Von der Soligruppe für Gefangene
Veröffentlich am 31.01.18 in der Nummer 412 der Gefangenen Info
Die Isolationshaft und die Geschichte der Repression in Spanien | Teil 8
COPEL, Ausbruchstunnel und andere Beiträge der Autonomen Gruppen
Einleitung von der Soligruppe für Gefangene:
Der hier vorhandene Text, ist die Transkription einer Veranstaltung, die im Jahr 2003 in einem ehemaligen anarchistischen Zentrum in Valencia stattfand. Trotz der Übersetzung, haben wir versucht den originalen Ton der VeranstalterInnen, so treu wie möglich zu bleiben. Typischer Straßenjargon einer Generation die sich nicht auf der Universität politisierte, sondern in den objektiven Bedingungen im Kapitalismus, nämlich auf den Straßen, mitten in den Widersprüchen dieser Gesellschaft. Die Geschichte der Autonomen Gruppen, sowie ihre Texte, ihre bewaffnete Praxis, ist vielen Menschen eine unbekannte Geschichte. Aber nicht nur in Spanien, sondern auch in Ländern wie in Frankreich und größtenteils auch in Italien, wo auf zwei oder drei Gruppen die ganze Geschichte einer revolutionären Bewegung bezogen wird. Die Verantwortung dies aufzubrechen liegt in den Händen aller.
In Spanien existierte das Phänomen Autonomer Gruppen in allen größeren Metropolen wie Barcelona, Madrid, aber auch im Baskenland wo sie als Antikapitalistische Autonome Gruppen in die Geschichte eingingen. Eine Erfahrung junger Menschen, die mit den alten Katechismen und den ewigen Blick in die Vergangenheit einer CNT nichts anfangen konnten, genauso wenig wie mit den ganzen K-Gruppen die einen Sitzplatz im neuen demokratischen Parlament suchten, denn das Warten unter Francos Zeit hatte sich gelohnt, oder der bewaffneten Avantgarden die unter ihrem Namen, ihrer Fahne und ihrem Programm (und nur diesen), die ArbeiterInneklasse ins Paradies führten würden, solange sie diese als einzige Befreier akzeptieren würden.
Daher stellten sich diese Gruppen, die sich aus dem Autonomen Kampf des Proletariats herausbildeten, als eine der wenigen revolutionären Ansätzen die es in den ersten Jahren der Demokratie in Spanien gab, heraus. Autonom, weil sie erkannten dass die ArbeiterInnen selber die Instrumente für ihre Befreiung erzeugen müssen. Gegen Gewerkschaften und Parteien, weil diese sich vor langem als Instrumente der herrschenden Klasse bewiesen haben. Autonom, weil wir keine Avantgarden, Kader oder Chefs brauchen um uns zu befreien.
Sich an den alten Erfahrungen zu erinnern gehört es und nicht diese als die „bessere Vergangenheit“ abzufeiern. Gegen jeden Mythos, vor allem wenn es die eigenen sind und noch so revolutionär sein wollen.
A: Mir scheint es und korrigiert mich falls ich mich irre, dass dieses Treffen außer der Paella und dass wir zusammen sind und all dem durch eine Art negativen Interesses gegenüber den Knästen motiviert ist. Nicht wahr? : „Knackis raus“, „die Knäste müssen zerstört werden“, etc. Angenommen das, außer was gemeinschaftlich zu machen, auch wenn es wenig ist, kann ebenso über diese Frage reflektiert werden. Das hier, heute, wird keine Veranstaltung sein, sondern ein Erinnern, in Form einer Veranschaulichung zu Beginn, Geschichten die stattgefunden haben, allerdings vor vielen Jahren, in den 70ern und 80ern. Geschichten von Leuten aus Valencia, die gegen den Knast im Rahmen des Möglichen kämpften. Es ist ein Gefährte gekommen, der an vielen der Ereignisse dieser Jahre teilnahm, der nicht so sehr ein Freund von Reden in der Öffentlichkeit ist, daher werde ich euch mehr oder weniger erzählen, aus was diese Ereignisse bestanden haben. Falls ihr wollt könnt ihr ihm die Fragen stellen. Ich habe diese Geschichten zum Teil auch erlebt.
Diese Geschichten im konkreten in den 70ern, denn es gab einen Kampf der geführt wurde, teils auf der Straße, teils in politischen Parteien, für die Amnestie, die politische Amnestie. Die politischen und gewerkschaftlichen Bürokratien suchten dort ein Stück des demokratischen Kuchens, sie waren mit einer politischen Amnestie zufrieden die den Schein einer Demokratie bewahrt haben. Das was eine Demokratie zu dieser Zeit war: Amnestie für Meinungsverbrechen, politische Verbrechen… die Freiheiten die zur Zeit von Franco ein Verbrechen waren, hörten auf solche zu sein und dass die Leute die eingeknastet waren, weil sie sich diese Freiheiten nahmen, sollten raus. Es gab viele Leute vor allem in den Knästen, die Betroffenen, und ihre Freunde und Leute die mit ihnen verbunden waren in den Kiezen, denen all das ungenügend war. Sie dachten das, zusätzlich zu der politischen Amnestie, sollte auch eine allgemeine Begnadigung für jene, die alle soziale Gefangene nannten, stattfinden. Denn da auch sie Gefangene in einer sozial politischen Situation waren, was bedeutete, dass sich alles radikal ins Bessere verändern sollte, auch ihnen sollte eine Chance gegeben werden. Auf dieser Art von Aktionen, wie Demos und Kundgebungen, die für die Amnestie stattfanden, waren wir viele die auch eine allgemeine Begnadigung wollten. Als z.B. die Parole: „Gefangene auf die Straße“ geschrien wurde, beinhaltete dies für uns auch die Knackis, wir trugen Transpis und ähnliches. In den Kiezen, in Valencia und auch in Madrid, Barcelona und anderen Orten, existierten die sogenannten Jugendclubs (ihr könnt nachher fragen, was diese waren). In diesem Milieu und anderen existierten die sogenannten Komitees für die Unterstützung der COPEL1, die sich mit der Unterstützung beschäftigten. Sie solidarisierten sich mittels der Propaganda und anderen Mitteln, welche wir beschreiben werden, mit der Bewegung der Gefangenen und im Konkreten mit der COPEL. Daneben gab es Gruppen von Leute, die nicht unbedingt in diesen Komitees eingebunden waren, die sich vielleicht nicht nur mit der COPEL identifizierten, weil es für sie nur ein Teil der Situation war und machten daher noch andere Dinge. Wie z.B., sie warfen Mollis gegen Banken die mit den Ereignissen innerhalb der Knäste übereinstimmten. Hier in Valencia sowie in anderen Städten, gab es verschiedene Kiezgruppen die sich koordinierten und an einem Tag zur selben Zeit zehn oder zwölf Banken zeitgleich anzündeten. Diese Aktionen wurden aus unterschiedlichen Gründen gemacht und einige male in Solidarität mit den Kämpfen in den Knästen. Die Banken waren nicht wie heutzutage mit Panzerglas und all dem. Früher warfst du die Mollis direkt durch die Scheiben und es brannte, so dass es einen wirklich glücklich machte (hahaha). Von diesen Geschichten können wir heutzutage reden weil sie schon vor langer Zeit verjährt sind.
Die in einem Moment stattfanden, in der „Transición“2. Konfrontationen und Ungehorsamkeit seitens vieler Leute fanden statt und diese direkte Konfrontation mit dem Staat dauerte ein bis zwei Jahre, so gesehen war dies der Höhepunkt, der wichtigste Teil. Als dies vorbei war, denn falls dies als eine Bewegung bezeichnet werden kann, war diese Bewegung besiegt, kamen die Konsequenzen. Die Leute die an diesen Sachen die wir erzählt haben teilnahmen, wurden eingeknastet. Von denen die innerhalb der Knäste teilnahmen, kamen einige raus und die, die nicht rauskamen, kamen nicht nur nicht raus, sondern erlitten zusätzlich Repression wegen dem, was sie in der Isohaft (das, was heute als FIES bezeichnet wird) gemacht hatten. FIES ist keine Erfindung der letzten Stunde, sondern hat schon immer existiert. Das heißt, der Knast im Knast. In dieser Zeit kam der § 10 des Justitzvollzugsgesetzes raus, der immer noch gültig ist. Dieser wurde gemacht um die Maßnahmen zu legalisieren, die sich gegen die Bewegung der Gefangenen gegen die Knäste richtete. So gesagt, bevor das Gesetz in Kraft getreten ist, waren alle die an Aufständen, Ausbrüchen und Kämpfen beteiligt waren in Isolationshaft. Es gab nicht die Hochsicherheitsgefängnisse von heute, sondern die alten Isolationsgefängnisse, die sich sehr von denen heutzutage unterscheiden. Sie hatten ihre Isolationstrakte, wo damals permanent Wachen der Anti Riot Cops stationiert waren, die dort waren um die Gefangenen zu empfangen, die überall im Staat revoltiert hatten. Dort angekommen erhielten sie mindestens eine Tracht Prügel am Tag, um ihnen zu zeigen wo es lang geht. All dies fand schon in den Jahren 1978 und 1979 statt. Viele der Leute, die auf der Straße waren um dort Dampf zu machen und vor allem die, die die Kämpfe der Gefangenen unterstützt hatten, waren jetzt im Knast und auf der Straße blieben wenige übrig.
Hier in Valencia wie im Rest vom Staat kamen die Leute zusammen, weil viele ihrer GefährtInnen im Knast waren. Ihnen blieb nichts anders übrig, als gegen die Knäste zu kämpfen und zu versuchen ihre GefährtInnen rauszuholen. Aber nicht nur ihre GefährtInnen. Einer der wichtigsten Aspekte war ihr Kampf gegen die Gefängnisse im Allgemeinen der damit begonnen hatte. Und sie machten die Sachen nicht ausschließlich um ihre GefährtInnen rauszuholen, sondern um alle rauszuholen. Was machten sie? Z.B.: Sie nahmen am Tunnelbau teil und an einigen Fluchtversuchen, die von drinnen versucht wurden. Diese Leute besorgten die Werkzeuge und warteten draußen mit der notwendigen Infrastruktur um die Ausbrüche zu unterstützen, falls diese von Erfolg waren. Übrigens, viele waren nicht von Erfolg. Als die Dinge immer schwerer durch die Entwicklung der Knastsituation wurde (was sehr schnell geschah), fingen die Leute an Tunnel von außerhalb zu graben. Auf diese Weise, z.B. hier in Valencia, stellt euch eine große Gruppe von Leuten vor, die unterwegs ist, über die ganze Stadt verstreut, die sich kennen, wie es z.B. hier sein könnte, die zu einen bestimmten Moment gemeinsam anfängt einen Tunnel zu graben um Leute aus dem Knast zu befreien. Das ist das was gemacht oder zumindest versucht wurde, obwohl es nicht geklappt hat. Hier in Valencia, durch die selben Charakteristiken dieser Geschichte, an der viele Leute teilnahmen, war es eine offene Sache, dies wurde kritisiert, aber es ist eine Kritik, die die Passivität des Moments rechtfertigt, denn dies hätte nicht anders gemacht werden können. Es brach zusammen, weil die Cops Wind davon bekamen bevor wir den Knast erreichten. Es war ein Rennen, in der Hoffnung anzukommen bevor wir auffliegen und in diesem Fall, hatten wir es wenigstens versucht. Hier in Valencia flog es auf. Die selben Leute versuchten es in Girona, wo einige Kumpels die gefangen wurden, weil sie versuchten Überfälle zu machen, um mit dem Geld Projekte für die Befreiung der GefährtInnen die schon im Knast waren zu finanzieren. Also sie waren dann Gefangene in Girona. Und dann sind diese Leute mit Taucheranzüge dort hin, um durch die Kanalisation zu tauchen und um dort einen Tunnel zu graben. Leider wurden die Gefangenen verlegt. Später fuhren sie nach Barcelona um das selbe wieder zu machen. Dort wurde ein Erdgeschoss in der Nähe des Modelo3 gemietet und sie fingen an zu graben. Da sie keine anderen Möglichkeiten hatten, lagerten sie die Erde im Haus und es war so viel Erde dort, dass die Wände des Hauses platzten. Der Nachbar nebenan sagte: „Was ist denn hier los? Und rief die Cops.“ Und naja, die Leute hatten sich schon aus dem Staub gemacht und die Cops sagten, da in der Nähe Militärwohnungen waren, dass sie von der ETA waren, die einen Tunnel gruben um eine Bombe unter den Wohnungen zu platzieren. Das ist auch was die Presse sagte.
