Warenfetischismus – Fredy Perlman

Irgendwo gefunden, von uns übersetzt, wenn es ein Text von Fredy Perlman ist muss nicht viel gesagt werden.


Warenfetischismus – Fredy Perlman

Fredy Perlmans Einleitung von 1968 zu I.I. Rubins „Essays on Marx’s Theory of Value”, Black Rose Books, Montreal, 1973.

EINLEITUNG: WARENFETISCHISMUS

Nach Ansicht der Ökonomen, deren Theorien derzeit in Amerika vorherrschen, hat die Wirtschaftswissenschaft die politische Ökonomie abgelöst und befasst sich mit Knappheit, Preisen und der Verteilung von Ressourcen. Nach der Definition von Paul Samuelson ist „Wirtschaftswissenschaft– oder politische Ökonomie, wie sie früher genannt wurde … ist die Lehre davon, wie Menschen und Gesellschaften mit oder ohne Einsatz von Geld entscheiden, knappe Produktionsmittel, die auch anderweitig genutzt werden könnten, einzusetzen, um im Laufe der Zeit verschiedene Waren herzustellen und diese zum gegenwärtigen und zukünftigen Verbrauch an verschiedene Personen und Gruppen in der Gesellschaft zu verteilen.”1 Robert Campbell meint: „Eine der zentralen Fragen der Wirtschaftswissenschaft war schon immer, wodurch Preise bestimmt werden.”2 Ein anderer Experte sagt: „Jede Gemeinschaft, so lehren uns die Lehrbücher, muss sich mit einem allgegenwärtigen ökonomischen Problem auseinandersetzen: Wie werden die verfügbaren Ressourcen eingesetzt, darunter nicht nur Güter und Dienstleistungen, die produktiv genutzt werden können, sondern auch andere knappe Ressourcen?“3

Wenn Wirtschaftswissenschaft tatsächlich nur ein neuer Name für politische Ökonomie ist und wenn der Gegenstand, der früher unter dem Begriff politische Ökonomie behandelt wurde, nun von der Wirtschaftswissenschaft abgedeckt wird, dann hat die Wirtschaftswissenschaft die politische Ökonomie ersetzt. Wenn aber der Gegenstand der politischen Ökonomie nicht derselbe ist wie der der Wirtschaftswissenschaften, dann ist die „Ersetzung“ der politischen Ökonomie eigentlich eine Auslassung eines Wissensgebiets. Wenn die Wirtschaftswissenschaften andere Fragen beantworten als die politischen Ökonomie und wenn die ausgelassenen Fragen sich auf die Form und die Qualität des menschlichen Lebens innerhalb des vorherrschenden sozioökonomischen Systems beziehen, dann kann diese Auslassung als „große Ausflucht“ bezeichnet werden.4

Der sowjetische Ökonomietheoretiker und Historiker I.I. Rubin schlug eine Definition der politischen Ökonomie vor, die nichts mit den oben genannten Definitionen der Wirtschaftswissenschaft zu tun hat. Laut Rubin „beschäftigt sich die politische Ökonomie mit der menschlichen Arbeitstätigkeit, nicht aus der Perspektive ihrer technischen Methoden und Arbeitsmittel, sondern aus der Perspektive ihrer sozialen Form. Sie befasst sich mit den Produktionsverhältnissen, die zwischen den Menschen im Produktionsprozess entstehen.“5 Nach dieser Definition ist die politische Ökonomie nicht die Lehre von den Preisen oder von knappen Ressourcen, sondern eine Lehre von den sozialen Beziehungen, eine Lehre von der Kultur. Die politische Ökonomie fragt, warum sich die Produktivkräfte der Gesellschaft innerhalb einer bestimmten sozialen Form entwickeln, warum sich der Maschinenprozess im Rahmen des Unternehmens abspielt, warum die Industrialisierung die Form der kapitalistischen Entwicklung annimmt. Die politische Ökonomie fragt, wie die Arbeitstätigkeit der Menschen in einer bestimmten historischen Ökonomie geregelt ist.

Die oben erwähnten modernen amerikanischen Definitionen von Wirtschaftswissenschaft beschäftigen sich eindeutig mit anderen Problemen, werfen andere Fragen auf und beziehen sich auf einen anderen Gegenstand als die von Rubin definierte politische Ökonomie. Das kann zwei Sachen bedeuten: (a) Entweder sind Wirtschaftswissenschaften und politische Ökonomie zwei verschiedene Wissenszweige, und dann heißt das „Ersetzen” der politischen Ökonomie durch die Wirtschaftswissenschaften einfach, dass die amerikanischen Leute, die sich mit dem einen Zweig beschäftigen, den anderen Zweig ersetzt haben, oder (b) Wirtschaftswissenschaften ist tatsächlich der neue Name für das, was „früher” politische Ökonomie hieß; In diesem Fall sagen amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, indem sie die Wirtschaftswissenschaft als eine Lehre von Knappheit, Preisen und Ressourcenallokation definieren, dass die Produktionsverhältnisse zwischen Menschen kein legitimes Studienobjekt sind. In diesem Fall ernennen sich die oben zitierten Wirtschaftswissenschaftler selbst zu Gesetzgebern darüber, was ein legitimes Thema für intellektuelles Interesse ist und was nicht; sie definieren die Grenzen des amerikanischen Wissens. Diese Art der intellektuellen Gesetzgebung hat in anderen Gesellschaften und zu anderen Zeiten zu vorhersehbaren Konsequenzen geführt: Sie hat zu völliger Unwissenheit in dem ausgeschlossenen Wissensbereich geführt und zu großen Lücken und blinden Flecken in verwandten Wissensbereichen.

Samuelson hat erklärt, warum die politische Ökonomie aus dem amerikanischen Wissen rausgelassen wurde. In der ausgewogenen, objektiven Sprache eines amerikanischen Professors sagt Samuelson: „Eine Milliarde Menschen, ein Drittel der Weltbevölkerung, sehen Das Kapital blind als ökonomisches Evangelium an. Aber wie kann man sich ohne ein gründliches Studium der ökonomischen Wissenschaften eine fundierte Meinung über die Vorzüge oder Mängel der klassischen, traditionellen Wirtschaftswissenschaften bilden?6 Wenn „eine Milliarde Menschen“ Das Kapital „als ökonomisches Evangelium“ sehen, ist es klar wichtig zu fragen, warum nur ein paar Millionen Amerikaner Samuelsons Economics „als ökonomisches Evangelium“ sehen. Eine ausgewogene, objektive Antwort könnte vielleicht lauten, dass „eine Milliarde Menschen” in Samuelsons Lobeshymnen auf den amerikanischen Kapitalismus und seinen Übungen in zweidimensionaler Geometrie wenig Relevantes oder Sinnvolles finden, während die wenigen Millionen Amerikaner keine andere Wahl haben, als die „Vorzüge der klassischen, traditionellen ökonomischen Theorie” zu lernen. Samuelsons rhetorische Frage – „Und doch, wie kann man sich ohne das disziplinierte Studium der ökonomischen Wissenschaften eine fundierte Meinung über die Vorzüge bilden …” – ist eindeutig ein zweischneidiges Schwert, da sie sich auf jede wichtige ökonomische Theorie beziehen lässt, nicht nur auf die von Samuelson; und es ist eindeutig Aufgabe des Studenten, nach einem „disziplinierten Studium” aller wichtigen ökonomischen Theorien, nicht nur der von Samuelson, seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen und seine eigene Wahl zu treffen.

Obwohl Samuelson in seinem Einführungslehrbuch Marx viel Aufmerksamkeit widmet, wird dieser Aufsatz zeigen, dass Samuelsons Behandlung kaum als „diszipliniertes Studium“ von Marx‘ politischer Ökonomie bezeichnet werden kann.

Der vorliegende Aufsatz skizziert einige der zentralen Themen von Marx‘ politischer Ökonomie, insbesondere die Themen, die in Rubins „Essays on Marx’s Theory of Value” behandelt werden. Rubins Buch ist eine umfassende, stringent argumentierte Darstellung des Kerns von Marx‘ Werk, der Theorie des Warenfetischismus und der Werttheorie. Rubin klärt Missverständnisse auf, die aus einer oberflächlichen Lektüre und einer ausweichenden Behandlung von Marx‘ Werk resultierten und immer noch resultieren.

Marx‘ Hauptziel war es nicht, Knappheit zu untersuchen, Preise zu erklären oder Ressourcen zu verteilen, sondern zu analysieren, wie die Arbeitstätigkeit der Menschen in einer kapitalistischen Ökonomie geregelt wird. Gegenstand der Analyse ist eine bestimmte soziale Struktur, eine bestimmte Kultur, nämlich der Warenkapitalismus, eine soziale Form der Ökonomie, in der die Beziehungen zwischen den Menschen nicht direkt, sondern über Dinge geregelt werden. Folglich „liegt der spezifische Charakter der ökonomischen Theorie als Wissenschaft, die sich mit der warenkapitalistischen Ökonomie befasst, gerade darin, dass sie sich mit Produktionsverhältnissen befasst, die materielle Formen annehmen“ (Rubin, S. 47).

Marx‘ zentrales Anliegen war die schöpferische Tätigkeit des Menschen, insbesondere die Determinanten, die Regulierungsmechanismen, die diese Tätigkeit in der kapitalistischen Ökonomie prägen. Rubins gründliche Untersuchung macht deutlich, dass dies nicht nur das zentrale Anliegen des „jungen Marx“ oder des „alten Marx“ war, sondern dass es für Marx in all seinen theoretischen und historischen Werken, die sich über ein halbes Jahrhundert erstrecken, von zentraler Bedeutung blieb. Rubin zeigt, dass dieses Thema fünfzig Jahre Forschung und Schreiben zu einem einzigen Werk vereint, dass dieses Thema der Inhalt der Arbeitswerttheorie (A.d.Ü., bei Marx Arbeitswert) ist und dass Marx‘ ökonomische Theorie daher nur im Rahmen dieses zentralen Themas verstanden werden kann. Marx‘ umfangreiches Werk ist keine Reihe unzusammenhängender Episoden, von denen jede spezifische Probleme behandelt, die später aufgegeben werden. Daher ist der häufig gezogene Gegensatz zwischen einem „idealistischen jungen Marx”, der sich mit den philosophischen Problemen der menschlichen Existenz befasste, und einem „realistischen alten Marx”, der sich mit technischen ökonomischen Problemen beschäftigte7, oberflächlich und verfehlt die wesentliche Einheit von Marx‘ gesamter Arbeit. Rubin zeigt, dass die zentralen Themen des „jungen Marx” in den letzten Seiten von Marx‘ letztem veröffentlichten Werk noch weiter verfeinert wurden; Marx schärfte seine Konzepte kontinuierlich und änderte häufig seine Terminologie, aber seine Anliegen wurden nicht ersetzt. Rubin demonstriert dies, indem er die zentralen Themen der Werke, die Marx in den frühen 1840er Jahren schrieb, bis zum dritten Band von Das Kapital, der 1894 von Engels veröffentlicht wurde, nachzeichnet.

In den verschiedenen Phasen seines produktiven Lebens drückte Marx sein Interesse an der menschlichen Kreativität durch unterschiedliche, aber miteinander verbundene Konzepte aus. In seinen frühen Werken vereinte Marx seine Ideen um das Konzept der „Entfremdung” oder „Entäußerung”. Später, als Marx seine Ideen der „verdinglichten” oder „erstarrten” Arbeit verfeinerte, bot die Theorie des Warenfetischismus einen Schwerpunkt, einen vereinheitlichenden Rahmen für seine Analyse. In Marx‘ späteren Werken wird die Theorie des Warenfetischismus, nämlich die Theorie einer Gesellschaft, in der die Beziehungen zwischen Menschen die Form von Beziehungen zwischen Dingen annehmen, die Theorie einer Gesellschaft, in der die Produktionsverhältnisse verdinglicht sind, zu Marx‘ „allgemeiner Theorie der Produktionsverhältnisse der warenkapitalistischen Ökonomie”. (Rubin, S. 3). So kann Marx‘ Werttheorie, der am häufigsten kritisierte Teil seiner politischen Ökonomie, nur im Kontext der Theorie des Warenfetischismus verstanden werden, oder, wie Rubin es ausdrückt, „die Grundlage von Marx‘ Werttheorie kann nur auf der Basis seiner Theorie des Warenfetischismus gegeben sein, die die allgemeine Struktur der Warenökonomie analysiert”. (S. 61).

