Von wem und von was lossagen/abschwören (dissoziieren)
Es macht Sinn, aufzugeben, wenn ein Projekt in der Umsetzungsphase ist. Wir können mehr oder weniger mit dem Projekt einverstanden sein. Man kann im Verlauf der Dinge eine ganz andere Tatsache sehen als die, die uns anfangs zum Handeln gedrängt hat. Und in diesem Zusammenhang unterlässt man es, sich der Kritik zu stellen. Die Gründe für Meinungsverschiedenheiten werden vertieft. Wir messen diese mit unseren Gefährten an der Realität der revolutionären Perspektiven,und wir treffen Entscheidungen.
Aber wenn es der Staat ist, der dich zum Aufgeben auffordert, der dir eine reiche Belohnung für deine Kapitulation anbietet, dann ist die Sache anders. Ihr werdet nicht um Kritik gebeten, sondern um Abschwörung. Es gibt nichts, wovon man sich lossagen könnte, nicht zuletzt, weil es auf der operativen Ebene nichts gibt, was für das Projekt der bewaffneten Partei von Bedeutung wäre. Es kann zukünftige Entwicklungen in einem anderen Sinne geben, in der Konstruierbarkeit des libertären Modells der bewaffneten Konfrontation. Und unter diesem Gesichtspunkt bist du aufgefordert, aufzugeben.
Hier liegt die Gefahr und Schwere der Auforderung. Viele Gefährten halten die modellbezogene Irreduzibilität/Unvershöhnlihckeit für einen Irrsinn eines unkritischen Festhaltens an Positionen , die die Realität als unzeitgemäß erwiesen hat. Und dieser Gedanke von ihnen ist richtig und vernünftig. Aber sie reflektieren nicht, dass die Abschwörung auf der Ebene möglicher zukünftiger Auswege abverlangt wird und nicht auf der Ebene der gegenwärtigen Frage die Art und Weise, den Klassenkampf zu begreifen.
Daher kann man sich zu keinem autonomem Verhalten bei der Abschwörung bekennnen. Die einzige Perspektive ist die Kritik. Es spielt keine Rolle, ob dies seitens des Staatsorgans auf Belohnung oder Gleichgültigkeit stößt, ebenso wie es keine Rolle spielt, wenn es mit einer Unbeugsamkeit/Unversöhnheit in einen Topf geworfen wird, die bei aller moralischen Klarheit keine revolutionäre Grundlage mehr hat.
Ein nicht existentes Projekt lässt also keine Abschwörung oder Lossagung zu. Wir können nur ein anderes Projekt entwickeln, das dem ersten kritisch gegenübersteht und in sich selbst schlüssig ist. Aber diese Entwicklung kann nicht von einer Entfremdung ausgehen, die den Staat als Auftraggeber hat, sie muss von einer Analyse der gegenwärtigen Ebene der Klassenkonfrontation ausgehen. Die revolutionäre Solidarität ist zweifellos eine Tatsache von großer moralischer Bedeutung, aber sie kann keine Planungsgrundlage für die zukünftige Entwicklung der konkreten Bewegung sein. Andererseits aber auch nicht die Entsolidarisierung.
Es ist keine Frage der Entfernung. Es ist eine Frage des Weges. Wir gehen auf die Klassenkonfrontation zu. Im der anderen Richtung gibt es Menschen, die sich davon wegbewegen. Wer den Kampf fortsetzen will, muss erwachsen werden. Zunächst einmal kritisch. Deshalb müssen sie (A.d.Ü., die Leute, die den Kampf fortführen) die Unbeugsamkeit als perversen Mechanismus einer Reproduktion des Nicht-Existierenden isolieren. Aber sie müssen auch den Neokontraktualismus isolieren, als einen ebenso perversen Mechanismus des Ausverkaufs und der Resignation. Beide Wege führen nicht zur Befreiung, beide führen nach Rom.