Naja, andere Sachen die damals im Bezug auf all das gemacht wurden: Leute die aus dem Knast flohen oder vom Militärdienst oder auf der Flucht waren oder was auch immer, konnten unterstützt werden um sie zu verstecken oder aus dem Land zu bringen. Damals war es auch viel leichter wie heutzutage Dokumente zu fälschen, daher konnten Dokumente beschafft werden.
F: In dieser Zeit waren die Knäste näher an den Städten.
A: Der Knast war an der Promenade der Petxima, in diesem alten Gebäude das dort steht: „la Modelo“ nicht wahr? Als Meutereien stattfanden, konnten die Leute, die an dieser Sache interessiert waren und davon Wind bekamen, schnell dort sein. Die verbreitetste Taktik war jene des „Dachsteigens“ um von dort Transpis aufzuhängen und die Knäste anzuzünden, was auch schön war. Das war das was von innen passiert ist. Auf der Straße rund um den Knast, fanden immer wieder Straßenkämpfe mit den Cops, die damals sofort angriffen, statt. Barrikaden wurden errichtet, z.B. mit brennenden Reifen. Nun ja, das ist so gesagt das Skript der Ereignisse von denen wir reden werden, ab jetzt ist es besser wenn ihr Fragen stellt.
F: Das mit der COPEL, was du vorhin erwähnt hast, auf was basiert es?
B: Das mit der COPEL kommt aufgrund der ersten Begnadigungen die Franco machte. Die ersten Begnadigungen die den Politischen gegeben wurden. Einige waren auch für die Knackis aber es waren wenige. Also ab dem Moment wo den Politischen mehr Begnadigungen gegeben wurden und die Knackis mehr zur Seite geschoben wurden, fingen sie sich vor allem in Carabanchel an zu koordinieren. Sie fingen an sich zu organisieren und daraus entstand die COPEL. Dies entstand, soweit ich weiß, weil ich damals noch nicht im Knast war, in Madrid und verbreitete sich langsam mit den Verlegungen, die als Bestrafung gemacht wurden, für das was in Carabanchel passierte. Die Leute verbreiteten sich über alle Knäste in Spanien und es gründeten sich Gruppen in allen Knästen. Es war die Zeit der Meutereien. Als die Meutereien anfingen, wurde die Amnestie auch für die sozialen Gefangenen gefordert, weil sie hauptsächlich den Politischen gegeben wurde. Tatsächlich kamen alle politischen Gefangene raus. Sie fingen an Meutereien zu machen und diese Organisation zu gründen, diese Koordination von Gefangenen im Kampf. Auf der einen Seite war es eine Organisation, auf der anderen Seite zur selben Zeit, waren die kämpfenden Gefangenen alle die auf eine Weise kämpfen wollten und kämpften. Was ich damit sagen will, wenn eine Meuterei stattfand und Leute aufs Dach stiegen, waren sie in diesem Moment alle COPEL. Obwohl z.B., in Valencia in dieser Zeit, A. die Geschichte besser kannte. Von der COPEL selber gab es nur zwei oder drei Personen. Aber als sie die Dächer bestiegen, die die es taten, forderten Freiheit für alle Gefangene.
A: Eine Anmerkung dazu, COPEL war nicht wirklich eine Organisation. COPEL entstand in Madrid und war ein Beispiel, eine Art sich Gehör zu verschaffen, eine Liste von Forderungen. Die Leute identifizierten sich mit dem und es gab Leute die einen auf COPEL machten. Aber hier in Valencia in den Jahren wo ich drin war, war die Zeit nach El Dueso4, als die COPEL ein Kommuniqué veröffentlichte, was überall auslag. Dort stand, dass dem damaligen Generaldirektor der Knäste ein Vertrauensvotum geschenkt werden sollte. Wir waren schon außerhalb der COPEL, weil COPEL sich für eine Taktik entschieden hatte, die für uns reformistisch war. Daher zündeten wir den Knast an und schissen auf die COPEL. Was ich sagen will, ist, dass die Bewegung der Gefangenen nicht COPEL war. COPEL war ein besonderer Aspekt, viel bedeutend, die viel Einfluss hatte, im Positiven wie im Negativen. Denn es war eine Minderheit von Schlaumeiern, von Anführern, die verhandelten, die einen auf Repräsentanten machten, oft machten sie das, ohne ein anderes Mandat, außer ihrer eigenen Entscheidungen zu haben, ohne dies auf dem Plenum zu entscheiden, sie hatten eine eher ambivalente Rolle, am Anfang sehr positiv, weil sie die Zünder eines sich verbreitenden Kampfes waren und nachher sehr negativ, weil sie die Rolle einer Gewerkschaft einnahmen, das heißt, die der Demobilisierung.
F: Mal schauen ob ich es richtig verstanden haben. COPEL waren soziale Gefangene.
A: Genau.
F: Dann gab es auch die politischen Gefangenen.
B: Nein, zu dieser Zeit gab es praktisch keine.
F: Die wurden durch die Amnestie raus gelassen.
B: Exakt. Sie wurden alle durch die Amnestie raus gelassen, weil die einzigen Politischen, die da waren, sind nach der Amnestie rein gekommen, Gefangene der ETA und der GRAPO, die schon damals anfingen. Alle, die vorher da waren, von der ETA, GRAPO, FRAP, Anarchisten sind mit der Amnestie raus gekommen.
F: Gab es einen klaren Unterschied zwischen den Politischen und den Knackis?
B: Ja in der Tat, als ich später rein kam wurde immer noch unterschieden. In Carabanchel gab es einen Teil für politische Gefangene und einen für soziale Gefangene. Als ich in Carabanchel ankam, kam ich immer in den Trakt der sozialen Gefangenen, weil ich gefragt wurde, ob ich Sozialer oder Politischer war und ich sagte ich wäre ein normaler Knacki. Weil ich mich nie als politischer Gefangener identifiziert habe. Aber ja, bis 1984/1985 wurde innerhalb der Gefängnisse unterschieden, zwischen Politischen und Knackis, vor allem in den Knästen, wo es viele Politische gab. Weil ich lange in Valencia war und ich dort praktisch alleine war, waren wir höchstens drei oder vier. Dort gab es keinen Unterschied, dort waren wir alle Gefangene und Schluss. Aber z.B. in Barcelona oder Madrid, in Carabanchel, dort gab es Unterschiede zwischen Politischen und Sozialen, vor allem ETA, GRAPO, CNT…
A: Es ist nicht so, dass die politischen Gefangenen einen Sonder-, Anerkannten-, eigenen Status hatten, sondern sie waren viele, sie hielten zusammen, sowohl im Knast wie auf der Straße und sie kämpften, damit sie als politische Gefangene anerkannt wurden. Es gab angebliche Politische, die dies nicht machten, wir machten dies nicht, nicht nur, dass wir diese Trennung nicht machten, sondern wir waren dagegen und wir kritisierten sie, weil sie einen auf Politische machten. Wir folgten nie ihrem Ding und hatten gerade aufgrund dessen Zusammenstöße mit ihnen.
B: Nein aber in Wirklichkeit war es so, dass die politischen Gefangenen in Carabanchel, als ich dort war (ich rede von den Anfängen der 80er), Privilegien hatten, die sie sich sicherlich erkämpft hatten, aber sie hatten Privilegien.
A: Weil sie Macht hatten, welches ihr Sein ihnen gab, z.b. 150 was die Milis5 ausmachten und 80 oder 70 von den Polimilis6, oder die Grapos die einstimmig handelten und eine ganze „terroristische“ Organisation hinter sich hatten, die den Wärter und so drohen konnten. Sie verteidigten außerdem ihre Privilegien und Interessen gegenüber den anderen Gefangenen, was klar ist. Daher war dies eine hervorgebrachte Situation. Allerdings, gab es schon immer eine besondere Politik für die politischen Gefangenen, die unterm Ärmel geführt wurde. Heutzutage gibt es ein FIES für Gefangene wegen Terrorismus, also gibt es einen Sonderstatus für politische Gefangene. Damals existierte das nicht ausdrücklich, aber in der Praxis. Auch heutzutage ist FIES nichts weiteres als Isohaft, welche zur Praxis im Gesetz geworden ist.
B: Du hast nicht FIES mit Herrera7 verbunden. Ich würde FIES mit Herrera sehr verbinden. Was damals Herrera war, könnte jetzt FIES sein.
A: Was jetzt FIES ist, war damals Ocaña, Puerto, Burgos und Huesca, was die Isoknäste waren, wo die Leute hingebracht wurden um eine Sonderrepression zu erleiden. Dort gab es auch Anti Riot Cops. Dort angekommen, gleich nach dem Aussteigen aus der Wanne, in der du schon während der Fahrt auf die Fresse bekommen hast, entführt ohne Vorwarnung, musstest du dann durch einen Korridor von Cops und Schließern mit Knüppeln durchlaufen, die dich mit Schlägen durch den Isolationstrakt führten. Was normalerweise ein Gang ist, der so ausschaut, ein anderer so und so, mit Zellen auf der einen Seite und den Hof in der Mitte. Dann bringen sie dich zuerst zu dieser Ecke, sie ziehen dich aus, filzen dich, zwingen dich Liegestütze zu machen und all das mit Schlägen, nicht wahr? Danach führen sie dich nackt bis zu der zugewiesenen Zelle, welche am anderen Ende ist, auch mit Schlägen. So wurde dir alles gezeigt, damit du lernst wie die Dinge dort funktionieren. Die tägliche Tracht Prügel, mindestens, ist dir nicht erspart geblieben, dies in den schlimmsten Fällen. Das ist, was in den Isoknästen passierte. Herrera war eine Art Pilotprojekt, es fing an, dass alle Knackis dieses durchlaufen mussten und endete mit dem, was wir heute als Knastsystem verstehen. Dort wurden die Fundamente der Knastreform gelegt. Du kamst in der Isohaft an, jede menge Schläge jeden Tag und falls sie es erreichten, dich fertig zu machen (weil dort die Leute verrückt wurden, das wissen wir durch die Erfahrungen einiger Kumpels, die dort waren), wechseltest du zur zweiten Phase, zur dritten, zur vierten und landetest im Normalvollzug. Du konntest sogar in den offenen Vollzug kommen, aber ich denke, dass es das Normale war, dass man innerlich gebrochen wurde und von außen auch.
