Zwei Artikel über den Aufstand in Marokko und einige Gedanken über die Rolle der Aufstände unserer Zeit

Zwei Artikel über den Aufstand in Marokko und einige Gedanken über die Rolle der Aufstände unserer Zeit


Aufstände die die Bourgeoisie in Atem halten.

Dass, was wie ein Film von Luis Buñuel hätte heißen können, ist ein wiederkehrender Ausdruck, eine wiederkehrende Realität gegen die Welt des Geldes, gegen die Welt des Kapitalismus, sowie gegen die auf Blut geschriebene Ordnung und sozialen Frieden der herrschenden Klasse. Ausgetragen wird dieser Ausdruck vom, meist, jungem Proletariat. Von Philippinen, über Ecuador, Marokko, Madagaskar, Nepal bis zu Peru, finden gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Aufständische und den Gewaltmonopol des Staates statt, letzter Bastion der herrschenden Klasse.

Über den Aufstand in Marokko, aber nicht nur, und warum wir weiterhin Aufstände verteidigen müssen

Seit dem 27. September wird Marokko von einer Welle von Demonstrationen und Auseinandersetzungen auf den Straßen heimgesucht die einen aufständischen Charakter und eine aufständische Dimension aufweist.

Der Tropfen der die Situation zum Überlaufen gebracht hat, ist der allgemeine Pauperismus (35% Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen), der katastrophale Zustand des Gesundheitssystems (nach der Weltgesundheitsorganisation nach, gibt es in Marokko nur 7,7 Ärzte pro 10.000 Einwohner, im Vergleich, im Benachbarten Algerien sind es 16,6, in Spanien sind es 46 und in Deutschland 45) – was auch im Zusammenhang mit dem Aufstand steht, weil nämlich im August acht schwangere Frauen nach einem Kaiserschnitt im Krankenhaus starben – und zusätzlich die enormen Ausgaben die der marokkanische Staat für die Fußballweltmeisterschaft 2030 (die auch in Spanien, Portugal, Argentinien, Uruguay und Paraguay (wenn letztere nur für wenige Spiele, als Jubiläum für die erste Weltmeister die vor 100 Jahren in Uruguay stattfanden) stattfinden) und das für dieses Jahr stattfindende Africa Cup of Nations ausgibt.

Armut, Aussichtslosigkeit, Analphabetismus, Repression, Korruption und das Lenken des Landes nach dem Wohlwollen und Interessen der herrschenden Klasse (sowie sonst wo auch) haben zu einer noch größeren Bewegung auf den Straßen geführt, wie sie während der Protesten von 2011-2012 waren. Das Leben junger Proletarier versinkt in der vom Kapitalismus verursachten Armut und Gleichzeitig werden Milliarden in Fußballstadien und Tourismus ausgegeben. Das größte Fußballstadion der Welt wird auch bald sich in Casablanca befinden, eine Arena des Spektakels die Platz für 115.000 Personen haben wird.

Es wäre nicht das erste noch das letzte Mal dass im Zusammenhang mit Sportereignissen enorme Summen ausgeben werden, also ein kapitalistischer Staat verschuldet sich enorm, wer diese abzahlen wird ist wie üblich bekannt. Auch in Italien, Griechenland oder Spanien sollte mit den Olympischen Spielen, Fußballweltmeisterschaften, usw., das große Geld gemacht werden, das Land modernisiert werden, aber letzten Endes geht es nur um große Gewinne auf Kosten des Proletariats zu machen. Riesige Sportarenas schmücken die Metropolen, neben Elendsvierteln stehend, während letztere von Polizei und Armee gesäubert werden, damit die Touristinnen und Touristen sich nicht von der allgemeinen Armut gestört fühlen.