In diesem Aufsatz wird die Beziehung zwischen dem Konzept der Entfremdung, der Theorie des Warenfetischismus und der Werttheorie untersucht und gezeigt, dass es sich bei den drei Formulierungen um Ansätze für dasselbe Problem handelt: die Bestimmung der kreativen Tätigkeit der Menschen in der kapitalistischen Ökonomie. Diese Untersuchung wird zeigen, dass Marx an sich kein Interesse daran hatte, einen Wertstandard zu definieren, eine von einer historisch spezifischen Produktionsweise isolierte Preistheorie zu entwickeln oder Ressourcen effizient zu verteilen. Marx‘ Werk ist eine kritische Analyse der Regulierung der Menschen in der kapitalistischen Ökonomie; es ist kein Handbuch darüber, wie Menschen und Dinge zu regulieren sind. Der Untertitel von Marx‘ dreibändigem Werk Das Kapital lautet „Kritik der politischen Ökonomie“ und nicht „Handbuch für effizientes Management“. Das bedeutet nicht, dass Marx Probleme der Ressourcenallokation für unwichtig hielt, sondern dass er sie nicht als zentrales Anliegen der politischen Ökonomie, einer Wissenschaft der sozialen Beziehungen, betrachtete.

Marx hat sich zum ersten Mal mit der Analyse der sozialen Beziehungen in der kapitalistischen Gesellschaft beschäftigt, indem er das Konzept der Entfremdung benutzt hat. Obwohl er das Konzept von Hegel übernommen hat, war Marx schon in seinen ersten Werken kritisch gegenüber dem, was Hegel damit gemeint hat. „Das menschliche Wesen, der Mensch, gilt für Hegel = Selbstbewußtsein. Alle Entfremdung des menschlichen Wesens ist daher nichts als Entfremdung des Selbstbewußtseins. “8 Für Marx im Jahr 1844 ist Hegels Behandlung des Bewusstseins als Wesen des Menschen „selbst noch unklare und mystizierende Kritik“, aber Marx stellt fest, dass „aber insofern sie die Entfremdung des Menschen – wenn auch der Mensch nur in den Gestalt des Geistes erscheint – festhält, liegen in ihn alle Elemente der Kritik verborgen und oft schon in einer weit den Hegelschen Standpunkt überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet.“9 So übernimmt Marx den Begriff der „Entfremdung“ als mächtiges Analyseinstrument, auch wenn er mit Hegel nicht darin übereinstimmt, was entfremdet ist, nämlich dass das Denken das Wesen des Menschen ist. Für Marx im Jahr 1844 ist das Wesen des Menschen größer als das Denken, größer als das Selbstbewusstsein; es ist die schöpferische Tätigkeit des Menschen, seine Arbeit in all ihren Aspekten. Marx sieht das Bewusstsein nur als einen Aspekt der kreativen Tätigkeit des Menschen. Während er also zugibt, dass Hegel „die Arbeit als das Wesen, als das sich bewährende Wesen des Menschen (begreift)“, weist er darauf hin, dass „die Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt, ist die abstrakt geistige.“10 Hegel definiert aber nicht nur das Selbstbewusstsein als das Wesen des Menschen, sondern passt sich auch entfremdeten, veräußerte Formen des Bewusstseins an, nämlich Religion, Philosophie und Staatsmacht. Er „als Selbstentäußerung erkannt und aufgehoben hat, er dieselbe dennoch wieder in dieser entäußerten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein ausgibt, sie wiederherstellt, [in seinem] Anderssein als solchem bei sich zu sein vorgibt, also nach Aufhebung z.B. der Religion, nach der Erkennung der Religion als eines Produkts der Selbstentäußerung, dennoch in der Religion als Religion sich bestätigt findet. Hier ist die Wurzel des falschen Positivismus Hegels oder seines nun scheinbaren Kritizismus“11 Für Marx kann es aber „keine Frage einer Anpassung mehr geben“, und er meint: „Wenn ich die Religion als entäußertes menschliches Selbstbewußtsein weiß, so weiß ich also in ihr als Religion nicht mein Selbstbewußtsein, sondern mein entäußertes Selbstbewußtsein in ihn bestätigt. …“12 Mit anderen Worten: Obwohl Hegel den Begriff der Entfremdung formulierte, war er dennoch in der Lage, sich mit der Religion und der Staatsmacht zu arrangieren, also mit entfremdeten Existenzformen, die selbst in Hegels Definition (als Bewusstsein) das Wesen des Menschen negieren.

Also hat sich Marx zwei Aufgaben gestellt: das Konzept der Entfremdung neu zu denken und das Wesen des Menschen neu zu definieren. Dafür hat er sich an Feuerbach gewandt, der die erste Aufgabe für ihn erledigt und auch bei der zweiten eine vorläufige Lösung gefunden hat. Die Lösung beider Aufgaben konnte angegangen werden, wenn Praxis, kreative Tätigkeit und die Arbeitsbeziehungen der Menschen untereinander in den Mittelpunkt, zum Schwerpunkt der Theorie gestellt wurden. Nur dann würde es möglich sein zu erkennen, dass Religion und auch Philosophie keine Formen der Verwirklichung, sondern vielmehr Formen der Entfremdung des Wesens des Menschen sind. Marx würdigte seine Schuld: „Feuerbachs große Tat ist:

1. der Beweis, daß die Philosophie nichts andres ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Religion; eine andre Form und Daseinsweise der Entfremdung des menschlichen Wesens; also ebenfalls zu verurteilen ist;

2. die Gründung des wahren Materialismus und der reellen Wissenschaft, indem Feuerbach das gesellschaftliche Verhältnis „des Menschen zum Menschen“ ebenso zum Grundprinzip der Theorie macht;…”13

Marx würdigte Feuerbachs Rolle bei der Neugestaltung des Begriffs der Entfremdung, nämlich indem er Religion und Philosophie als Entfremdungen des Wesens des Menschen begriff. Ein Jahr später jedoch, in seinen Thesen über Feuerbach von 1845, äußert Marx Unzufriedenheit mit Feuerbachs Verständnis des menschlichen Wesens. „Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf ”, aber für Feuerbach bleibt das Wesen des Menschen etwas Isoliertes, Unhistorisches und daher Abstraktes. Für Marx aber „(…) das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.”14 Marx fasst seine Unzufriedenheit mit Feuerbach so zusammen: „Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv …“15 Marx konkretisiert diesen Vorwurf in einem späteren Werk, in dem er sagt, dass Feuerbach „da er sich auch hierbei in der Theorie hält, die Menschen nicht in ihrem gegebenen gesellschaftlichen Zusammenhange, nicht unter ihren vorliegenden Lebensbedingungen, die sie zu Dem gemacht haben, was sie sind, auffaßt“ und daher „nie zu den wirklich existierenden, tätigen Menschen, sondern bleibt bei dem Abstraktum „der Mensch“ stehen (bleibt) … er kennt keine andern „menschlichen Verhältnisse“ „des Menschen zum Menschen“, als Liebe und Freundschaft, und zwar idealisiert. (…) Er kommt also nie dazu, die sinnliche Welt als die gesamte lebendige sinnliche Tätigkeit der sie ausmachenden Individuen aufzufassen (…).“16

Marx kann Feuerbachs Definition des Menschen als Abstraktion ablehnen, weil er schon in einem frühen Aufsatz über „Die freie menschliche Produktion“ angefangen hatte, den Menschen viel konkreter zu sehen, nämlich die Welt der Objekte als eine Welt praktischer menschlicher Aktivität, kreativer Aktivität. In diesem frühen Aufsatz aus dem Jahr 1844 ist Marx‘ Menschenbild noch unhistorisch; er hat diese unhistorische Sichtweise erst in „Die deutsche Ideologie“, die er 1845–46 zusammen mit Engels geschrieben hat, und in „Das Elend der Philosophie“ von 1847 ausdrücklich abgelehnt. Allerdings rückt dieser frühe Aufsatz schon die kreative Tätigkeit des Menschen in den Mittelpunkt und zeigt damit auch auf das „Wesen”, das in der kapitalistischen Gesellschaft entfremdet ist. Marx fordert den Leser auf, sich Menschen außerhalb der kapitalistischen Gesellschaft vorzustellen, also außerhalb der Geschichte: „Angenommen, wir hätten als Menschen Dinge produziert: In seiner Produktion hätte jeder von uns sich selbst und den anderen zweimal bestätigt. In meiner Produktion hätte ich meine Individualität und seine Besonderheit objektiviert und im Laufe der Tätigkeit ein individuelles Leben genossen; beim Betrachten des Objekts hätte ich die individuelle Freude erlebt, das Individuum als objektive, sinnlich wahrnehmbare und unbestreitbare Kraft zu erkennen. (2) In deiner Zufriedenheit und deiner Nutzung meines Produkts hätte ich die direkte und bewusste Befriedigung gehabt, dass meine Arbeit ein menschliches Bedürfnis befriedigt, dass sie die menschliche Natur objektiviert und dass sie ein Objekt geschaffen hat, das dem Bedürfnis eines anderen Menschen entspricht … Unsere Produktionen wären so viele Spiegel, die unsere Natur widerspiegeln … Meine Arbeit wäre eine freie Manifestation des Lebens und eine Freude am Leben.“17 Genau diese Arbeit, diese freie Produktion, dieser freie Ausdruck und diese freie Lebensfreude sind es, die in der kapitalistischen Gesellschaft entfremdet sind: „Unter der Voraussetzung des Privateigentums ist meine Arbeit eine Externalisierung des Lebens, weil ich arbeite, um zu leben und mir die Mittel zum Leben zu verschaffen. Arbeiten ist nicht Leben.“ An dieser Stelle stellt Marx die Idee der freien, nicht entfremdeten Arbeit in einen lebhaften Kontrast zu der entfremdeten Lohnarbeit – er nennt sie Zwangsarbeit – der kapitalistischen Gesellschaft: „Unter der Voraussetzung des Privateigentums wird das Individuum so weit veräußert, dass ich diese Tätigkeit hasse und sie für mich eine Qual ist. Vielmehr ist sie dann nur noch der Anschein einer Tätigkeit, nur noch eine Zwangstätigkeit, die mir nur durch eine äußere und zufällige Notwendigkeit und nicht durch eine innere und entschlossene Notwendigkeit auferlegt wird … Meine Arbeit manifestiert sich daher als der objektive, sinnliche, wahrnehmbare und unbestreitbare Ausdruck meines Selbstverlusts und meiner Ohnmacht.“18

So kommt Marx zu einem Gegensatz zwischen einem nicht entfremdeten, idealen, unhistorischen Menschen und dem entfremdeten Menschen der kapitalistischen Gesellschaft. Von hier aus könnten wir Rubin folgen und zeigen, wie dieser Gegensatz zwischen Ideal und Realität mit dem späteren Gegensatz zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zusammenhängt. Der spätere Gegensatz wird zur Grundlage für Marx‘ Theorie des Warenfetischismus und damit für seine Werttheorie. Bevor wir aber zu Rubins Darstellung zurückkommen, machen wir einen kleinen Abstecher, um zwei Arten der Interpretation zu schauen, die es in letzter Zeit zu Marx‘ frühen Werken gibt. Die eine meint, dass Marx‘ Theorie der Entfremdung auch ohne seine Kritik am Kapitalismus akzeptiert und angewendet werden kann, und die andere sagt, dass die Schriften von 1844 die Quintessenz von Marx‘ Denken enthalten und die späteren Werke nur Neuformulierungen derselben Erkenntnisse sind.

Der Soziologe Robert Blauner reduziert Entfremdung auf „eine Qualität persönlicher Erfahrung, die sich aus bestimmten Arten sozialer Arrangements ergibt”.19 Auf der Grundlage dieser Reduktion sagt Blauner: „Heute würden die meisten Sozialwissenschaftler sagen, dass Entfremdung nicht eine Folge des Kapitalismus an sich ist, sondern der Beschäftigung in den großen Organisationen und unpersönlichen Bürokratien, die alle Industriegesellschaften durchdringen”.20 Mit anderen Worten: Blauner sieht Entfremdung als eine psychologische, persönliche Erfahrung, als etwas, das die Arbeiter empfinden und das daher in ihrem Kopf stattfindet und kein strukturelles Merkmal der kapitalistischen Gesellschaft ist. Wenn Blauner dann sagt, dass Entfremdung so definiert „keine Folge des Kapitalismus ist”, ist das eine Tautologie. Es ist Blauners Definition, die es ihm ermöglicht, Entfremdung als Folge der Industrie (nämlich der Produktivkräfte) und nicht als Folge des Kapitalismus (nämlich der sozialen Beziehungen) zu betrachten.