F: Das mit Herrera, meinst du den Knast?
A: Den Knast Herrera de la Mancha.
F: Und dort gab es einen Sondertrakt?
B: In Herrera de la Mancha war der Sondertrakt, wo die Unbezwingbaren des Knastes, Leute die viel Stunk gemacht haben oder die kämpfenden Leute oder die, die an den Meutereien teilnahmen, landeten. Sie waren aber die wenigsten.
A: Die Unbezwingbaren der Knäste gingen nach Ocaña, Puerto, Burgos und die Verrückten nach Huesca als Herrera noch nicht existierte. Als Garcia Valdes 1979 Herrera erschuf, kamen die Leute noch an diese Orte. Nach Herrera gingen nur einige Sonderfälle. Weil das das System war um die Reihen zu dezimieren. Als es Krawalle gab, kam einer von zehn nach Ocaña, Burgos, Puerto und von denen kam einer von zehn nach Herrera. Daher gingen dort z.b. die Zeugen des Todes von Augustin Rueda8, el Rata und diese Leute, die jedes mal, als sie nach Herrera kamen, gefoltert wurden. Sie wurden gezwungen ihre Aussagen zurück zu nehmen, nachher als sie wieder in Carabanchel waren, riefen sie den Richter an und sagten, dass sie gefoltert wurden. „Ich nehme meine Aussage zurück“, sie wurden dann wieder nach Herrera verlegt und wurden dort wieder zusammen geschlagen. Herrera war, wie ich dir schon sagte, ein Pilotknast wo sie Auserwählte hinbrachten um sie zu besiegen, aber auf einer besseren Grundlage mit dem neuen System. Sagen wir das Ocaña, el Puerto etc noch das alte System waren. Herrera war das Paradigma der Reform, in dem sich die Behandlung durch die neuen Knastgesetze verkünden ließ, auf einen Raum und eine Zeit konzentriert. Na gut, das war jetzt nicht unser Thema, weil auch darüber könnten wir an einem anderen Tag eine Veranstaltung machen.
F: Was sich die Leute von hier gefragt hatten, war, wie habt ihr es von außerhalb gemacht als Leute nach drinnen gingen, wie wurde die Kommunikation mit ihnen organisiert?
B: Wir waren ganz wenige Leute. Wir waren Autonome, unabhängig, waren keine Militante in irgendeiner kommunistischen Partei, nicht mal in der CNT. Wir waren autonome Leute, wir kannten uns aus dem Kiez, unser Kiez war Orriols, wir waren eine Gruppe von FreundInnen. Rund um diese Gruppe von FreundInnen, die in einem Jugendzentrum abhing, standen wir auch mit anderen Zentren in der Nähe, die mehr oder weniger affin zu uns standen, in Kontakt: Benicalap, Benimaclet, auch in Quart und Mislata. Auf der persönlichen Ebene konnten wir etwas sensibilisierter sein und nahmen im Bereich dieser Kämpfe der Gefangenen teil und drehten einige Unterstützungsdinge mit ihnen. Wir waren um die 20-30 Leute. Wir machten Festivals, Propaganda, machten einen Stand dort in der Virgen9, machten Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen. Zur selben Zeit machten wir auch kämpferische Tätigkeiten, was wir vorhin erwähnt hatten. Neben den Mollis, manche Sprengkörper vor den Gerichtsgebäude. Wir unterstützten mit Geld, Propaganda und Anwälten. Eine Freundin von uns, die Anwältin war, engagierte sich viel für die Sache. Später hatten wir weitere Anwälte. Letztendlich radikalisierten wir uns, vor allem weil GefährtInnen, die mit uns an diesen Geschichten teilnahmen, anfingen zu fallen, wegen … Waffen und so. Und naja, wir mussten sie ja rausholen, ab dem Moment fingen wir an, Sachen zu sehen. Das was aber passierte, war dass wir keine Erfahrung hatten, sondern nur Wille. Wir fingen an Dinger zu drehen, die ich euch später erzählen werde.
A: Die Kontakte mit den Leuten, die drinnen kämpften und die Informationen über das, was dort geschah, wurde im Prinzip über die Anwälte erreicht, das heißt, von dieser Frau die dort sitzt und so still ist, das Ding ist, sie will nicht reden.
B: Z.B., als er drin war, machten sie einen Tunnel um rauszukommen, aus dem Inneren des Knastes. Um den Tunnel zu machen, war irgendwas zum Graben notwendig, denn damals konnten mittels der Anwälte Sachen reingebracht werden und es wurden Spitzhacken reingebracht. Es war selbst möglich ein Funkgerät rein zu bringen um mit den Leuten die an dem Tunnel arbeiteten zu kommunizieren. Wir waren draußen, in Kontakt mit ihnen, damit in dem Moment wo sie ausbrechen würden, draußen Unterstützung vorhanden wäre. All dies geschah auf einer sehr informellen Ebene, sehr durch Bekanntschaft und Affinitäten, es gab keine Organisation und nichts dergleichen.
F: Klar, alles ging über die Anwälte. Die Familien auch, oder?
A: Die Sache ist das in Barona, in dem Club dort, der „14 17“ im Prinzip war dieser nur ein kirchlicher Club, ein Ding was es zu Zeiten von Franco gab. In allen Dörfern und in allen Kiezen gab es einen solchen Club. In den Dörfern wurden sie Teleclub genannt, denn damals hatte niemand ein Fernseher und in den Räumlichkeiten, die von der Kirche waren, wurde ein Fernseher aufgestellt. Dadurch zogen sie die Jugend an, um ihnen die Ohren voll zu schwatzen, um alles mögliche zu machen. Das Ding ist, dass sie mit der Zeit jegliche Kontrolle verloren. Am Anfang trafen sich dort die Basis-Christen, vorallem die von der HOAC10 und die der JOC11 (Katholische Arbeiterorganisationen, mehr oder weniger kämpferisch), weil es Arbeiterkieze waren. Auf der anderen Seite die extreme Linke, die Trotzkisten, die Chinesen12, die LCR13, die FRAP, AC14, etc. In vielen dieser Clubs verloren zuerst die Pfaffen die Kontrolle und nachher die Bürokraten und am Ende blieben nur noch die Leute, die den Ort selbstverwalteten, was eine Art Vollversammlung war. Es ging darum das Lokal aufrecht zu erhalten und sich in die Kämpfe des Kiezes einzubinden. In den Kiezen gab es viele Leute die Verbrecher waren, die z.B. gestohlen haben, sie gingen ständig in den Knästen ein und aus. Durch diese Leute gab es viele Kontakte. Es gab viele Leute, die auf der Flucht waren und dort wurden sie unterstützt.
Nachher fingen wir selber an in die Knäste reinzukommen. Wir hatten schon mit der ganzen Sache der Unterstützungskomitees der COPEL zu tun gehabt und dort kannten wir Leute, die angeblich von der COPEL waren. Teil der COPEL zu sein, war aber sehr relativ. In Wirklichkeit war es keine Organisation, es waren Gruppen, die durch beliebige Leute in einem bestimmten Moment bestimmt wurden. Z.B., in Madrid, waren sie in Kontakt mit der Gruppe junger Anwälte und konnten was auf die Beine stellen, was in den Medien eine große Auswirkung hatte, aber auch im Knast als Beispiel diente. Die Leute verfolgten es und identifizierten sich mit der COPEL. Aber die Leute, die wir trafen als wir rein gingen, waren eigentlich nicht von der COPEL. Es gab nur einige, die aus Madrid waren und an deren Gründung teilgenommen haben. Als wir ankamen, war der mehr oder weniger kämpferische Klüngel im vierten Trakt verbarrikadiert, wegen dem Thema der Selbstverwaltung und es gab eine gewisse Art von Ambiguität zwischen denen, die Dinge drehten und denen, die es nicht taten. Es gab eine permanente Bedrohung der Meuterei. Die Schließer waren wegen der Situation sehr unsicher und die Anordnungen von Jesus Hadad (Generaldirektor der Knäste, wenig später durch die GRAPO eliminiert) hatten eine sehr inkohärente Politik zur Folge. Daher nahmen in bestimmten Räumen im Knast die Gefangenen die Macht an sich. Es gab Vollversammlungen, aber vor allem ging es darum, dass es von den Knackis war. Eine gewisse Gruppe, die sich mit der COPEL identifizierte, war da, es konnte aber nicht gesagt werden, dass sie ein Teil dieser waren. Sie waren die Anführer. Wenn es z.B., Missbrauch unter Gefangenen gab, waren sie es, die von den Tätern Rechenschaft verlangten. Als wir fielen, wurden wir nicht in den vierten Trakt gebracht, dort wo die Rebellischen waren, sondern sie brachten zwei von uns in den ersten und die anderen zwei in den dritten Trakt. Unsere erste Aktion war ein Hungerstreik, damit sie uns zusammenlegten. Wir erreichten es am Ende und wurden in den vierten verlegt. Dort fingen wir an, den Tunnel zu graben, von dem vorhin gesprochen wurde. Einige Kumpels brachten die Werkzeuge rein und fingen in ihrer Zelle an, der Rest von uns schloss sich später an. Der ganze Trakt war voller Erde, die Zellen der Beteiligten voller Erde, die Schränke, Betten voller Erde und dort schlug noch nicht mal der Flügel einer Fliege. Wir kontrollierten den Trakt, die Leute die Stunk machen wollten, hielten wir davon ab, weil wir ausbrechen wollten. Auf der anderen Seite z.B., hatten wir den ganzen Wein und verteilten ihn. Es war gewissermaßen ein bisschen mafialastig, aber es hatte auch seine sehr starke, kämpferische Seite, mit sehr viel Mut und wir waren zu allem bereit. Es gab auch sehr viel Persönlichkeitsdinge, von einer dominierenden Gruppe. Viele der Leute, die teilnahmen, hatten es satt, immer wieder ausgebremst zu werden. Die Verpflichtung war, sollte der Ausbruchstunnel auffliegen, würde der Knast brennen. Und so war es. Es flog auf und es brannte, wir zündeten den Knast an und machten eine Meuterei im großen Stil. Das war die COPEL in Valencia in der Zeit. In Wirklichkeit hatte keiner von uns, die das machten, mit der ursprünglichen COPEL zu tun. Sie waren ja in einem anderen Trakt und sie folgten den Richtlinien die aus Madrid oder aus verschiedenen Knästen kamen, von wo die ursprüngliche Leute der COPEL verlegt wurden.