Deswegen, unter anderem, gehen seit über zwei Wochen tausende von Proletarier in Marokko auf die Straßen. Es gab Straßenschlachten in fast allen Städten, Geschäfte wurden geplündert, Polizeiwachen angegriffen und gestürmt, Porträts des Königs werden verbrannt, aber auch wurden schon tausende von aufständischen Proletarier inhaftiert und gefoltert, die Polizei schießt mit scharfer Munition in die Menge, es gibt Meldungen mehrerer Tote, in einem Fall wurde ein Jugendlicher von einem Einsatzwagen der Polizei überfahren…

Wichtig ist aber nochmals betonen, dass es wieder einmal gleichzeitig in mehreren Ländern entlang des Globus passiert.

Zu der sogenannten Generation Z und reformistische Forderungen

Wie im Falle von Indonesien, genauso wie in Nepal, ist die Rede davon dass es sich hier um die sogenannte „Generation Z“ handelt die gerade revoltiert. Wir wischen uns den Arsch mit diesen absolut nichts aussagenden Typisierungen und Kategorisierung von Menschen, bzw. den sogenannten Merkmalen die jeder sogenannten „Generation“ auferlegt werden.

Auch wenn revoltierende und aufständische Proletarier sich selbst gerade diese Begriffe zu eigen machen- was mal wieder zeigt wie sehr die Indoktrination und die Ideologien der herrschenden Klasse funktioniert, die Mehrheit der Ausgebeuteten sehen sich lieber in Form nationaler, subkultureller, identitärer oder sonstiger Identität, und denken daher unter solchen Kategorien/Ideologien, aber selten als dass was sie immer sind, Menschen die im Prozess der Erschaffung von Mehrwehr (also Gewinn/Profit), ihres Lebens und der Produkte die die herstellen beraubt werden, um diese Tätigkeit (Ausbeutung) immer wieder und wieder nachgehen zu müssen, weil man ja ansonsten verhungert, weil man nichts anderes besitzt als die Arbeitskraft die wir verkaufen, weil wir Proletarier sind -, weißen wir strikt ab, denn damit soll nur wieder von den Folgen und den Ursachen des Kapitalismus (einziger Grund für Armut, Krieg, Zerstörung der Welt und aller auf ihr lebenden Spezies) abgelenkt werden. Identitäten, identitäre Kategorien, usw. sollen auf eine komplett leere und inhaltslose Form eine in Wirklichkeit in Klassen gespaltenen Gesellschaft erklären, indem der unversöhnliche Antagonismus zwischen den Klassen auf andere Fokusse gerichtet werden. Der Konflikt soll als einer zwischen Generationen (die irgendwelche Merkmale aufweisen sollen) und nicht zwischen einer von Klassen erklärt werden. Wir können nur die Gesellschaft durch die vom Kapitalismus erzwungenen und gezwungenen Verhältnisse verstehen, und nicht ob diese oder jene Generation weniger oder mehr Zugang zu Technologien hat oder hatte, oder was auch immer der Unterschied sein mag. Und diese Verhältnisse sind nicht nur weltweit, sondern verbinden alle Menschen auf den Planeten und heben jegliche Form von Identitäten (nationaler z.B.) auf. Die herrschende Klasse (die Bourgeoisie) führt tagtäglich einen Klassenkrieg um ihre Interessen, ihre Machtstellung und ihren Eigentum (der Produktionsstätten) zu schützen, warum sollten jene die darunter leiden auch nicht einen Klassenkrieg führen, um dem ganzen endlich ein Ende zu setzen?