Unabhängig davon, was „die meisten Sozialwissenschaftler sagen würden“, steht Entfremdung in Marx‘ Werk jedoch im Zusammenhang mit der Struktur der kapitalistischen Gesellschaft und nicht mit der persönlichen Erfahrung der Arbeiter. Es ist die Natur der Lohnarbeit, die grundlegende soziale Beziehung der kapitalistischen Gesellschaft, die für die Entfremdung verantwortlich ist: „Die folgenden Elemente sind in der Lohnarbeit enthalten: (1) die zufällige Beziehung und Entfremdung der Arbeit vom arbeitenden Subjekt; (2) die zufällige Beziehung und Entfremdung der Arbeit von ihrem Objekt; (3) die Bestimmung des Arbeiters durch soziale Bedürfnisse, die für ihn ein fremder Zwang sind, ein Zwang, dem er sich aus egoistischen Bedürfnissen und Not unterwirft – diese sozialen Bedürfnisse sind für ihn lediglich eine Quelle zur Sicherung seiner Lebensnotwendigkeiten, so wie er für sie lediglich ein Sklave ist; (4) Die Aufrechterhaltung seiner individuellen Existenz erscheint den Arbeitern als das Ziel ihrer Tätigkeit, und ihre tatsächliche Aktion ist nur ein Mittel; sie leben, um sich die Mittel zum Leben zu beschaffen.21 Tatsächlich lokalisierte Marx die Entfremdung ganz explizit an der Wurzel der kapitalistischen Gesellschaft: „Zu sagen, dass der Mensch sich selbst entfremdet, ist dasselbe wie zu sagen, dass die Gesellschaft dieses entfremdeten Menschen die Karikatur seines tatsächlichen gemeinsamen Lebens, seines wahren generischen Lebens ist. Seine Tätigkeit erscheint ihm daher als Qual, sein eigenes Schaffen als eine ihm fremde Kraft, sein Reichtum als Armut, die wesentliche Verbindung, die ihn mit anderen Menschen verbindet, als etwas Unwesentliches, so dass die Trennung von anderen Menschen als seine wahre Existenz erscheint.“ Marx fügt hinzu, dass diese kapitalistische Gesellschaft, diese Karikatur einer menschlichen Gemeinschaft, die einzige Gesellschaftsform ist, die sich kapitalistische Wirtschaftswissenschaftler vorstellen können: „Die Gesellschaft, sagt Adam Smith, ist ein Handelsunternehmen. Jedes ihrer Mitglieder ist ein Kaufmann. Es ist offensichtlich, dass die politische Ökonomie eine entfremdete Form des sozialen Umgangs als die wesentliche, ursprüngliche und endgültige menschliche Form festlegt.“22

In den ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 wendet Marx Feuerbachs Konzept der Entfremdung des Menschen von sich selbst in der Religion auf die Entfremdung des Menschen von sich selbst im Produkt seiner Arbeit an. Die folgende Passage beschreibt die Welt der Waren sehr treffend als eine Welt von Fetischen, die das menschliche Leben regulieren und beherrschen: „Je mehr sich die Arbeiter in ihrer Arbeit verausgaben, desto mächtiger wird die Welt der Gegenstände, die sie vor sich selbst erschaffen, und desto ärmer werden sie selbst in ihrem inneren Leben, desto weniger gehören sie sich selbst. Es ist genau wie in der Religion. Je mehr der Mensch von sich selbst Gott zuschreibt, desto weniger bleibt ihm selbst übrig. Die Arbeiter legen ihr Leben in den Gegenstand, und ihr Leben gehört dann nicht mehr ihnen selbst, sondern dem Gegenstand. Je größer also seine Tätigkeit ist, desto weniger besitzt er … Die Entfremdung der Arbeiter von ihrem Produkt bedeutet nicht nur, dass ihre Arbeit zum Objekt wird, eine eigene Existenz annimmt, sondern dass sie außerhalb von ihnen existiert, unabhängig und ihnen fremd, und dass sie ihnen als autonome Macht gegenübersteht. Das Leben, das sie dem Objekt gegeben haben, stellt sich ihnen als fremde und feindliche Kraft entgegen.“23 Im selben Werk kommt Marx der Definition des Arbeitsprodukts als erstarrte Arbeit oder verdinglichte Arbeit sehr nahe, eine Formulierung, die mehr als zwanzig Jahre später in seiner Theorie des Warenfetischismus wieder auftauchen sollte: „Das durch Arbeit hergestellte Objekt, ihr Produkt, steht ihr nun als fremdes Wesen, als vom Produzenten unabhängige Macht gegenüber. Das Produkt der Arbeit ist Arbeit, die in einem Gegenstand verkörpert und in eine physische Sache verwandelt wurde; dieses Produkt ist eine Vergegenständlichung der Arbeit“. Die Arbeit, die die Arbeiter verlieren, wird vom Kapitalisten angeeignet: „… der entfremdete Charakter der Arbeit für die Arbeiter zeigt sich darin, dass es nicht ihre Arbeit ist, sondern Arbeit für jemand anderen, dass sie in der Arbeit nicht sich selbst gehören, sondern einem anderen Menschen.“24 Das Ergebnis dieser Entfremdung der schöpferischen Kraft der Arbeiter wird von Marx in einer Passage anschaulich beschrieben, die den qualitativen Aspekt seiner Ausbeutungstheorie zusammenfasst: „Je weniger du bist, je weniger du dein eigenes Leben zum Ausdruck bringst, desto größer ist dein entfremdetes Leben, je mehr du hast, desto größer ist der Vorrat deines entfremdeten Seins. Alles, was dir der politische Ökonom im Leben und in deiner Menschlichkeit wegnimmt, ersetzt er dir durch Geld und Reichtum …“25 Der Produzent entfremdet seine schöpferische Kraft, ja verkauft sie sogar an den Kapitalisten, und was er dafür bekommt, ist etwas anderes als diese schöpferische Kraft; im Austausch für seine schöpferische Kraft bekommt er Dinge, und je weniger er als schöpferischer Mensch ist, desto mehr Dinge hat er.

Diese Formulierungen machen deutlich, dass für Marx die Entfremdung den sozialen Beziehungen der kapitalistischen Gesellschaft innewohnt, einer Gesellschaft, in der eine Klasse sich die Arbeit aneignet, die eine andere Klasse entfremdet; für Marx ist Lohnarbeit per Definition entfremdete Arbeit. Im Sinne dieser Definition von entfremdeter Arbeit ist die Aussage, dass „Entfremdung keine Folge des Kapitalismus ist“, bedeutungslos.

Der jugoslawische Philosoph Veljko Korac hat die von Marx 1844 entwickelte Theorie der Entfremdung als die endgültige Form von Marx‘ Theorie vorgestellt und diese Theorie wie folgt zusammengefasst: „Durch kritische Analyse stellte Marx die Entfremdung des Menschen vom Menschen, vom Produkt seiner Arbeit, ja sogar von seiner eigenen menschlichen Tätigkeit fest und warf die Frage auf, wie all diese Formen der Entmenschlichung abgeschafft und die menschliche Gesellschaft wiederhergestellt werden könnten.“26 Tatsächlich sprach Marx 1844 von der „Wiedergewinnung“ (wenn auch nicht unbedingt von der „Wiederherstellung“) der „menschlichen Gesellschaft“: „Der Kommunismus … (ist) für die nächste geschichtliche Entwicklung notwendige Moment der menschlichen Emanzipation und Wiedergewinnung. Der Kommunismus ist die notwendige Gestalt und das energische Prinzip der nächsten Zukunft, aber der Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung – die Gestalt der menschlichen Gesellschaft. “27 In einigen Passagen der ökonomisch-philosophischen Manuskripte sprach Marx sogar vom Kommunismus als einer Rückkehr zur menschlichen Natur: „Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus Humanismus, als vollendeter Humanismus Naturalismus … ist daher die positive Aufhebung alter Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, Familie, Staat etc. in sein menschliches, d.h. gesellschaftliches Dasein.“28 1844 hatte Marx auch den Akteur definiert, die soziale Klasse, die diese Wiederaneignung der schöpferischen Kraft des Menschen, diese Rückkehr des Menschen zu seinem menschlichen Wesen, durchführen würde; Es würde sich um „eine Klasse mit radikalen Ketten handeln, eine Klasse in der bürgerlichen Gesellschaft, die nicht zur bürgerlichen Gesellschaft gehört, eine Klasse, die die Auflösung aller Klassen ist, ein Bereich der Gesellschaft, der aufgrund seines universellen Leidens einen universellen Charakter hat und keine besonderen Rechte beansprucht, weil ihm kein besonderes Unrecht, sondern uneingeschränktes Unrecht angetan wird; ein Bereich, der sich auf keinen traditionellen Titel berufen kann, sondern nur auf einen menschlichen Titel …“29 Marx beschrieb sogar einige der sozialen Beziehungen einer nicht entfremdeten, menschlichen Gesellschaft: „Nehmen wir an, der Mensch sei Mensch und seine Beziehung zur Welt sei eine menschliche: Dann kann man Liebe nur gegen Liebe, Vertrauen gegen Vertrauen usw. eintauschen. Wenn man Kunst genießen will, muss man ein künstlerisch gebildeter Mensch sein …“30

Es besteht also kein Zweifel, dass Marx 1844 von einer menschlichen Gesellschaft und einem menschlichen Wesen sprach, das rehabilitiert, zurückgegeben oder wiederhergestellt werden konnte. So kraftvoll und suggestiv diese Passagen auch sind, sie können jedoch nicht als endgültige Formulierung von Marx‘ sozialer und ökonomischer Theorie angesehen werden, noch können Marx‘ spätere Werke als bloße Wiederholungen derselben Ideen behandelt werden. Erich Fromm ist sich dessen bewusst, wenn er schreibt: „In seinen früheren Schriften bezeichnete Marx die ‚menschliche Natur im Allgemeinen‘ noch als das ‚Wesen des Menschen‘. Später gab er diesen Begriff auf, weil er deutlich machen wollte, dass ‚das Wesen des Menschen keine Abstraktion ist … Marx wollte auch den Eindruck vermeiden, er betrachte das Wesen des Menschen als eine unhistorische Substanz‘.“31 Fromm ist sich auch bewusst, dass Marx‘ Konzept der Entfremdung, „obwohl nicht das Wort, in seinem gesamten späteren Hauptwerk, einschließlich Das Kapital, von zentraler Bedeutung bleibt.“32 Fromm untersucht jedoch nicht die Etappen, die vom Konzept der Entfremdung zur Theorie des Warenfetischismus führten, und in Fromms eigenem philosophischen Rahmen ist das zentrale Problem, „aufzuhören zu schlafen und Mensch zu werden“. Für Fromm bedeutet das vor allem, seine Ideen und Denkweisen zu ändern: „Ich glaube, dass einer der verhängnisvollsten Fehler im Leben des Individuums und in sozialer Hinsicht darin besteht, in stereotypen Denkweisen gefangen zu sein … Ich glaube, dass der Mensch sich von Illusionen befreien muss, die ihn versklaven und lähmen, dass er sich der Realität innerhalb und außerhalb seiner selbst bewusst werden muss, um eine Welt zu schaffen, die keine Illusionen braucht. Freiheit und Unabhängigkeit können nur erreicht werden, wenn die Ketten der Illusionen gesprengt werden.“33

Im Vorwort zu „Die deutsche Ideologie“ macht sich Marx über Möchtegern-Revolutionäre lustig, die die Leute von stereotypen Denkweisen befreien wollen, von den Illusionen, die sie versklaven und lähmen. Marx lässt diese Revolutionäre verkünden: „Befreien wir sie von den Hirngespinsten, den Ideen, den Dogmen, den eingebildeten Wesen, unter deren Joch sie verkümmern. Rebellieren wir gegen diese Herrschaft der Gedanken. Lehren wir sie, diese Einbildungen mit Gedanken vertauschen, die dem Wesen des Menschen entsprechen, sagt der Eine, sich kritisch zu ihnen verhalten, sagt der Andere, sie sich aus dem Kopf schlagen, sagt der Dritte, und – die bestehende Wirklichkeit wird zusammenbrechen.“ Dann zieht Marx den Spott zu Ende: „Ein wackrer Mann bildete sich einmal ein, die Menschen ertränken nur im Wasser, weil sie vom Gedanken der Schwere besessen wären. Schlügen sie sich diese Vorstellung aus dem Kopfe, etwa indem sie dieselbe für eine aber-gläubige, für eine religiöse Vorstellung erklärten, so seien sie über alle Wassersgefahr erhaben.“34 In einem Brief, der Ende 1846 geschrieben wurde, richtete Marx dieselbe Kritik gegen P.J. Proudhon: „… an Stelle der praktischen und gewaltsamen Aktion der Massen … Herr Proudhon die grillenhafte Bewegung seines Kopfes. So machen die Gelehrten, die Menschen, die imstande sind, Gottes intime Gedanken zu erlauschen, die Geschichte. Die kleinen Leute haben bloß ihre Offenbarungen anzuwenden. Sie verstehen jetzt, warum Herr Proudhon erklärter Feind jeder politischen Bewegung ist. Die Lösung der gegenwärtigen Probleme besteht für ihn nicht in der öffentlichen Aktion, sondern in den dialektischen Drehungen seines Kopfes. Da für ihn die Kategorien die treibenden Kräfte sind, braucht man das praktische Leben nicht zu ändern, um die Kategorien zu ändern.“35

Zwischen 1845 und 1847 lässt Marx auch seine frühere Idee von einem menschlichen Wesen oder einer menschlichen Natur, zu der das Individuum zurückkehren kann, fallen: „Wie die Individuen ihr Leben äußern, so sind sie. Was sie sind, fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit, was sie produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion.“36 Tatsächlich fährt Marx fort, dass die Vorstellungen des Menschen von seiner Natur oder seinem Wesen selbst von den materiellen Bedingungen geprägt sind, in denen sich die Menschen befinden, und dass daher das „Wesen“ des Menschen nicht etwas ist, zu dem er zurückkehren kann, oder sogar etwas, das er sich gedanklich vorstellen kann, da es sich ständig in einem Prozess des historischen Wandels befindet. „Die Menschen sind die Produzenten ihrer Vorstellungen, Ideen pp., aber die wirklichen, wirkenden Menschen, wie sie bedingt sind durch eine bestimmte Entwicklung ihrer Produktivkräfte und des denselben entsprechenden Verkehrs bis zu seinen weitesten Formationen hinauf. Das Bewußtsein kann nie etwas Andres sein als das bewußte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß.“ Folglich „ es wird nicht ausgegangen von dem, was die Menschen sagen, sich einbilden, sich vorstellen, auch nicht von den gesagten, gedachten, eingebildeten, vorgestellten Menschen, um davon aus bei den leibhaftigen Menschen anzukommen; es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirklichen Lebensprozeß auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt.“37 Anders als der zuvor zitierte Philosoph beginnt Marx seine Analyse also nicht mehr mit dem „Marxschen Menschenbegriff“, sondern mit dem Menschen in einem bestimmten kulturellen Umfeld. Marx systematisierte 1847 in Das Elend der Philosophie die Beziehung zwischen Technologie, sozialen Beziehungen und Ideen: „Mit der Erwerbung neuer Produktivkräfte verändern die Menschen ihre Produktionsweise, und mit der Veränderung der Produktionsweise, der Art, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, verändern sie alle ihre gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten.