Nach Carabanchel entstand eine Gruppe in Barcelona, die sich auch COPEL nannte. Im Staat gab es Bewegungen, die Forderungen gestellt haben, die sich mit diesen Abkürzungen identifizierten. Während einiger Monate im Jahr 1977 gab es Meutereien, jede Woche, jeden Tag und überall: Meutereien, Selbstverstümmelungen, Hungerstreiks… In Wirklichkeit schlossen sich die Leute von unten15 der Bewegung an, weil sie die Möglichkeit sahen, durch die Forderung einer allgemeinen Begnadigung frei zu kommen. Im Nachhinein wurde das Phänomen COPEL durch Garcia Valdés, Generaldirektor der nach der Ermordung von Jesus Hadad kam, geschickt manipuliert. Es ist so, dass zu Zeiten von Hadad alle vermeintlichen Anführer in den Knast von El Dueso verlegt wurden und vorher noch durch Burgos durchgeschoben wurden. Dort wurden sie übelst verprügelt, alles wurde ihnen weggenommen, sie wurden ausgezogen, die Haare wurden ihnen kahl geschoren, ihnen wurde ein Overall gegeben und sie wurden in den alten Knast von El Dueso verlegt. Dort waren sie in Isohaft und bekamen Schläge. Was Isohaft damals war, ist eine lange Geschichte, ein wenig makaber, aber es war ein Ort wo du, wenn du aus der Reihe tanztest, zusammen geschlagen wurdest. Als Garcia Valdés in die Generaldirektion kam, der übrigens Prestige als demokratischer und fortschrittlicher Jurist genoss, erschien er in El Dueso. Bevor dies geschah, kamen alle aus der Isohaft raus und die Selbstverwaltung wurde ausgerufen, ihnen wurde sogar die Verwaltung vom Konsumverein im Knast übergeben. Nachher kam er, um über die Knastreform zu verhandeln. Einige ließen sich hereinlegen und andere, denke ich, interessierte all dies auf irgendeine Weise. Deswegen erschien ein Schreiben, so wie früher alle erschienen: z.B., irgendwer bekam durch die Post ein Buch mit einem Kartoncover, Teile des Kartons wurden geleert und in diesem Hohlraum gab es einen, von den Absendern des Schreibens unterschriebenen Zettel, was dem Ganzen die Echtheit gab. In diesem Schreiben wurde gesagt, dass man Garcia Valdés ein Vertrauensvotum für die Knastreform geben sollte. Unsere Reaktion und die der meisten Leute im Vierten war, nichts mit Goldenen Käfigen, was wir wollten war die Freiheit. Wir scheißen auf die Knastreform, die Knäste sollen nicht verbessert werden, sie sollen zerstört werden. In dem Moment brachen wir mit dieser Geschichte ab und drehten unser eigenes Ding: Wir zündeten den Knast an, als die COPEL darum gebeten hatte, dass die Knäste nicht mehr angezündet werden sollten. Ab diesem Zeitpunkt fand das statt, was einige Kriminologen als die Taktik der Gabelung bezeichnen: Die Krassen landen in FIES und die Guten kommen in den offenen Vollzug. Dass die Krassen im Knast verrotten und der Rest draußen verrottet, durch die Flausen der angeblichen Wiederanpassung geht und institutionalisiert wird, was in Wirklichkeit ein Prozess der Degradation und der Demütigung ist. Dieser Prozess fing vor allem mit den angeblichen Leuten der COPEL an, Leute die sich bewegten, die intelligenter und heftiger waren. Die, die sich aber einfügten, verhandelten, auf die verschiedenen Vorschläge der „Mitverwaltung“ eingingen, welche in verschiedene Zentren umgesetzt wurden. Sie waren die ersten, die Freigang bekamen. Der Rest ging nach Ocaña, Burgos, Puerto, Huesca und letztendlich viele nach Herrera. Das ist, was geschah.
F: Was waren die Unterstützungskomitees der COPEL?
B: Wir waren keine wirklichen Unterstützungskomitees der COPEL, wir unterstützten die Kämpfe der Gefangenen, was es aber in der Theorie in den Knästen gab, war die COPEL, daher unterstützten wir die COPEL. Wir veröffentlichten eine Zeitschrift, mehr als eigene Artikel waren es Sachen, die aus dem Knast kamen und Auszüge aus der Presse, der Name: „Die, die nie eine Stimme hatten, nehmen sie jetzt“. Wir übernahmen den Namen von einer anderen Zeitschrift, die aus Barcelona oder Madrid war. Mit der machten wir ein bisschen Geld, gaben es bestimmten Leuten, Bekannte mit denen wir Kontakt hatten, Leute aus dem Kiez, mittels der Anwälte. In der Zeit der Meutereien steckten wir den Leuten, die in den Bestrafungszellen waren (die Amerikanischen hier in Valencia), Sachen zu, wie Essen und Bekleidung… sehr oft mittels von Presen16, die eine Lehrerin im Frauenknast war und später auch bei den Männern. Sie war in unserer Gruppe auf der Straße, die sich jede Woche traf um mehr oder weniger legale Dinge zu machen: Aufkleber, Flugblätter, Zeitschriften, Veranstaltungen, Festivals…, bei all den Dingen war die Lehrerin dabei. Sie war eine sehr engagierte Alte und beteiligte sich ziemlich korrekt und sehr gut. Sie war eine Beamtin und wir können nur Gutes über sie sagen.
A: Du kannst mal die Geschichte erzählen, wie es mit den Mollis anfing.
B: Die ersten Geschichten mit Mollis fingen mit dem Jubiläum der letzten fünf Todesurteilen17
von Franco an, dass war am 27. September 75.
A: Ich dachte, sie fingen mit der Hinrichtung von Puig Antich18 an…
B: Naja, wir fingen mit dem Jubiläum am 27. September an, also 1976. Auf Grund dessen fingen die Geschichten der Kämpfe der Knackis an, die bis dahin nicht stattgefunden hatten. Die folgenden Dinge waren in Unterstützung mit den kämpfenden Gefangenen, wie die Schreiben berichteten, die wir nie unterschrieben: „Nieder mit den Mauern der Gefängnisse“. Wie A. schon sagte, in einer Nacht warfen 30-40 Personen Mollis zur selben Zeit. Z.B., sagten wir: „um zwölf Uhr mitternachts“, brannten zehn oder 15 Banken, jede Bank zwei oder drei Personen. Aufmerksamkeit zu erlangen und ein Schreiben zu schicken, hatte keine andere Absicht als die Art des Kampfes zu verändern, das heißt ihn zu radikalisieren. Der Kampf der sozialen Gefangenen wurde von den politischen Parteien und Gewerkschaften komplett ignoriert, nur ein paar wenige Gruppen der extremen Linken und der CNT unterstützten sie. Aber auch nur mittels Schreiben in ihren Zeitschriften. Aber während der Meutereien, als die Leute demonstrierten und ähnliches, nahm niemand daran teil. Wir machten ein paar Aufrufe zu Demos und schafften es um die 50 Leute zu mobilisieren. Wir blieben übrig, die Leute aus dem Kiez, Leute aus der Umgebung…
F: Welche Beziehung gab es zwischen sozialen und politischen Gefangenen?
A: Im Prinzip gab es damals keine politischen Gefangenen mehr, weil sie mit der letzten Amnestie rausgekommen waren. Bei dieser Geschichte muss zwischen zwei unterschiedlichen Definitionen unterschieden werden: Amnestie und Begnadigung, die nicht dasselbe sind. Amnestie bedeutet, dass einige Dinge die früher Verbrechen waren, aufhören welche zu sein. Das war der Fall der Meinungsverbrechen, der Vereinigungsverbrechen, etc, die aufhörten mit dem Schritt der Diktatur zur „Demokratie“ Verbrechen zu sein. Begnadigung ist, wenn die Strafe irgendwem erlassen wird, auch wenn das Benehmen, weshalb sie durchgesetzt wurde, immer noch im Allgemeinen verurteilt wird. Die Amnestie betraf nur die politischen Gefangenen. Die Knackis kämpften für eine allgemeine Begnadigung, weil sie der Meinung waren, dass es eine Diskriminierung sei, nur die Politischen zu begnadigen, weil sich die politisch-soziale Situation verändert hatte und ihnen nicht ebenfalls diese Möglichkeit gegeben wurde.
B: In diesem Moment, dass was existierte war die Vereinigung der Angehörigen der politischen Gefangenen. Später hatten die von der FRAP ihre eigene Vereinigung von Angehörigen, aber für die Knackis gab es nichts, sie hatten ihre Angehörigen nur auf einer persönlicher Ebene. Selbstverständlich gab es keine Koordination zwischen ihnen.
F: Wie war dann die Beziehung in den Knästen zwischen den Personen die eine Unterstützung von außerhalb hatten und denen, die keine hatten?
B: Von der Zeit der Meutereien kann ich dir nichts erzählen, weil ich nicht im Knast war. Ich kann dir von den 80ern erzählen. Von der Zeit wo ich im Knast war, kann ich dir erzählen und ja es gab Unterschiede im Allgemeinen zwischen Knackis und politischen Gefangenen. Die Politischen hingen miteinander in einem Zusammenhang rum und die Knackis waren auch unter sich. Es gab sehr wenig Kommunikation. Außer in Ausnahmefällen hatten die Politischen gar keine Beziehung mit den Knackis. Sie machten einen auf Politisch. Sie taten so, als ob sie was besseres wären, wie von einer anderen Klasse.
A: Im Allgemeinen, die Politischen, sowie die „Demokraten“ und die „Terroristen“, verachteten die Knackis und die Grapos z.B., sagten sogar: „Wenn wir das Sagen haben, werdet ihr alle Autobahnen bauen“. Nur ein paar Verrückte von uns verzichteten darauf Politische zu sein und das wars. Wir hingen mehr mit den Knackis als mit den Politischen rum.
B: Es gab einen Unterschied im Hintergrund, im sozialen Niveau, Menschen die Zeit haben um zu denken, Menschen die ihre fertige Geschichte haben und Leute, die geklaut haben und die sich durch ihr Leben durchschlagen mussten.
