Auch hier ein Text den wir seit langem veröffentlichen, die Übersetzung ist von uns, wollten. Nichts neues was hier drinnen steht, einiges was noch ausdrücklich aktuell ist, anderes was als überholt gilt, oder auch falsch ist und zuletzt findet man auch vollkommenen Blödsinn. In diesem Text sind die Begriffe ‚Insurrektion‘ und ‚Aufstand‘ (sowie deren verschiedenen Formen, ob Adjektive oder nicht), als Synonyme zu verstehen. Wenn der Begriff ‚aufständisch‘ häufiger als ‚insurrektionalistisch‘ verwendet wurde, liegt es an seiner allgemeineren Verbreitung und nicht anhand inhaltlicher Divergenzen und/oder Differenzen und selbst verständlich haben sie niemals was mit der theoretischen und praktischen Entleerung des Tiqqunismus, Appelismus, des Unsichtbaren Komitees zu tun.
Constantino Cavalleri
Anarchismus in der postindustriellen Gesellschaft
Insurrektionalismus, Informalität, anarchistische Projektualtät zu Beginn des Jahres 2000
Guasila, August 1999.
Anarchismus im Fokus
Wir können uns mit Anarchismus aus mindestens zwei Perspektiven beschäftigen:
- Aus der Sicht der politischen Doktrin;
- Aus der Sicht der Geschichte der Bewegung im Sinne einer Bewegung revolutionärer Ideen und Praktiken im Rahmen des Kampfes der untergeordneten Klassen für die Befreiung von jeder Form der Knechtschaft.
Wenn wir uns mit der ersten Perspektive beschäftigen, kommen wir zweifellos zu dem Grundgedanken, der den Anarchismus zu einem in seiner Spezifität kohärenten theoretisch-ideologischen Korpus macht, sei es auf philosophischer oder auf eher politischer Ebene. Allerdings hat diese Perspektive auch ihre Grenzen, vor allem für diejenigen, die mit anarchistischen Themen nicht vertraut sind. Man kann während der Erklärung und vor allem während der anschließenden Diskussion leicht in reine ideologische Abstraktion abgleiten und dabei den Fokus darauf verlieren, was den Anarchismus zu etwas anderem macht als das, was für immer festgelegt ist.
Anarchismus zu verstehen bedeutet natürlich, die Elemente zu erfassen, die über den doktrinären Aspekt hinaus in den lebenden Individuen verwurzelt sind, die sich also in ständiger existenzieller Spannung befinden.
Eines der Grundelemente des Anarchismus ist die Anerkennung des Individuums, jedes einzelnen Individuums, als zentrales Element in allen Bereichen des menschlichen Universums.
Jeder Mensch, jedes einzelne Individuum ist das einzige reale Wesen, das fähig ist, zu genießen und zu leiden, zu glauben und zu leugnen, zuzustimmen und zu widersprechen, zu wollen und nicht zu wollen. Die anderen Wesenheiten, auf die man sich als Gruppe von Individuen bezieht, in der Politik wie auch in der Soziologie, in der Anthropologie wie in der Geschichte, sind bloße Konzepte, die sich auf Abstraktionen reduzieren, wenn sie die konkreten Individuen nicht berücksichtigen.
Der Begriff „Volk”, wie er im Anarchismus verstanden wird, drückt die Gesamtheit realer Individuen, ihrer materiellen und geistigen Verhältnisse und der unterschiedlichen Beziehungen zwischen ihnen aus.
Wenn man also von einem Volk spricht, bezieht man sich auf die Verhältnisse und Beziehungen der Individuen, die ein bestimmtes Volk bilden. Nur so kann man die sozialen Schichten oder die Klassenzusammensetzung einer bestimmten Bevölkerung verstehen.
So entdeckt man die Existenz von Lebensbedingungen und Beziehungen, die für einen Teil dieses Volkes spezifisch sind, aber nicht für andere Teile, und dass die Vielfalt der Bedingungen oder Beziehungen oft Ursache für Konflikte zwischen verschiedenen Gruppierungen des sozialen Körpers ist.
Ebenso kann die Behauptung, dass die sardische Nation ausgebeutet und kolonialisiert wird, keineswegs bedeuten, dass alle sardischen Individuen ausgebeutet und kolonialisiert werden.
Die „Nation“ ist nur ein Konzept, das nützlich ist, um die Gesamtheit der Individuen zu beschreiben, die einige Elemente des sozialen Lebens und der historischen Erfahrungen teilen; aber es ist klar, dass es in der konkreten Existenz erhebliche Unterschiede zwischen den Individuen gibt, je nach den Bedingungen, unter denen sie leben. Um aus der Abstraktion herauszukommen oder ihr fernzubleiben, ist es daher notwendig, die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Menschen zu unterscheiden und sie auf der Grundlage der Ähnlichkeit ihrer Lebenserfahrungen in Untergruppen derselben Nation neu zu gruppieren. Das hilft uns auf jeden Fall dabei, die Leute, die wirklich unter Ausbeutung und Kolonialisierung leiden, besser zu erkennen, und auch die, die nicht nur nicht darunter leiden, sondern in verschiedener Weise sogar mitverantwortlich für die Unterdrückung innerhalb der sardischen Nation sind.
Für den Anarchismus bedeutet die Forderung, dass das Individuum im Mittelpunkt des Universums steht, letztlich, sich in den revolutionären Kampf der entrechteten und unterdrückten Massen einzubringen und dabei diese grundlegende Frage zu berücksichtigen, die nicht nur ein Ziel ist und niemals sein kann, sondern eine Methode, eine Ethik.
Für die absolute Freiheit jedes Individuums zu kämpfen bedeutet also in der Regel, sich auf der Grundlage dieser Freiheit zu organisieren, auf der Grundlage dieser Freiheit zu kämpfen, Organisationsmethoden, Beziehungen zu Dingen und Individuen zu aktivieren, Kämpfe zu führen, die bereits jetzt die Freiheit des Individuums garantieren.
Das Konzept der Freiheit ist aber so überstrapaziert, dass es in aller Munde ist, sodass es jede Bedeutung verloren hat und absolut nichts mehr aussagt.
Es muss im Sinne des Anarchismus geklärt werden.
Für den Anarchismus geht Freiheit mit der Selbstbestimmung der Individuen einher.
Wir sind frei, wenn jedes Individuum in sich selbst die Motivation, die Spannungen, die Gründe, die Impulse und die Kraft findet, die für sein eigenes Handeln notwendig sind, und so seinen eigenen Lebensweg mit eigenständigen Inhalten füllt.
Nur selbstbestimmte Individuen können selbstbestimmte Gemeinschaften bilden.
Aber es ist klar, dass man nicht von einer selbstbestimmten Gesellschaft oder Gemeinschaft sprechen kann, wenn auch nur einem einzigen Individuum die Selbstbestimmung fehlt.
Der Mensch ist ein soziales Wesen: Das Individuum entscheidet sich nicht dafür, Teil einer Gesellschaft oder Gemeinschaft zu sein, er wird in die Gesellschaft hineingeboren.
Wenn die Bedingungen und Beziehungen, die dem sozialen Körper zugrunde liegen, auf Selbstbestimmung beruhen, wird jedes Individuum von Geburt an in ein Umfeld eingebunden, das Selbstbestimmung fördert, sei es in den materiellen oder in den spirituellen Momenten des Daseins.
Allerdings ist jede gesellschaftliche Körper – und die anthropologischen Wissenschaften, die heute weitgehend losgelöst von ethnozentrischen und historisch-finalistischen Fragen sind, beweisen dies immer mehr – als solche nichts anderes als ein Netz von zwischenmenschlichen Beziehungen, die der Gemeinschaft und den Individuen ihren Fortbestand in der Zeit sichern.
Wo also Trennung, soziale Spaltung und Unterschiede in den Lebensbedingungen der Individuen und sozialen Klassen bestehen, sind die Beziehungen und Konfrontationen, die im Sozialen interagieren, geeignet, diese Trennung selbst zu reproduzieren und zu garantieren.
Umgekehrt reproduzieren die Konfrontationen und Beziehungen, die die Gesellschaft durchziehen, dort, wo das soziale Gefüge nicht gespalten ist, die Ungeteiltheit, die wesentliche Einheit des sozialen Gefüges.
Die so verstandene Freiheit unterscheidet sich deutlich von jeder anderen ethischen, sozialen, philosophischen und politischen Interpretation.
Das Streben, die anarchische Spannung, sehnt sich nicht nach der Gleichheit der Individuen, kann sich diese auch gar nicht wünschen, denn der Anarchismus hat seine Daseinsberechtigung als Negation jeder Form der Homologation.
Gleichheit wird in jedem Fall in der spezifischen Bedeutung der Ähnlichkeit der materiellen Existenzbedingungen aller Individuen anerkannt, als Grundlage für die freie Entfaltung und existenzielle Artikulation des eigenen spezifischen und unwiederholbaren Seins jedes Menschen.
Die Ablehnung der Homologation und der Kampf gegen sie spiegeln sich im Anarchismus wider; dieser kann niemals ein für alle gültiger monolithischer Block sein, im Gegenteil, man kann ohne Widerlegung behaupten, dass es so viele Anarchismen gibt, wie es Individuen gibt, die ihn sich zu eigen machen.
Es stellt sich heraus, dass Anarchismus ein Komplex politischer Positionen ist, die auf der Zentralität des Individuums basieren. Und da der politische Raum der Moment ist, in dem sich Macht in der Gesellschaft manifestiert, ist Anarchismus, der die Gültigkeit zentralisierter Macht, die Individuen überdeterminiert, ablehnt, eine politische Position mit dem Ziel, Macht in all ihren konkreten Aspekten zu zerstören.
Was mich betrifft, werde ich hier meinen Anarchismus vorstellen und versuchen, aufzuzeigen, was allen Anarchistinnen und Anarchisten gemeinsam ist und was meine persönliche Sichtweise von der der anderen unterscheidet.
Die anarchistische Bewegung aus historischer Perspektive
Der Anarchismus entsteht, entwickelt sich und nimmt eine spezifische Gestalt an – sei es als reale Bewegung des Klassenkampfs oder als doktrinäre Strömung – im Schoß jenes Schmelztiegels von Ideen, Spannungen und Kampfbewegungen, der der Sozialismus seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war.
Der Sozialismus stand in gewisser Weise im Gegensatz zum Liberalismus (und zum Liberismus, der ökonomischen Version des politischen Liberalismus).
Der Liberalismus war Ausdruck der Interessen der kapitalistischen Bourgeoisie in einer historischen Situation, in der sich seit der Auflösung der feudalen Gesellschaft in Europa moderne Staaten bildeten und festigten.
Ganz kurz gesagt, der Liberismus wollte die totale Freiheit des Kapitals, auch wenn das für Millionen von Individuen, die durch den Übergang vom Feudalismus vom Land vertrieben wurden und denen die Rechte, die sie vorher im Feudalsystem hatten, verweigert wurden, noch nie dagewesenes Leiden verursachen würde.
Der Liberalismus strebte auf politischer Ebene die Neutralität des Staates an, also die Garantie der Freiheit des Kapitals und dessen Verteidigung gegen Angriffe der Entrechteten-Proletarisierten.
Der Sozialismus stellte die Interessen einer Klasse über die allgemeinen Interessen der Gesellschaft und übertrug dem Staat als Organ, das das Volk und die Nation vereinte und vertrat, die Aufgabe, soziale Konflikte zu regeln und zugunsten der Klassen zu intervenieren, die vom nationalen Reichtum ausgeschlossen waren.
Sowohl der Liberalismus als auch der Sozialismus teilten (und teilen noch immer, wenn auch in neuer Gestalt) einige Themen, die für das Verständnis der kapitalistischen westlichen Existenz von grundlegender Bedeutung sind:
- Der Historizismus (in all seinen verschiedenen Ausprägungen);
- Die Idee des Fortschritts.
Wenn man die zeitlichen Wechselfälle der Menschheit als eine Abfolge miteinander verflochtener Etappen interpretiert, auch mit ihren Höhen und Tiefen, bis sie eine unauflösbare Kontinuität darstellen, in der jede Etappe in gewisser Weise eine Verbesserung gegenüber der vorherigen darstellt und die nächste Verbesserung vorwegnimmt, die unweigerlich die nächste Etappe kennzeichnen wird, muss man daraus schließen, dass der Kapitalismus, auch wenn er in bestimmten Situationen Leid und scharfe Widersprüche hervorruft, in seinem Wesen nicht in Frage gestellt werden kann: Er ist ein Teil, der aus dem historischen Weg der Menschheit nicht entfernt werden kann, eine grundlegende Etappe.