Aber dieselben Menschen, welche die sozialen Verhältnisse gemäß ihrer materiellen Produktivität <(1847) productivité materielle; (1885, 1892 u. 1895 Produktionsweise)> gestalten, gestalten auch die Prinzipien, die Ideen, die Kategorien gemäß ihren gesellschaftlichen Verhältnissen.“38 Der nächste Schritt besteht darin, das „Wesen“ des Menschen in die Geschichte zu ziehen, nämlich zu sagen, dass der Mensch kein Wesen außerhalb seiner historischen Existenz hat, und genau das tut Marx, wenn er sagt, dass „die Summe der Produktivkräfte, Kapitalfonds und sozialen Umgangsformen, die jedes Individuum und jede Generation als gegeben vorfindet, die reale Grundlage dessen ist, was die Philosophen als ‚Substanz‘ und ‚Wesen des Menschen‘ verstanden haben …“39

Hier endet Marx‘ Kontrast zwischen einer idealen, nicht entfremdeten Gesellschaft und der realen kapitalistischen Gesellschaft. Der Mensch schafft die materiellen Bedingungen, unter denen er lebt, nicht im Sinne einer idealen Gesellschaft, die er „wiederherstellen“ kann, sondern im Sinne der Möglichkeiten und Grenzen der Produktivkräfte, die er geerbt hat. Marx definiert diese historischen Grenzen und Möglichkeiten in dem Brief, aus dem wir zuvor zitiert haben: „… die Menschen sind nicht frei in der Wahl ihrer Produktivkräfte – die die Grundlage ihrer gesamten Geschichte bilden –, denn jede Produktivkraft ist eine erworbene Kraft, das Produkt früherer Tätigkeit. Die Produktivkräfte sind also das Ergebnis der Praxis menschlicher Energie; aber diese Energie selbst ist durch die Umstände bedingt, in denen sich die Menschen befinden, durch die bereits erworbenen Produktivkräfte, durch die soziale Form, die vor ihnen existiert, die sie nicht schaffen, die das Produkt der vorangegangenen Generation ist. Aus diesem Grund … entsteht eine Geschichte der Menschheit, die umso mehr eine Geschichte der Menschheit ist, je weiter die Produktivkräfte des Menschen und damit seine sozialen Beziehungen entwickelt sind.40 „… Die Menschen erlangten jedes Mal in dem Maße Freiheit für sich, wie es nicht ihr Menschenbild, sondern die vorhandenen Produktivkräfte vorschrieben und zuließen.“41

Marx hat das Wesen des Menschen in die historischen Bedingungen aufgelöst, unter denen der Mensch existiert, und ist so dazu gekommen, den Konflikt zwischen dem entfremdeten Menschen der kapitalistischen Gesellschaft und seinem nicht entfremdeten menschlichen Wesen aufzugeben. Rubin weist aber darauf hin, dass dieser Konflikt mehr als ein Jahrzehnt später, im Jahr 1859, auf einer neuen Ebene wieder auftaucht, nicht mehr als Konflikt zwischen Ideal und Realität, sondern als Konflikt zwischen den Produktivkräften und den sozialen Beziehungen, die beide Teil der Realität sind: „Auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Konflikt mit den bestehenden Produktionsverhältnissen … Aus Formen der Entwicklung der Produktivkräfte werden diese Verhältnisse zu ihren Fesseln. Dann kommt die Periode der sozialen Revolution.“42

Nachdem Marx die Produktionsverhältnisse, also die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen im Produktionsprozess, als Rahmen für die Entwicklung der Produktivkräfte des Menschen, seiner Technologie, und als Fesseln, die die weitere Entwicklung der Technologie behindern können, aufgezeigt hat, wendet er sich nun einer detaillierten Beschreibung der Produktionsverhältnisse der kapitalistischen Gesellschaft zu. Nachdem er die Untersuchung des Wesens des Menschen zugunsten der Untersuchung seiner historischen Situation aufgegeben hat, verzichtet Marx auch auf den Begriff „Entfremdung”, da dieser durch seine frühere Verwendung zu einer Abkürzung für „Entfremdung des Menschen von seinem Wesen” geworden ist. Schon in „Die deutsche Ideologie“ hatte Marx den Begriff „Entfremdung“ sarkastisch als „ein Begriff, der für die Philosophen verständlich sein wird“ bezeichnet43, was bedeutet, dass er für Marx nicht mehr akzeptabel war. Doch obwohl er den Begriff aufgibt, entwickelt Marx den Inhalt, den er mit diesem Begriff ausgedrückt hatte, weiter, und diese Weiterentwicklung führt Marx weit über seine frühen Formulierungen hinaus und ebenso weit über die Theoretiker hinaus, die glauben, dass der Begriff der Entfremdung in den ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 vollständig entwickelt und abgeschlossen sei. Rubin zeigt, dass diese Weiterentwicklung des Entfremdungsbegriffs genau in der Theorie des Warenfetischismus und der Werttheorie stattfindet, und so werde ich mich jetzt Rubins Darstellung dieser Theorien zuwenden und versuchen, ihre Verbindungen zum Entfremdungsbegriff deutlich zu machen.44

Rubin skizziert Marx‘ Übergang vom Entfremdungsbegriff zur Theorie des Warenfetischismus wie folgt: „Um die Theorie der ‚Entfremdung’ der menschlichen Beziehungen in eine Theorie der‚ Verdinglichung’ der sozialen Beziehungen (d. h. in die Theorie des Warenfetischismus) zu verwandeln, musste Marx einen Weg vom utopischen zum wissenschaftlichen Sozialismus schaffen, von der Verleugnung der Realität im Namen eines Ideals zur Suche nach den Kräften für weitere Entwicklung und Bewegung innerhalb der Realität selbst.“ (Rubin, S.57) Die Verbindung zwischen Entfremdung und Warenfetischismus ist das Konzept der „Verdinglichung” (Materialisierung oder Objektivierung) sozialer Beziehungen. Rubin verfolgt bestimmte Etappen in Marx‘ Formulierung des Konzepts der Verdinglichung. In seinem Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie von 1859 stellte Marx fest, dass in der kapitalistischen Gesellschaft, in der Arbeit Waren schafft, „die sozialen Beziehungen der Menschen in umgekehrter Form als soziale Beziehungen der Dinge erscheinen”.45 In diesem Werk „erscheinen“ die sozialen Beziehungen zwischen Menschen lediglich in der Form von Dingen, sie scheinen lediglich verdinglicht zu sein. Folglich bezeichnet Marx diese Verdinglichung als „Mystifizierung“ und führt sie auf „die Gewohnheit des Alltagslebens“ zurück.“46

In Band I von Das Kapital ist diese Verdinglichung der sozialen Beziehungen aber nicht mehr nur eine Erscheinung im Kopf des einzelnen Individuums-Warenproduzenten und auch nicht mehr das Ergebnis seiner Denkgewohnheiten. Hier „entsteht die Verdinglichung der Produktionsverhältnisse nicht aus ‚Gewohnheiten‘, sondern aus der inneren Struktur der Ökonomie. Der Fetischismus ist nicht nur ein Phänomen des sozialen Bewusstseins, sondern auch des sozialen Seins.“ (Rubin, S. 59). Die Ursache des Fetischismus, also die Ursache dafür, dass Beziehungen zwischen Menschen die Form von Beziehungen zwischen Dingen annehmen, liegt in den Merkmalen der kapitalistischen Ökonomie als Warenökonomie: „Das Fehlen einer direkten Regulierung des sozialen Produktionsprozesses führt zwangsläufig zu einer indirekten Regulierung des Produktionsprozesses durch den Markt, durch die Produkte der Arbeit, durch Dinge.“ (Ebenda.).

Folglich sind die Verdinglichung der sozialen Beziehungen und der Fetischismus der Waren keine „Ketten der Illusion“, die im Kontext der kapitalistischen Gesellschaft „durchbrochen“ werden können, da sie nicht aus „Stereotypen der Denkweise“ (Erich Fromm) entstehen. Die kapitalistische Form der sozialen Produktion „führt zwangsläufig“ zur Verdinglichung der sozialen Beziehungen; Verdinglichung ist nicht nur eine „Folge“ des Kapitalismus, sondern ein untrennbarer Aspekt des Kapitalismus. Konkrete, nicht entfremdete Arbeit, die ein kreativer Ausdruck der Persönlichkeit eines Individuums ist, kann im Produktionsprozess der kapitalistischen Gesellschaft nicht stattfinden. Die Arbeit, die Waren produziert, also Dinge, die auf dem Markt verkauft werden, ist keine konkrete, sondern abstrakte Arbeit, „abstrakt-allgemeine, soziale Arbeit, die aus der vollständigen Entfremdung der individuellen Arbeit entsteht” (Rubin, S. 147). In der Warenökonomie ist Arbeit keine kreative Tätigkeit, sondern der Aufwand von Arbeitszeit, Arbeitskraft, homogener menschlicher Arbeit oder Arbeit im Allgemeinen. Das ist auch nicht immer und überall der Fall. „Nur auf der Grundlage der Warenproduktion, die durch eine weitgehende Entwicklung des Austauschs, einen massenhaften Transfer von Individuen von einer Tätigkeit zur anderen und die Gleichgültigkeit der Individuen gegenüber der konkreten Form der Arbeit gekennzeichnet ist, ist es möglich, den homogenen Charakter aller Arbeitsvorgänge als Formen der menschlichen Arbeit im Allgemeinen zu entwickeln“ (Rubin, S. 138). In der kapitalistischen Gesellschaft ist diese Arbeitskraft, die Waren produziert, selbst eine Ware: Sie ist eine Sache, die der Kapitalist von den Arbeitern kauft, oder wie Paul Samuelson es ausdrückt: „Ein Mensch ist viel mehr als eine Ware. Dennoch ist es wahr, dass Menschen ihre Dienste gegen einen Preis vermieten.”47 Somit ist Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft verdinglichten Arbeit; sie ist Arbeit, die zu einer Sache geworden ist.

Die verdinglichte Arbeit der kapitalistischen Gesellschaft, die abstrakte, homogene Arbeitskraft, die vom Kapitalisten zu einem bestimmten Preis gekauft wird, kristallisiert sich heraus und verdichtet sich in Waren, die vom Kapitalisten angeeignet und auf dem Markt verkauft werden. Die Arbeiter entfremden buchstäblich ihre schöpferische Kraft, sie verkaufen sie. Da sich schöpferische Kraft auf die bewusste Mitwirkung eines Individuums an der Gestaltung seiner materiellen Umgebung bezieht, da die Entscheidungsgewalt die Grundlage der Schöpfung ist, wäre es genauer zu sagen, dass schöpferische Kraft für die Arbeiter in der kapitalistischen Gesellschaft schlichtweg nicht existiert. Es ist genau die Kraft, seine Lebensumstände zu gestalten, die der Arbeiter an den Kapitalisten verkauft; es ist genau diese Kraft, die sich der Kapitalist aneignet, nicht nur in Form der homogenen Arbeitszeit, die er für einen Preis kauft, sondern auch in Form der abstrakten Arbeit, die in Waren erstarrt ist. Diese vergegenständlichte Arbeit, diese abstrakte Arbeit, die in Waren kristallisiert und erstarrt ist, „erlangt in der kapitalistischen Gesellschaft eine bestimmte soziale Form“, nämlich die Form des Werts. So macht Marx „die ‚Form des Werts‘ zum Gegenstand seiner Untersuchung, nämlich den Wert als die soziale Form des Arbeitsprodukts, die Form, die die klassischen Ökonomen für selbstverständlich hielten …“ (Rubin, S. 112). Durch die Theorie des Warenfetischismus wird das Konzept der verdinglichten Arbeit also zum Bindeglied zwischen der Entfremdungstheorie in den ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 und der Werttheorie im Kapital.