A: Wir müssen unterscheiden, z.B., zwischen politischen Gefangene der KP19 oder der CCOO20 oder egal welcher „demokratischen“ Gewerkschaft und Partei, von ihnen gab es am meisten als Franco starb und 1976 kamen sie alle raus und denen, die wegen bewaffneter Aktionen saßen, die kamen erst ein bisschen später raus (die letzten im Jahr 1977). Sie hörten ab diesen Moment nicht auf wieder rein zu kommen. Diese Klasse von „Demokraten“ gehört selbstverständlich der Bourgeoisie an, es sind Leute des Kapitals, man darf sich nicht täuschen lassen. Leute des Kapitals für die in diesem Moment, leider, kein guter Platz in der politischen Gestaltung ihrer Herren vorhanden war. In dem Moment als die Demokratie da war, kamen alle Politischen, die im Knast waren und keine „Terroristen“ waren, ziemlich schnell raus, weil ihre Parteien sie benötigten und man sich mit dem Rest den Kuchen aufteilen wollte. Die Politischen, die weiterhin saßen, Etarras, Grapos, Fraperos… hatten autoritäre Einstellungen, sie sind staatlich, sie sind keine Feinde des Knastes. Das heißt, sie sind auf der Seite des Staates21 und der Repression, sie empfinden keine Solidarität für Knackis. Für sie sind Knackis nichts, was mit ihnen zu tun hat. Sie verteidigen ihre Privilegien und das wars. Ich habe Grapos in Carabanchel einen Jungen schnappen sehen, der ihnen einen Vogel geklaut hatte und sie haben ihn dann zusammengeschlagen, sie wollten ihn vom dritten Stock runterwerfen. Früher wurde gesagt, dass so was nur in Polizeiwachen passiert, die Grapos wussten auch, wie so was geht. Im dritten Trakt in Carabanchel lebten im dritten Stock die Politischen, im zweiten mehr oder minder durchmischt und im ersten und Erdgeschoss die Knackis zusammen. Als sie dies sahen, waren die Leute beim Hochgehen schon am Durchdrehen, sie gingen auf eine mordsmäßige Konfrontation zu. Das Resultat war, dass der Junge in die Zellen reingezerrt wurde, das heißt, entweder ihn zu verprügeln oder ihn zu verpfeifen. Das ist ein Beispiel, das dazu dient, damit ihr euch einen Kopf darüber macht. Andere würden euch eine andere Geschichte erzählen, dies ist die meine. Ich habe Schlägereien und Krach mit Leuten von GRAPO und ETA aufgrund dieser Geschichten gehabt. Die Etarras in Carabanchel, weil sie die Mehrheit waren, verhandelten mit der Leitung über das, was sie wollten. Und wir, das Kupfer der Politischen, also die Autonomen oder die der CNT, etc, wir machten entweder das, was sie entschieden hatten oder wir machten das, was sie entschieden hatten, das war die Alternative, die ihrer Meinung nach übrig blieb. Wie bis zum extremen Punkt z.B., die Entscheidung, dass die Reinigung während dem Einschluss nach Schichten gemacht werden sollte. Wir aber hatten entschieden, dass wir solange wir im Knast sind, diesen nicht putzen würden, nicht mal über unsere Leichen. Als wir mit Putzen dran waren, kamen diese Hurensöhne und zwangen uns mit Gewalt zu putzen, du musstest ganz schön krass drauf sein, um nein zu sagen.
2. Teil
A: All das (das mit den Tunnels von außen nach innen) war, sagen wir mal, eine Wiederanpassung von all den Geschichten von denen wir geredet haben, im Kiez, Jugendclub, von den Unterstützungskomitees der COPEL… zu einer anderen Geschichte, eine andere Arbeit, einen Tunnel zu machen.
B: Die Sache fing mit eurem Tunnel an, welcher mehr oder weniger im Juni 1978 scheiterte. Nachher während des Sommers passierte, was du über Girona erzähltest. Die Leute von Girona fielen und schoben uns den Hinweis zu, dass es eine Möglichkeit gab, es durch das Kanalisationssystem zu versuchen. Wir waren dort, versuchten es mehrere Monate und es war nicht möglich. Tatsächlich sogar war ich unterhalb des Knastes in einer engen Kloake, aber es war unmöglich dort irgendwas zu machen. Wir hatten keine Mittel, weil wir in Barcelona waren und ein Gefährte und ich, die die Geschichte in Girona bearbeiteten, mit dem Zug reisen mussten und das mit dem Taucheranzug. Stellt euch vor… als wir nach Girona fuhren… ging es noch, aber bei der Rückfahrt von Girona, mit dem Kloakengestank in dem Zug… wir konnten so nicht weiter machen. Dort hatten wir auch keine Unterstützung. Wir gingen zurück nach Valencia. Dann betrachteten wir die Möglichkeiten und es war klar, dass wir hier was machen mussten. Wir durchquerten die Kloaken in der Nähe des Knastes, auf der Seite des Flusses und am Ende sahen wir die Möglichkeit einen 50 Meter langen Tunnel zu graben. Wir fingen an zu arbeiten und waren mit der Sache zwei oder drei Monate beschäftigt.
A: Ihr fingt mit den arbeiten an… wer, wieviele, wie?
B: Wir fingen mit vier oder fünf an, aber es gab Leute, die damit aufhörten und dann fehlte es an Leuten. Wir sagten Leuten auf persönlicher Ebene Bescheid. Es gab keine Art von Organisation oder ähnliches. Wir erzählten es rum und die Mehrheit der Leute sagten ja und nahmen teil. Einige nur für einen Tag, andere mehrere Tage und so weiter.
A: Bis zu wieviele Leute arbeiteten dort?
B: In Valencia wenige, um die 10-12 Personen, im besten Falle.
A: Und wieviele Leute unterstützten euch? Wieviele Leute wussten von der Geschichte?
B: An sich die Leute, die teilnahmen, in der Theorie. Wenn es nicht der Fall war, dass Leute, die teilnahmen, zu viel darüber redeten und andere es wussten. Aber theoretisch nur die Leute, die daran teilnahmen.
A: Und irgendwer verplapperte sich?
B: Nein, der Grund für das Auffliegen hatte nichts damit zu tun, dass wir aufflogen kam von einer anderen Seite, in Wirklichkeit ist es noch nicht mit Sicherheit klar. Sie waren mit einem anderen Knacki in Kontakt. Der Bruder von diesem arbeitete mit uns. Er untersuchte die Geschichte, sogar von Anfang an und arbeitete bis zum letzten Moment mit. Er wurde nicht verhaftet, weil am Tag als wir festgenommen wurden, er selber nicht dort war. Wie es scheint, hatten die Mutter und der Bruder, der im Knast war, von diesem Jungen eine gewisse Beziehung mit einem Unteroffizier der Guardia Civil, der als Wache im Knast war. Es wird gesagt, dass die Geschichte daher kommen könnte. In Wirklichkeit, zwei oder drei Tage bevor wir festgenommen wurden, warteten sie auf uns, nicht dort wo wir uns normalerweise trafen, um aus dem Abwassersystem rein und raus zu gehen, sondern die Guardia Civil hatte einen Umkreis von zwei Kilometern komplett umstellt. Zwei oder drei Tage vorher, an einem Sonntag, gab es eine sehr gründliche Durchsuchung im Knast. Für mich ist es so, dass es von innen kam, von den Knackis.
A: Aber vor der Durchsuchung, waren wir in der vierten und warteten auf den Moment. Zu mir kamen an einem Tag Leute aus der dritten und sagten mir: „Hör mal, was ist hier los? Es gibt das Gerücht, dass hier ein Ausbruchstunnel gemacht wird…“. Ich ging zu der dritten und redete mit einigen und eigentlich war es nur ein vages Gerücht. Sie wussten nichts, aber sie wussten, dass irgendwas am laufen ist. Bevor es aufflog, einige Tage davor, gab es eine Große Durchsuchung in der vierten, nicht in der dritten, eine fürchterliche Durchsuchung und, klar, sie fanden nichts. Zu der Zeit fiel X der zu viel plapperte: Jedes mal wo er fiel, fielen mit ihm 80 weitere. Ich glaube nicht, dass er das in der Wache erzählte, sondern als er im Knast war, es Leuten aus der dritten erzählte. Weil dort alle saßen, die was zu sagen hatten und die angeblichen COPEL.
B: Zwei Brüder von X arbeiteten am Tunnel mit und der Junge der seit einigen Tagen auf der Straße war, wurde wieder erwischt. Vielleicht hörte er die Glockenschläge seiner Geschwister und erzählte was im Knast und es kann sein, dass von dort die Geschichte kam. Ich will zu unserer Verteidigung sagen, dass seitens der Leute die teilnahmen, sogar schon vorher, zu der Zeit mit den Mollis, es keine Infiltrierung gab, es war eine sichere Sache.
A: Es war eine sehr offene Geschichte und niemals ist was passiert, weil es eine sehr persönliche Sache war, mit Vertrauensleuten, die sich untereinander mochten.
B: Es waren Leute, die aus Zeiten von Franco kamen, die die Klandestinität gewohnt waren, wenig redeten und vieles nicht aussprachen. Ich glaube, dass dies ganz gut funktionierte. Die Dinge bei denen wir erwischt wurden, waren nie aufgrund eines Tipps, sondern durch Zufälle.
A: Es gab Leute aus der CNT, die meinten, dies wäre keine Seriöse Sache, weil es zu viele wüssten.
B: Ja klar, ich habe auch was davon gehört und es kann sein, dass sie Recht hatten, aber wie sollten wir es denn anderes machen?
A: Ich glaube, sie machen das, um sich zu rechtfertigen, weil zu der Zeit anstatt an riskanten Dingen teilzunehmen, es leichter war zu sagen: „Meine Fresse, das ist ein Haufen von Unkontrollierten!“
F: Wo ist denn der Ort, wo ihr versucht habt den Tunnel zu machen?
B: Wir fingen Richtung Mislata an, neben dem Fluß, links vom Knast. Auf der Straße, die direkt nach Mislata führt, dort ist eine Falltür. Dort wo die Falltür ist, mehr oder weniger, führt das Kanalisationssystem nach Mislata und von dort aus gibt es keine anderen Kloaken bis mitten in den Knast. Dort ist es, wo wir mit dem Tunnel anfingen. Und wir schafften 8-10 Meter bevor wir festgenommen wurden. Rein gingen wir durch Campanar, in mitten eines Gemüsegartens, durch eine Falltür und wir liefen ein paar Kilometer, bis wir dort ankamen. Der Eintritt war vom Knast weit weg. In der Nacht, wo wir festgenommen wurden, war die Guardia Civil vor Ort, die seit zwei oder drei Tagen auf uns wartete. Die ganze mobilisierte Guardia Civil wartete auf uns. Sie wussten nicht wo wir rein gingen, sie wussten aber, wo der Tunnel war, weil sie das, bevor sie uns festnahmen, gesehen haben müssen, aber sie wussten nicht, wo sie uns schnappen könnten.
F: Wer sollte denn alles aus dem Knast rauskommen?
B: Im Prinzip sollte der Ausbruch allgemein sein, zu versuchen, dass so viele Leute wie möglich ausbrechen. Das was los ist, ist das meine Freunde diejenigen waren, die ich draußen haben wollte. Ein Gefährte der mit A. gefallen war, saß in Ocaña und ich sagte A. Bescheid, dass er unbedingt nach Valencia verlegt werden sollte. Die Idee ist, dass wir gegen Gefängnisse und für die Freiheit aller Gefangenen waren, daher sollte der Ausbruch allgemein sein.
A: Der Tunnel sollte durch die vierte gehen. In der vierten waren alle sanktioniert, bestraft wegen vorherigen Meutereien. Die aus der vierten sollten raus. Aus der dritten sollte im Prinzip keine Seele raus, aber aus der vierten sollten alle raus.
Wir hatten draußen z.B. Sie (A.d.Ü., damit ist eine anwesende Person gemeint), die uns sogar einen Panzer rüber bringen würde, falls es notwendig gewesen wäre. Weil damals bei den Treffen mit den Anwälten hatten wir vor uns nur ein Fenster mit Gitter und sie nahm das Risiko auf und schmuggelte uns alles rein, was wir brauchten. Genauso wie Infos in alle Richtungen zu verbreiten, um Kontakt zwischen allen herzustellen. Nun ja, alles.