Wir beanspruchen unsere Kämpfe als Anarchisten
In Zeiten des Ausverkaufs bekräftigen wir erneut unseren Kampf für die totale Befreiung, jetzt und sofort. Deshalb haben wir auch jenes hyperbolische Projekt unterstützt, das a priori erklärte, die Befreiung nicht in unserem Sinne zu verstehen. Denn es war möglicherweise ein Irrweg, ein Versehen im negativen Sinne für sie und im positiven Sinne für uns. Dieses Versäumnis ist nicht eingetreten, aber wir waren nicht die Totengräber, die den Untergang ankündigten. Andere haben im Vorfeld leichte Anathema29 gewebt, leichte Kritik an Blechpistolen. Wir hatten Recht. Der Fehler lag nicht in der Unzulänglichkeit der Mittel, sondern in der Unmöglichkeit der Methode.
Und wir haben die Kritik direkt in das Organisationsprojekt getragen. Die nicht bei Worten stehen bleiben, wie die Schreiberlinge, die Analysen produzieren wie Fiat Autos produziert. Von innen heraus haben die Fehler der anderen auch ein gnadenloses Licht auf unsere eigenen Fehler geworfen, und wir hatten auch Momente des Aussetzens, der Selbstliebe, des Fahnenschwenkens, der Verteidigung des Prinzips. Aber das war wenig im Vergleich zu der Arroganz, die auf der einen Seite grassierte, und der erbärmlichen Duldsamkeit, die in leichte und oberflächliche Kritik auf der anderen Seite umschlug.
Es ist nun an der Zeit, andere Wege zu gehen. Diejenigen, die von sich aus um eine Klammer gebeten haben, ohne den Mut zu haben, sie als eine von vielen geteilte Haltung zu diktieren, bleiben am Feuer hocken. Wir bestehen darauf, nach draußen zu gehen, in den Nebel und die Kälte. Draußen, wo man nie mit Sicherheit sagen kann, was wir zu tun haben und wohin wir zu gehen haben.
…und die Anwendung von organisierter Gewalt gegen Ausbeuter aller Art…
In Zeiten wie diesen, in denen die Vögel tief fliegen, gibt es nur noch wenige, die eine Revolution für möglich halten. Es ist immer leicht, einige auserwählte Seelen zu finden, die über Revolution „reden“, aber nur sehr wenige versuchen, etwas Konkretes im richtigen Sinne zu tun.
Solange es Gespräche gibt, sind sich mehr oder weniger alle einig. Wenn es zur Aktion kommt, selbst minimal, peripher, mikroskopisch, dann beginnen die Unterscheidungen. Man muss warten, bis immer etwas anderes passiert. Dass irgendwo das Zeichen der Reife der Zeit eintrifft. Und ängstlich werden die Himmel befragt und die Bäuche der Vögel geöffnet, aber die guten Wünsche werden nie ausgesprochen.
Wir bekräftigen hier unsere stumpfe Überzeugung, dass die Anwendung von organisierter Gewalt gegen die Ausbeuter, auch wenn sie den Aspekt einer Minderheit und einer begrenzten Aktion annimmt, ein unverzichtbares Instrument des anarchistischen Kampfes gegen die Ausbeutung ist.
Unser Konzept der proletarischen Gerechtigkeit
Auch in diesem Sinne, in der vorherrschenden kritischen oder skeptischen Haltung, die sich in der bitteren Erkenntnis niederschlägt (aber für wen?), dass es keine „Gerechtigkeit“ in den Fängen des Staates gibt, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es keine proletarische Gerechtigkeit gibt und wir kein Interesse daran haben, dass es sie gibt.
Auch hier sind wir nicht einer Meinung. Wir halten es für richtig, an die Ausbeuter und ihre Handlanger zu erinnern. Sich daran zu erinnern, wenn der passende Moment kommt, wenn es möglich sein wird, in Begriffen der Zerstörung der bourgeoisen Gerechtigkeit und des Aufbaus der proletarischen Gerechtigkeit zu diskutieren. Nicht, um modifizierte alte Gerichtssäle wiederzubeleben und neue Richter, neue Gefängnisse und neue Staatsanwälte zu installieren, sondern um die Verantwortlichen einfach hinzurichten. Hinzurichten heißt hier genau genommen, ihnen einfach einen Kugel zwischen die Augen zu schießen.