Marx‘ Erklärung des Phänomens der Verdinglichung, nämlich der Tatsache, dass abstrakte Arbeit die „Wertform“ annimmt, bezieht sich nicht mehr auf die Gewohnheiten der Menschen, sondern auf die Merkmale einer Ökonomie. Im Kapital weist Marx darauf hin, dass Beziehungen zwischen Menschen durch Dinge verwirklicht werden und dass dies der einzige Weg ist, wie sie in einer Warenökonomie verwirklicht werden können: „ Die soziale Verbindung zwischen der Arbeitstätigkeit einzelner Warenproduzenten wird nur durch die Gleichstellung aller konkreten Formen der Arbeit verwirklicht, und diese Gleichstellung erfolgt in Form einer Gleichstellung aller Arbeitsprodukte als Werte“ (Rubin, S. 130). Dies gilt nicht nur für die Beziehungen zwischen Kapitalisten als Käufern und Verkäufern der Arbeitsprodukte, sondern auch für die Beziehungen zwischen Kapitalisten und Arbeitern als Käufern und Verkäufern von Arbeitskraft. Es ist zu beachten, dass in der Warenökonomie der Arbeiter selbst ein „freier, unabhängiger“ Warenproduzent ist. Die Ware, die er produziert, ist seine Arbeitskraft; er produziert diese Ware, indem er isst, schläft und sich fortpflanzt. In David Ricardos Sprache ist der „natürliche Preis der Arbeit“ der Preis, der es den Arbeitern ermöglicht, „zu überleben und ihre Rasse fortzuführen“48, nämlich ihre Arbeitskraft zu reproduzieren. Arbeiter verkaufen ihre Ware auf dem Arbeitsmarkt in Form von Wert, und im Austausch für eine bestimmte Menge ihrer Ware, der Arbeitskraft, erhält jede und jeder eine bestimmte Wertmenge, nämlich Geld, das sie oder er wiederum gegen eine andere Wertmenge, nämlich Konsumgüter, eintauscht.

Es ist zu beachten, dass Arbeiter nicht kreative Kraft gegen kreative Kraft eintauscht. Wenn die Arbeiter ihre Arbeitskraft als abstrakte Arbeit in Form von Wert verkaufen, entfremden sie sich völlig von ihrer Schöpferkraft. Wenn der Kapitalist eine bestimmte Menge der Arbeitskraft der Arbeiter kauft, sagen wir acht Stunden Arbeitskraft, eignet er sich nicht nur einen Teil dieser Menge, sagen wir vier Stunden, in Form von Mehrwert an: Der Kapitalist eignet sich alle acht Stunden der Arbeitskraft der Arbeiter an. Diese Arbeitskraft kristallisiert sich dann in einer bestimmten Menge von Waren, die der Kapitalist auf dem Markt verkauft und die er als Werte gegen gleichwertige Geldbeträge eintauscht. Und was der Arbeiter für seine entfremdete Arbeitskraft zurückbekommt, ist eine Geldsumme, die „dem Wert“ der Arbeitskraft entspricht. Dieses Verhältnis des Austauschs „gleichwertiger Werte“, nämlich der Austausch einer bestimmten Anzahl von Stunden Arbeitskraft gegen eine bestimmte Geldsumme, verbirgt sowohl einen quantitativen als auch einen qualitativen Aspekt der Ausbeutung. Der quantitative Aspekt wurde von Marx in seiner Ausbeutungstheorie behandelt, die er in Band I von Das Kapital entwickelt hat. Der Betrag, den der Kapitalist im Austausch für die Waren erhält, die er auf dem Markt verkauft, ist größer als der Betrag, den er für die Produktion der Waren ausgibt, was bedeutet, dass der Kapitalist sich einen Mehrwert in Form von Profit aneignet. Der qualitative Aspekt wurde von Marx in seiner Theorie der Entfremdung behandelt und in der Theorie des Warenfetischismus weiterentwickelt. Die beiden Terme der Äquivalenzrelation sind keine gleichwertigen Qualitäten, sondern unterscheiden sich in ihrer Art. Was die Arbeiter als Gegenleistung für ihre entfremdete Schöpferkraft erhält, ist nur in einer Warenökonomie „äquivalent”, in der die Schöpferkraft des Menschen auf eine marktfähige Ware reduziert und als Wert verkauft wird. Als Gegenleistung für ihre schöpferische Kraft erhalten die Arbeiter einen Lohn oder ein Gehalt, nämlich eine Geldsumme, und für dieses Geld können sie Arbeitsprodukte kaufen, aber keine schöpferische Kraft. Mit anderen Worten: Als Gegenleistung für ihre schöpferische Kraft erhalten die Arbeiter Dinge. Wenn Marx also von der Aneignung von „Mehrwert” oder „Mehrarbeit” durch den Kapitalisten spricht, bezieht er sich auf den quantitativen Aspekt der Ausbeutung, nicht auf den qualitativen. Qualitativ entfremdet sich der Arbeiter seiner gesamten kreativen Kraft, seiner Fähigkeit, bewusst an der Gestaltung seiner materiellen Umgebung mit den Produktivkräften mitzuwirken, die er aus der bisherigen technologischen Entwicklung geerbt hat. Das bedeutet, dass „es wahr ist, dass Menschen ihre Dienste für einen Preis vermieten” (Samuelson) und dass „je weniger du bist, desto weniger du dein eigenes Leben zum Ausdruck bringst, desto größer dein entfremdetes Leben ist, desto mehr du hast …”49

In einer Warenökonomie haben die Leute nur über den Austausch von Sachen miteinander zu tun: Das Verhältnis von Kauf und Verkauf ist „das grundlegende Verhältnis der Warengesellschaft“ (Rubin, S. 15). Die Produktionsverhältnisse zwischen den Leuten entstehen durch den Austausch von Sachen, weil „dauerhafte, direkte Beziehungen zwischen bestimmten Personen, die Eigentümer verschiedener Produktionsfaktoren sind, nicht existieren. Der Kapitalist, der Lohnarbeiter und auch der Grundbesitzer sind Warenbesitzer, die formal voneinander unabhängig sind. Direkte Produktionsverhältnisse zwischen ihnen müssen erst noch hergestellt werden, und zwar in einer für Warenbesitzer üblichen Form, nämlich in Form von Kauf und Verkauf“ (Rubin, S. 18; Kursivschrift im Original). Auf der Grundlage dieser verdinglichten sozialen Beziehungen, nämlich auf der Grundlage von Produktionsbeziehungen, die durch den Austausch von Dingen verwirklicht werden, vollzieht sich der Produktionsprozess in der kapitalistischen Gesellschaft, weil „die Produktionsbeziehungen, die zwischen den Vertretern der verschiedenen sozialen Klassen (Kapitalist, Arbeiter sowie Grundbesitzer) hergestellt werden, zu einer bestimmten Kombination technischer Produktionsfaktoren führen …“ (Rubin, S. 19). So werden durch und mittels dieser verdinglichten sozialen Beziehungen die Produktivkräfte, nämlich die Technologie, in der kapitalistischen Gesellschaft entwickelt.

Die Aneignung der entfremdeten schöpferischen Kraft der Gesellschaft durch den Kapitalisten erfolgt in Form einer Aneignung von Dingen, in Form der Akkumulation von Kapital. Und genau diese Akkumulation von Kapital macht den Kapitalisten zum Kapitalisten: „Der Status des Kapitalisten in der Produktion wird durch seinen Besitz von Kapital, Produktionsmitteln, Dingen bestimmt …“ (Rubin, S. 19). So sagt Marx in Band III von Das Kapital, dass „der Kapitalist lediglich das personifizierte Kapital ist und im Produktionsprozess ausschließlich als Vertreter des Kapitals fungiert“50, und so spricht Rubin von der „Personifizierung von Dingen“ (Rubin, Kapitel 3). Das Kapital gibt dem Kapitalisten die Macht, Ausrüstung und Rohstoffe zu kaufen, Arbeitskraft zu erwerben und die materiellen und menschlichen Akteure in eine produktive Tätigkeit einzubinden, die zu einer bestimmten Menge an Waren führt. In diesem Prozess „pumpt das Kapital eine bestimmte Menge an Mehrarbeit aus den direkten Produzenten oder Arbeitern heraus; das Kapital erhält diese Mehrarbeit ohne Gegenleistung, und im Wesentlichen bleibt sie immer Zwangsarbeit – egal, wie sehr sie das Ergebnis einer freien vertraglichen Vereinbarung zu sein scheint“51. In der kapitalistischen Gesellschaft hat ein Mensch ohne Kapital nicht die Macht, diese Beziehungen aufzubauen. Oberflächlich betrachtet scheint es also, dass das Kapital, eine Sache, die Macht besitzt, Arbeitskräfte einzustellen, Ausrüstung zu kaufen, die Arbeit und die Ausrüstung in einem Produktionsprozess zu kombinieren, Profit und Zinsen zu erzielen, „es scheint, dass die Sache selbst die Fähigkeit, die Tugend besitzt, Produktionsbeziehungen aufzubauen“ (Rubin, S. 21). In den Worten des offiziellen amerikanischen Lehrbuchs: „Löhne sind die Rendite der Arbeit, Zinsen die Rendite des Kapitals, Pachtzinsen die Rendite des Bodens.“52 Marx nannte dies die Dreifaltigkeitsformel des Kapitalismus: „In der Formel: Kapital – Zinsen, Land – Grundrente, Arbeit – Löhne, erscheinen Kapital, Land und Arbeit jeweils als Quellen von Zinsen (anstelle von Profit), Grundrente und Löhnen, als deren Produkte oder Früchte, wobei erstere die Grundlage und letztere die Folge, erstere die Ursache und letztere die Wirkung sind; und zwar in einer Weise, dass jede einzelne Quelle zu ihrem Produkt in Beziehung steht wie zu dem, was von ihr ausgestoßen und produziert wird.53 Kapital ist etwas, das die Kraft hat, Zinsen zu bringen, Boden ist etwas, das die Kraft hat, Pacht zu bringen, Arbeit ist etwas, das die Kraft hat, Lohn zu bringen, und Geld „verwandelt Treue in Untreue, Liebe in Hass, Hass in Liebe, Tugend in Laster, Laster in Tugend, Diener in Herrn, Herrn in Diener, Dummheit in Intelligenz und Intelligenz in Dummheit“54 oder, wie amerikanische Banken werben: „Geld arbeitet für dich“. Rubin sagt, dass „vulgäre Ökonomen … die Kraft, die Produktivität der Arbeit zu steigern, die den Produktionsmitteln innewohnt und ihre technische Funktion darstellt, dem Kapital zuschreiben, d. h. einer bestimmten sozialen Produktionsform (Theorie der Produktivität des Kapitals)“ (Rubin, S. 28), und der Wirtschaftswissenschaftler, der den Konsens der amerikanischen wirtschaftswissenschaftlichen Fachwelt nach dem Zweiten Weltkrieg vertritt, schreibt 1967, dass „Kapital eine Nettoproduktivität (oder reale Zinsrendite) hat, die in Form eines Prozentsatzes pro Jahr ausgedrückt werden kann …“55

Ein Ding, das solche Kräfte hat, ist ein Fetisch, und die Fetischwelt „ist eine verzauberte, verdrehte, auf den Kopf gestellte Welt, in der Herr Kapital und Frau Boden ihre Koboldstreiche als soziale Figuren und gleichzeitig als bloße Dinge treiben.“56 Marx hatte dieses Phänomen im ersten Band von Das Kapital so beschrieben: „… eine bestimmte soziale Beziehung zwischen Menschen … nimmt in ihren Augen die fantastische Form einer Beziehung zwischen Dingen an. Um also eine Analogie zu finden, müssen wir auf die nebelverhangenen Regionen der religiösen Welt zurückgreifen. In dieser Welt erscheinen die Produkte des menschlichen Geistes als unabhängige Wesen, die mit Leben ausgestattet sind und sowohl untereinander als auch mit der Menschheit in Beziehung treten. So verhält es sich auch in der Welt der Waren mit den Produkten der menschlichen Hände. Ich nenne das den Fetischismus, der sich an die Produkte der Arbeit heftet, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher untrennbar mit der Warenproduktion verbunden ist. Dieser Fetischismus der Waren hat seinen Ursprung … im besonderen sozialen Charakter der Arbeit, die sie hervorbringt.“57 Der Fetischist, der den Dingen systematisch die Ergebnisse sozialer Beziehungen zuschreibt, kommt zu bizarren Schlussfolgerungen: „Wozu dient der Gewinn? … Der Ökonom bringt nach sorgfältiger Analyse das Konzept des Gewinns mit dynamischer Innovation und Unsicherheit sowie mit den Problemen des Monopols und der Anreize in Verbindung.“58 Rubin weist darauf hin, dass „anstatt technische und soziale Phänomene als unterschiedliche Aspekte der menschlichen Arbeitstätigkeit zu betrachten, Aspekte, die eng miteinander verbunden, aber unterschiedlich sind, vulgäre Wirtschaftswissenschaftler sie auf die gleiche Ebene stellen, sozusagen auf die gleiche wissenschaftliche Ebene. … Diese Gleichsetzung des Produktionsprozesses mit seinen sozialen Formen … rächt sich grausam“ (Rubin, S. 28), und die Wirtschaftswissenschaftler sind erstaunt, dass „das, was sie gerade mit großer Mühe als Ding definiert zu haben glaubten, plötzlich als soziale Beziehung erscheint und dann wieder als Ding auftaucht, um sie erneut zu verwirren, bevor sie es überhaupt als soziale Beziehung definieren konnten.“59