Die historisch-endgültige Konzeption finden wir, wohlgemerkt, sowohl bei Hegel als auch, später widerlegt, bei Marx.
Der Anarchismus, auch wenn er Momente origineller Kritik sowohl am Historizismus als auch am Progressivismus (der Idee des Fortschritts) aufweist, bleibt größtenteils ebenfalls darin verstrickt. Mit dem Sozialismus teilt er also einige allgemeine Themen und Konzeptionen, die für den kulturellen Horizont der Epoche typisch sind.
Die anarchistische Bewegung in ihrer Spezifität
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt der Anarchismus eine eigene Gestalt, die ihn von allen anderen Strömungen des Sozialismus und des gerade entstehenden Marxismus unterscheidet.
Der Prozess der Herausbildung seiner Spezifität vollzieht sich im Laufe eines Jahrzehnts, sowohl im Rahmen des „Wettbewerbs” zwischen den verschiedenen Positionen des Sozialismus als auch im Rahmen des konkreten Klassenkampfs, der seitens der Proletarier zunächst sporadische und lokale Organisationsformen annimmt, und schließlich international (1864, wenn ich mich nicht irre, wurde die Internationale Arbeiter-Assoziation – auf Französisch A. I. T. – gegründet, besser bekannt als Erste Internationale).
Eine theoretische Pause, die praktische Perspektiven erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf breiter Ebene eröffnen wird, deren Einfluss bis dahin aber auf wenige Revolutionäre (vor allem Bakunin) beschränkt bleibt, findet zwischen 1840 und 1850 durch die Positionierung von Max Stirner statt, einem deutschen Philosophen der Hegelschen Linken, der eine tiefe Kenntnis des von Feuerbach, Marx usw. entwickelten Sozialismus hat.
Stirners Buch „Der Einzige und sein Eigentum” (das einzige, das er geschrieben hat, seine anderen Werke sind Artikel für Publikationen oder Zeitschriften) ist eine radikale und provokative Kritik an der Gesellschaft, auf der die materialistischen Positionen des Sozialismus beruhen.
Was Stirner zeigt ist der totalen Verlust des Einzigen, also des konkreten Individuums, der echten menschlichen Subjektivität, die spezifisch und unwiederholbar ist, in den Irrungen und Wirrungen dessen, was jedem Menschen völlig fremd ist.
Wenn die Sozialisten von Menschheit, Volk, Klasse und dann von den Interessen der einen und der anderen sprechen, verändern sie die tatsächlichen Bedingungen der Befreiungsproblematik: Jedes Individuum verschwindet, um fremde und ihm feindliche Anliegen zu verwirklichen.
Selbst die Koalition von Individuen mit ähnlichen Lebensbedingungen, die für die Bekräftigung ihrer eigenen Freiheit kämpfen, wird zu einer Sache, die jedem Einzelnen fremd ist, wenn sie sich nicht zusammenschließen und die Besonderheiten jedes Einzelnen nicht anerkennen, die zumindest teilweise von denen der anderen abweichen und somit im Wesentlichen einzigartig sind.
Laut Stirner gibt es immer die Möglichkeit, jemanden zu finden, mit dem man sich zusammenschließen kann, ohne dabei aber nur eine einzige Fahne zu vertreten. In Feuerbachs Werk (der die „wahre Humanisierung” des Menschen durch die Überwindung der Entfremdung in Gott und damit durch den Aufbau der Menschheit anstrebte) erkennt Stirner den neuen Entfremdungsprozess, der die Individuen von sich selbst entfremdet und die Grundlage der sozialistischen und kommunistischen Tendenzen bildet, und sieht darin das Streben nach der Homologisierung der Individuen.
Die Position Stirners hat wahrscheinlich die Entwicklung des Denkens von Bakunin beeinflusst, der sie, bereinigt um ihre äußeren hegelianischen Elemente, in eine globale anarchistische Synthese einfügte, die darauf achtete, die Zentralität des Individuums nicht aus den Augen zu verlieren.
Aber erst ab dem Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Stirners Werk wieder weit verbreitet war, gewann es seine Bedeutung in der anarchistischen Bewegung zurück, befreit von den Verzerrungen, die seine Kritiker in der Zwischenzeit vorgenommen hatten.
Die besondere Aufmerksamkeit, die der Anarchismus dem Individuum, also der spezifischen Positionierung gegenüber der Macht, schenkt, wird den Weg ebnen, der die Bewegung zu einer klaren Abgrenzung gegenüber den anderen Strömungen des Sozialismus und Marxismus führen wird.
Die offensichtlichste und entscheidendste Auseinandersetzung wird innerhalb der Ersten Internationale stattfinden.
Die Internationale ArbeiterAssoziation wird in London im Rahmen der europäischen Arbeiterbewegungen gegründet, weshalb der organisatorische Moment und der Plan der Kämpfe, die auf internationaler Ebene organisiert werden, in ihrer Allgemeinheit zwangsläufig alle Varianten des Sozialismus widerspiegeln.
Jede Gruppe, jede Übersetzung der Statuten der IAA verstand diese Allgemeinheit auf ihre eigene Weise, obwohl die Statuten selbst im Grunde genommen die Anerkennung der Vielfalt betonten.
Trotzdem kam es zu Konflikten, weil:
- Während für Anarchistinnen und Anarchisten die Organisation nur die Forderungen und Spannungen der verschiedenen Mitgliedsgruppen widerspiegeln konnte – weshalb ihre Organe, also die institutionellen Organe, keine leitenden Funktionen haben und auch nicht die Generalvollversammlung der Delegierten und Mitglieder ersetzen konnten –, vertraten die Marxisten, die sich vor allem mit den Vertretern der deutschen Sozialdemokratie verbündet hatten, die gegenteilige Auffassung.
- Während für Anarchistinnen und Anarcihsten die IAA nur in Bezug auf die ökonomischen Kämpfe des Proletariats Sinn ergab, sollte sie sich für die andere Seite auch um die eher politisch-wahlkampftechnischen Kämpfe kümmern.
Die Divergenzen waren, einmal aufgetreten, nicht mehr zu überbrücken, und so verlegte Marx mit einem Handstreich den Generalrat der IAA von London nach New York, um ihn dem Einfluss der Bakuninisten zu entziehen, während Anarchistinnen und Anarchisten, die sich 1871 zu einer ersten Konferenz in Rimini versammelt hatten, und dann an anderen Orten die in den ursprünglichen Statuten der Assoziation festgelegten Bemühungen beibehielten und wollten sie als antiautoritäre Internationale am Leben erhalten, um sie von derjenigen zu unterscheiden, die in kurzer Zeit in den Vereinigten Staaten untergehen und als autoritär identifiziert werden würde.
Der Anarchismus und die Frage der Macht
Wenn die Freiheit jedes Individuums und aller mit der Selbstbestimmung jedes Individuums zusammenfällt, ist es klar, dass jede Macht, jede Herrschaft, die außerhalb der Individuen steht, für den Anarchismus etwas ist, das zerstört werden muss. So verstandene Macht lässt sich in den tausend Bereichen des Sozialen erklären: ökonomisch, ideologisch, religiös usw., aber sie konzentriert sich letztendlich immer auf eine einzige Realität.
Die Aufrechterhaltung der zentralisierten Macht ist zum einen auf die brutale Auferlegung und die verschiedenen Überzeugungsmethoden derjenigen zurückzuführen, die sie ausüben, zum anderen auf die freiwillige Übertragung der Macht durch die Unterworfenen selbst, d. h. auf den Verzicht auf die eigene Selbstbestimmung durch diejenigen, die unter der Macht leiden.
Die freiwillige Knechtschaft ist zusammen mit der brutalen Gewalt und der Überredungskunst der Herrschenden die beiden grundlegenden und unverzichtbaren Momente für die Existenz zentralisierter Macht in jeder Gesellschaft.
Der Befreiungsprozess kann sich daher nur gleichzeitig auf zwei Ebenen manifestieren: auf der Ebene der Konfrontation mit den Institutionen und auf der eher subjektiven Ebene des inneren Kampfes der Individuen, sich von den Elementen zu befreien, die sie überdeterminieren.
Aus dieser Perspektive geht der Anarchismus den Kampf gegen die Macht an, um sie zu zerstören.
Der Staat ist der höchste Ausdruck der Macht, die sich über die Individuen stellt, in welcher Form auch immer sie historisch auftritt. Seine Funktionsweise, je nach seiner spezifischen Form, bevorzugt strategisch mal den Konsens, mal seine brutale Gewalt, ohne endgültig auf das eine oder andere zu verzichten.
Im Staat unterstützen sich die verschiedenen, auf unterschiedliche Weise miteinander verflochtenen Bereiche der Herrschaft (ökonomisch, ideologisch, religiös, bildungspolitisch, militärisch usw.) in einer einzigartigen Symbiose gegenseitig.
Die Beteiligung der Untergebenen an seinen Mechanismen, Einrichtungen und Institutionen schwächt ihn nicht in seinem Wesen, sondern stärkt ihn im Gegenteil, da die interne Opposition ihn rationalisiert, korrigiert und ihn für die Beherrschten deutlich akzeptabler macht.
Daher der anarchistische Anti-Elektoralismus, die totale Ablehnung des politischen Wettbewerbs als Moment der Selbstbehauptung des Individuums und die Negation der Delegation und der Institution der Repräsentation.
Die Koalition (auf deren Form wir später noch eingehen werden) der Arbeiter und aller Untergebenen ist notwendig, um der Organisation und der Überheblichkeit der politischen und -ökonomischen Macht entgegenzuwirken und auf diese Weise diejenigen Teilverbesserungen zu erringen, die die Lebensbedingungen der proletarischen Massen würdiger machen, als auch, um den Kampf zur Zerstörung jeder überdeterminierenden Macht aufzunehmen.
Eine so verstandene Koalition schärft das Bewusstsein, bereitet die Ausgebeuteten und Untergebenen materiell und psychologisch darauf vor, sich der Herrschaft zu stellen, und macht die Zunahme der Kraft, die sie bestimmt, deutlich.
Der Kampf für echte Verbesserungen der Lebensbedingungen – und nicht der politisch-wahlkampforientierte Kampf, der die Überdeterminierung erneuert – ist also das Hauptanliegen der Anarchistinnen und Anarchisten, die sich innerhalb der Ersten Arbeiterinternationale mit der autoritären Komponente konfrontiert sahen.
Das Konstituieren der Gewerkschaften/Syndikate
Nachdem der Grund nun klar ist, warum Anarchistinnen und Anarchisten politische Partizipation ablehnen, versteht man auch, warum sie Gewerkschaften/Syndikate gegründet haben.
Um aber besser zu verstehen, was ich als Mängel und Widersprüche der Gewerkschaftsbewegung/Syndikalismus identifizieren werde, muss man bedenken, dass die anarchistische Bewegung selbst nicht ganz losgelöst von den allgemeinen Bedingungen der Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist, die eng mit der sogenannten zweiten industriellen Revolution verbunden sind (die im Wesentlichen auf die Nutzung nichtmenschlicher Antriebskräfte – Dampf, Erdöl, elektrische Energie – und deren Anwendung im industriellen Produktionszyklus zurückzuführen ist).
Die Idee des unbegrenzten Fortschritts, die durch die Entdeckungen, Anwendungen und die groß angelegte Nutzung wichtiger wissenschaftlicher und technischer Errungenschaften noch verstärkt wurde, die zeitgenössische Durchsetzung der Evolutionstheorie, die Entstehung und Entwicklung neuer Disziplinen wie der Soziologie und der experimentellen Psychologie haben schließlich die Vorstellung vom menschlichen Dasein geprägt.
Die Einpflanzung des Marxismus in diese Vorstellung – insbesondere die Analyse von Marx und seine Methodik, die zwar den Idealismus von Hegel in materialistischer Hinsicht widerlegt, aber dennoch in Kontinuität mit dieser Vorstellung steht – unterstreicht die Progressivität der Menschheitsgeschichte.
Das ist das allgemeine Bild des historischen Moments, in dem Anarchistinnen und Anarchisten die ersten Gewerkschaften/Syndikate ins Leben rufen, oft ausgehend von Arbeiterorganisationen, die jedoch auf Assistentialismus und Korporatismus basieren und nicht auf der Konzeption vom Klassenkampf.