Sollte eine aufrichtige Seele dieses Programm für übertrieben halten, sollte sie versuchen rechtzeitig, die Pfoten aus dem Wasser zu bekommen, sie könnte sich eine Erkältung einfangen. Wir sagen diese Dinge heute, in Zeiten, die auch – auf andere Weise – nicht verdächtig sind, nicht um in die Reihe derjenigen Extremisten aufgenommen zu werden, die das Fortschrittlichste sagen können, sondern weil wir von der Notwendigkeit eines solchen Vorgehens fest überzeugt sind.
Als die Revolution 1917 in Russland erwachte, organisierten die anarchistischen Gefährten die systematische Erschießung aller Bahnhofsvorsteher auf der Strecke Petersburg-Moskau, weil sie für die Denunziationen von 1905 verantwortlich waren, die Tausende von anarchistischen Eisenbahnern ins Gefängnis gebracht hatten. Diese Gefährten wollten keine pädagogische Theorie anwenden, sie wollten den anderen Bahnhofsvorstehern oder den Leuten im Allgemeinen nichts beibringen, sie wollten nicht einmal die schmutzigen Roben der Richter eines angeblichen Gerichts der proletarischen Gerechtigkeit tragen: Sie hatten nur das bescheidene und begrenzte Ziel, alle Bahnhofsvorsteher, die für die Denunziationen verantwortlich waren, auf der Stelle zu erschießen. Nicht mehr und nicht weniger.
Das ist es, was wir mit proletarischer Gerechtigkeit meinen.
…und das Recht, sich an Verräter zu erinnern…
Das auch. Denn es soll niemand mit irgendeiner verworrenen Geschichte mit Rechtfertigungen für ein bestimmtes Verhalten kommen, das von der Notwendigkeit diktiert wird. Wir wissen nicht wirklich, warum, aber unter uns gibt es immer irgendeinen ethischen Theoretiker, der Zweifel an dem Recht hegt, Verräter zu beseitigen. Und die Diskussion beginnt immer mit dem üblichen Geschwätz über die Todesstrafe.
Es stellt sich nun sehr oft die Frage, ob Staaten das Recht haben, eine Person zum Tode zu verurteilen, von der sie glauben, dass sie für bestimmte Verbrechen verantwortlich sind. Und wir kämpfen gegen die Todesstrafe. Dies ist ein sehr gerechter Kampf, der darauf abzielt, die repressiven Maßnahmen der Staaten zu begrenzen. Das heißt aber nicht, dass ein Staat, der die Todesstrafe abgeschafft hat, ein „Rechtsstaat“ ist. Einen solchen Zustand gibt es nicht. Es ist juristische Phantasie und nichts weiter. Es gibt Staaten, die ein anderes Machtgleichgewicht haben, wie zum Beispiel der sogenannte demokratische Staat, und innerhalb dieses Gleichgewichts ist kein Platz für die Todesstrafe. Manchmal sind wir es selbst, die diesen Raum mit unseren Garantie- und Reformkämpfen verkleinern, und es ist gut, dass dies der Fall ist, weil wir diktatorische und repressive Ambitionen eindämmen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Staat seine Gesetze auf Gewalt und nicht auf Recht gründet.
Zu gegebener Zeit, im Verlauf der Revolution, und selbst bei den ersten Andeutungen davon, haben wir nicht die Absicht, unsere Kraft an die Stelle der staatlichen zu setzen und damit eine Gegenmacht zu errichten, die ihre eigene Rechtsauffassung zur Hinrichtung von Verrätern durchsetzt. Wir wollen nur diesen Prozess der proletarischen Gerechtigkeit durchführen, ohne dass eine Theorie des revolutionären Rechts entwickelt wird, um sie [die proletarische Gerechtigkeit] zu rechtfertigen. Wir werden keine Rechtfertigung brauchen. Es sind die Tatsachen, die diese Leute begangen haben, die für sich selbst sprechen werden, nicht die a priori Gesetze, die wir machen werden, um ähnliche Tatsachen im Allgemeinen zu unterbinden. Diese Gesetze werden nicht von uns gemacht (wir machen nicht einfach Gesetze), diese Gesetze sind seit Jahrtausenden in den Herzen der Menschen, und darin lesen wir, dass Verräter beseitigt werden müssen.