Die Produktionskräfte, die „von der Arbeit entfremdet sind und ihr unabhängig gegenüberstehen“60 in Form von Kapital, geben dem Kapitalisten Macht über den Rest der Gesellschaft. „Der Kapitalist strahlt im reflektierten Licht seines Kapitals“ (Rubin, S. 25), und er kann nur strahlen, weil die Produktivkraft der Arbeiter in Produktivkräften kristallisiert und vom Kapitalisten in Form von Kapital akkumuliert wurde. Der Kapitalist, als Besitzer des Kapitals, steht nun dem Rest der Gesellschaft als derjenige gegenüber, nach dessen Ermessen Produktion und Konsum stattfinden; er steht der Gesellschaft als ihr Herrscher gegenüber. Dieser Prozess wird im offiziellen Wirtschaftslehrbuch gefeiert: „Gewinne und hohe Faktorerträge sind der Köder, die Karotten, die uns unternehmungslustigen Eseln vor die Nase gehalten werden. Verluste sind unsere Strafstöße. Gewinne gehen an diejenigen, die in der Vergangenheit effizient waren – effizient im Herstellen von Dingen, im Verkaufen von Dingen, im Vorhersehen von Dingen. Durch Profite gibt die Gesellschaft denen das Kommando über neue Unternehmungen, die eine Erfolgsbilanz vorweisen können.“61

Man kann jetzt zeigen, dass die obige Sequenz eine detaillierte Weiterentwicklung, Klarstellung und Konkretisierung der Entfremdungstheorie ist, die Marx 1844 vorgestellt hatte. Das wird deutlich, wenn man die Sequenz mit einer zuvor zitierten Passage vergleicht, die ein Vierteljahrhundert vor der Veröffentlichung der Theorie des Warenfetischismus im ersten Band von Das Kapital und fast ein halbes Jahrhundert vor dem dritten Band geschrieben wurde: „Das durch Arbeit hergestellte Objekt, ihr Produkt, steht nun ihr als fremdes Wesen, als vom Produzenten unabhängige Macht gegenüber. Das Produkt der Arbeit, das in einem Gegenstand verkörpert und zu einer physischen Sache geworden ist, ist eine Objektivierung der Arbeit … Die Entfremdung der Arbeiter von ihrem Produkt bedeutet nicht nur, dass ihre Arbeit zum Objekt wird, eine eigene Existenz annimmt, sondern dass sie außerhalb von ihnen, unabhängig und ihnen fremd existiert und ihnen als autonome Macht gegenübersteht. Das Leben, das er dem Objekt gegeben hat, stellt sich ihm als fremde und feindliche Kraft entgegen.“62 Im Nachhinein betrachtet wirkt dieser Abschnitt wie eine Zusammenfassung der Theorie des Warenfetischismus. Die Definitionen, Konzepte und detaillierten Zusammenhänge, die dieser Abschnitt zusammenzufassen scheint, wurden von Marx jedoch erst Jahrzehnte später entwickelt.

Die nächste Aufgabe besteht darin, Marx‘ Werttheorie im Kontext seiner Theorie des Warenfetischismus zu untersuchen, da, wie Rubin betont, „die Fetischismustheorie an sich die Grundlage des gesamten ökonomischen Systems von Marx und insbesondere seiner Werttheorie ist“ (Rubin, S. 5). In diesem Zusammenhang unterscheidet Rubin drei Aspekte des Werts: Er ist „(1) eine soziale Beziehung zwischen Menschen, (2) die eine materielle Form annimmt und (3) mit dem Prozess der Produktion zusammenhängt“ (Rubin, S. 63). Gegenstand der Werttheorie ist die Arbeitstätigkeit der Menschen, oder wie Rubin es definiert: „Der Gegenstand der Werttheorie sind die Wechselbeziehungen verschiedener Formen der Arbeit im Prozess ihrer Verteilung, die durch das Tauschverhältnis zwischen Dingen, d. h. Arbeitsprodukten, hergestellt werden“ (Rubin, S. 67). Mit anderen Worten, das Thema der Werttheorie ist die Arbeit, wie sie sich in der Warenökonomie zeigt: Hier nimmt die Arbeit nicht die Form einer bewussten, kreativen Beteiligung am Prozess der Umwandlung der materiellen Umgebung an, sondern die Form abstrakter Arbeit, die in Waren erstarrt ist und auf dem Markt als Wert verkauft wird. „Das spezifische Charakter an der Warenökonomie ist, dass der materialtechnische Produktionsprozess nicht direkt von der Gesellschaft geregelt wird, sondern von einzelnen Warenproduzenten gesteuert wird. … Die private Arbeit einzelner Warenproduzenten ist mit der Arbeit aller anderen Warenproduzenten verbunden und wird nur dann zu sozialer Arbeit, wenn das Produkt eines Produzenten als Wert mit allen anderen Waren gleichgesetzt wird“ (Rubin, S. 70). Bevor Rubin analysiert, wie Arbeit durch die Gleichsetzung von Dingen verteilt wird, also wie menschliche Aktivität in der kapitalistischen Gesellschaft geregelt wird, weist er darauf hin, dass die Form, die Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft annimmt, die Form des Werts ist: „Die Verdinglichung der Arbeit in Wert ist die wichtigste Schlussfolgerung der Fetischismus-Theorie, die die Unvermeidbarkeit der ‚Verdinglichung‘ der Produktionsverhältnisse zwischen Menschen in einer Ökonomie erklärt“ (Rubin, S. 72). Die Werttheorie befasst sich also mit der Regulierung der Arbeit; das ist die Tatsache, die die meisten Kritiker der Theorie nicht verstanden haben.

Die Frage, die Marx aufwirft, ist, wie die Arbeitstätigkeit der Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft geregelt wird. Seine Werttheorie ist seine Antwort darauf. Es wird gezeigt, dass die meisten Kritiker keine andere Antwort auf die Frage von Marx haben, sondern die Frage selbst ablehnen. Mit anderen Worten: Wirtschaftswissenschaftler sagen nicht, dass Marx falsche Antworten auf seine Frage gibt, sondern dass er falsche Antworten auf ihre Fragen gibt:

Marx fragt: Wie wird die menschliche Arbeitstätigkeit in einer kapitalistischen Ökonomie geregelt?

Marx antwortet: Die menschliche Arbeitstätigkeit wird von einer Klasse entfremdet, von einer anderen Klasse angeeignet, in Waren erstarrt und in Form von Wert auf einem Markt verkauft.

Die Wirtschaftswissenschaftler sagen: Marx hat Unrecht. Der Marktpreis wird nicht durch die Arbeit bestimmt, sondern durch die Produktionskosten und die Nachfrage. „Der große Alfred Marshall” meinte, dass „der Marktpreis – also der ökonomische Wert – sowohl durch Angebot als auch durch Nachfrage bestimmt wird, die ähnlich wie Adam Smith es für den Wettbewerb beschrieben hat, aufeinander einwirken.”63

Marx war sich der Rolle von Angebot und Nachfrage bei der Bestimmung des Marktpreises durchaus bewusst, wie im Folgenden gezeigt wird. Der Punkt ist, dass Marx nicht fragte, was den Marktpreis bestimmt, sondern wie die Arbeitstätigkeit reguliert wird.

Die Verlagerung der Frage begann bereits in den 1870er Jahren, noch vor der Veröffentlichung des zweiten und dritten Bandes von Marx‘ Kapital. Zu dieser Zeit griffen kapitalistische Wirtschaftswissenschaftler die Nutzentheorie von Jean Baptiste Say und die Angebot-Nachfrage-Theorie von Augustin Cournot wieder auf,64 die beide im frühen 19. Jahrhundert entwickelt worden waren. Der Vorteil beider Ansätze bestand darin, dass sie nichts über die Regulierung der menschlichen Arbeitstätigkeit in der kapitalistischen Gesellschaft aussagten, was sie für die professionellen Wirtschaftswissenschaftler einer Geschäftswelt sehr attraktiv machte. Die Wiederbelebung von Say und Cournot wurde als neue Entdeckung gefeiert, da das „neue Prinzip” einen dichten Vorhang über die von Marx aufgeworfenen Fragen zog. „Das neue Prinzip war einfach: Der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung beruht nicht auf der darin enthaltenen Arbeit, sondern auf der Nützlichkeit der zuletzt gekauften Einheit. Das war im Wesentlichen das Prinzip der Grenznutzen”, so der Historiker Fusfeld.65 In den Augen des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Robert Campbell brachte das Wiederauftauchen der Nutzentheorie Ordnung in das Chaos: „Die Vereinbarkeit all dieser widersprüchlichen Teilklärungen zu einer einheitlichen allgemeinen Werttheorie kam erst im späten 19. Jahrhundert mit dem Konzept des allgemeinen Gleichgewichts und der Reduktion aller Erklärungen auf den gemeinsamen Nenner der Nützlichkeit durch die Autoren der Nutzentheorie.”66 Fusfeld nennt den Hauptgrund für die Begeisterung: „Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus dieser Denkweise war, dass ein System freier Märkte dazu tendierte, das Wohlergehen des Individuums zu maximieren.“67 Nachdem Campbell das Wiederaufleben der Nutzentheorie begrüßt hat, definiert er die Wirtschaftswissenschaft neu, um genau die Fragen auszuschließen, die Marx aufgeworfen hatte. Campbell tut dies ganz offen: „Eine Reflexion dieser neuen Erkenntnis über das Wertproblem war die Formulierung einer neuen Definition der Wirtschaftswissenschaft, die heute allgemein verwendet wird, nämlich als Theorie der Verteilung knapper Ressourcen unter konkurrierenden Zielen.“68 Ohne zu erwähnen, dass seine eigenen Ideen zum Wert schon zu Ricardos Zeiten existierten, macht sich der Wirtschaftswissenschaftler Campbell daran, Marx dafür zu kritisieren, dass er „Ideen zum Wert beibehielt, die schon zu Ricardos Zeiten existierten“. Campbell fasst dann Marx‘ Lebenswerk mit der zurückhaltenden, objektiven Sprache der amerikanischen Sozialwissenschaften zusammen: „Marx nahm die damals existierende Werttheorie und entwickelte aus einigen ihrer Unklarheiten eine Theorie zur Dynamik des kapitalistischen Systems. (Es wäre vielleicht genauer, den Prozess umgekehrt zu beschreiben: Marx hatte die Schlussfolgerungen und versuchte zu zeigen, wie sie sich streng und unvermeidlich aus der damals allgemein akzeptierten Werttheorie ergaben. Im Nachhinein können wir seine Bemühungen als eine reductio ad absurdum-Technik betrachten, um die Mängel der ricardianischen Werttheorie zu beweisen.)“ Auf der Grundlage dieser gründlichen Analyse von Marx‘ Werk kommt Campbell nüchtern zu dem Schluss: Die Fesselung der marxistischen Tradition in der ökonomischen Theorie besteht also weniger darin, dass die marxistische Sichtweise in einem bestimmten Punkt einfach falsch ist (d. h., dass sie davon ausgeht, dass Wert nur durch Arbeit geschaffen wird), als vielmehr darin, dass sie das Grundproblem der ökonomischen Theorie nicht versteht; sie hat kein vollständiges Verständnis dessen erreicht, was eine gültige ökonomische Theorie beleuchten muss. Diese Erkenntnis kam erst in den Mainstream der weltweiten ökonomischen Theorie, nachdem der Marxismus bereits die Wende genommen hatte, um in die oben erwähnte Sackgasse zu geraten.69 Nachdem die Ökonomie neu definiert und Marx beiseite geschoben wurde, kann man wieder an einer „Werttheorie auf der Grundlage der Analyse des Tauschvorgangs an sich, losgelöst von einem bestimmten sozioökonomischen Kontext“ festhalten (Rubin, S. 85–86).