Daher, ob angeeignet oder nicht, die Revoltierenden und Aufständischen in Indonesien, Nepal, Marokko – oder sonst wo – sind keine Mitglieder dieser oder jener Generation. Diese Kategorisierung sollen ihnen ihre Fähigkeit durch die ihnen auferzwungenen kapitalistischen Verhältnisse rauben und verhindern dass sie sich ihrer selbst bewusst werden können und verhindern, dass sie eben DOCH sich über ihre auferzwungene Kondition als Ausgebeutete, als Proletarier, bewusst sind und eben DESWEGEN gegen die herrschenden Verhältnisse kämpfen. Weil sie eben keine Proletarier mehr sein wollen. Weil das Ziel es eben NICHT ist selbst Bourgeois zu werden, sondern die Ursache von Armut und Reichtum (was als solche nur als materielle Bedingungen des Kapitalismus verstanden werden können, beide existieren nur weil sie Konditionen des jeweiligen anderen sind) ein für alle mal abzuschaffen. Was wir wieder mal sehen können, ist dass all diese Aufstände Ausdrücke der Tendenz der eigenen Negation sind. All diese Menschen nicht klar als Proletarier zu definieren führt zwangsläufig zu deren Karikaturisierung und zur Entleerung ihrer Praxis.

Wie wir aus den Texten entnehmen die wir übersetzt haben sind die Forderungen die bekannt sind, und auch niemals für eine Bewegung sprechen können und werden, reformistischer Natur. Hier stehen wir wieder vor mehreren Problematiken und Ereignissen. Als Anarchistinnen und Anarchisten haben wir keine Forderung an den Staat-Nation, dem Kapitalismus und all deren Institutionen, außer ihre sofortige Abschaffung, aber dies ist weder eine Forderung, im Sinne einer Reform, noch in Form einer Bitte. Der Staat-Nation, der Kapitalismus, usw., werden sich nicht von sich selbst aus abschaffen.

Ein Aufstand ist nicht nur ein Bruch im sozialen Frieden, sondern kann der Auslöser sein der alle herrschenden kapitalistischen Verhältnisse auf den Kopf stellt, nämlich die soziale Revolution. Dies muss und wird nicht zwangsläufig passieren, doch findet in diesem Moment ein enorm wichtiger Prozess statt; das Proletariat ist nicht mehr eine Klasse an sich, sondern eine für sich, das heißt durch die Erfahrung der eigenen Praxis kann es seiner Fähigkeit bewusst werden dass es, und nur es, den Kapitalismus und alle Staaten-Nationen abschaffen kann.

Dennoch sind selten Aufstände monolithische Eruptionen, es werden sich immer in ihr Kräfte und Elemente befinden die sie lenken, anführen und dirigieren wollen. Forderungen im Namen der aufständischen Bewegung zu stellen wäre ein klassisches Beispiel, sowie Gewerkschaften/Syndikate sich durch dieselben Taktiken sich an die Spitze des Proletariats stellen wollen, weil ihre Aufgabe es ist diesen zu Repräsentieren, für diese zu Verhandeln. Wie auch immer radikal oder sogar revolutionär die Forderungen klingen mögen, der Bewegung wird automatisch ein Strick um den Hals gelegt, denn nur sie alleine kann, ohne Vermittler und ohne Vermittlungen, ihre eigenen Interessen artikulieren. Aber bleiben wir an den Beispielen der Repräsentation noch ein bisschen(ob Gewerkschaften/Syndikate, marxistisch-leninistische Avantgarden/Parteien, anarchistische Organisation die sich als Retter des „Volkes“ krönen, Parteien aller Couleur – eigentlich egal um was für eine Tendenz/Strömung innerhalb der (radikalen) Linken es sich handelt, denn sie erfüllen alle dieselbe Funktion – sie verstehen gesellschaftliche Veränderungen in Form von Repräsentation des Proletariats, dieser MUSS ihrer Ansicht nach geführt werden, es kann nicht seine eigene Ketten sprengen, oder Schmied seiner eigenen Befreiung sein. Dasselbe gilt natürlich für sämtliche nationalistischen, religiös-fundamentalistischen Gruppen/Organisationen genauso, wenn auch ihre Ziele andere sein mögen, diese erreichen sie auch nur durch die Repräsentation. In Namen des Proletariats Forderungen zu stellen, heißt nicht nur dass dieser kein Bewusstsein haben kann, dass dieser angeführt werden muss, sondern auch dass letzten Endes die Interessen und Forderungen aller Organisationen gleich mit denen des Proletariats sind. Deswegen konkurrieren all diese untereinander und gegeneinander. Dies passiert tagtäglich, spitzt sich aber in Aufständen mehr zu. Die (radikale) Linke des Kapitals ist ein Teil der Parteien der Ordnung, es strebt nicht die Zerstörung des Kapitals, sondern die Verwaltung dieses. Was am Ende immer bedeutet, Domestizierung, Eingliederung, Psychologisierung, Pathologisierung, Infantilisierung, Soziologisierung und Betäubung aller Proleten).