F: Und ihr habt alles mit den Knackis zusammen gemacht, nicht wahr?
A: Klar doch. Wir waren keine Politischen, wir waren gegen diese Trennung.
B: Im Tunnel den ihr von außen nach innen gemacht habt, da nahm dein Vater teil.
A: Ja, dieser Tunnel wurde von el Cefe, el Crespo, el Palomares und el Chacón angefangen. Wir haben es erst später erfahren.
F: Aber ihr wart doch politische Gefangene?
A: Wir nicht, wir waren als soziale Gefangene drinnen. Sie wussten, dass wir irgendwas politisches hatten, aber uns war es egal. Wir, die vier, die hier in Valencia im Januar 78 gefallen sind, hatten kein Interesse uns als politische Gefangene zu präsentieren.
F: Ja, aber ihr seit auf Grund von politischen Dingen gefallen…
A: Wir sind gefallen, weil wir uns dummerweise erwischen haben lassen und Waffen gefunden wurden…
F: Aber es gab einen Unterschied innerhalb des Knastes. Auch wenn du dich nicht selber als politischen Gefangenen definiert hast, wusstest du in Wirklichkeit, dass du auf Grund politischer Sachen drinnen warst, nicht?
A: Bei uns lag der Unterschied daran, dass sie ein bisschen Angst vor uns hatten, weil sie nicht wussten wo wir rauskommen würden. Wir waren vier, die beiden von uns die minderjährig waren landeten in der ersten, welches der Trakt für Minderjährige war, und die anderen beiden landeten in der dritten. Dort wo der große Haufen sich befand, war in der vierten. Wir wollten von Anfang an zusammen bleiben und nachher in der vierten ankommen, denn dort war die Hölle los. Weil in den anderen Trakten spielten sie nur Mensch-Ärger-Dich-Nicht und wir wollten ausbrechen oder den Knast anzünden oder beides. Wir fingen einen Hungerstreik an, damit wir zusammengelegt werden und bei einem der Versuche, weil man uns nicht so beachtete, sind wir abgehauen und haben uns in einer Zelle in der vierten verschanzt und haben uns dort verbarrikadiert. Später wurden wir dort rausgeprügelt und man steckte uns in Strafzellen und wir waren 23 Tage im Hungerstreik. Letztendlich wurden wir in die vierte gebracht. Dort kannten wir schon Leute, mal schauen, diese Gruppe von Leuten, die mehr oder weniger auf der einen Seite bereit waren zu kämpfen, aber auf der anderen hatten sie auch so ein Ding am Laufen, dass sie die anderen rumkommandierten. In gewisser Weise manipulierend, irgendetwas zwischen Avantgarde und Mafia. Wir wurden respektiert, weil wir Anarchisten und Bankräuber waren, klar ist auch, dass es damals noch wenige Bankräuber gab. Aber es war keine Frage, ob wir einen auf Politische oder nicht machten, wir machten auf gar keinen Fall einen auf Politische. Was wir suchten, waren diese Leute, die wir von den Straßen kannten, diejenigen mit denen wir schon irgendwelche Kontakte gepflegt hatten. Was wir suchten, war ein zusammenleben mit ihnen, dort hinzugehen, um zu kämpfen.
F: Früher waren auch in den Knästen viele Drogen im Umlauf?
A: Früher und heute. In den Jahren von denen wir reden, gab es noch nicht so viele Drogen, weder im Knast noch auf der Straße. Ab 1978 ging der erste Junkie in den Knast von Valencia, was bis dahin nie passiert war. Das war so eine komische Geschichte. Er war sogar ein Kumpel von uns. Wir sagten den Einarmigen (der Psychiater im Knast), dass er ihm eine Behandlung oder irgendwas gibt. Später verbreitete sich in Hülle und Fülle das Heroin in den Knästen und auf den Straßen. Am Anfang gab es Leute, die Reisen nach Thailand machten und es mitbrachten. Es war eine Sache von einem Klüngel, eine sehr kleine Minderheit, die einen auf Hippies machten, alles probierten, die Reisen machten…, voll auf Abenteuer, eine Falle. Aber ab einem gewissen Moment war es die Guardia Civil im Konkreten, die das Heroin volles Programm einführte, im Baskenland, in Andalusien, einfach überall. Sie taten das mittels Spitzeln. Aber warum? Weil sie an den Orten anfingen, wo es am meisten Leute gab, die kämpften. Weil z.B., im Baskenland eine explosive Situation vorhanden war, mit Straßenkämpfen an fast allen Tagen und nicht gerade auf Grund von nationalistischen Beweggründen. Allumfassende Ungehorsamkeit. ArbeiterInnen, die keine mehr sein wollten, die aber tatsächlich einen Zahn zulegten und an allen Tagen auf der Suche nach Streit waren. Von denen endeten viele als Junkies und viele starben und im Knast dasselbe. Und da kommt wieder die Geschichte der Unterscheidung zwischen Politischen und Knackis. In Wirklichkeit ist es eine komplett falsche Unterscheidung. Damals fing eine Welle von Banküberfällen an, gerade in den Jahren 78,79,80… Bis zu dem Moment machte niemand Überfälle außer die Profis, Leute die aus dem Ausland kamen. Sehr wenige trauten sich Banküberfälle zu machen. Und ab einem gewissen Moment merkten die Leute, dass es leicht war Überfälle zu machen. Und Überfälle fanden im ganzen Staat, aber volles Programm, statt. Überfälle und Überfälle und Überfälle. Das waren keine gewöhnlichen Verbrechen im Gegensatz zu …, das war eine Bewegung, die für mich politisch ist, es ist eine Bewegung der Enteignungen, eine Bewegung gegen das Privateigentum. Und das wars. Außerdem, diese Leute machten es nicht mit dieser typischen Ethik eines Gauners, wie „ich hab viel Geld und so“, weil in Wirklichkeit viele dieser Leute, die aufgrund der Überfälle Geld wie Heu hatten, bereit für alles waren, ab einem gewissen Moment machten sie genau das, was wir euch hier erzählen. Im Sinne, dass sie bereit waren ihren Kumpels zu helfen, um aus den Knast auszubrechen, ihnen Schutz zu geben, falls sie es schafften, den Kampf in alle Richtungen zu unterstützen.
Das was los ist, ist, dass all diese Sachen, sogar die Bewegung an der wir selber teilnahmen, von kurzer Dauer waren, sie waren wie ein Blitz. Innerhalb einer viel weiteren Bewegung, die andere Merkmale hatte, viel komplexer war. Diese Art von Verhalten, diese Tendenzen und Bestrebungen, die auch den autonomen Kampf der Gefangenen einschlossen, waren von kurzer Dauer. Und nicht nur unter den Gefangenen, wo einer von zehn in Isohaft landet und von denen landet wiederum einer von zehn in Herrera, genauso geht auch auf der Straße einer von zehn in den Knast, so einfach. Die Gefangenen sind eine bestimmte soziale Gruppe, ein bestimmtes Muster. Das, was auf den Straßen passiert, kann nicht von dem, was im Knast passiert, getrennt werden. Und die Zusammensetzung der Knastbevölkerung kann nicht von den Lebensbedingungen der Bevölkerung im Allgemeinen getrennt werden. Z.B., bis zum Jahr 78 saß die Mehrzahl der Gefangenen auf Grund folgendes (oder etwas ähnliches): wegen dem Raub eines 1430 (Automarke), um damit in einen Elektrowarenladen zu fahren und alles von dort rauszuholen, um es zu verkaufen, etc. Drei Jahre davor waren jene, die das machten, ein Teil von Cliquen, die es in allen Kiezen gab, die sich vor den Discos untereinander Konfrontationen lieferten, um zu sehen, wer die Gegend kontrollierte. Aber vier Jahre später waren die, die noch nicht tot oder im Knast waren oder angefangen hatten auf dem Bau zu arbeiten und geheiratet hatten, halt Bankräuber. Und das ist keine Kriminalität, es ist ein Sektor des Proletariats, der auf eine bestimmte Art handelt, der auf eine bestimmte Art ungehorsam ist. Und das ist nicht weniger würdig, wie andere Arten von Ungehorsamkeit, sie ist sogar radikaler und stärker als z.B., Mitglied von CCOO zu sein.
F: Ich denke, dass wenn man schon draußen ist, nach dem was du im Knast erlebt hast, am Arbeiten bist, im Bezug auf die Leute, die auf dem Bau gearbeitet haben, wenn nachher ein Banküberfall stattfand… dann wurdest du festgenommen und wieder rein gesteckt, oder wie war die Sache? Ohne zu wissen das du es warst?
A: Damals, vor allem unter Francos Zeit, da war es sehr üblich einen Esel festzunehmen und ihn zu zwingen den Mord an Manolete22 zu gestehen, da sie nicht den Stier erwischten, schnappten sie sich den Esel.
F: Eine Frage, die ich euch beiden stellen wollte. Ich weiß nicht, ob ihr die Situation in den Frauenknästen kanntet. All das was ihr erzählt habt, bezieht sich, glaub ich, auf die Männerknäste.
B: Ich kann ein bisschen von meiner Zeit hier in Valencia erzählen. Die Sache ist, dass es sehr wenige Frauen im Knast gab, vielleicht zwischen vier und zehn Frauen. In Valencia gab es keine ähnliche Geschichte, die mit der COPEL von Männern vergleichbar wäre, nichts davon. Ich glaube, dass es irgendwas in Barcelona gab, dort gab es auch mehr gefangene Frauen. Aber in den Gefängnissen gab es damals sehr wenig gefangene Frauen.
A: Die Frauen Knäste wurden von Nonnen geleitet. Nicht, dass sie besser waren wie die von Männern, aber es gab voll das paternalistische Ding, von Kontrolle, aber wo sie dir voll auf den Keks gingen. Das war wie der „Beaterio de las arrecogias23“.
F: Das heißt, dass es mehr psychologische, wie physische Gewalt gab.
A: Ich glaube schon, das ist die Idee, die ich davon habe. In dem Buch von Muturreko über die Briefe aus Segovia24 gibt es eine Erzählung über die Trinidad2.
B: Ja aber das kam nachher in den 80ern. In der Zeit Ende der 70er gab es sehr wenige Frauen, die meisten waren in Yeserias, in Madrid.
A: Jetzt gibt es 60.000 gefangene Frauen und Männer, damals gab es 12.000 oder 13.000, und die Anzahl an Frauen war viel geringer wie jetzt. Seitdem hat es nicht aufgehört zu steigen und trotzdem ist es immer noch relativ wenig. Aber damals war es viel weniger. In den Frauenknästen wurden weder die Menschenrechte respektiert, noch die Würde irgendeiner Person, es gab Misshandlungen und alles, was man sich vorstellen kann. Die Sache ist, dass der Ablauf folgender war: Ein Nonnenkloster, wo die Nonnen die SchließerInnen waren. Das war, was es damals in der Trinidad in Barcelona gab und hier glaub ich auch.