Die Wirtschaftswissenschaftler haben also Marx‘ Antworten auf seine Fragen nicht durch genauere Antworten ersetzt, sondern die Fragen einfach weggeworfen und durch Fragen über Knappheit und Marktpreise ersetzt. So haben die Wirtschaftswissenschaftler „den gesamten Fokus der Ökonomie weg von der großen Frage der sozialen Klassen und ihrer ökonomischen Interessen, die von Ricardo und Marx betont wurde, verlagert und die ökonomische Theorie auf das Individuum ausgerichtet.“70 Fusfeld erklärt auch, warum die Wirtschaftswissenschaftler den Fokus verlagert haben: „Die Wirtschaftswissenschaftler und ihre hochabstrakten Theorien waren Teil derselben sozialen und intellektuellen Entwicklung, die auch die Rechtstheorien von Stephen Field und die Folklore des Selfmademan hervorgebracht hat“71, d. h. die Wirtschaftswissenschaftler sind ideologisch mit der herrschenden Klasse, den Kapitalisten, auf einer Linie, oder wie Samuelson es ausdrückte: „Gewinne und hohe Faktorerträge sind der Köder, die Karotten, die uns unternehmungslustigen Eseln vor die Nase gehalten werden.“72

Selbst Theoretiker, deren Hauptziel nicht die Verherrlichung des Kapitalismus war, haben Marx‘ Werttheorie als eine Theorie der Ressourcenallokation oder eine Preistheorie interpretiert und den soziologischen und historischen Kontext der Theorie unterbewertet oder sogar völlig übersehen. Das heißt nicht, dass Probleme der Ressourcenallokation oder des Preises nichts mit einer historischen und soziologischen Analyse des Kapitalismus zu tun haben oder dass die Erläuterung eines Aspekts zwangsläufig nichts zum Verständnis der anderen beiträgt. Der Punkt hier ist, dass eine Theorie der Ressourcenallokation oder eine Preistheorie nicht erklären muss, warum menschliche Arbeitstätigkeit in der kapitalistischen historischen Form der Ökonomie durch Dinge reguliert wird, da die Theorie der Ressourcenallokation oder die Preistheorie ihre Analyse mit dem Kapitalismus als gegebenem Faktum beginnen kann. Gleichzeitig muss eine historische und soziologische Analyse der kapitalistischen Ökonomie nicht die Ressourcenallokation oder die Komponenten des Preises erklären, um die Form zu charakterisieren, die menschliche Arbeitstätigkeit in einem bestimmten historischen Kontext annimmt. Ein Preistheoretiker kann sich explizit mit der sozialen Form der Ökonomie befassen, deren Preise er untersucht, so wie Marx sich explizit mit Problemen des Preises und der Allokation befasste. Das heißt aber nicht, dass alle Preistheoretiker oder Ressourcenverteiler die soziologischen und historischen Probleme unbedingt erschöpfend behandeln oder dass sie sich des Kapitalismus als einer spezifischen historischen Form der Ökonomie auch nur im Geringsten bewusst sind, genauso wenig wie es bedeutet, dass Marx die Probleme der Preisbildung oder Ressourcenverteilung unbedingt erschöpfend behandelt hat, obwohl er sich dieser Probleme viel tiefer bewusst war, als die meisten seiner oberflächlichen Kritiker und sogar einige seiner oberflächlichen Anhänger ihm zugestehen.

Oskar Lange wies darauf hin, dass „führende Autoren der marxistischen Schule” bei Marx nach einer Preistheorie suchten und folglich „das Problem nur innerhalb der Grenzen der Arbeitswerttheorie sahen und lösten und somit allen Beschränkungen der klassischen Theorie unterlagen”.73 Lange selbst sah jedoch in Marx‘ Werttheorie einen Versuch, das Problem der Ressourcenallokation zu lösen. Laut Lange „scheint Marx die Arbeit als die einzige knappe Ressource betrachtet zu haben, die zwischen verschiedenen Verwendungszwecken verteilt werden muss, und wollte das Problem mit der Arbeitswerttheorie lösen”.74 Es war eher Lange, der sich der Entwicklung einer Theorie der Ressourcenallokation widmete, nicht Marx, und „der unbefriedigende Charakter dieser Lösung“75 ist eindeutig darauf zurückzuführen, dass Marx‘ Theorie nicht als Lösung für Langes Probleme präsentiert wurde.

Fred Gottheil reduziert in einem kürzlich erschienenen Buch über Marx die Wertetheorie von Marx explizit auf eine Preistheorie. Im Gegensatz zu oberflächlichen Kritikern von Marx weist Gottheil darauf hin, dass Marx sich bewusst war, dass in der kapitalistischen Gesellschaft die Preise nicht durch den „Arbeitsgehalt“ der Waren bestimmt werden: „Das in der Analyse des marxistischen ökonomischen Systems enthaltene Preisbegriff ist ausnahmslos das Produktionspreisbegriff …“76 Indem Gottheil Marx‘ Werttheorie auf eine Preistheorie reduziert, nimmt er sie aber aus ihrem soziologischen und historischen Kontext heraus (Gottheil erwähnt nicht mal Marx‘ Theorie des Warenfetischismus). So reduziert Gottheil Marx‘ historische und soziologische Analyse der kapitalistischen Ökonomie auf ein mechanistisches System, aus dem er mechanisch über 150 „Vorhersagen” ableitet.

Joan Robinson weiß, dass die Konstruktion einer Preistheorie nicht das Hauptziel von Marx‘ Analyse war, und sagt, dass Marx „sich verpflichtet fühlte, eine Theorie der relativen Preise anzubieten, aber obwohl er sie für wesentlich hielt, können wir sehen, dass sie für den Kernpunkt seiner Argumentation irrelevant ist.”77 Robinson scheint jedoch nicht zu wissen, was genau „der Kernpunkt der Argumentation” war: „Der Kernpunkt der Argumentation war etwas ganz anderes. Marx akzeptiert das Dogma, dass alle Dinge zu Preisen getauscht werden, die proportional zu ihrem Wert sind, und wendet es auf die Arbeitskraft an. Das ist der Schlüssel zum Verständnis des Kapitalismus. Die Arbeiter erhalten ihren Wert, ihre Kosten in Form von Arbeitszeit, und der Arbeitgeber nutzt sie, um mehr Wert zu produzieren, als sie kosten.78 Nachdem Robinson Marx‘ Werk auf dieses „Argument“ reduziert hat, kommt sie zu folgendem Schluss: „Auf dieser Ebene erscheint das gesamte Argument metaphysisch und liefert ein typisches Beispiel dafür, wie metaphysische Ideen funktionieren. Logisch gesehen ist es nur ein Wortgeklimper, aber für Marx war es eine Flut von Erleuchtung und für die Marxisten der Nachwelt eine Quelle der Inspiration.“79

In einem Essay, der mehr als ein halbes Jahrhundert vor Joan Robinsons Ökonomische Philosophie geschrieben wurde, kam Thorstein Veblen dem „Kern“ von Marx‘ Werk viel näher als Robinson: „… innerhalb des Bereichs der sich entfaltenden menschlichen Kultur, der das Feld der marxistischen Spekulation im Allgemeinen ist, hat Marx seine Bemühungen insbesondere der Analyse und theoretischen Formulierung der gegenwärtigen Situation gewidmet – der aktuellen Phase des Prozesses, dem kapitalistischen System.

Und da die vorherrschende Art der Warenproduktion das institutionelle, intellektuelle und geistige Leben der Epochen bestimmt, indem sie die Form und Methode des aktuellen Klassenkampfs festlegt, beginnt die Diskussion zwangsläufig mit der Theorie der „kapitalistischen Produktion“ oder der Produktion, wie sie unter dem kapitalistischen System betrieben wird.“80 Veblen war sich auch der Irrelevanz von Kritiken bewusst, die auf einer Reduzierung von Marx‘ Werttheorie auf eine Preistheorie basieren: „Marx‘ Kritiker setzen das Konzept des „Wertes” häufig mit dem des „Tauschwertes” gleich und zeigen, dass die „Werttheorie” nicht mit den Tatsachen der Preisentwicklung unter dem bestehenden Verteilungssystem übereinstimmt, in der frommen Hoffnung, damit die Marxsche Lehre widerlegt zu haben; dabei haben sie sie natürlich größtenteils nicht berührt.”81

Marx‘ Methode, wie er das Problem angegangen ist, war darauf ausgelegt, genau dieses Problem zu lösen, nicht die Probleme, die seine Kritiker aufgeworfen haben, also zu erklären, wie die Arbeitsteilung geregelt ist, und nicht, warum Leute Sachen kaufen, oder wie Ressourcen verteilt werden, oder was den Marktpreis bestimmt. Um also nicht zu definieren, was den Marktpreis bestimmt, sondern um sich auf das Problem der Regulierung der Arbeit zu konzentrieren, abstrahierte Marx von der realen kapitalistischen Ökonomie, er reduzierte sie sozusagen auf das Wesentliche. Der Kapitalismus ist eine Warenökonomie; soziale Beziehungen werden nicht direkt, sondern durch den Austausch von Dingen hergestellt. Um zu verstehen, wie Arbeit in einer Ökonomie geregelt wird, in der diese Regelung durch den Austausch von Dingen erfolgt, konstruiert Marx ein Modell einer „einfachen Ökonomie“, nämlich eine abstrakte Ökonomie, in der soziale Beziehungen durch den Austausch von Dingen hergestellt werden und in der das Verhältnis, zu dem Waren tendenziell ausgetauscht werden, durch die für ihre Produktion aufgewendete Arbeitszeit bestimmt wird. Die Aussage, dass Waren im Verhältnis zu der für ihre Produktion aufgewendeten Arbeitszeit ausgetauscht werden, ist dann eine Tautologie, da sie in der Definition von Marx‘ Modell enthalten ist. Der Sinn der Abstraktion besteht darin, sich auf die Regulierung der Arbeit in einer Warenökonomie zu konzentrieren und nicht darauf, zu beantworten, was den Preis in der tatsächlichen kapitalistischen Gesellschaft bestimmt. In diesem Kontext ist es egal, dass es „andere Produktionsfaktoren” gibt (wie Land und Kapital), denn, wie Rubin sagt, „die Werttheorie befasst sich nicht mit Arbeit als technischem Produktionsfaktor, sondern mit der Arbeitstätigkeit der Menschen als Grundlage des gesellschaftlichen Lebens und mit den sozialen Formen, in denen diese Arbeit stattfindet” (Rubin, S. 82). Es ist auch egal, darauf hinzuweisen, dass „andere Dinge als Arbeit“ ausgetauscht werden, da „Marx nicht jeden Austausch von Dingen analysiert, sondern nur die Gleichstellung von Waren, durch die die soziale Gleichstellung der Arbeit in der Warenökonomie erfolgt“ (Rubin, S. 101). Marx‘ Abstraktion soll nicht alles erklären, sondern die Regulierung der Arbeit in einer Warenökonomie.

In Kapitel 2 seines ökonomischen Lehrbuchs findet Paul Samuelson Marx‘ Methode völlig inakzeptabel. Dieser Akademiker, dessen Bedeutung in der amerikanischen Wirtschaftswissenschaft wahrscheinlich mit der von Lysenko in der sowjetischen Genetik vergleichbar ist, fasst Marx‘ Werttheorie wie folgt zusammen: „Die berühmte ‚Arbeitswerttheorie‘ wurde von Karl Marx von klassischen Autoren wie Adam Smith und David Ricardo übernommen. Es gibt keine bessere Einführung in diese Theorie als ein Zitat aus Adam Smiths „Der Wohlstand der Nationen“. Smith verwendete die kuriose Vorstellung eines Goldenen Zeitalters, einer Art Eden, in dem die edlen Wilden lebten, bevor Land und Kapital knapp wurden und nur die menschliche Arbeit zählte.“82 Nachdem Samuelson sein Verständnis der Theorie gezeigt hat, macht er sich an eine kritische Analyse, wobei er die objektive, zurückhaltende, nicht ideologische Sprache der amerikanischen Sozialwissenschaften benutzt: „Karl Marx hat sich vor einem Jahrhundert in Das Kapital (1867) leider noch hartnäckiger als Smith an die allzu einfache Arbeitswerttheorie geklammert. Das gab ihm eine überzeugende Terminologie, um gegen die „Ausbeutung der Arbeit” zu wettern, stellte aber schlechte Wirtschaftswissenschaft dar …”83 Bevor er seine Argumentation zum Abschluss bringt, stellt Samuelson seine eigene Theorie über die Ursprünge des Privateigentums vor: Eigentum entsteht aus Knappheit genauso natürlich wie Babys aus dem Mutterleib. „Nehmen wir aber an, wir hätten Eden verlassen und landwirtschaftliche Güter erfordern neben Arbeit auch fruchtbares Land, das so knapp geworden ist, dass es zu Privateigentum geworden ist.“84 Auf der Grundlage dieser tiefgründigen historischen und soziologischen Analyse der Ökonomie, in der er lebt, kommt der amerikanische Lysenko zu folgendem Schluss: „Sobald andere Faktoren als Arbeit knapp werden, versagt die Arbeitswerttheorie. Q.E.D.“85