… in unseren Fehlern lag nicht die Erstickung der Gewissheit
Wir haben sie nicht in „gutem Glauben“ begangen. Wir wissen nicht, was guter Glaube ist. Wir haben sie begangen, weil wir wussten, dass wir sie begehen, aber es in einem bestimmten Moment für opportun hielten, einen Irrtum statt einer Wahrheit zu wählen, die nur a priori auf Kritik beruht.
Alle Anarchisten kennen aus alter Erfahrung den tragischen Irrtum der Partei und der leninistischen Konzeption. Aber unsere Kritik, die mit dem konkreten Auftauchen solcher Erfahrungen konfrontiert ist, hat sich nie in der Abstraktheit von Prinzipien bewegt. Wir haben es vorgezogen, sie in der Konkretheit der Handlungen, in der eigentlichen Schwierigkeit der spezifischen Organisation, inmitten der Widersprüche des Tuns zu führen. Und in diesem windgepeitschten Gebiet trafen wir Gefährten mit großem Mut, mit großem Herzen, die fähig waren, dem Kampf mit Gelassenheit entgegenzutreten, auch wenn der Ausgang mehr als ungewiss und die verfügbaren Mittel mehr als zweifelhaft waren. Und das lag daran, dass wir Vertrauen in andere Gefährten hatten, in die Möglichkeit, dass ein Irrtum auf dem Weg plötzlich zu einer sachlichen Kritik werden könnte, die in der Lage ist, Pläne und Doktrinen umzustoßen, Mumien und Programme zu erschüttern. Das war nicht so. Aber wäre es anders gewesen, wenn auch wir das mürrische Gewand des politischen Zensors getragen hätten? Hätten auch wir eine Kritik an Effizienzismus und Doktrinärismus entwickelt?
…unsere Thesen über Kreativität, Subversion, Freude…
Doch selbst beim Aufzeigen der Güte der Richtung haben wir eine Zeit, für eine lange Zeit, ganz unterschiedliche Kritiken und Projekte entwickelt. Wir wiesen darauf hin, dass die Freude nicht an der Basis dessen zu finden war, was sie taten, und auch nicht an der Basis anderer Aktivitäten, die infolgedessen im allgemeinen Klima schließlich stark in die Richtung konditioniert wurden, die sie dem Kampf aufzwangen. Und da -wir- keine Freude finden konnten, fehlte die erste Grundlage des Kampfes selbst, die Kreativität unserer Intervention, die subversive Substanz des Projektes, das wir trugen.
Selbst in makroskopischen Grenzen mussten diese Elemente in unserer revolutionären Arbeit vorhanden sein, sonst waren wir gezwungen, das, was wir taten, nur aus dem guten Grund zu akzeptieren, dass wir es waren, die es taten. Es konnte nicht funktionieren. Und es hat nicht funktioniert.
In diesem Sinne, in der Erfahrung vergangener Beschränkungen, bereiten wir uns auf einen Neuanfang vor.
Die separate Lösung gibt es nicht
Je mehr wir über die vergangenen Bedingungen der Konfrontation nachdenken, je mehr wir sehen, wie die gegenwärtige Situation das Produkt vergangener Fehler ist und sich als eine mögliche Öffnung nur unter der Bedingung darstellt, eine operative Kritik einschließen zu können, desto mehr erkennen wir, dass es keine separate Lösung für das Problem der Gefährten im Gefängnis gibt.
Akzeptiert man eine Verhandlung, wie sie von den Neokontraktualisten vorgeschlagen wird (Amnestie, ein festgelegtes Paket an Haftjahren, das für alle gleich ist, eine Zeit sozialer Arbeit außerhalb des Gefängnissesusw.), müsste man zahlen, indem man seine ganze Vergangenheit in die Waagschale wirft.
Das würde die Ablehnung der Revolution bedeuten, die Ablehnung der Anarchie, die Ablehnung der eigenen Identität als Frau und als Mann, die Ablehnung der eigenen Zukunft.