E: Stell dir vor, dass wenn es in Valencia 800 Gefangene gab, es vielleicht nur acht oder neun gefangene Frauen gab.
A: Nachher hat sich die Sache entwickelt, das was los ist, ist, dass die gefangenen Frauen viele spezifische Probleme haben, wie die Mutterschaft.
F: Ich glaube, dass was sie den Frauen an meisten angetan hatten, war sie glauben zu lassen, dass sie bösartige und verirrte Frauen waren, die kategorisch schlecht angesehen sind, dass sie ihre Kinder verlassen hatten. Marginalisierte, die sich nur nachts dem Vergnügen gewidmet hätten, und dass sie ihre Aufgaben als Frauen nicht erfüllt hatten. Dass es eine größere Strafe war, weil sie Frauen waren…
B: Jetzt gibt es in den Frauengefängnissen viel von dem, es findet nach wie vor statt. (Im Publikum redet irgendwer von der positiven Seite gewisser Experimente, die hier in Valencia stattgefunden haben, von den Alternativen zum Knast, z.B. Wohnungen im offenen Vollzug für gefangene Mütter, die ihre Kinder bei sich haben. Auf dem Tonband kann fast nichts davon gehört werden.)
A: Aber das ist unmöglich. Das sind wie Risse, die am Ende rekuperiert werden. Weil bei der Sache mit den Wohnungen geht es darum eine Person gefangen zu halten und sie dort zu packen, wo es am meisten weh tut, bei den Kindern. Das ist eine Grausamkeit. Auf der anderen Seite, im Fall der Männer, der Gefangenen im allgemeinen, mehr als die Hälfte ist freiwillig gefangen, das muss gesagt werden. Der Knast ist eine umfangreiche Sache, es ist wie ein Kreis: Die Dichte der Repression ist im zentralen Kern sehr konzentriert und nachher verläuft sie. Desto mehr du dich der Peripherie annäherst, desto mehr hängt der Knast von der Subjektivität dessen, der sie erleidet ab, sie ist sein eigener Schließer. Die, die nicht in den Knast gehen, entweder weil sie nicht erwischt werden, die wenigsten, oder weil sie das Gesetz respektieren und der, der das Gesetz respektiert, braucht keinen Schließer, weil er ihn schon in sich trägt. Aber komm E. erzähl uns das von Barcelona.
B: Ich dachte vorhin, dass es das Interessanteste wäre, das von damals mit unserer jetzigen Situation in Verbindung zu bringen. Vorhin fragte wer, was für eine Art von Unterstützung wir machten und ich dachte an die Dinge, die wir außerhalb der ganzen Propaganda Sachen machten. Einige von uns praktizierten folgendes: Es wurden Überfälle gemacht und das Geld wurde für das Zahlen von Kautionen verwendet, um etwas Geld den Gefangenen zukommen zu lassen und nebenher zu der Unterstützung der Kämpfe von drinnen mittels symbolischer Aktionen, wie die Aktion mit Mollis oder den Sprengaktionen, wurden Leute, die aus dem Knast ausbrachen, versteckt oder jene die von der Polizei gesucht waren. Es gab eine Infrastruktur, die auf persönlicher Ebene basierte, einer Ebene von Beziehungen von autonomen Menschen, die nicht mit der Art des politischen Kampfes, der damals stattfand, einverstanden waren, also die der politischen Parteien. Was könnte jetzt gemacht werden? Wenn das, was vorher gemacht wurde, gültig oder nicht war, oder möglich war…
A: Oder geeignet. Denn damals war es nicht mehr gültig, um mal anzufangen. Es geht nicht darum, ob das was früher passierte, heute noch gültig wäre. Das, was wir hier erzählen sind keine Kriegsgeschichten, in Wirklichkeit waren es alles Niederlagen. Fast nichts ist uns gelungen, wir hatten halt sehr viel Herz und in Wirklichkeit wenig…
B: Aber es gab gute Sachen. Es wurden Verwundete versorgt, die bei Schießereien mit der Polizei verwundet wurden, weil es befreundete Ärzte gab, es gab Freunde für das und für dies, die vielleicht bei anderen Sachen nicht mithalfen, aber wenn man zu ihnen ging und sagte: „Hör mal zu, ich muss wen verstecken“ und ohne Probleme hattest du dann ihr Haus, um irgendeine Person zu verstecken. Oder ein Arzt war bereit, sogar mit wenig Erfahrung, eine Kugel zu entfernen, um den Verwundeten nicht ins Krankenhaus zu bringen. Und all das wurde gemacht, Überfälle um das Geld dafür zu verwenden, um gewisse Sachen vorbereitet zu haben.
A: Es gab ein Widerstandsverhalten, das sehr ausgeprägt war, die Angewohnheit gegen das Gesetz zu sein, weil wir alle mit Franco aufgewachsen sind und mit Franco war alles verboten und falls du leben wolltest, musstest du in irgendeiner Weise in den Untergrund gehen. Es gab auch mehr Vorstellungskraft, denn damals war die Vorstellungskraft noch nicht so sehr durch das Kapital kolonisiert, sozusagen. All das was uns einfiel… wir hatten eine riesige Schattenzone und wenn mal diese Linie überschritten wurde, war sie dort, ohne Grenzen, um es zu erkunden. Heutzutage geht es nicht darum. Heutzutage verhält sich die Herrschaft durch dieselbe brutale Gestalt wie immer, aber zusätzlich mit weiteren komplizierteren Arten, in der Subjektivität, von der Kindheit auf, die anders ist. Und heutzutage, auf der einen Seite… die Seite der Kontrolle der Körper, des Verhaltens, der Bewegungen von jedem… früher hatte das Netz der Kontrolle riesige Lücken, heute sieht man sie nicht mehr, es ist so dicht, dass es schwierig ist sich zu bewegen, ohne dass sie dich kontrollieren. Zusätzlich dazu findet das statt, falls du irgendwo hinkommen willst, einer Stellung des Widerstandes, ein Verhalten der Ungehorsamkeit, einer illegalen Aktivität, stellt sich heraus, dass wenn du dort ankommst, sich der Feind schon seit langer Zeit dort befindet. Weißt du, was ich dir damit sagen will? Du kommst dort an und dieser Raum, dieses Verhalten ist schon kontrolliert, es stellt sich heraus, dass das, was du vorhattest schon vorhergesehen war. Und warum? Weil damals…, es stimmt auf jedenfall, auch wenn darüber diskutiert werden muss, um es zu beweisen, dass in den 60ern und 70ern eine Welle an Ungehorsam, sogar eine Aggressivität stattfand, die sich gegen das System wandte. Die ganz Europa traf, wie in Italien, Frankreich, Deutschland, Portugal, Spanien, Tschechoslowakei, Ungarn, Vereinigte Staaten, … und die sogar den Herren der Welt in Bedrängnis brachte. Es fanden ausschlaggebende und entscheidende Kämpfe statt und leider wurde diese Bewegung der Ungehorsamkeit besiegt. Und sie wurde nicht nur als Subjekt, welches sich wehrte besiegt, die materiellen Bedingungen, aus der sich dieses Subjekt gebildet und entwickelt hatte, wurden verändert. Sie wurden sogar abgeschafft, bis hin zu dem Moment, wo die Mittel um in der damaligen Welt Stellung zu beziehen, wie die Ideologien, die strategischen Erzählungen von damals, heutzutage zu Fallen werden, weil die Umstände, auf die man sie heutzutage anwenden könnte, sich enorm verändert haben.
Auf der anderen Seite, die Waffen, die für die Niederlage dieser Bewegung verwendet wurden, eine der wichtigsten war die Praxis eines Prinzips, das wichtigste der Herrschaft. Das heißt zu einer gewissen Situation, auf einem Gebiet, wo es eine Bevölkerung gibt, die du beherrscht und sie zwingst sich auf eine bestimmte Art und Weise zu bewegen. Mit einer Ideologie und einigen Endergebnissen, trotz all dem gibt es immer Dinge, die außer acht gelassen werden, Faktoren, die nicht kontrolliert werden können. Aber auch wenn sie nicht kontrolliert werden können, kann man sie als Faktoren identifizieren. Daher, dieses Prinzip beruht darauf, wenn du siehst das eine Bewegung entstehen kann, eine Kraft, die für dich eine Gefahr ist, dann ist es besser, dass du sie zur Abtreibung bewegst, sie zu einer früheren Geburt bewegst, und damit du selber jener wirst, der die Initiative hat, der, der diese Kraft führt, du als manipulierende Person, als Polizist, als Militär… Es geht darum Revolutionäre in Agenten umzuwandeln und die Agenten in Revolutionäre. Und das ist keine Poesie, es ist sehr schwierig das zu erklären, weil dafür würde es Sinn machen, eine detaillierte historische Erzählung zu machen. Das heißt, nicht nur mit einigen bestimmten strategischen Thesen, so mal erzählt, denn falls nicht, macht es für mich keinen Sinn, die Geschichte als die Geschichte des Klassenkampfes zu erzählen und zusätzlich Detail für Detail und jedes Detail dokumentiert und bewiesen in einer realistischen Form. Ohne das, ist es schwierig, dass diese Behauptungen auf irgendeine Art einen wahren Sinn ergeben. Aber das ist Notwendig. Wenn es für mich einen Sinn macht, hier zu sein, um euch Schlachten von der Vergangenheit zu erzählen, geht es genau darum. Weil ihr und wir, Alteingesessene, sind in Wirklichkeit gar nicht so verschieden, es trennt uns nicht so viel und nicht mal die Jahre. Dennoch, wetten, dass ihr von dem Meisten, was wir erzählt haben, nicht den blassesten Schimmer hattet? Aber es hat hier stattgefunden, nicht vor langer Zeit. Das kann wie eine Anekdote gesehen werden, wie irgendeine Geschichte, die du nicht mitbekommen hast und falls es der Fall ist… was macht das schon? Wenn du nichts darüber weißt, dann kann es auch nicht wichtig sein.