Die Gewerkschaft/Syndikat repräsentiert für den Anarchismus einerseits die autonome Organisation der Arbeiterklasse zur teilweisen Verbesserung ihrer Lebensbedingungen – nicht nur innerhalb der Fabrik – und andererseits den vorbereitenden Moment der sozialen Revolution.
Die gewerkschaftliche/syndikalistische Organisation, die spezifisch ökonomischer Natur ist, steht im Gegensatz zur Organisation der anderen Strömungen des „Sozialismus”, die im Gegenteil politische Parteien ins Leben rufen, wie wir sie heute kennen.
Während für Anarchistinnen und Anarchisten der ökonomische Kampf die Arbeiterinnen und Arbeiter vereint, spaltet die Politik sie.
Daraus ergibt sich die Herausbildung der Gewerkschaft/Syndikats als proletarische Selbstorganisation auf der Grundlage der materiellen Interessen, die allen Ausgebeuteten gemeinsam sind.
Aus dieser Perspektive repräsentiert die Gewerkschaft/Syndikat auch eine organisierte Massenstruktur und keine spezifisch anarchistische Organisation (die als politische Komponente des Proletariats verstanden wird).
Als solche vereint sie die unmittelbaren Interessen der Arbeiterklasse im Hinblick auf die revolutionäre Befreiung von den Fesseln des Kapitalismus und des Staates.
Da Fortschritt als unbestritten gilt, wird der industrielle Kapitalismus als die historische Phase der Menschheit angesehen, die die Kräfte und Fähigkeiten der Menschheit maximal freisetzt und den Menschen die Aussicht auf die ideale Gesellschaft, das von den Bescheidenen ersehnte Paradies auf Erden, eröffnet.
Für einige geht es einfach darum, die Zeit bis zu seiner Ankunft zu beschleunigen (das sind die revolutionären Kräfte), für andere darum, dies schrittweise zu erreichen, indem sie die gleichen Instrumente nutzen, die die kapitalistische Gesellschaft und der Staat bieten (das sind die Reformisten).
Von keiner Seite, von keinem Teil der proletarischen Klassen werden die Ideologie des Fortschritts, der Historizismus und der damit verbundene Finalismus wirklich diskutiert.
Die gleichen ökonomischen Doktrinen werden angesichts der zweiten industriellen Revolution bekräftigt, die als Lösung für die von Malthus aufgeworfenen Probleme der wachsenden Diskrepanz zwischen dem geometrischen Anstieg der Bevölkerung und dem begrenzten Anstieg der Warenproduktion erscheint.
Die freie Entfaltung der Produktivkräfte in einem kapitalistischen System, wie sie die Fortschrittsideologie vorschreibt, findet in der Anwendung der neuen Antriebskräfte in der Industrie den angemessenen geometrischen Anstieg der Produktion von Waren, die für das Bevölkerungswachstum notwendig sind.
Der Anarchismus, der begründete Kritik an wissenschaftlichen, finalistischen und mechanistischen Konzepten übt und die Degenerationen im marxistischen Bereich in Bezug auf die Originalität des Marxschen Denkens voll und ganz aufgreift, schafft es nicht, das anarchistische Denken und sein praktisches Handeln auf der Ebene der Organisation und des Kampfes auf kohärente, anti-progressistische und anti-historistische Weise zu systematisieren.
Der Syndikalismus/Gewerkschaftswesen wird immer, für den Großteil der anarchistischen Bewegung die organisatorische Massenstruktur, die – noch nicht ausreichend, um das reibungslose Funktionieren der befreiten Gesellschaft der Zukunft zu garantieren, und daher besonderer Aufmerksamkeit durch die spezifische anarchistische Organisation bedürftig, die sie Schritt für Schritt begleitet – eine Art Substrat, eine Vorlage darstellt, auf der sich jeder Bereich der sozialen Organisation auf globaler Ebene artikulieren wird.
Der zugrunde liegende Ökonomismus sowie die Kontinuität zwischen der Gegenwart und der befreiten Zukunft sind für Marx nach wie vor die Struktur der Gesellschaft, auf der sich dialektisch jeder Bereich der menschlichen Existenz artikuliert und auf die er sich letztendlich bezieht.
Im Wesentlichen werden Kapitalismus und Industrialismus nicht an sich diskutiert, als eines der historisch begrenzten Ereignisse, die auf den zeitlichen Verlauf eines bestimmten Teils der Menschheit beschränkt sind, sondern sie werden als notwendige und überwindbare Etappen der gesamten Menschheitsgeschichte angesehen, die sich so auf die Sonne der Zukunft zubewegt.
Es geht darum, die Früchte des Fortschritts zu vergesellschaften, den Nutzen zu vergesellschaften – weil alle an seiner Entstehung beteiligt sind –, der im kapitalistischen System den Produzenten enteignet wird.
In der aktuellen Phase des menschlichen Fortschritts geht die Vergesellschaftung der Produktion nicht mit der Vergesellschaftung der Früchte der Produktion einher: Der grundlegende Widerspruch liegt in der Privatisierung der Produktionsmittel, die von der kapitalistischen Bourgeoisie monopolisiert werden, und in der Vergesellschaftung der Arbeit.
Durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, eine unvermeidliche Phase des Fortschritts selbst, wird der grundlegende Widerspruch angegangen und in der sozialistischen oder besser kommunistischen Synthese gelöst, dann in der Anarchie (eine wirklich seltsame Art, das Soziale dialektisch zu verstehen, diese immerwährende Triade, die im irdischen Paradies, das als Ende der Geschichte – der Dialektik – und Beginn der wahren „Menschheit” herbeigesehnt wird, schließlich ganz verschwindet, d. h. des humanisierten Menschen, der sich an diesem Punkt außerhalb derselben triadischen Dialektik befindet, von der man nicht genau weiß, wie sie endet).
Auf diese Weise ist für die gewerkschaftlich/syndikalistisch organisierten Arbeiter die heutige Fabrik selbst die materielle Grundlage der zukünftigen Gesellschaft und ihrer Kontinuität. Die Streiks, die Besetzungen der Fabriken, in denen unter Bedingungen der Arbeiterselbstverwaltung produziert wird, sind der praktische Beweis für die Kontinuität der kapitalistischen Produktionsweise in der befreiten Gesellschaft von morgen, in der diese Produktionsweise den Widerspruch der Privatisierung eines Teils der kollektiven Arbeitsergebnisse überwunden haben wird.
Die anarchistische Kritik an der angeblichen Selbstgenügsamkeit des Gewerkschaftswesens/Syndikalismus, die auf dem Kongress von Amsterdam zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonders deutlich zum Ausdruck kam, hat keinen Einfluss auf das Grundkonzept der westlichen Zivilisation, das, da es nicht radikal in Frage gestellt wird, sich schließlich in jedem Winkel der Welt durchsetzen wird, mit den uns allen bekannten Folgen.
Föderalismus als Prinzip der historischen Mehrheitsorganisation der Bewegung
Angesichts der zentralen Bedeutung der vollständigen Freiheit des Individuums und der Notwendigkeit der Organisation, sei es auf sozialer Ebene oder im Kampf gegen die Autorität, darf die Organisation selbst durch die Anarchistinnen und Anarchisten die Freiheit nicht ersticken.
Es geht darum, ein Prinzip zu finden, das in seiner praktischen Anwendung beide Aspekte voll und ganz anerkennt und sowohl auf die spezifische anarchistische Organisation als auch auf die gewerschaftliche/syndikalistische Organisation der Massen anwendbar ist.
Angesichts der Vorrangstellung, die der materielle Aspekt der menschlichen Existenz, d. h. der ökonomisch-produktive Aspekt, einnimmt, haben die meisten Anarchistinnen und Anarchisten im föderalistischen Prinzip das gefunden, wonach sie suchten, und haben es ausgehend vom ökonomischen Modell angewendet und dann auf alle Bereiche des sozialen Lebens ausgeweitet.
Im Wesentlichen basiert dieses Prinzip auf der Vereinbarung eines Paktes (foedus) zwischen Vertragspartnern, die ihn freiwillig und frei abschließen und akzeptieren.
Denn offenbar wird durch den Abschluss freiwilliger Verträge die Integrität des Individuums in Bezug auf seine Selbstbestimmung gewahrt; und die so entstandene Organisation – die auf dem föderalistischen Prinzip basiert – bleibt im vollständigen Besitz der Vertragspartner, erweitert jedoch deren Einfluss.
Die meisten Anarchistinnen und Anarchisten wenden das föderalistische Prinzip sowohl in ihren eigenen spezifischen Organisationen als auch in den Gewerkschaften/Syndikate an.
Das Individuum schließt Verträge mit anderen Individuen und bildet so eine erste Föderation, eine föderierte Gruppe; verschiedene Gruppen schließen ihrerseits einen Föderationsvertrag, und schaffen eine zweite Föderationsebene, und so weiter, bis hin zu Föderationen von Föderationen, die schließlich – vom Individuum zur Gemeinde, von der Gemeinde zur Region, von der Region zur Nation und von dieser zu internationalen Föderationen – ein echtes Netz von Vereinbarungen bilden, das jeden Winkel des Planeten gleichmäßig umspannt (zuerst Proudhon, dann Bakunin).
Das föderalistische Prinzip entspricht zwei spezifischen Anforderungen, die von den meisten Anarchisten erkannt wurden:
- Auf organisatorischer Ebene die Kontinuität der gegenwärtigen Gesellschaft zur zukünftigen befreiten Gesellschaft auch während des revolutionären Übergangs sicherzustellen und zumindest in den wesentlichen (materiellen) Momenten des individuellen und kollektiven Daseins für deren Funktionieren zu sorgen (in der Gewerkschaft/Syndikat wird die Selbstverwaltungsfähigkeit der direkten Produzenten verfeinert, die in der Zeit der Aufstände und nach den Aufständen die Produktion gewährleisten werden);
- Formale Strukturen schaffen, die direkt mit den Organisationen der anderen Strömungen und Tendenzen des Proletariats konkurrieren; die Idee dahinter ist, einerseits Anhänger zu gewinnen, um die Reihen des Anarchismus zu verstärken, und andererseits, sich irgendwie in den proletarischen Massen zu verankern, damit in Zeiten von aufständischen Protesten der anarchistische Einfluss entscheidend ist und so konsequent am Aufbau der neuen Gesellschaft mitwirkt.
Auch wenn man nicht an die Möglichkeit einer vollständig anarchistischen oder überwiegend anarchistischen Revolution glaubt, überwiegt in gewisser Weise die quantitative Angst, die wahrscheinlich eher durch die harte Repression der Anarchistinnen und Anarchisten in allen Staaten als durch die Konkurrenz der Gegner geschürt wird, die mit ihrer reformistischen Methodik, die auch in den Gewerkschaften/Syndikate und im Anschein von Wissenschaftlichkeit (im Einklang mit den diffusen Vorstellungen) oder durch populistische Demagogie die Klassenbewegungen sterilisierten oder sie in Richtung eines friedlichen sozialen und staatsorientierten Zusammenlebens lenkten.
In allen Fällen passen sich die föderalen Organisationen, sowohl die spezifischen als auch die gewerkschaftlichen/syndikalistischen, in ihrer gegenseitigen Beeinflussung (Übergang von Menschen und Ideen von einer Seite zur anderen) perfekt an die allgemeinen Bedingungen und Vorstellungen der Zeit zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert an.
Das unmittelbare Ziel der gegründeten Organisationen ist die Vorbereitung der Bedingungen für die proletarische Revolution.
Das heißt, den Anarchismus unter den proletarischen Massen zu verbreiten, sich an spontanen Kämpfen der Arbeiterklasse zu beteiligen und neue Kämpfe zu starten, die auf den aktuellen Bedürfnissen basieren, damit in diesen Kämpfen das Bewusstsein geschärft wird und eine neue Sensibilität und Kraft entsteht, die schließlich im befreiten Morgen ihren Ausdruck und ihre volle Verwirklichung findet.
Daraus ergibt sich eine Art Programm in der sozialen Intervention, das als schrittweise Eroberung und Durchdringung der Massen verstanden wird, die ungebildet sind, durch Elend und Ausbeutung brutalisiert wurden und oft – aufgrund ihrer Unwissenheit – den Demagogen und Priestern sowie den direkten Ausbeutern ausgeliefert waren.