Die Aufgabe aller Anarchistinnen und Anarchisten, die es ernst mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft und der Abschaffung des Staates an sich haben, ist es diese Parteien der Ordnung als dass anzuprangern was sie sind, Propheten der Ordnung und Kräfte der Konterrevolution. Jeglicher Versuch der politischen Repräsentation (was die Aufgabe aller Parteien, Gewerkschaften/Syndikate, usw., ist) muss direkt angegriffen werden.

Wir haben in aufständischen Situationen des öfteren gesehen wie aus dieser unkontrollierbaren Situation die Parteien und Kräfte der Ordnung es immer wieder versuchen, Feuerwehrartig, das Feuer des Aufstandes zu löschen. Denn dies verdeutlicht vor allem eins, sie kontrollieren die aufständische Bewegung, dadurch werden sie von der herrschenden Klasse automatisch als Ansprechpartner gesehen und die Verhandlungen (für Reformen z.B.) können stattfinden. Dasselbe sehen wir auch in Streiks.

Ein sehr gutes Beispiel war die Revolte in Chile 2019. Wenn ein Aufstand an eine gewisse Grenze gelangt, z.B., sich international ausbreiten zu müssen, wird dieser Widerspruch gelöst, oder die Bewegung wird an diesem erstickt und aus dieser Aussichtslosigkeit werden reformistische und konterrevolutionäre Kräfte Kapital schlagen. Sie werden an die Demokratie plädieren (die Regierung soll doch der Demokratie gerecht werden, was auch immer dies bedeutet) und sie werden für die Demokratie plädieren (alle Ungerechtigkeiten auf dieser Welt werden mit mehr Demokratie gelöst werden). Im Falle Chiles wurde der Aufstand erstickt weil die Bewegung gewisse Widersprüche nicht mehr lösen konnte; Ausweitung des Aufstandes, Übernahme der Produktionsmittel, Zerstörung der Warengesellschaft, sprich eine soziale Revolution zu beginnen. Die reformistischen und konterrevolutionäre Kräfte (sprich die (radikale) Linke des Kapitals) schob den Fokus der Inhalte des Aufstandes auf die parlamentarische Ebene, auf die Gefahr einer wachsenden Rechte (ein weiterer Mal wird das Gespenst des Faschismus beschworen) und dann ging es nicht nur den Aufstand das Genick zu brechen, sondern es brav für die nächsten Wahlen von den Straßen in die Wahlurnen zu bewegen. Dies bedeutete das endgültige Ende des Aufstandes.

Dies sind alles Fragen mit denen wir uns sehr ernst auseinandersetzen müssen, denn die Autonomie des Proletariats zu verteidigen (die Befreiung des Proletariats kann nur das Werk des Proletariats sein, ergo nicht von dieser oder jener Avantgarde-Partei-Gewerkschaft/Syndikat) heißt die eigenen Werkzeuge der Befreiung zu unterstützen (Basiskerne- nuclei di base (Bonanno)), sowie Selbstorganisation nach den eigenen Bedürfnissen immer neu zu erschaffen und die Kritik an die falsche Opposition des Kapitals niemals aufgeben.

Komitee für die Verteidigung der aufständischer Praxis des Proletariats (manchmal auf bekannt als Soligruppe für Gefangene)


Gefunden auf contre attaque, die Übersetzung ist von uns.