Die einzige Lösung ist daher die Fortführung des Kampfes. Natürlich auf eine kritische Art und Weise, mit anderen Zielen und Methoden, die der aktuellen Situation angemessen sind, aber der Kampf wird fortgesetzt.
Das Gefängnis in allen Interventionen: ein qualifizierender Moment der Konfrontation
Das Aufbrechen des Sektierertums muss der Aussagekraft der Kampfthemen entsprechen, sonst wird es zu einer banalen methodologischen Formel. Wenn wir uns darauf beschränken, die Leute darüber zu „informieren“, wie schlecht die Macht ist, können wir nicht alles in einen Topf werfen, und so sind wir sofort geneigt, die schlimmsten Verfehlungen zu graduieren, um spezifischer und damit prägnanter zu erscheinen.
Wenn wir mit Menschen über Atomkraft sprechen, können wir sicherlich das Problem unserer Gefährten im Gefängnis einbringen, aber wir tun es nicht immer: Wir sehen Tod und Zerstörung, atomare Verseuchungen, das Ende des Lebens auf der Erde, Krieg und apokalyptische Konflikte voraus. Die Menschen sind beeindruckter, und wir sind fasziniert von der Tatsache, dass wir es schaffen, Menschen zu beeindrucken.
Die Gegeninformation hat als ihr eigenes Schicksal, immer sektorisiert zu sein. Heute dies, morgen das. Am Ende wird man zum Spezialisten für Antimilitarismus, für Arbeitsprobleme, für Gefängnisprobleme, für Feminismus, für die Wohnungskampfbewegung usw.
Wir müssen uns also über zwei Dinge im Klaren sein: a) es ist nicht möglich, allumfassende Gegeninformationen zu haben; b) wir können die verschiedenen Themen nicht in einen Topf werfen, sonst werden wir von den Leuten nicht verstanden.
Aber es gibt auch eine andere Sichtweise. Fokussierung auf ein Problem (sagen wir z.B. das der Nachbarschaft) und Verbindung der Probleme, die um dieses herum angesiedelt sind. Man wird dann bemerken, dass wir, obwohl wir keine Abhandlung über das Thema machen wollen, es schaffen, das Problem unserer Gefährten im Gefängnis einzubeziehen. Aber nur unter der Bedingung, dass wir nicht bei einfachen Gegeninformationen stehen bleiben. Wenn wir uns auf diese erste Stufe der revolutionären Intervention beschränken, wird das Problem des Gefängnisses von außen in die Realität fallen, in der wir uns befinden, um zu intervenieren.
Lasst uns stattdessen den Diskurs mit einem anderen Projekt führen. Wir gehen von der einfachen gegeninformativen Phase in eine zweite Phase über, die wir als eine der Beteiligung definieren können. Wir schlagen Organisationsstrukturen vor, die sich mit einem spezifischen Problem befassen (gehen wir zurück zum Beispiel der Nachbarschaft) und die die Einbeziehung des Problems des Gefängnisses und der Gefährten im Gefängnis ermöglichen.
Wir stellen eine Beziehung zwischen diesen Organisationsstrukturen (außerhalb der spezifischen Bewegung) und der spezifischen Bewegung selbst her. Aus der Antwort in operativer Hinsicht, die uns diese Beziehung geben wird, werden wir ein ziemlich klares Bild über den Zustand der realen Bewegung haben. Auf diesem Bild können wir unsere Interventionen als spezifische Bewegung (außerhalb und sogar unabhängig von den organisatorischen Strukturen der Beteiligung) aufbauen und in diesem Stadium sehr detailliert auf das Problem der Gefährten im Gefängnis eingehen.
Abschaffung der Sondergesetze, des differenzierten Regimes, der Sondergefängnisse, des § 90. Reduktion der präventiven Haftstrafe. Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, der langen Haftstrafen, der Sonderprozesse, der Sonderbehandlungen. Dies natürlich für alle und nicht nur für die Gefährten.
Dieser Kampfbereich muss versuchen, die Leute einzubeziehen und muss auch seine eigene Autonomie der Aktion haben. An der Art und Weise, wie sich Menschen engagieren und wie die Autonomie der Aktion mit dem, was außerhalb der spezifischen Bewegung getan werden kann, in Einklang gebracht wird, werden die Ergebnisse gemessen. Nur auf diese kann eine Lösung des Problems der inhaftierten Gefährten aufgesetzt werden.