Von einer solchen Planung ausgeschlossen, verschwiegen, verunglimpft und herabgewürdigt wird jede individuelle und kollektive Revolte, die nach Ansicht des föderalen Anarchismus nur Repression hervorruft, die Massen vom Anarchismus entfernt und die Funktionsfähigkeit und das Image der spezifischen Organisationen schädigt.
So verschwinden ganze Epochen, die tief geprägt waren im Bereich des Klassenkampfs, durch die Radikalität der Positionen und Aktionen, die direkt im Widerspruch zum Salon-Optimismus der Programmierer, zu den lähmenden Methoden der spezifischen Organisationen und zu den Ansprüchen einiger weniger stehen, die ihre „objektiven” Interpretationen und sozialen Planungen durchsetzen wollen und den konkreten Angriff auf die Strukturen und die Machthaber Tag für Tag aufschieben.
Das ständig offene Auge auf die Gestaltung der Gesellschaft von morgen und vermeintlich optimale objektive Bedingungen für den Übergang lassen aus den Augen geraten oder als nebensächlich erscheinen, dass die Gründe für den Kampf, für die Konfrontation, dauerhaft und unmittelbar sind, weil die Bedingungen, die durch die konzentrierte Macht bestimmt werden, dauerhaft und unmittelbar sind, wenn ihnen keine angemessene Methodik entgegensteht, die zumindest zumindest einen wirksamen Damm gegen ihre Übermacht darstellt.
Aber es ist genau dieses föderalistische Prinzip, das meiner Meinung nach große Grenzen aufweist und Formalitäten und abwartende Methoden bestimmt, die letztendlich nicht nur und nicht so sehr die spezifische anarchistische Bewegung lähmen, sondern auch die proletarischen Kämpfe selbst, in denen sie einen gewissen Einfluss hat.
Die Grenze des Föderalismus
Der föderale Pakt bleibt nur dann positiv, wenn die Vereinbarung einen bestimmten Inhalt und ein bestimmtes Ziel betrifft.
Sobald er sich mit allgemeinen Inhalten und Zielen befasst, ist die Degeneration zu einer in ihren Mechanismen formalisierten Institution unvermeidlich, und dann der Verfall zu einer Maschine, die Energie und Zeit absorbiert und die Aktivität der Vertragsparteien in ihren Versuchen, Kompromisse zu finden, um die föderale Struktur selbst am Leben zu erhalten, lähmt.
Das menschliche Dasein ist keine Ansammlung von Beziehungen, Spannungen, Wünschen, materiellen und spirituellen Momenten, die für immer gegeben sind. Und nicht alle Bereiche des Daseins lassen sich auf Inhalte und Ziele reduzieren, die Gegenstand von Verträgen und Vereinbarungen sind.
Auf der Grundlage bestimmter spezifischer Anforderungen und Interessen können sich Individuen frei zusammenschließen, um ihre eigene Energie zu stärken und das gemeinsame Ziel unter Einsparung von Zeit und Kräften zu erreichen; in diesem Fall garantiert der föderale Pakt weiterhin die Selbstbestimmung der Subjekte.
Sobald jedoch darüber hinausgegangen wird, hört die föderale Organisation selbst auf, ein nützliches Instrument für alle Partner zu sein, und wird zu einem Selbstzweck, der sich über die Föderierten hinwegsetzt.
Das ist sowohl bei Gewerkschaften/Syndikate – auch wenn sie anarchosyndikalistisch oder revolutionär sind – als auch bei spezifischen anarchistischen Organisationen der Fall.
Wir haben gesehen, wie angesichts der zentralen Bedeutung des ökonomisch-produktiven Moments in der historistisch-progressivistischen Konzeption des 19. Jahrhunderts, die bis heute nachwirkt, die Gewerkschaft/Syndikat die Kontinuität zwischen Gegenwart und Zukunft darstellt.
Es ist klar, dass, wenn wir uns unter den Arbeitern einer bestimmten Branche oder eines bestimmten Sektors beispielsweise im Hinblick auf jede Vertragsverlängerung föderieren, und allein aufgrund dieser Tatsache, werden sich die Momente, die das Funktionieren einer Föderation ausmachen, alle im Rahmen des gemeinsamen Interesses entwickeln: Die Diskussionen werden auf der Grundlage der Forderungen stattfinden, die an die Arbeitgeber in Bezug auf Löhne, Arbeitszeiten, Gesundheitsschutz in der Fabrik, Präventivmaßnahmen und so weiter zu stellen sind, sowie in Bezug auf die zu führenden Kämpfe und die Methoden, mit denen den Arbeitgebern die Annahme der Forderungen aufgezwungen werden soll.
Die Diskussionen sind also eng mit dem Inhalt des Vertrags und dem konkreten gemeinsamen Ziel verbunden.
Wenn die föderale Organisation dagegen auf der allgemeinen Grundlage allgemeiner Interessen aufgebaut ist (Schutz der Arbeiterklasse, Vorbereitung der Bedingungen für die soziale Revolution usw.), werden die Momente, die sie auszeichnen, komplexer, und vor allem werden die Diskussionen unweigerlich auf die allgemeinen Vorstellungen jedes Individuums und jeder Gruppe ausgerichtet sein, weshalb Abstimmungen und Synthesen unerlässlich werden, bis eine Einigung erzielt wird, die alle zufriedenstellt, aber jeden unzufrieden macht, weil jeder im Hinblick auf den Erhalt der Organisation und ihrer Einheit auf etwas Eigenes verzichtet, das genau die Besonderheit seines eigenen Wesens ausmacht.
Die Organisation macht sich so die Besonderheit jedes Subjekts zu eigen und verfolgt ihren eigenen Weg.
Das passiert, weil derjenige, der sich organisiert, die Gegenwart als eine notwendige Etappe für die Zukunft sieht und zu Kämpfen und Kampfmethoden übergeht, die die Bedürfnisse von heute mit einer bereits vorbestimmten (oder zumindest als solche konzipierten) Zukunft in Einklang bringen.
Daraus ergibt sich die fortschreitende Entartung der gewerkschaftlichen/syndikalistischen Strukturen zu Machtinstitutionen, die den Interessen und Vorstellungen einer Partei oder des Kapital-Staates als Ganzes unterworfen sind.
Föderale Organisationen handeln perspektivisch, d. h. im Hinblick auf die Kontinuität zwischen Heute und Zukunft, und verpfänden so die Zukunft an die gleichen Anforderungen von heute: die Aufrechterhaltung der sozialen Macht.
Der spanische Anarchosyndikalismus ist das, was, nachdem es den Höhepunkt der Möglichkeiten erreicht hatte, die der föderalen Organisation innewohnen, die von den allgemeinen Interessen ausgeht, in der Tragödie von 1936-39 die größten Grenzen und alle Widersprüche einer solchen Perspektive deutlich gemacht hat.
Die C. N. T. (Confederación Nacional del Trabajo, die anarchosyndikalistische Struktur Spaniens, die das gewerkschaftlich/syndikalistisch organisierte Proletariat am stärksten repräsentiert), hatte unter den revolutionären Bedingungen, die aus dem Aufstand des Proletariats gegen den Militärputsch hervorgegangen waren, der später von Francisco Franco angeführt wurde – Bedingungen, zu deren Entstehung die C. N. T. selbst beigetragen hatte –, neben anderen Zielen auch das Ziel, die Zukunft oder Momente der befreiten Gesellschaft aufzubauen, und musste ihren eigenen Beitrag zum Wiederaufbau der Staatsmacht leisten, die sich im allgemeinen aufständischen Moment aufgelöst hatte.
Politische Überlegungen und die Tatsache, dass die gewerkschaftliche/syndikalstische Struktur als entscheidend für die Gestaltung der Zukunft angesehen wurde, führten natürlich zu Verhandlungen mit den Gewerkschafts/Syndikats- und Parteizentralen und dann zur Beteiligung verschiedener Anarchistinnen und Anarchisten als Minister an der autonomen Regierung Kataloniens und später an der Zentralregierung in Madrid.
Das Ergebnis war zweifellos positiv, was die Kollektivierung der Industrie und der Landwirtschaft innerhalb kurzer Zeit betraf, aber auf mittlere und lange Sicht absolut negativ, da die zentralisierte Macht mit dem unverzichtbaren Beitrag der Anarchistinnen und Anarchisten wieder aufgebaut wurde und diese positiven Errungenschaften dann sowohl an der Front des Kampfes gegen Franco als auch in den Hinterhöfen durch die wiederhergestellten staatlichen Kräfte zunichte gemacht wurden.
Was für die Gewerkschaft/Syndikat gilt, gilt umso mehr für die spezifische anarchistische Organisation, die auf dem föderalistischen Prinzip basiert.
Vor allem wegen der Besonderheit des Anarchismus, der kein monolithischer Block ist, sondern sich den individuellen Besonderheiten anpasst, ist für die föderale Organisation eine erste Anstrengung erforderlich, um alle bestehenden und wesentlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Anarchismen der Assoziierten zu mildern.
Auf diese Weise wird der Anarchismus selbst zu einer Synthese reduziert, die alle nur deshalb teilen, weil sie ziemlich allgemein ist.
Zweitens wird der zentrale Moment der Föderation, nämlich die Generalvollversammlung der Föderierten, zwangsläufig zu einem Ort der Beratung und Entscheidung, an dem Statuten und Erwägungen festgelegt werden, eine Konzeption des Anarchismus, die an die Existenz der Föderation selbst angepasst ist, Ziele, die kurz-, mittelfristig und langfristig auf der Grundlage von noch synthetisierten Interpretationen der sozialen Bereiche und der Gesellschaft im Allgemeinen erreicht werden müssen, aus denen sich die Operativitäten und Interventionen ableiten, die umgesetzt werden sollen.
Eine Maschine dieser Art (abgesehen von den folgenden Überlegungen) hatte schon im Industriezeitalter, als die Technologie sich dem Kollektiv mit einem fast menschengemäßen Tempo mitteilte, nur sehr wenig sozialen Einfluss, und hat in der heutigen Zeit, die von den Rhythmen einer Technologie dominiert wird, die ausschließlich ihre eigene Zeit widerspiegelt, überhaupt keinen Einfluss mehr.
Die Funktionsweise der anarchischen Föderation basiert auf den allgemeinen Konzepten des Anarchismus, die bis jetzt für alle gelten, und auf der Interpretation sozialer Ereignisse, die im Speziellen oder im Allgemeinen als Interventionsort dienen, an dem die Föderation wie ein Keil wirkt.
Wenn sich also das Soziale in bestimmten Momenten oder allgemein verändert, muss man durch Studienkommissionen, spezifische und allgemeine Kongresse, beratende Vollversammlungen, die Objektivität und Subjektivität neu festlegen, und so weiter, wieder von vorne anfangen.
Schon hier wird deutlich, wie die Formalisierung einer revolutionären Organisationsstruktur, wenn sie auf dem föderalistischen Prinzip basiert, einen erheblichen Energieaufwand erfordert, der natürlich – in gewisser Weise – dem tatsächlichen Klassenkampf entzogen wird.
In der informatisierten Gesellschaft wird das absurd, da das Tempo der technologischen Innovationen und Anwendungen bereits einen Höhepunkt erreicht hat und sich die Veränderungen in einem bestimmten Bereich sofort auf alle anderen Bereiche auswirken und Anpassungen in allen Bereichen des sozialen Lebens erfordern.
Der andere Schwachpunkt der föderalen Syntheseorganisation ist ihr zentraler Punkt: die Vollversammlung.
Das ist der Ort par excellence, an dem der Anarchismus seine eigene Gültigkeit unter Beweis stellt, nicht so sehr in Bezug auf die ideellen Inhalte, sondern vielmehr in Bezug auf die organisatorischen und methodischen.
Kritik an der beratenden Vollversammlung
Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist die entscheidende-beratende Vollversammlung eine autoritäre Institution, die über dem Individuum steht.
Eine der kuriosesten Tatsachen der Geschichte ist, dass ein großer Teil der Anarchistinnen und Anarchisten glaubte, dass dies ganz im Interesse des Anarchismus liege, und noch kurioser ist, dass heute ein großer Teil der föderierten Anarchisten, für die die beratende Vollversammlung der zentrale Ort der direkten Demokratie ist, den Anarchismus letztendlich mit ihr gleichsetzen.
Die Vollversammlung, der Ort der Begegnung, der Diskussion, der Debatte, der Sozialisierung, ist zweifellos wichtig, da sie zusammen mit der Geselligkeit den spezifischen Reichtum jedes Individuums verdichtet und verstärkt, das durch die Konfrontation mit anderen seine eigenen Vorstellungen besser einschätzen kann.