Marokko: Die Generation Z auf der Straße trotzt der Repression

„Wir wollen ein Land für alle Marokkaner, ein Land für Kranke, Analphabeten, Arbeitslose und Arme, und keine Tribüne für Politiker mit vollen Bäuchen.“

Fast jede Woche scheint es irgendwo auf der Welt einen neuen Aufstand zu geben. Nach Indonesien, den Philippinen, Madagaskar, Nepal und Peru ist jetzt die Generation Z in Marokko – die zwischen 1998 und 2012 geborenen Marokkanerinnen und Marokkaner, insgesamt fast 8 Millionen Menschen – am Zug.

Die Jugend Marokkos an vorderster Front

Die Aufrufe wurden im Namen von „Gen Z 212“ gemacht – in Anlehnung an die Vorwahl des Landes –, einer Bewegung, deren Gruppe im Netzwerk Discord am 18. September gegründet wurde und heute mehr als 125.000 Mitglieder hat. Seit dem 27. September gab es jeden Tag Demos, bei denen sich Hunderttausende in Rabat, Casablanca, Tanger, Marrakesch, Agadir oder Tetouan versammelten.

Die Forderungen dieser rebellischen Jugend drehen sich vor allem um Gesundheit und Bildung. Der Tod von acht schwangeren Frauen nach Kaiserschnitten im August im öffentlichen Krankenhaus Hassan II in Agadir hat die Situation eskalieren lassen. Seit dem 14. September demonstrierten Hunderte von Menschen vor dem Krankenhaus. Am 29. September war auf den Plakaten zu lesen: „Wenigstens wird das FIFA-Stadion über einen Erste-Hilfe-Kasten verfügen! Unsere Krankenhäuser nicht.“

Die Gruppe hat am Dienstag, dem 30. September, eine neue Erklärung auf Discord gepostet: „Wir wollen ein Land für alle Marokkaner, ein Land für Kranke, Analphabeten, Arbeitslose und Arme, und keine Tribüne für Politiker mit vollen Bäuchen. Wir brauchen Verantwortliche, die im Dienste des Volkes stehen und nicht ihrer eigenen Interessen.“ Marokko ist eine Monarchie mit einem König und seinem Hofstaat, die in absolutem Luxus leben, während Armut, Korruption und Analphabetismus vor allem auf dem Land nach wie vor sehr hoch sind.

Die Summen, die für das Land in bevorstehende Sportveranstaltungen investiert werden, haben die Jugend des Landes empört. Marokko ist nämlich Gastgeber der CAN – Coupe d’Afrique des Nations (Afrikanischer Nationen-Pokal) – im Dezember und der Weltmeisterschaft 2030. Der Staat hat angekündigt, 4,2 Milliarden Euro dafür zu investieren, und am 4. September wurde das Prince Moulay Abdellah-Stadion in Rabat mit großem Pomp eingeweiht. Omar Khyari, Berater des Präsidenten der FRMF, meinte sogar: „Wir werden bald das größte Stadion der Welt in Casablanca haben, für die Weltmeisterschaft wird es 110.000 Plätze haben.“

Diese Summen haben die mangelnden Investitionen in öffentliche Dienstleistungen, vor allem im Gesundheitswesen, deutlich gemacht, und die entschlossene Jugend ist auf die Straße gegangen. Bei den Demos wurden auch massenhaft palästinensische Flaggen geschwenkt, um Palästina zu unterstützen, aber auch um gegen die Normalisierung der Beziehungen zwischen Marokko und Israel zu protestieren.