Aber da man nichts darüber weiß, noch weniger weiß man darüber, jetzt wo wir über Knäste reden, wie diese sich seit damals entwickelt haben und weiterentwickelt und nochmals weiterentwickelt (auch wenn alle, die sich den Knästen angenähert haben, wissen, dass diese scheiße sind), bis sie zu der Maschinerie wurden, die fürchterlich funktioniert. Aber für ihren Nutzen als Maschinerie, für den Zweck, den sie in Wirklichkeit hat, funktioniert sie sehr gut. Und sie ist hochentwickelt worden, und sie hat ein wunderbares Niveau an Effizienz, außerordentlich seit wir mit den damaligen Geschichten bis heutzutage unterwegs waren. Unterm Strich, das Hauptziel des Gefängnisses ist es, Menschen so zu konditionieren, bis hin zu dem Punkt, an dem sie verwandelt und zu 100 % vorhersehbaren Menschen werden. Die niemals was machen werden und selbstverständlich nie was gegen das System machen werden, da sie ungehorsame Menschen sind, die da sind, um gegen das Gesetz zu handeln, nichts was unvorhersehbar wäre, auf das das System keine Antwort hätte, sogar eine ausgefeilte Antwort durch die sie erreicht, dass das, was die Person macht zum Vorteil des Systems wird und es dieser Person schadet. Ich weiß nicht genau, ob ihr versteht, was ich euch sagen will, aber so schafft es das System, den Glauben zu erzeugen, dass es schon immer hier war und immer hier bleiben wird. Aber das ist nicht so, die Dinge waren vor 20 Jahren nicht so wie jetzt, sie wurden so, wie sie heute sind, weil sie gegen die Opposition vieler Menschen handelten, einige mit einem Bewusstsein, andere mit einem anderen, einige mit einem hohen Grad an Scharfsinn und andere mit weniger und wir haben viele von ihnen auf dieser Veranstaltung erwähnt. Gegen ihre Opposition und im Kampf gegen sie und sie in diesen Kämpfen besiegten. Und die Welt, so wie sie ist, wurde auf diesen Siegen gestaltet. Wenn man diese Geschichten kennt, kann man auch dieses System erkennen und das ist ein Blickwinkel, um die Essenz von irgendetwas zu erkennen: Wie, von was, wo, wann ist es entstanden und wie hat es sich entwickelt, wie wurde es zu dem, was es ist. Eine andere Perspektive ist es, die Gegenwart zu erkunden.
Nun gut, die Sache gegen die Knäste zu sein… in diesem Milieu, ich weiß nicht wie ich es nennen soll, wird viel gegen Knäste geredet, ich denke mir, dass man sich gegen den Knast fühlt. Angenommen das der Knast ein Feind ist, ein Monster, was Zähne hat, was Krallen hat, was ein Maul hat, um dich zu schlucken, was einen Magen hat, um dich zu verdauen und einen Arsch hat, um dich auszuscheißen. Aber irgendwas dort, ganz weit weg, eine unförmige Masse, bedrohend, die man verfluchen kann, gegen die man Steinchen werfen kann, ohne dass sie was bemerkt, aber gegen die man nichts machen kann. Nichtsdestotrotz ist das nicht real, es ist eine verzerrte Ansicht, ein Produkt der Andeutung. Das Monster hat keine Krallen, weder Zähne, noch irgendetwas, es ist eine bestimmte soziale Maschinerie mit einer bestimmten Funktion und Mechanismen, einigen Rissen und einigen Schwächen, einigen lebenswichtigen Punkten, die angegriffen werden können. Es gibt einen Unterschied, zwischen einem symbolischen Angriff, einem verbalen, auf einer verzweifelten Art und einer soften Verzweiflung. Es gibt einen Unterschied zwischen all dem und es wirklich anzugreifen, auch wenn es bescheiden ist, auch wenn es nicht entscheidend ist, auch wenn man einen Guerillakrieg führt, den Feind, mit dem du nicht fertig wirst, zu bedrängen, aber nicht zu erlauben, dass er die Initiative ergreift, nicht zu erlauben, dass er derjenige ist, der dein Leben beherrscht, sondern du, der es immer wieder es in die Hand nimmt, um die Herrschaft aus ihr zu vertreiben. Aber dieser Unterschied kann überwunden werden, das Monster kann angegriffen werden und auf viele verschiedene Arten, klar sollte sein, dass eine angemessene Mühe notwendig ist. Nicht die Mühe um der Mühe willens, ich persönlich verabscheue die Militanz, die Aufopferung, die Selbstverleugnung, das Heldentum, ich scheiß auf all das. Aber ich, leidenschaftlich, um glücklich zu sein, brauche mindestens die Möglichkeit daran zu glauben, dass das, was mich in Wirklichkeit fickt, was mir den Schlaf raubt, besiegt werden kann. Das ist keine Sache, die wie durch ein Wunder geboren wurde, die auch aus keiner ideologischen Sache und keinem Klischee entnommen werden kann. Es muss eine scharfsinnige, offene und reale Konfrontation, von Angesicht zu Angesicht mit dem Monster stattfinden, um es kennenzulernen und ehrlich zu suchen, wo es angegriffen werden kann, ohne weiteren Schnickschnack oder Rechtfertigungen. Das ist, was es heutzutage viel schwieriger macht als damals, weil die Situation viel komplexer ist, weil die Herrschaft viel stärker ist, unter anderem, weil seit vielen Jahren niemand sich mit ihr anlegt. Jetzt erleben wir eine Art von Erwachen einiger Dinge, die seit langem abwesend waren und Konsequenz dieser Niederlage sind, aber es ist ein Erwachen, welches bis jetzt noch nicht viel zum Erwachen gebracht hat. Damals war es schon schwierig sich mit einem Monster, was viel schwächer war, gegenüber zu stellen, das weniger koordinierter mit dem sozialen Leben im Allgemeinen war. Die Gesellschaft war viel weniger Knast, wie sie es heutzutage ist, heutzutage ist eine Stadt ein Knast, auch wenn sie die Knäste aus den Städten raus bringen, ist es egal, wenn der Knast bei dir zu Hause ist, viel mehr wie damals und die Kontrolle… und diese ist die Rechtfertigung dieser Veranstaltung. Auch wenn nach vorne der Blick gerichtet gehört, muss auch wegen dieser Gründe zurück geblickt werden.
B: Auch wenn zu der jetzigen Zeit ihr mehr Leute seit, die Dinge machen und auf einer autonomen Art kämpft, wie damals. Zu der Zeit waren wir ganz wenig Leute. Die Leute die bei Sachen teilnahmen, waren Militante von Gruppen oder politischen Parteien, komplett geführt oder fremd geführt. Heutzutage sind wir viel mehr Leute, bezogen auf die Menge. Die Repression hat sich komplett verändert, damals war es die geballte Faust und die war auch sehr stark. Bei uns z.B., stellte die Polizei eine Gruppe von Spitzeln auf die Beine, die auch Mollis schmissen, um zu versuchen, sich mit uns in Verbindung zu setzen und um uns festzunageln. Die Sache ist, mit den ganzen Leuten die an diesen Geschichten teilnahmen, haben sauwenige von uns dafür bezahlt, acht oder zehn Personen die für irgendetwas im Konkreten verhaftet wurden und das wars, wir zogen nie einen Haufen von Leuten mit, die verhaftet werden konnten. Sie gründeten (A.d.Ü., die Cops) eine Organisation die sich GAR, Grupos Anarquistas Revolucionarios – Anarchistische Revolutionäre Gruppe, nannten, die Mollis gegen Banken warfen, um sich mit uns in Verbindung zu setzen. Weil sie wussten das es Leute gab, die jede Woche Mollis geworfen haben und nicht wussten woher es kam. Soviel Gewicht wurde dem Thema gegeben.
A: Weil unsere Art uns zu organisieren sich auf persönlichen Beziehungen aufbaute, war es sehr schwierig uns zu bespitzeln, weil wir mit dem Herzen funktionierten. Und wohin ging dieser Haufen von Leuten, die Spitzel, Hunde und Informanten, die nicht mal Profis waren?
Anmerkungen:
1 Die Revolte der Knackis, Gefangenen Info 410
2 Übergangsphase in Spanien von der Diktatur Francos (ab Francos Tod 1975) bis hin zu den ersten demokratischen Wahlen die 1977 stattfanden.
3 La Modelo, war ein berühmter Knast in Barcelona. Wurde im Jahr 1903 eröffnet und 2017 geschlossen.
4 El Dueso ist ein Knast im Bundesland von Kantabrien, wurde 1907 eröffnet.
5 Milis, Mitglieder von ETA-Militar
6 Polimilis, Mitglieder von ETA-Politico Militar
7 Herrera de la Mancha ist ein Hochsicherheitsgefängnis in Castilla la Mancha, wurde 1979 eröffnet.
8 Agustin Rueda, war ein katalanischer Anarchist, der im Knast von Carabanchel 1978 ermordet wurde.
9 Ein Platz in der Altstadt von Valencia
10 Hermandad Obrera de Acción Católica (ArbeiterInnen-Bruderschaft Katholischer Aktion), 1946 gegründete Organisation von Arbeiterpriestern. Spielten eine wichtige Rolle für die Reorganisierung der ArbeiterInnen.
11 Juventud Obrera Cristiana (Christliche Arbeiterjugend), 1925 gegründete Organisation von Arbeiterpriestern.
12 Als „Chinesen“ werden die Anhänger von Mao in Spanien bezeichnet.
13 Liga Comunista Revolucionaria (Revolutionäre Kommunistische Liga), trotzkistische Partei, 1971 gegründet.
14 Acción Comunista (Kommunistische Aktion), links kommunistische Partei, 1964 gegründet.
15„Leute von unten“, steht für die Unterschicht, die ArbeiterInnenklasse.
16 Name einer anwesenden Person.
17 Xosé Humberto Baena Alonso, José Luis Sáchnez Bravo und Ramón García Sanz von der FRAP und Juan Paredes Manot und Ángel Otaegui von ETA político-militar, wurden am 27. September 1975 erschossen. Sie waren die letzten, von einem Militärgericht, zum Tode Verurteilten unter Franco.
18Puig Antich war Mitglied der revolutionären Gruppe MIL. Er wurde am 2. März 1974 mittels der Würgeschraube hingerichtet. Er war der letzte Mensch in Spanien der mit diesen mittelalterlichen Gerät umgebracht wurde.
19 Kommunistische Partei Spanien, 1921 gegründet
20 Comisiones Obreras (Arbeiterräte), Gewerkschaft in Spanien, die sich Anfang der 60er gegründet hatte. Hatte anfangs radikale Ansätze, bis sie von der KP unterwandert und dominiert wurde, was schon sehr früh geschah. Ist die größte Gewerkschaft in Spanien.
21 ETA, GRAPO und FRAP, als Beispiel, wollen nicht den Staat abschaffen. Im Falle der ETA wollen sie sogar einen neuen Gründen, bei den anderen beiden soll dieser in ferner Zukunft, nach der glorreichen Phase der „Diktatur des Proletariats“, dieser von selbst „absterben“ (Marx). Der Begriff im spanischen ist „estatista“, was „staatlich“ bedeuten würde. Wir haben es anders übersetzt, weil wir der Auffassung sind, es könne nicht verstanden, bzw. missverstanden, werden.
22 A.d.Ü., Manolete war ein berühmter spanischen Stierkämpfer der in der Arena 1947 von einem Stier umgebracht wurde. Es handelt sich daher um eine ironische Metapher.
23 „Las arrecogías del beaterio de Santa María Egipciaca“ ist ein Theaterstück von 1970, welcher aufgrund der Zensur erst 1977 aufgeführt werden konnte. Im Stück handelt es sich um die Figur von Mariana Pineda, die mit anderen Frauen, gegen den Absolutismus von Fernando VII waren. Sie wurden der Prostitution (las arrecogías) angeklagt, sowie inhaftiert und gefoltert.
24 Aufrufe aus dem Knast von Segovia, Koordination autonomer Gruppen Spaniens, Tiamat Verlag, 1980
25 La Trinidad, ist der Frauenknast in Barcelona. Im erwähnten Buch ist ein Kapitel über Frauen und ihrer Situation dort, fehlt aber in der deutschen Ausgabe.