Ist nicht vielleicht die Existenz selbst eine ständige Konfrontation und Auseinandersetzung mit dem anderen Selbst?
Und erkennt sich das Individuum, insofern es ein Wesen ist, nicht in seiner eigenen Besonderheit und Einzigartigkeit, gerade im Gegensatz zu seinem Gegenüber?
Nun, die Vollversammlung ist in ihrer Kleinheit ein Aspekt des Lebens selbst.
Aber in dem Moment, in dem diese Realität als Ort der Beratung zerfällt, entgleitet sie dem Individuum und formalisiert sich, sodass sie zu einem autoritären Raum wird, der ihn erstickt.
Der Grund dafür ist einfach.
Wenn man beraten, d. h. Entscheidungen über etwas treffen muss, dann muss man sich entscheiden, diesem Etwas einen genauen Inhalt und Rahmen geben.
Angesichts der Besonderheit des Anarchismus ist das nicht einfach: Die gleichen Einzelheiten, die für die einen nebensächlich erscheinen, sind für die anderen von größter Bedeutung.
Daraus folgt: Entweder geht man wieder nach dem Prinzip der Synthese vor und verzichtet auf Einzelheiten – was aber nicht immer möglich ist –, oder man muss sich zwischen verschiedenen Vorschlägen entscheiden, die oft keine Kompromisse zulassen.
Die verschiedenen Positionen verbünden sich zu Fraktionen, und die verschiedenen Fraktionen greifen auf alle Möglichkeiten der politischen Kunst, der Demagogie und der Fähigkeit der Individuen zurück, die Vollversammlung zu lenken und zu manipulieren: Redekunst, Theatralik, trügerische Überredungskunst, Widerstand, Verwirrung, Fähigkeiten zur sofortigen Umsetzung, die sich nicht bei allen Individuen gleichermaßen und auch nicht zur gleichen Zeit manifestieren.
Die Abstimmung bestätigt die Autorität, die sich aus dem Gegensatz ergibt, um gemeinsam zu entscheiden.
Die Individuen, alle Individuen, unabhängig davon, ob sie die eigene Position vertreten oder nicht, gehen offensichtlich als Verlierer hervor, zermürbt durch einen Mechanismus, der durch List, Gestik, konsolidierte Praxis und erbärmliche Konkurrenz geprägt ist. Die beratende Vollversammlung hat ihre eigene Macht durchgesetzt und erreicht alle unterschiedslos.
Ich persönlich habe die anarchistischen beratenden Vollversammlungen miterlebt und nahm sogar einmal einen der Generalkongresse der Internationalen der Anarchistischen Föderationen (I. F. A.) mit, und ich kann euch versichern, dass ich dort alles gesehen habe, was sich in keiner Weise von dem unterscheidet, was in jeder politischen Partei passiert, abgesehen davon, dass letztere Machtinteressen zu verteidigen haben, Anarchistinnen und Anarchsten hingegen nicht!
Wozu also das Eifern, die Ausflüchte, die dialektischen Tricks, die psychologischen Kniffe, die Arbeit hinter den Kulissen gegen Positionen, die den eigenen widersprechen?
Ehrlich gesagt, kam mir das alles wie eine Irrenanstalt vor.
Allerdings ist in Bezug auf die Formalität der Mechanismen alles völlig in Ordnung.
Im formalen Rahmen der Funktionsweise der föderativen Vollversammlung wird alles von allen respektiert: Präsidiumstisch, Passage der Parolen, Liste der Kommissionen, Zuweisung von Aufgaben, Anmeldungen für Redebeiträge, Vorschläge, über die abgestimmt werden muss, Abstimmungen, Zählung der erhobenen Hände, Zustimmungen und Ablehnungen und so weiter; alles wird akribisch protokolliert und für die Zukunft aufgezeichnet.
Ein schüchterner Charakter, eine Sensibilität wie meine, die Zeit braucht, um das zu verwirklichen, was sie denkt, eine Persönlichkeit, die nicht zu politischer Lobpreisung neigt und nicht zur Demagogie der Überzeugungskunst, selbst wenn sie Vorschläge vorbringt, die objektiv gültiger sind als die anderen, werden diese vom Vollversammlungsmechanismus zermalmt, erstickt, annulliert.
Aber es gibt noch einen anderen, ebenso wichtigen Aspekt, der zeigt, wie viel Verwirrung im föderalistisch organisierten Anarchismus herrscht, dessen zentraler Funktionsmoment die beratende Vollversammlung ist: Dieser Aspekt ist das demokratische Institut, das im Wesentlichen auf der Abstimmung über den Vorschlag basiert und an sich schon einen enormen Widerspruch zum Anarchismus darstellt, sowohl in methodologischer als auch in eher gnoseologischer (erkenntnistechnischer) Hinsicht.
Der Inhalt der Vorschläge (sowohl was die Analyse als auch was die revolutionäre Umsetzung betrifft) basiert auf den spezifischen Empfindungen, den Vorstellungen vom Anarchismus und vom Leben im Allgemeinen derjenigen, die sie ausarbeiten.
Er hat also einen Wert an sich, unabhängig davon, ob andere ihn teilen oder nicht.
Die Tatsache, dass ein solcher Inhalt zur Abstimmung gestellt wird, mindert jedoch diesen Wert an sich und reduziert ihn auf ein rein zahlenmäßiges Objekt, als ob durch das Erreichen der Stimmenmehrheit oder sogar der Einstimmigkeit eine objektive Bestätigung der eigenen Gültigkeit gefunden würde; und im Gegenteil, im Falle einer Stimmenminderheit würde die demokratische Bestätigung die Gültigkeit desselben negieren.
Sind die Gründe für den Klassenkampf, für den individuellen und kollektiven Aufstand gegen die übermächtige Macht, wirklich nur eine Frage der Zahlen?
Die Tatsache, dass man diese Frage mit der Behauptung beantwortet, dass die Vorschläge nicht zur Bewertung des Inhalts selbst, sondern in erster Linie zur Bewertung der Einhaltung der Grundsätze der Föderation und in zweiter Linie zur Bewertung, ob sie die Vorstellungen aller Mitglieder der Organisation widerspiegeln, zur Abstimmung gestellt werden, macht die Sache nur noch schlimmer.
Einerseits, weil diejenigen, die die Vorschläge entwerfen, sich selbst Grenzen in der Analyse, der Kritik und der Durchführbarkeit auferlegen, da sie diese in Abhängigkeit von der Zustimmung der anderen ausarbeiten; andererseits, weil erneut all diejenigen von der Mitwirkung ausgeschlossen sind, die aus tausend Gründen nicht über die Fähigkeit zur Analyse und Synthese verfügen, um systematisch Vorschläge zu unterbreiten und darzulegen.
Schließlich das letzte Hindernis, nämlich eine der abschließenden Überlegungen, die zur Untermauerung ihrer Gültigkeit angeführt werden.
Das Institut der direkten Demokratie, so wird behauptet, hat seine Gültigkeit nicht in der Tatsache der in der Vollversammlung angestrebten Einstimmigkeit, sondern darin, dass es die verschiedenen Spannungen widerspiegelt, die den föderalen Anarchismus beleben; bis zu dem Punkt, dass diejenigen, die die von der Mehrheit getroffenen Entscheidungen nicht teilen, nicht deshalb aus der Föderation ausgeschlossen werden, wie es oft in autoritären Parteien der Fall ist.
Sie bleiben Teil davon und können bei Wahlen mitreden, solange diese im Rahmen der in der Satzung vereinbarten Grundsätze und Bedingungen stattfinden.
Meiner Meinung nach ist das die wichtigste Frage, denn sie zeigt die Sinnlosigkeit und vielleicht sogar die Schädlichkeit der föderalen Organisation der Synthese und des demokratischen Instituts: Wozu sollte man an diesem Punkt enorme Zeit und Energie für die Aufrechterhaltung einer formalisierten Maschine aufwenden, die nicht unbedingt notwendig ist?
Die Unbestimmtheit als Perspektive
Unsere Mentalität, die westliche mit ihren entsprechenden Ausnahmen, neigt dazu, das Universum nach dem Maßstab des menschlichen Geistes zu formen oder, was dasselbe ist, den menschlichen Geist nach dem Maßstab des Universums und der Ereignisse zu formen.
Schließlich bedeutet Wissen nichts anderes, als die kausalen Zusammenhänge der Ereignisse zu verstehen.
So ordnen wir unsere Erfahrungen und das uns umgebende Universum nach einer ununterbrochenen Abfolge von Ursachen und Wirkungen, die wir auf einen perfekten, messbaren Mechanismus reduzieren, der vermeintlichen Grundgesetzen entspricht.
Die so konzipierte Welt garantiert uns zumindest eine gewisse existenzielle Sicherheit: Wissen ist Macht, insofern es Vorhersehbarkeit und damit den Ausschluss von Unsicherheiten bedeutet.
Dieselbe Mentalität herrschte in dem Teil der anarchistischen Bewegung vor, der die föderale Organisation der Synthese ins Leben rief.
Da die soziale Revolution als logische Folge des Kapitalismus angesehen wurde, ging es darum, Erfolge auf der Grundlage von zwei Annahmen zu bestimmen:
- Die Ausgebeuteten von der Schönheit der Anarchie zu überzeugen und sie so weit wie möglich von den gegnerischen Kräften und Bewegungen fernzuhalten;
- Die Reihen des Anarchismus zu vergrößern, um im entscheidenden aufständischen Moment eine entscheidende Kraft zu haben.
Der grundlegende Widerspruch des Kapitalismus – Sozialisierung des Produktionsprozesses, Privatisierung der Früchte der Arbeit – muss mit dem proletarischen Bewusstsein einhergehen, das den revolutionären Prozess antreibt.
Ein perfekter Mechanismus, der das Gesetz von Ursache und Wirkung widerspiegelt.
Das Unvorhersehbare, das Ungewisse verschwinden aus der Geschichte.
Im Grunde genommen lässt sich in einem so verstandenen Anarchismus das deterministische Substrat erkennen, das für eine Epoche typisch ist und einer „wissenschaftlichen” Mentalität entspricht.
Wenn wir jedoch die Interpretation des Universums und damit der menschlichen Existenz selbst für andere Perspektiven öffnen, erkennen wir, dass unsere Gewissheiten nur Vermutungen sind.
Realität lässt sich weder in physikalische Ereignisse noch in den Lebensweg von Individuen eine deterministisch konzipierte Mechanismen und Formalismen reduzieren.
Unbestimmtheit, Informalität und Spontaneität sind sicherlich keine marginalen Momente im Leben und im Universum, und ich habe nicht die Absicht, diese Perspektive durch einige zeitgenössische wissenschaftliche Strömungen zu bekräftigen.
Ich sage nur, dass diese Strömungen das Universum als eine Reihe von Möglichkeiten wiederentdecken, die für jedes Ereignis und für gegenseitige Verbindungen offen sind.
Aus dieser Perspektive wird klar, dass es zwischen Ausbeutung und Rebellion keinen Zusammenhang von Ursache und Wirkung gibt.
Der Aufstand der Individuen selbst ist oft eine existenzielle Spannung, die bestehende Verbindungen und Hindernisse kontrastiert oder zumindest erahnen lässt.
Nicht nur das, sondern auch das Bewusstsein über die Ausbeutung und die verschiedenen Mechanismen, durch die sie sich manifestiert, führt nicht unbedingt zu Rebellion; und selbst wenn es dazu führen würde, ist es nicht sicher, dass sich die Rebellion gemäß unseren Klischees und Erwartungen manifestiert.
Trotz unserer vermeintlichen Gewissheiten bleibt die Unbestimmtheit und Informalität des Erlebten bestehen.
Es geht einfach darum, dies zu berücksichtigen, damit wir die Organisation und die Kampfmethoden sowie die sich daraus ergebenden Perspektiven neu überdenken.
Das Ende jedes Avantgardismus
Anarchistinnen und Anarchisten haben die Welt nicht besser verstanden als andere (und umgekehrt).
Der Anarchismus ist nicht nur eine politische Doktrin, sondern vor allem eine Weltanschauung und damit eine Ethik, eine spezifische, konkrete Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Individuums.