Auch in den Stadien macht sich die Wut bemerkbar. Die Fans von Wyad Casablanca haben am Sonntagabend ein Transparent mit der Aufschrift „Keine Bildung, keine Ärzte, viel Glück für die Armen (und ihre Angehörigen)“ entrollt und ihre Unterstützung für die Bewegung gesungen. Auch einige Spieler haben Stellung bezogen, wie Nayef Aguerd, marokkanischer Nationalspieler und Spieler von Olympique Marseille, der auf Instagram seine Unterstützung gepostet hat: „ Es handelt sich um völlig legitime Forderungen, die ihre aufrichtige Liebe zu ihrem Land und ihren Wunsch widerspiegeln, dass unsere Nation Fortschritte macht und prosperiert.“

Die Bewegung versteht sich als überparteilich und lehnt jede Form der politischen Instrumentalisierung ab. Nabila Mounib, Mitglied der Vereinigten Sozialistischen Partei, wurde insbesondere dafür kritisiert, dass sie sich bei einer Demonstration gezeigt hatte. Überall lehnt die Jugend institutionalisierte politische Parteien pauschal ab.

Repression der Polizei und Regierung in Bedrängnis

Die brutale Repression der Polizei ließ nicht lange auf sich warten. Allein in Rabat wurden mehr als 200 Personen festgenommen, aber die Jugend bleibt mobilisiert. Die Anwältin Souad Brahma erklärte gegenüber AFP, dass etwa dreißig Personen ab dem 7. Oktober vor Gericht gestellt würden, die Anklagepunkte jedoch noch unbekannt seien. Die im Internet zahlreich verbreiteten Bilder von Polizeigewalt haben die Revolte noch angeheizt, wie zum Beispiel das Video eines Vaters, der mit seiner kleinen Tochter festgenommen wurde und von der Polizei mit dem Kind im Arm in einen Polizeiwagen gestoßen wurde.

Das Video eines Jugendlichen, der in Oujda im Nordosten des Landes absichtlich von einem Polizeiwagen angefahren wurde, verbreitete sich ebenfalls in den sozialen Netzwerken und löste eine neue Welle der Empörung aus. Er wurde in einem kritischen Zustand ins Krankenhaus gebracht. Als Reaktion auf die Polizeigewalt wurden Polizeiautos umgeworfen und in Brand gesetzt. In Inezgane, einem Vorort von Agadir, lieferten sich Demonstranten und Demonstrantinnen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Plätze Jemaa el Fna und Bab el Had werden jetzt von den Sicherheitskräften abgeriegelt. Amnesty International hat dazu aufgerufen, „größtmögliche Zurückhaltung zu üben und jede illegale oder übermäßige Gewaltanwendung zu vermeiden“.

Am Dienstag, dem 30. September, kam die Regierung von Aziz Akhannouch zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, um die Krise zu bewältigen, und kündigte an, den Demonstranten „positiv“ zu antworten. Ein Beweis dafür, dass die Mobilisierung auf der Straße nach wie vor die einzige Möglichkeit für das Volk ist, sich Gehör zu verschaffen. Abdelilah Benkirane, ehemaliger Premierminister und Vorsitzender der konservativ-islamistischen Oppositionspartei „Gerechtigkeit und Entwicklung”, hat dazu aufgerufen, die Demonstrationen zu beenden.

Die Revolte der Generation Z ist international

Wie bei den Bewegungen der Generation Z, die mit den Regierungen von Peru, Indonesien, Madagaskar oder den Philippinen in Konflikt geraten sind, ist das Symbol der Piraten von One Piece überall zu sehen. Diese Flagge steht für alle Forderungen dieser Generation, die gegen die alte Welt kämpft: soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Ablehnung des Kapitalismus, Streben nach einem besseren Leben, Freiheit und Ablehnung von Korruption. Diese Jugend, die in den Fernsehstudios von radikalisierten Bourgeois gerne als von Bildschirmen verdummt und völlig entpolitisiert dargestellt wird, widerlegt durch ihre Taten dieses Bild, das nur erfunden wurde, um die Jugend zu demobilisieren.