Vergessen wir nicht, dass unser Weg sehr weit weg von denen führt, die sich heute auf die Zusammenarbeit vorbereiten. Der Weg zur Macht hingegen verläuft immer in der Nähe.
Wir alle sind im Visier des repressiven Gewehrs. Wir müssen unseren Kampf entwickeln. Wenn wir nicht in der Lage sind, dies zu tun, werden sie uns alle zerstören: im Gefängnis und außerhalb des Gefängnisses.
Wenn die Konfrontation zunimmt, wenn sich die Ziele erweitern, wird die Repression erneut zuschlagen. Niemand garantiert hier einen sicheren Weg aus dem Gefängnis. Als wir alle ins Gefängnis kamen, kamen wir hinein, weil wir von der Richtigkeit unserer revolutionären Aktion überzeugt waren, nicht wegen eines Zufalls des Schicksals. Natürlich war es objektiv immer ein Unfall, die Initiative eines Polizisten, etwas, das nicht gut gelaufen ist, eine repressive Interpretation einer Tatsache, die an sich mehr als legitim ist. Aber der wahre Grund für unsere Inhaftierung war immer, dass wir Anarchisten sind, dass wir von der Revolution überzeugt sind. Das Gefängnis ist für einen Anarchisten ein unauslöschlicher Bestandteil seiner revolutionären Tätigkeit.
Unser Problem heute, ein zentrales Problem, ist es, die Gefährten herauszuholen. Wir können dieses sehr ernste Problem nur lösen, indem wir die Kämpfe intensivieren, in allen verschiedenen Sektoren der Intervention, und indem wir diese Kämpfe mit einer realen Perspektive der aufständischen Entwicklung verbinden und uns nicht auf platonischen Dissens oder auf schöne Erklärungen der Freiheit für alle beschränken, die nur dazu dienen, unser Gewissen zum Schweigen zu bringen, nur um sofort zu sagen, dass wir nicht mit denen übereinstimmen, die etwas Konkretes tun wollen.
Nur auf diese Weise können wir den Staat zwingen, das (sein) Problem (unserer) Gefährten im Gefängnis zu lösen. Solange dies nur unser Problem bleibt, werden wir es auch nicht lösen, indem wir unsere gesamte Zukunft in die Hände der Unterdrückung geben und ausliefern.
Wir sind der Meinung, dass es keinen Zweifel über den zu wählenden Weg geben kann.
1Je nach Quelle oder Ansicht variieren die Zeitangaben. Einige sind der Meinung dass alles, also der Zenit, nur von 1976 bis 1978 stattfand, bei anderen steht die Ermordung von Aldo Moro als ein davor und danach, wiederum ist die massive Repression ab 1978 für viele auch das Ende. Wir waren nur großzügiger bei den Zeitraum und -angaben.
2Entnommen aus Eine italienische Geschichte, Brigate Rosse, Verlag Libertäre Assoziation, Schwarze Risse und Rote Straße. Ein Interview von Rossana Rossanda und Carla Mosca mit Mario Moretti.
3A.d.Ü., gemeint ist ihre Freilassung ist aus dem Knast.
4Giuliano Naria, ein Arbeiter bei der Ansaldo in Genua und ein Militanter der Lotta continua, wurde 1976 angeklagt, an der Ermordung des Richters Francesco Coco beteiligt gewesen zu sein, für dessen Aktion die Roten Brigaden die Verantwortung übernommen hatten. Er saß über 9 Jahre im Gefängnis, in denen er an Magersucht erkrankte, und wurde 1985 auf Druck des Präsidenten der Republik, Sandro Pertini, des Justizministers Mino Martinazzoli und weiterer zweihundert Parlamentarier unter Hausarrest entlassen. Anfang der neunziger Jahre wurde er schließlich freigesprochen und begann eine Karriere als Schriftsteller und Journalist. Er starb 1997 an Krebs.