Diese Ethik sollte jede(n) Anarchistin und Anarchisten leiten, der sie sich zu eigen macht und sie an seine besondere Sensibilität, Spannung und einzigartigen persönlichen Eigenschaften anpasst.
Der so verstandene Anarchismus sucht seine Gründe oder Rechtfertigungen nicht außerhalb seiner selbst, auch nicht in der Anarchie im Sinne einer anarchischen Gesellschaft, die es zu erreichen und aufzubauen gilt.
Der Aufstand des Individuums gegen alles, was es unterdrückt, ist an sich schon gerechtfertigt.
Wenn man aber jeden Historizismus, Determinismus, Finalismus, Mechanizismus, Szientismus und so weiter ausschließt, ist klar, dass die Rebellion an sich, auch wenn sie in sich selbst jede Rechtfertigung findet, nicht ausreicht, um die historischen Formen der zentralisierten Macht, die die Individuen und die untergeordneten Klassen überdeterminiert, endgültig zu zerstören.
Daher ist es notwendig, eine Reihe von realen, materiellen und spirituellen Möglichkeiten für eine endgültige Befreiung zu eröffnen.
Im Gegensatz zu anderen politischen Positionen stützt sich das Streben des Anarchismus nach der totalen Zerstörung der etablierten Mächte nicht ausschließlich auf die Objektivität des Systems und der Mechanismen, die es stützen, sondern auch auf die individuelle Selbstbestimmung.
Tatsächlich führt der revolutionäre Prozess, in seiner Bedeutung als radikale Veränderung eines Zustands in einen anderen, selbst wenn er nicht auf der zeitgenössischen Bewegung der individuellen Rückeroberung der eigenen Selbstbestimmung basiert, geradlinig zu neuen Formen der Unterdrückung und der zentralisierten Macht.
Niemand kann das leugnen, auch wenn jeder – entsprechend seiner eigenen Ideologie – die Verrätereien oder Revisionismen oder auch jene vermeintlichen „Objektivitäten” dafür verantwortlich macht, die letztendlich gleichzeitig Förderer der sozialen Revolution und deren Begräber sind.
Eine Reihe konkreter Möglichkeiten zur Zerstörung der Macht zu eröffnen bedeutet, die Spannung des individuellen Aufstands mit all jenen Momenten zu verbinden, die im Sozialen selbst, jenseits anarchistischer Handlungen, den Wert von Ausdrucksformen der Selbstbestimmung oder des Bruchs mit der auferlegten Ordnung annehmen.
Eine solche Verbindung schließt jedoch jede Instrumentalisierung, jeden Avantgardismus aus.
Anarchistinnen und Anarchisten haben in Bezug auf die Revolte gegen die bestehende Ordnung nichts zu lehren.
Die Verbindung zwischen anarchistischer Spannung und rebellischen sozialen Kräften manifestiert sich also als Ansporn zur Radikalität des Kampfes und der Rebellion, indem sie einige Elemente der Selbstbestimmung betont und andere in Aussicht stellt.
Wenn die Gewissheit der sozialen Revolution verschwindet, ist ihre Möglichkeit nicht ausgeschlossen.
Aber sobald die Gewissheit verschwindet, lösen sich alle organisatorischen und methodologischen Überlegungen aus dem Erfahrungsschatz der anarchistischen Föderationen auf, weil sie eng mit ihr verbunden sind.
Der Wettbewerb mit den Gegnern und damit die Propaganda, um mehr Proletarier für den Anarchismus zu gewinnen als die anderen Kräfte, ergibt keinen Sinn mehr.
Es ergibt keinen Sinn mehr, sich heute für den Aufbau einer freien Zukunft zu organisieren; das würde bedeuten, die Zukunft den Anforderungen der Gegenwart zu opfern.
Es ergibt keinen Sinn mehr, dass Anarchistinnen und Anarchisten historische Aufgaben übernehmen und Funktionen im Dienste der befreienden sozialen Revolution übernehmen.
Anarchistinnen und Anarchisten sind, wie jede andere Bewegung auch, nur eines der unendlichen Zentren, aus denen sich das Universum zusammensetzt.
Der Insurrektionalismus
Auch wenn es nur eine Möglichkeit ist, muss der revolutionäre Prozess durch einen Bruch mit dem Bestehenden in Gang gesetzt werden.
Dieser Bruch ist der allgemeine Aufstand, der die etablierte Macht in ihren wesentlichen Elementen zerstört: verschiedene Institutionen, Vergesellschaftung der großen Produktionsmittel usw.
Aus unserer Sicht ist der Moment der Aufständischen aus verschiedenen Gründen von zentraler Bedeutung:
Wegen seiner zerstörerischen und nicht konstruktiven Natur;
- Wegen der totalen Abwesenheit von vermittelnden Motiven oder moderierenden Tendenzen an seiner Spitze;
- Wegen der Befreiung der Individuen von den materiellen, moralischen und psychologischen Fesseln, die ihnen durch das System der Knechtschaft auferlegt wurden;
- Wegen der Unmöglichkeit seiner unmittelbaren Instrumentalisierung durch die Machthaber.
- Deshalb ist es im unmittelbaren Moment des aufständischen Events für Anarchistinnen und Anarchisten möglich, alle Bereiche der zentralisierten Macht zu zerstören und zur Zerstörung anzuregen.
Jede Einschätzung über die Kontinuität zwischen dem alten Sozialen und dem, was noch aufgebaut werden muss, hat sich durch die soziale Revolution selbst als katastrophal erwiesen.
Aber der freudige Moment der Zerstörung ist sehr kurz, und in dieser Zeit muss man unbedingt zuschlagen.
Sobald dieser Moment vorbei ist, werden die Machthaber, die der Zerstörung entkommen sind, tausende Gelegenheiten und Gründe haben, sich erneut als unverzichtbar für den Aufbau des Neuen darzustellen, indem sie die Müdigkeit und die materiellen Bedürfnisse der Aufständischen betonen.
Es wird noch nicht im direkten Wettbewerb mit diesen Kräften, dass der Anarchismus die Möglichkeit hat, sich in den Individuen zu verankern, sondern in der Tatsache, dass es gelungen ist, die materiellen, institutionalisierten und formalisierten Bedingungen der bisherigen Macht – Armee, Gerichte, Rathäuser, Parlamente, Archive, Waffen und Menschen – zu zerstören und den radikalen Kampf gegen alles, was alt oder neu ist und die Individuen überdeterminieren will, kompromisslos fortzusetzen.
Nach richtiger Überlegung ist der Anarchismus als Negation der zentralisierten Macht ein im Wesentlichen destruktiver, nicht aber konstruktiver Moment.
Im allgemeinen aufständischen Ereignis konkretisiert sich der Anarchismus in seiner Unteilbarkeit von Ethik und Doktrin in großem Maßstab.
Es ist ein solches Ereignis, das sich gegenüber den anderen hervorhebt.
Nun ist der allgemeine Aufstand eine Möglichkeit, die nicht direkt mit reiner Propaganda verbunden ist, obwohl man einen möglichen Nutzen der anarchistischen Propaganda für die subalternisierte Gesellschaft nicht ausschließen sollte.
Die konkreteste Möglichkeit liegt in den Forderungen der Ausgebeuteten, in den Bedürfnissen, die das System der Ausbeutung und Unterdrückung bei breiten Massen von Proletariern unbefriedigt lässt.
Es besteht immer die Möglichkeit, dass aus einem Protest, der selbst aus scheinbar trivialen oder reformistischen Gründen entstanden ist, der aufständische Moment hervorgeht, umso mehr, wenn eine Methodologie des Kampfes in Gang gesetzt wird, die ein Vorspiel zur Selbstbestimmung ist: Selbstverwaltung des Kampfes selbst, Angriff ohne Ausschluss von Schlägen auf die gegnerische Seite, Ablehnung von Vermittlungen und Vermittlern, Entschlossenheit, das Ziel zu erreichen.
Der anarchistische Insurrektionalismus ist genauer gesagt das Eingreifen in die aufkommenden sozialen Kämpfe, gemäß der Methodologie, die den allgemeinen Aufstand verteidigt und sich unmittelbar als Praxis der direkten Aktion, der permanenten Konfliktivität, der Selbstverwaltung der Kämpfe selbst materialisiert, ohne Verbindungen zu den spezifischen Spannungen und Sensibilitäten von Individuen und Gruppen herzustellen, wodurch die Vielfalt der Interventionsformen gefördert wird.
Was den anarchistischen Insurrektionalismus charakterisiert, ist die angewandte Methode, nicht der Inhalt jedes einzelnen Kampfes.
Die Methode rechtfertigt sich selbst und schließt daher jede quantitative Bewertung aus: Man handelt nicht in Abhängigkeit von der Zunahme der Zahl der Anarchistinnen und Anarchisten, sondern von den Impulsen, die die Methode in der Gesellschaft oder in bestimmten Kämpfen verbreitet. Welche Bedeutung kann es haben, sich als Anarchistinnen und Anarchisten zu definieren oder nicht, wenn die Praxis der direkten Aktion, der Konfrontation mit der etablierten Macht, der Negation der Überdeterminierung voranschreitet?
Die aufständische (insurrektionalistische) Projektualität
Meiner Meinung nach unterscheiden sich Anarchistinnen und Anarchisten von anderen Revolutionären und anderen Proletariern nicht durch die Radikalität ihrer Intervention, nicht weil sie „humanistischer” und sensibler sind als andere, nicht weil sie eine idyllische Gesellschaft oder andere Zentralismen und ähnliche Unterhaltsamkeiten verteidigen.
Sie unterscheiden sich viel einfacher durch die Methode, die nicht alle Möglichkeiten offenbart, wenn es nicht gelingt, zumindest die wichtigsten Aspekte unseres Handelns in ihrer Abfolge zu erfassen.
Aber die Methode offenbart nicht alle Möglichkeiten, wenn es nicht gelingt, zumindest die wichtigsten Aspekte unseres Handelns in ihrer Abfolge zu erfassen.
Die Methode entfaltet ihr volles Potenzial, wenn sie von einer Projektualität begleitet und unterstützt wird, mit anderen Worten, wenn man perspektivisch handelt.
Im projektualen Handeln erhält jede Aktion, jede Intervention, die sich in der Hintergrundperspektive miteinander verbindet – in unserem Fall die Möglichkeit eines allgemeinen Aufstands –, einen Sinn und eine globale Begründung und wird so im Kampf gegen die etablierte Macht wirkungsvoller.
Die informelle aufständische Organisation
Es sollte mittlerweile klar sein, dass die Organisation aus unserer Sicht kein Ziel, sondern nur ein Mittel ist, ein Instrument, das, gestützt auf eine präzise Methodologie, es den Individuen ermöglicht, sich zu stärken, ohne zu Sukkubi derselben Organisation zu werden, die von Selbstbestimmung ausgeht und Selbstbestimmung reproduziert.
Die Organisation drückt die Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen ihnen und den Dingen und Ereignissen aus.
Solche Beziehungen können zu bestimmten Zeitpunkten festgelegt werden, die echte und eigentliche formale Institutionen darstellen, innerhalb derer sie strukturiert sind.
Das ist der Fall bei der formalen Organisation, die sich in einer bürokratisch-vertikalen Struktur konkretisiert, oder – wie wir bereits im Fall der anarchischen Organisationen der Synthese gesehen haben – in einer föderalen Struktur, die zwar keine bürokratisch-hierarchischen Institutionen hat, sich aber auf der Grundlage formalisierter Momente (Kommissionen, beratende Vollversammlungen, Abstimmungen usw.) bewegt.
In beiden Fällen werden die Vitalität und der Reichtum, die durch den Kontrast, die Vielfalt und die Besonderheit der Subjekte entstehen, durch die notwendigen Synthesen und den von der Organisation auferlegten Formalismus negiert oder sterilisiert.
Aber Organisation ist auch auf eine ganz andere Art möglich, ohne die Besonderheit der Individuen und die vielfältigen Formen der Existenz in formalen Mechanismen und Institutionen zu erzwingen, sondern ihnen vielmehr die richtige Funktionalität zu geben.
Das ist die Art und Weise, wie man mit Menschen und Dingen in der Informalität selbst umgeht, also im Fluss der Beziehungen, Spannungen, Eigenheiten, Anforderungen, Zuneigungen, der Notwendigkeit des Kampfes und des Überlebens für sich selbst und andere.
Das Leben selbst fließt dank der Informalität, d. h. dank jener Momente, die die etablierte Macht nicht ersticken kann, indem sie sie innerhalb ihrer eigenen Ordnung formalisiert.