Horizontalität, Dezentralisierung und Selbstorganisation sind die Schlagworte in allen Ländern, in denen diese Generation rebelliert und ihre eigenen Codes erfindet. Durch den cleveren Einsatz der sozialen Netzwerke, mit denen sie aufgewachsen ist, kann diese Jugend selbst über ihre Forderungen kommunizieren, ihre Solidarität zeigen und die politischen Machthaber mit Memes verspotten. Das Bild einer Gruppe junger Marokkanerinnen und Marokkaner, die lächelnd in einem Polizeiwagen festgenommen wurden, ging durch die Netzwerke und zeigte, wie wichtig diese Netzwerke bei diesen Revolten sind.

Sie ermöglichen es diesen Bewegungen auch, sich gegenseitig zu inspirieren, da die Bilder der Aufstände in Indonesien, Madagaskar oder Nepal weit verbreitet und kommentiert wurden. Die Forderungen und Aktionsweisen beeinflussen sich gegenseitig und inspirieren sich.

Sie vermitteln die Hoffnung auf einen möglichen Sieg, wie den Sturz der nepalesischen Regierung innerhalb weniger Tage oder den Rücktritt der madagassischen Regierung, und verbreiten einen internationalistischen Geist der Revolte.


Gefunden auf contre attaque, die Übersetzung ist von uns.

Aufständische Lage in Marokko

6 Tage Revolte in Bildern

In Marokko gab es Mitte September Proteste, nachdem Frauen bei der Geburt im öffentlichen Krankenhaus von Agadir gestorben waren. Während das Königreich Milliarden für neue Stadien ausgibt, ist das Gesundheits- und Bildungssystem in einem katastrophalen Zustand.

Seit 6 Tagen spitzt sich die Lage zu, sie wird aufständisch. In vielen Städten demonstrieren riesige Menschenmengen auf Aufruf einer Gruppe namens „Gen Z 212“, Banken und Polizeistationen werden angegriffen, die Polizei wird zurückgedrängt. Die harte Repression seit den ersten Versammlungen, bei der Hunderte von Jugendlichen festgenommen wurden, hat die Bewegung nicht gebrochen. Im Gegenteil. Die Polizei hat sogar mit scharfer Munition geschossen, drei Demonstranten getötet und ist mit einem Lkw in die Menge gefahren, wobei sie einem jungen Mann die Beine zerquetscht hat. Diese extreme Brutalität der Polizei des Königs hat die Revolte nur noch verstärkt.

Was hier passiert, hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Die marokkanische Monarchie dachte, sie hätte das Land unter Kontrolle. Marokko hatte sich aus dem Arabischen Frühling rausgehalten, eine Partnerschaft mit Israel und den USA geschlossen und sich als „stabiles” Regime verkauft, das den Westen mit Touristen versorgt.

Aber das hat die Realität in Marokko nur schlecht verdeckt. Hinter dieser glatten Fassade verbargen sich verarmte ländliche Gebiete, extreme Armut am Rande der Städte, weit verbreitete Korruption und exorbitante Gefängnisstrafen für Intellektuelle und Oppositionelle. Aber auch ein Personenkult um den König, der in obszönem Luxus lebt und einen Drogenstaat als Anführer führt, der vom Drogenhandel profitiert. Die Unzufriedenheit schwelte tatsächlich schon seit Jahren.

Am 3. Oktober übermittelte die Bewegung Mohammed VI. eine Liste mit Forderungen, darunter die Auflösung der Regierung. Aber auch die bisher unantastbaren königlichen Symbole sind im Visier. Die Bank Al Maghrib wurde in Agadir in Brand gesteckt, ebenso wie ein Supermarkt der Kette Marjane, einem Unternehmen, das von der königlichen Holding (SNI) kontrolliert wird: Die Familie des Monarchen hat die Ökonomie unter ihre Kontrolle gebracht.

Wird Marokko, das seit Hassan II. unter repressiver Herrschaft steht, seinen revolutionären Herbst erleben? Rückblick in Bildern auf diese sechs Tage des Aufstands.

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