5A.d.Ü., im Originaltext ist die Rede von recuperation, wenn Begriffe komplett ihrer Inhalte entleert werden und vom herrschenden Diskurs neutralisiert werden.
6A.d.Ü., im Originaltext ist die Rede von dissociologist, abgeleitet von dissociate, abschwören.
7A.d.Ü., gemeint ist der oben erwähnte Arzt.
8A.d.Ü., wir denken dass hier die Rede von Oreste Scalzone ist, ein ehemaliges Mitglied von Potere Operaio, der seit 1981 im Exil in Frankreich lebt.
9A.d.Ü., die Rede ist hier von Patrizio Peci der erste Pentito aus den Reihen von den Roten Brigaden.
10A.d.Ü., kommunistische Organisation die von 1969 bis 1976 existierte, gilt, trotz ihres Reformismus, als eine der wichtigsten Organisationen der Autonomen Bewegung in Italien.
11A.d.Ü., gemeint ist hier die BR-PCC.
12A.d.Ü., (1882 entstandene) Bewegung innerhalb des französischen Sozialismus, die sich mit erreichbaren sozialistischen Zielen begnügen wollte.
13A.d.Ü., Szientismus (aus dem Latein scientia ‚Wissen‘, ‚Wissenschaft‘), auch Szientizismus, ist ein von dem französischen Biologen Félix le Dantec (1869–1917) ursprünglich zustimmend gemeinter Begriff für die Auffassung, dass sich mit wissenschaftlichen Methoden alle sinnvollen Fragen beantworten lassen.
14A.d.Ü., hier wird eine Anspielung auf die beiden verfeindeten Gruppierungen, die Ghibellinen und Guelfen, gemacht die im mittelalterlichen Reichsitalien existierten. Die Ghibellinen unterstützten den Kaiser und die Guelfen unterstützten die Politik des Papsttums.
15A.d.Ü., Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Italiens, Generalsekretär derselben und später und Justizminister von 1945 bis 1946.
16A.d.Ü., Figur des Narren im Theater und im Zirkus.
17A.d.Ü., Lehre die die Herrschaft des Staates vorsieht über den Menschen, weil ansonsten sich diese sich gegenseitig umbringen würde, sie Thomas Hobbes als Beispiel.
18A.d.Ü., Karyatiden sind Skulpturen, die eine Frau darstellt. Sie wurden anstelle von Säulen verwendet, daher eine tragende und unbewegliche Figur.
19A.d.Ü., die Iskra war die Zeitung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) die von 1900 bis 1905 veröffentlicht wurde. Lenin war für die ersten drei Jahre der Redakteur.
20A.d.Ü., bezogen auf Jeremy Bentham der die Knäste nach dem Prinzip des Panoptikum entwarf, wo der Gefangene immer das Gefühl überwacht zu werden, aber selber nicht weiß ob dies de facto passiert.
21A.d.Ü., Imre Lakatos ein ungarischer Philosoph.
22A.d.Ü., siehe Fußnote Nummer 18.
23A.d.Ü., Terribilità (oder terribiltà, wie es die Zeitgenossen Michelangelos im 16. Jahrhundert zu schreiben pflegten) ist eine Eigenschaft, die seiner Kunst zugeschrieben wird und die beim Betrachter Schrecken, Ehrfurcht oder ein Gefühl des Erhabenen hervorruft. Dies gilt vielleicht besonders für seine Skulpturen, wie die Figuren des David oder des Moses.
24A.d.Ü., eine Stadt in Norditalien.
25A.d.Ü., eine Wurstspezialität aus Modena.
26A.d.Ü., gemeint sind wahrscheinlich die Mitglieder der Fabian Society, einer 1884 gegründete sozialistische Denkschule aus Großbritannien.
27A.d.Ü., siehe Fußnote Nummer 17.
28A.d.Ü., aus dem griechischen, bedeutet gegenseitige Abmachung, im juristischen Sinne handelt es sich um Verträge an denen beide Seiten gebunden sind und ihren Teil leisten müssen, damit dieser auch gültig ist.
29A.d.Ü., die Reaktion der Kirche auf Häresie, oder anderen Sünden, meistens folgte als Strafe der Tod.