Und gerade in dieser Informalität entstehen die unzähligen Akte der Rebellion, die die Ordnung des Staats-Kapitals in Frage stellen.
Aus der Unbestimmtheit und Vielfältigkeit des Universums, betrachtet unter dem Aspekt seiner Informalität, entstehen keine Revolutionäre, die den konstruktiven Moment der sozialen Revolution planen und sie innerhalb der Grenzen und Wege ihres eigenen Geistes lenken; vielmehr entstehen Individuen, die sich gegen die gegenwärtigen Bedingungen der Macht und gleichzeitig gegen jede Hypothese und jeden Versuch, neue zu konstruieren, auflehnen und so jeden konstruktiven Moment der unbestimmten Zukunft überlassen.
Das ist die informelle anarchistische Organisation, die den Auftakt zu einer – ebenfalls informellen – Organisation der Kämpfe bildet, die in Gang gesetzt werden oder an denen wir uns beteiligen.
Die Union der sardischen Anarchistinnen/Anarchisten (U. A. S.) ist ein Ort, an dem die Informalität der Beziehungen durch die Praxis des Aufstands gepflegt wird.
Es ist kein Ort, an dem Ideologien oder Momente der beratenden Vollversammlung gepflegt werden.
Vielmehr werden Analysen, Kampfprojekte und Momente des Kampfes sozialisiert; jeder gibt und nimmt von diesem Ort, gibt allein oder auf der Grundlage von Affinitäten und Interessen, die er mit anderen teilt – das können alle oder nur ein Teil der Mitglieder der U. A. S. sein –, was ihm am meisten gehört.
Wer es für angebracht hält, macht auch einfache Propaganda, aber was die U. A. S. auszeichnet, ist, dass sie nicht zum Zwecke der Bekehrung handelt, sondern vielmehr, um die aufständische Methode in der Informalität der Beziehungen in der Gesellschaft – insbesondere in spezifischen Kämpfen – zu verbreiten.
In diesem Sinne waren wir bei einigen der wichtigsten Kämpfe und Situationen des letzten Jahrzehnts dabei, zum Beispiel gegen die erste politisch-koloniale Operation namens „Forza Paris”.
In diesem Sinne haben wir uns in den Kampf gegen die Parks, seien sie Technologie- oder Naturparks, gestürzt, denn durch die einen und die anderen, die nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben, macht sich der Kapital-Staat, der sich bereits vom Industrialismus zum Postindustrialismus umstrukturiert hat, daran, unser Land zu beherrschen, indem er es zu einem Forschungszentrum und zum Abbild einer virtuellen Realität macht, die Profit und System reproduziert.
Die Unordnung der Revolte
Also Informalität in den Beziehungen, Informalität in der Beteiligung an den Kämpfen, Informalität im Sinne von Unbestimmtheit, in der aufständischen Aktion und im aufständischen Moment selbst.
Auch das projektbezogene Handeln lehnt die Informalität nicht ab, sondern geht vielmehr von ihr aus und löst sich in ihr auf.
Die Organisation selbst ist etwas ganz anderes als eine Struktur: Sie ist eher ein Ort der Sozialisierung und der Abstimmung von Kämpfen und Spannungen, nicht ihrer Vereinheitlichung.
Ebenso haben die aus dem Sozialen hervorgehenden Kämpfe, die individuellen oder kollektiven Revolten, weit davon entfernt, für die Ziele einer Revolution instrumentalisiert zu werden, die in den Köpfen der sozialen Organisatoren ruht, eine Relevanz an sich, da sie die Spannungen durchdringen, die zum allgemeinen Aufstand führen.
Wie wir bereits gesehen haben, stellt die anarchistische, aufständische und informelle Perspektive den allgemeinen Aufstand in den Vordergrund und strebt keine konstruktiven Rollen an, sondern lehnt diese entschieden ab.
Der vorherrschende Moment dieser Perspektive ist die Selbstbestimmung um der Selbstbestimmung willen, also im Wesentlichen destruktiv-negativ.
Aber ich glaube nicht, dass es für das Individuum, selbst wenn es ein aufständischer Anarchist ist, eine Möglichkeit gibt, die Macht zu zerstören, die es unterdrückt.
Diese Möglichkeit tut sich nur auf, wenn man sich auf das einstellt, was im Sozialen selbst destruktiv und negativ ist, nicht um es für die eigenen Zwecke zu nutzen und dabei die Ziele der anderen zu schädigen, sondern um die Widersprüche, die Unordnung, die Revolte zu prägen und zu verbreiten.
Je mehr diese Handlungen zerfallen und ungeordnet erscheinen, ohne ein Zentrum, sondern vielmehr mit Bezug auf Tausende von Zentren, die jeweils selbstbestimmt sind, desto weniger lassen sie sich formalisieren und von den Verhinderern der sozialen Unordnung wiederherstellen.
Die Macht kann sich in Wirklichkeit, selbst in der scheinbaren Unordnung, die sie schafft, nur in einer Form der Ordnung behaupten und aufrechterhalten. Die Revolutionäre, auch Anarchistinnen und Anarchisten, die die Zukunft gestalten und nicht nur die Gegenwart zerstören wollen, haben unweigerlich die soziale Ordnung wiederhergestellt und damit die Unordnung der allgemeinen Revolte erstickt, wodurch sie die gesamte Gesellschaft in die Hände der neuen Mächte gegeben haben, die in dieser wiederhergestellten Ordnung die Gelegenheit gefunden haben, neue Formen der Ausbeutung und Unterdrückung einzuführen.
Deshalb fordern wir die zerfallene, überall verbreitete kopflose Revolte und handeln entsprechend: Genauer gesagt sind wir für die dauerhafte soziale Unordnung, die eine unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, dass sich eine zentralisierte Macht nicht manifestieren kann.
Die Aktualität des aufständischen Anarchismus
Ich glaube, dass die anarchische Organisation der Synthese in der Vergangenheit auf jeden Fall eine große Bedeutung hatte.
Die Industriegesellschaft, die im Wesentlichen auf der Konzentration der Produktion beruhte, oft bis hin zur Vertikalisierung des gesamten Produktionszyklus der Waren, was die Anwesenheit von Tausenden und Abertausenden von Arbeitern auf begrenztem Raum bedingte, hatte sogar die Entstehung eines gemeinsamen Verständnisses zur Folge und machte den Ausgebeuteten selbst bewusst, dass sie die Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums waren, den der Kapitalismus hingegen zum ausschließlichen Nutzen der Bourgeois privatisiert.
Die produzierten Güter waren von allgemeinem Nutzen und wären es auch in einer hypothetischen befreiten Zukunft gewesen.
Die soziale Revolution, die die Enteignung der großen Produktionsmittel durchführte, hätte nicht nur zur Vergesellschaftung der Produktion geführt, sondern auch zu einer Vergesellschaftung der produzierten Güter, die von gesellschaftlichem Nutzen waren, da sie mit der Befriedigung realer Bedürfnisse verbunden waren.
Die größte Grenze der anarchistischen Organisation der Synthese bestand darin, dass sie das Monopol für sich beanspruchte und immer die anarchistischen Minderheitstendenzen verteufelte, die in Bezug auf Organisation und Methodik andere Interventionen praktizieren, die die Widersprüche und Grenzen des Föderalismus, der direkten Demokratie und des Anarchismus der Synthese umgehen.
Man kann nicht einmal leugnen, dass die Organisationen der Synthese auf ihre Weise aufständisch sind.
Tatsächlich muss der Anarchismus, der jedes System der repräsentativen Demokratie ablehnt, notwendigerweise den revolutionären Prozess und den allgemeinen Aufstand, wie auch immer man ihn versteht, zum Moment des Bruchs mit der historischen Gegenwart machen.
Aber der allgemeine Aufstand liegt in der Zukunft.
Und seine objektiven und subjektiven Bedingungen müssen nach und nach aufgebaut werden, unter Berücksichtigung der zahlenmäßigen Stärke der anarchosyndikalistischen Organisation, der materiellen Bedingungen des Augenblicks und aller anderen Zufälle, die von Köpfen und Denkstrukturen erdacht werden, die im Kreis der historischen Kontinuität und anderer Bewertungen gefangen sind.
In unserer gegenwärtigen Zeit hat die Umstrukturierung des Kapitalismus durch den systematischen Einsatz neuer Technologien in allen Bereichen des sozialen Lebens, von der Produktion von Waren bis zu ihrem Konsum, von der Kommunikation bis zur Kontrolle über das gesamte Territorium, vom Zivilen bis zum Militärischen, die Welt grundlegend verändert.
Die Realität besteht aus Momenten, Impulsen, realen Spannungen, die in virtuellen Momenten erstickt und vermischt werden.
Die virtuelle Realität, die durch induzierte Bedürfnisse, die Produktion virtueller Waren und den virtuellen Konsum geprägt ist, hat sich bereits durchgesetzt.
Die traditionelle Fabrik ist verschwunden oder steht kurz vor ihrem endgültigen Verschwinden, um Platz zu machen für eine Vielzahl kleiner und kleinster, hochgradig computerisierter Produktionszentren, die Produktionsumstellungen ermöglichen, die zu ihrer Zeit undenkbar waren.
Die Interessen des Proletariats, in tausend Stücke zerbrochen, gehen in den Windungen der virtuellen Realität verloren.
Der allgemeine Aufstieg findet in der Demokratie den Mechanismus, der ihn reproduziert: Wir sind bei videogesteuerten Volksbefragungen angelangt, um festzustellen, welche virtuelle Ware die virtuellen Bedürfnisse der virtualisierten Verbraucher am besten befriedigt!
Die Demokratie selbst ist bereits eine der virtuellen Realitäten, wie alle anderen auch.
Und noch sinnloser finde ich die Überlegungen, die regelmäßig in anarchistischen Zeitungen bei jeder politischen Wahl geäußert werden, in denen betont wird, dass der hohe Prozentsatz der Nichtwähler und der ungültigen oder annullierten Stimmzettel den Vertrauensverlust in die Politik und die repräsentative Demokratie bestätigen würde.
Die Wahrheit ist im Gegenteil, dass das Überleben des technologischen Kapital-Staates, der nur noch territorial zersplittert ist, nur durch allgemeine Zustimmung möglich ist.
Während die traditionelle Fabrik sich gut gegen jede militärische Gewalt verteidigen konnte, weil sie an einem bestimmten Ort stand, hat die Informatisierung der Produktion dazu geführt, dass unzählige kleine Werkstätten in jeden Winkel der Welt verlagert wurden; die Telematik macht es einfach möglich, von zu Hause aus zu produzieren, man braucht nur einen PC.
Nun ist es offensichtlich, dass ein solches System nur verteidigt werden kann, wenn die Menschen, die in dem Territorium leben, zu Polizisten des Systems werden: Kein repressives Mittel wäre in der Lage, die Unversehrtheit eines solchen zersplitterten Systems zu garantieren.
Welche Bedeutung kann es also haben, dass die Wahlurnen verlassen werden, wenn gleichzeitig der postindustrielle Kapital-Staat nicht angegriffen wird?
Allerdings kann man nicht mal behaupten, dass die Zustimmung zum aktuellen Stand der Dinge total ist.
Die vom System Ausgeschlossenen, die Marginalisierten, die Ungehorsamen, kurz gesagt, die Angeschwollenen sind das natürliche Ergebnis einer Gesellschaft, die in Privilegierte auf der einen Seite und Untergebene auf der anderen Seite gespalten ist.
Rebellion ist auch eine natürliche Tatsache, die übrigens weder von Anarchistinnen und Anarchisten noch von anderen Revolutionären entdeckt wurde.
Aber diese Rebellion lässt sich nicht sofort auf die alten revolutionären Programme zurückführen, die auf die Zerstörung der Gegenwart und den gleichzeitigen Aufbau einer befreiten Zukunft abzielen.
Die aktuelle Rebellion ist zersplittert, ungeordnet, ein Selbstzweck.
Für die sozialen Rebellen ist der Aufstand eine totale Ablehnung von Ideologien jeglicher Art, da diese, größtenteils zu Recht, als tragende Säulen des Systems angesehen werden, das sie unterdrückt.
Ihre Rebellion bricht destruktiv aus, gegen alles und jeden. Sie lässt sich in kein vorgefertigtes Schema einordnen.
Der Ursprung der Rebellion kann eine bestimmte Forderung sein, die Reaktion auf eine als beleidigend empfundene Handlung, kurz gesagt, jeder einzelne Moment, der aus tausend Gründen in einer bestimmten Situation eine auslösende Funktion übernimmt.
Es geht also nicht um allgemeine oder verallgemeinerbare Fragen, sondern um spezifische Motivationen.
Diese Tatsache ist für unsere Argumentation von größter Bedeutung.
Tatsächlich wird jeder Versuch, das spezifische Ereignis, das den Kampf auslöst, unter politisch-sozialen Bedingungen und Überlegungen zu instrumentalisieren, sofort für Zwecke genutzt, die nichts mit dem Kampf selbst zu tun haben; und so ist es auch in der Realität.
Aber es sind immer diese Kämpfe, die die Möglichkeit einer spezifischen Intervention eröffnen, die in der aufständischen Methode, d. h. in der direkten Aktion und in der Selbstverwaltung des Kampfes selbst, die wesentlichen Momente des Bruchs mit der Praxis der Vermittlung und der passiven Akzeptanz der Mechanismen der Delegation findet.
Mit dieser Methode und der nötigen Projektfähigkeit, um dem Kampf Perspektiven für Verbindungen mit anderen Kämpfen und ein breiteres Verständnis der Besonderheiten, die er widerspiegelt, zu bieten, bleiben viele Möglichkeiten für einen aufständischen Ausgang offen.
In dieser Perspektive ist der Anarchismus keine Doktrin, sondern eine konkrete Art, sich dem Bestehenden entgegenzustellen, gegen es zu kämpfen, um es endgültig und in Totalität zu zerstören.
Postindustrialismus, Staat, nationale Befreiungskämpfe
Der moderne Staat entstand aus den Forderungen der lokalen Bourgeoisie, die während der Phase der ursprünglichen Kapitalakkumulation in heftigen Kämpfen miteinander standen, um ihre Verankerung und Entwicklung in begrenzten Territorien.
Er diente dem Schutz und der Sicherung des Kapitals vor ausländischer Konkurrenz, vor Angriffen der proletarisierten Massen und vor dem kulturellen und materiellen Widerstand der Völker und historischen Ethnien, die der kapitalistisch-staatlichen Durchdringung und Herrschaft feindlich gegenüberstanden.
Ethnozid und Genozid haben den modernen Staat von seinen Anfängen bis an die Schwelle des dritten Jahrtausends begleitet.
Es ist kein Zufall, dass der Staat historisch gesehen nicht nur als Feind der proletarischen Massen, sondern auch als Feind der sozialen und politischen Kräfte der unterdrückten Völker gilt.
Die neuen Technologien werden jetzt auch bei der Produktion von Waren eingesetzt (und in der technologischen Gesellschaft ist alles, egal ob materiell oder geistig, echt oder fiktiv, eine Ware). Zusammen mit dem cleveren Einsatz der Medien bei der Schaffung virtueller Realitäten und der Manipulation des Bewusstseins haben sie die Lage total verändert.
Die Zersplitterung der Industrie auf dem Territorium erfordert die maximale Zustimmung derjenigen, die auf diesem Territorium leben: Ein Staat, der nicht akzeptiert wird, oft direkt bekämpft wird und ständig Angriffen seitens der Bevölkerung ausgesetzt ist, ist eine politische Macht, die nicht in der Lage ist, die Stabilität und die Interessen des postindustriellen Kapitalismus zu gewährleisten.
Deshalb erleben wir in vielen Situationen – im alten Europa, in Lateinamerika, im ehemaligen bolschewistischen Reich, im Nahen Osten und im Fernen Osten – nicht nur die Entstehung neuer Staaten, sondern auch die Umwandlung diktatorischer Staaten in demokratische Regime und die Umwandlung traditionell zentralistischer Staaten (wie Italien, Spanien, Frankreich usw.) in demokratische Regime mit weitreichender administrativer Dezentralisierung und einer echten Tendenz zu neuen Formen föderalistischer Staatsmacht.
Gleichzeitig ermöglicht und fördert die Globalisierung des Marktes den Abbau der traditionellen Industrie in noch nicht befriedeten Gebieten. Das Ziel ist es, diese Gebiete durch die Angleichung an die gleichen postindustriellen Produktionsprozesse in riesige ökologisch-touristische Virtualitäten zu verwandeln und sie als solche zu Zielen für Massen von Kultivierten zu machen, die durch den Konsum dieses Virtualismus den Prozess der Entkulturisierung vollziehen, den der Staat und das Industriekapital nicht geschafft haben.
Der industrielle Abbau in Asturien und vielen Orten des Baskenlandes, die Schließung der Bergwerke auf Sardinien usw. bis hin zur heutigen Auferlegung von Naturparks und Schutzgebieten werden vielleicht verständlicher, wenn man sie aus dieser Perspektive betrachtet.
Das heutige Kapital-Staat-System interessiert sich für Profit, nicht für ökologischen Unsinn, den es klugerweise nutzt, um eine echte Industrie aufzubauen, die in der Lage ist, eine virtuelle Realität in realen Gewinn zu verwandeln.
So werden auch die klassenübergreifenden Positionen der Kompradorenbourgeoisie und des lokalen Kapitals in den kulturell optimierten geohumanen Gebieten klarer.
Tatsächlich kann man nicht mehr mit der Verwirrung der nationalen Befreiung in der unmittelbaren Gegenwart spielen und die soziale Frage auf morgen verschieben.
Staatliche Unabhängigkeit bedeutet im Postindustrialismus, sofort die Interessen des Kapitalstaates der multinationalen Unternehmen zu vertreten, und es braucht nicht viel, um zu verstehen, dass echte Unabhängigkeit, die Selbstbestimmung von Individuen und Völkern, nicht existieren kann, wenn sie unter dem materiellen Joch des einheimischen Kapitals steht, das oft mit dem ausländischen verwechselt wird.
Heute muss der Kampf um Selbstbestimmung mehr denn je gleichzeitig ein Kampf gegen das Kapital und ein Kampf gegen den Staat sein, vor allem gegen den lokalen Staat, der sich bereits in den peripheren und regionalen Verwaltungen mit allen Aspekten der Einheimischkeit abzeichnet.
Dieser Kampf muss sich in neuen Organisationsformen zeigen, die dem realen Angriff auf die technologische Gesellschaft angemessen sind: keine vertikalen und klassenübergreifenden politisch-militärischen Strukturen, denn diese würden weiterhin das Martyrium von Individuen und die Rationalisierung des Kapital-Staates hervorbringen.
Keine nationalen Befreiungsarmeen mehr, die unter dem Vorwand der zukünftigen Selbstbestimmung in der Realität den lokalen Staat aufbauen, der für die postindustrielle Gesellschaft am besten geeignet ist, und damit neue Unterdrückungen und die Gleichstellung mit der Ware fördern.
Kein Kampf mehr nur gegen den einen Staat, der historisch bestimmte geohumane Situationen unterdrückt, sondern Kampf gegen alle Staaten, da sie ein einziges Interesse und einen einzigen Feind repräsentieren, den es zu bekämpfen gilt.
Heute mehr denn je haben revolutionäre Armeen keine Daseinsberechtigung:
- Der Feind ist im Territorium verteilt, um ihn zu bekämpfen, reichen kleine Instrumente, ein wenig Wille und viel Kreativität.
Aber es ist klar, dass es nicht reicht, den so identifizierten Feind nur an einem Punkt, nur in einem Gebiet zu schlagen, auch wenn man ihm damit irgendwie Schaden zufügt. Um ihn ernsthaft in Frage zu stellen, muss man ihn in seiner tatsächlichen Ausdehnung und Verzweigung betrachten, die weit über die Grenzen der Völker und Staaten hinausgeht, und ihn auf abgestimmte Weise angreifen, jeder mit seinen eigenen Mitteln, Methoden und Sensibilitäten.
Der Vorschlag einer antiautoritären, aufständischen Internationale: Revolutionäre Solidarität als Komplizenschaft im Kampf
Die internationale Perspektive ermöglicht es uns, nicht nur die Präsenz multinationaler Unternehmen in unseren Gebieten zu erkennen, sondern auch die Präsenz einheimischen Kapitals in fremden Gebieten, in den Interessenverbünden, die die multinationalen Unternehmen bilden.
So entdecken wir, dass der sardische Pecorino [Schafskäse] zum Beispiel in Kanada und den USA landen kann, weil er zu einer Ware des multinationalen Unternehmens Barilla wird.
Dieses multinationale Unternehmen wiederum besteht aus Kapital anderer multinationaler Unternehmen, die in allen Teilen der Welt tätig sind.
Und wir haben außerdem herausgefunden, dass auch die Ersparnisse der ärmsten sardischen Proletarier, die bei der Banco di Sardegna angelegt sind und auf verschiedene Weise mit dem Kapital anderer Banken und multinationaler Unternehmen verflochten sind, letztendlich zu den Realitäten gehören, die Völker, Ethnien und Proletariat in allen Teilen der Welt unterdrücken.
Mit diesen Erkenntnissen können wir verstehen, wie ungerecht und erbärmlich die Formen des „Protests und der Solidarität” sind, die sich immer öfter in harmlosen Paraden durch die Straßen der Städte äußern, „zugunsten” der revolutionären Kräfte und der kämpfenden Völker.
Auf dem Platz gegen die multinationalen Konzerne und den Staat zu schreien, die zum Beispiel in Mexiko einfach weitermachen, die Leute in Chiapas zu vernichten, wird zu einer Art Folklore, die das demokratische System der postindustriellen Gesellschaft nährt, weil es durch die leere Form des angeblichen Widerstands auf den Plätzen und in den Gebieten, in denen es eigentlich anderswo dominiert, gestärkt wird.
Um aus dem folkloristischen und nutzlosen Protest der geordneten Paraden herauszukommen, braucht es jene analytische Anstrengung, die es uns allein ermöglicht, in unserem Territorium die Materialisierungen in Form von Kapital, Institutionen, Hauptquartieren, Menschen usw. des wirklichen Feindes zu finden, der in Chiapas, aber noch ruhiger in unserem Zuhause operiert.
Das so identifizierte Kapital-Staat kann und muss bekämpft werden, in Chiapas und anderswo, wenn möglich auf koordinierte Weise.
Die Gewinne des Kapital-Staates zu lähmen, ist die wahre revolutionäre Solidarität, die auf diese Weise kein Geschenk von Sentimentalität und Pietismus mehr ist, sondern Komplizenschaft im Kampf für die Selbstbestimmung der Individuen und Völker.
In diesem Sinne haben wir zusammen mit Gefährtinnen und Gefährten aus anderen Orten seit 1992 den Vorschlag einer Insurrektionalistischen Antiautoritären Internationale (I. A. I.) gemacht.
Dieser Vorschlag blieb offenbar nicht unbemerkt, da die fleißigen Wächter des Staats-Kapitals – die übrigens nicht in der Lage sind, die neuen radikalen Formen des sozialen Aufstands und der Rebellion außerhalb der Kanäle der traditionellen politischen und bewaffneten Organisationen zu verstehen – ihn von Anfang an als etwas anderes verteufelt haben, als er in der Realität ist:
- Eine bewaffnete Partei, eine vertikal strukturierte Organisation, eine Art Eintopf, in dem all der Mist brodelt, den die dem alten und neuen Herrn unterworfenen Köpfe in ihrem eigenen Haus wiederfinden und über den sie das Monopol beanspruchen.
Aber die Insurrektionalistische Antiautoritäre Internationale Bewegung ist weder eine Struktur noch eine Maschine, noch gar ein sich selbst reproduzierender Mechanismus.
Sie ist auch keine formalisierte Einheit, sondern einfach eine Gelegenheit, ein Raum, eine Möglichkeit zur Sozialisierung der Spannungen und Projekte von Individuen und Gruppen von Individuen, die sich bereits jetzt wirklich gegen die Gesellschaft des informatisierten Kapital-Staates stellen.
- Gemäß der aufständischen Methodologie sind die Informalität in den Beziehungen und die Ablehnung jeder Ideologie, die in der Abstraktion und im religiösen Purismus Energien auf die Konfrontation mit dem alten Feind lenkt, der sich jedoch mit neuen Kleidern der Informatik präsentiert, von Bedeutung.
Auch in diesem Fall haben der aufständische Anarchismus und die informelle Organisation im Hinblick auf den nationalen Befreiungskampf und die materielle Solidarität viel zu sagen.
Danke für deine Aufmerksamkeit und Geduld.