Im Kapitel 34 desselben Lehrbuchs erklärt derselbe Samuelson jedoch das „Gesetz des komparativen Vorteils“ mit derselben Abstraktionsmethode, die Marx verwendet hatte, nämlich indem er dieselbe Arbeitswerttheorie86 auf dieselbe Weise anwendet und sich auf dieselbe Quelle, Ricardo, bezieht. Samuelson sagt dem Leser sogar, dass er später „einige der erforderlichen Einschränkungen nennen kann, wenn unsere einfachen Annahmen gelockert werden.“87 In der Einleitung zu seinem Lehrbuch verteidigt Samuelson sogar die Methode der Abstraktion: „Selbst wenn wir über mehr und bessere Daten verfügen würden, wäre es dennoch notwendig – wie in jeder Wissenschaft –, aus der unendlichen Menge an Details zu vereinfachen und zu abstrahieren. Kein Verstand kann eine Ansammlung zusammenhangloser Fakten erfassen. Jede Analyse beinhaltet Abstraktion. Es ist immer notwendig, zu idealisieren, Details wegzulassen, einfache Hypothesen und Muster aufzustellen, mit denen die Fakten in Beziehung gesetzt werden können, die richtigen Fragen zu stellen, bevor man sich die Welt so ansieht, wie sie ist.”88 Samuelson kann also nicht gegen Marx‘ Analysemethode sein; was ihn stört, ist der Gegenstand; was er ablehnt, ist eine Analyse, die fragt, warum „in unserem System einzelne Kapitalisten Zinsen, Dividenden und Gewinne oder Pachten und Lizenzgebühren für die von ihnen bereitgestellten Kapitalgüter erhalten. Jedes Stück Land und jedes Stück Ausrüstung hat eine Urkunde oder einen „Eigentumsnachweis“, der direkt jemandem gehört – oder er gehört einem Unternehmen, dann gehört er indirekt den einzelnen Aktionären, denen das Unternehmen gehört.“89 Samuelson hat seinen Lesern die Antwort schon verraten: „Durch Gewinne gibt die Gesellschaft denen, die eine Erfolgsbilanz vorweisen können, die Kontrolle über neue Unternehmungen.“90

Rubin sagt, dass Marx‘ „einfache Warenökonomie“ nicht als eine historische Phase vor dem Kapitalismus gesehen werden kann: „Das ist eine theoretische Abstraktion und kein Bild vom historischen Übergang von der einfachen Warenökonomie zur kapitalistischen Ökonomie” (Rubin, S. 257). Folglich ist die „Arbeitswerttheorie eine Theorie der einfachen Warenökonomie, nicht in dem Sinne, dass sie die Art von Ökonomie erklärt, die der kapitalistischen Ökonomie vorausging, sondern in dem Sinne, dass sie nur einen Aspekt der kapitalistischen Ökonomie beschreibt, nämlich die Produktionsverhältnisse zwischen den Warenproduzenten, die für jede Warenökonomie charakteristisch sind“ (Rubin, S. 255). Marx war sich vollkommen bewusst, dass er „die Theorie der kapitalistischen Ökonomie nicht direkt aus der Arbeitswerttheorie konstruieren und … die Zwischenglieder, den Durchschnittsgewinn und den Produktionspreis, umgehen konnte. Er bezeichnete solche Versuche als „Versuche, konkrete Beziehungen mit Gewalt direkt an die elementare Wertbeziehung anzupassen“, „Versuche, die das, was nicht existiert, als existent darstellen“ (Rubin, S. 255).

Rubins Buch analysiert die Zusammenhänge zwischen Technologie und sozialen Beziehungen in einer Warenökonomie, in der Menschen nicht direkt miteinander, sondern über die Produkte ihrer Arbeit in Beziehung stehen. In dieser Ökonomie wird eine technische Verbesserung von den Produzenten nicht direkt als Verbesserung ihres Lebens empfunden und geht nicht mit einer bewussten Veränderung der Arbeitstätigkeit einher. Die Arbeitstätigkeit verändert sich nicht als Reaktion auf die gesteigerte Produktivkraft der Gesellschaft, sondern als Reaktion auf Veränderungen im Wert der Produkte. „Die treibende Kraft, die das gesamte Wertesystem verändert, hat ihren Ursprung im materiell-technischen Produktionsprozess. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität zeigt sich in einer Verringerung der Menge an konkreter Arbeit, die tatsächlich im Durchschnitt für die Produktion aufgewendet wird. Als Folge davon (aufgrund des dualen Charakters der Arbeit, die sowohl konkret als auch abstrakt ist) nimmt die Menge dieser Arbeit, die als „sozial” oder „abstrakt” betrachtet wird, d. h. als Anteil an der gesamten homogenen Arbeit der Gesellschaft, ab. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität verändert die Menge der für die Produktion notwendigen abstrakten Arbeit. Sie bewirkt eine Veränderung des Werts des Arbeitsprodukts. Eine Veränderung des Werts der Produkte wirkt sich wiederum auf die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit auf die verschiedenen Produktionszweige aus … Dies ist das Schema einer Warenökonomie, in der der Wert die Rolle eines Regulators spielt und ein Gleichgewicht in der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit auf die verschiedenen Zweige herstellt …” (Rubin, S. 66).

Unter den konkreten Bedingungen der kapitalistischen Ökonomie ist dieser Prozess komplexer, aber trotz der zusätzlichen Komplexität wird die Regulierung der produktiven Aktivitäten der Menschen immer noch durch die Bewegung von Dingen durchgeführt. In der kapitalistischen Ökonomie „führt die Verteilung des Kapitals zur Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit“ (Rubin, S. 226). Allerdings „ist es (wie zuvor) unser Ziel, die Gesetze der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit zu analysieren“ (Rubin, S. 228), und daher „müssen wir einen Umweg nehmen und eine vorläufige Analyse der Gesetze der Kapitalverteilung vornehmen“. (Ebenda) Die Aufgabe wird noch komplizierter durch die Tatsache, dass „wenn wir davon ausgehen, dass die Verteilung der Arbeit durch die Verteilung des Kapitals bestimmt wird, das als Zwischenglied in der Kausalkette Bedeutung erlangt, dann hängt die Formel der Arbeitsverteilung von der Formel der Kapitalverteilung ab: ungleiche Arbeitsmengen, die durch gleiche Kapitalmengen aktiviert werden, werden miteinander ausgeglichen” (S. 235). Die Kluft zwischen der Verteilung des Kapitals und der Verteilung der Arbeit wird durch das Konzept der organischen Zusammensetzung des Kapitals überbrückt, das eine Beziehung zwischen den beiden Prozessen herstellt (S. 237).

In seiner Analyse geht Rubin von „der Existenz eines Wettbewerbs zwischen Kapitalisten, die in verschiedenen Produktionszweigen tätig sind” und auch von „der Möglichkeit des Transfers von Kapital von einem Zweig in einen anderen” aus (S. 230).91 Mit diesen Annahmen „wird die Profitrate zum Regulator der Kapitalverteilung“ (S. 229). Rubin definiert Profit als „den Mehrwert des Verkaufspreises der Ware über die Kosten ihrer Produktion“ (S. 230). Und eine Veränderung der Produktionskosten wird „letztendlich durch Veränderungen in der Arbeitsproduktivität und im Arbeitswert einiger Güter verursacht“ (S. 251) . Schematisch lässt sich der Prozess wie folgt zusammenfassen: Technischer Wandel führt zu einer Veränderung der Arbeitsproduktivität. Dies verändert die Menge der entfremdeten, abstrakten Arbeit, die in bestimmten Waren gebunden ist, und verändert folglich den Wert dieser Waren. Dies wirkt sich wiederum auf die Produktionskosten der Branchen aus, die die betreffenden Waren in ihrem Produktionsprozess verwenden, und beeinflusst somit die Gewinne der Kapitalisten in diesen Branchen. Die Veränderung der Profitabilität der betroffenen Branchen veranlasst die Kapitalisten, ihr Kapital in andere Branchen zu verlagern, und diese Kapitalbewegung führt wiederum zu einer Bewegung der Arbeiter in die anderen Branchen (obwohl die Bewegung der Arbeiter nicht unbedingt proportional zur Bewegung des Kapitals ist, da dies von der organischen Zusammensetzung des Kapitals abhängt). Ruhins Schlussfolgerung lautet, dass sich die Regulierung der Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft nur in ihrer Komplexität, nicht aber in ihrer Art von der Regulierung der Arbeit in einer einfachen Warenökonomie unterscheidet: „Anarchie in der sozialen Produktion; das Fehlen direkter sozialer Beziehungen zwischen den Produzenten: gegenseitige Beeinflussung ihrer Arbeitstätigkeiten durch Dinge, die Produkte ihrer Arbeit sind, die Verbindung zwischen der Bewegung der Produktionsverhältnisse zwischen den Menschen und der Bewegung der Dinge im Prozess der materiellen Produktion: ‚Verdinglichung‘ der Produktionsverhältnisse, die Umwandlung ihrer Eigenschaften in die Eigenschaften von ‚Dingen‘ – all diese Phänomene des Warenfetischismus sind in jeder Warenökonomie, sowohl in der einfachen als auch in der kapitalistischen, gleichermaßen vorhanden. Sie charakterisieren den Arbeitswert und den Produktionspreis auf die gleiche Weise“ (S. 253, Rubins Kursivschrift). Der erste Band von Das Kapital liefert den Kontext, der zweite Band beschreibt den Mechanismus, und der dritte Band behandelt ausführlich den beeindruckenden Prozess, durch den „das durch Arbeit hergestellte Objekt, sein Produkt, nun als fremdes Wesen, als vom Produzenten unabhängige Kraft“ ihm gegenübersteht, den Prozess, durch den „das Leben, das er dem Objekt gegeben hat, sich ihm als fremde und feindliche Kraft entgegenstellt“.

Fredy Perlman

Kalamazoo

1968


1Paul A. Samuelson, Economics, An Introductory Analysis, New York: McGraw Hill, 1967, 7. Auflage, S. 1 und S. 5 (Kursivschrift von Samuelson). Samuelsons Buch ist der Prototyp des Lehrbuchs, das derzeit an amerikanischen Universitäten verwendet wird, um Studenten die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften zu vermitteln.

2Robert W. Campbell, Marx, Kantorovich and Novozhilov: Stoimost versus Reality, Slavic Review, Oktober 1961, S. 402–418. Nachgedruckt in Wayne A. Leeman, Hrsg., Capitalism, Market Socialism and Central Planning, Boston: Houghton Mifflin, 1963, S. 102–118, sowie in Harry G. Shaffer, The Soviet Economy, New York: Appleton-Century-Crofts, 1963, S. 350–366. Campbell ist heute eine amerikanische Autorität auf dem Gebiet der Marxschen Ökonomie.

3Abram Bergson, The Economics of Soviet Planning, New Haven: Yale University Press, 1964, S. 3. Bergson ist Direktor des Russian Research Center an der Harvard University und wie Campbell heute eine Autorität auf dem Gebiet der Marxschen Ökonomie.

4Nach dem Titel von William Appleman Williams‘ The Great Evasion, Chicago: Quadrangle Books, 1964. Williams beschreibt anschaulich einige der Techniken der Ausflucht: „Die Fluchtstrategien, die bei dieser rasanten Flucht aus der Realität zum Einsatz kommen, würden ein Handbuch der Ausflüchte, ein Handbuch der Haarspalterei und einen Leitfaden zum Themawechsel füllen.“ (S. 18).

5I. I. Rubin, Ocherki po teorii stoimosti Marksa, Moskva: Gosudarstvennoe Izdatel’stvo, 3. Auflage, 1928, S. 41; vorliegende Übersetzung, S. 31. Rubins Buch wurde nach 1928 in der Sowjetunion nicht mehr neu aufgelegt und bisher noch nie übersetzt. Alle Seitenangaben in dieser Einleitung beziehen sich auf die vorliegende Übersetzung.

6Samuelson, op. cit., S. 1.

7Zum Beispiel: „Seltsamerweise war es der sehr junge Marx (der in den frühen 1840er Jahren schrieb), der Ideen entwickelte, die sehr stark an andere Denksysteme angelehnt waren, die für die Mentalität der 1950er und 1960er Jahre so attraktiv waren: Psychoanalyse, Existentialismus und Zen-Buddhismus. Umgekehrt waren die Werke des reifen Marx, die den Schwerpunkt auf ökonomische und politische Analysen legten, für Intellektuelle der fortgeschrittenen westlichen Nationen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs weniger interessant. Robert Blauner, Alienation and Freedom: The Factory Worker and His Industry, Chicago: University of Chicago Press. 1964, S. 1.

8Karl Marx, Die ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844. New York: International Publishers, 1964, S. 178.

9Ebenda, S. 176. (Kursivschrift im Original.)

10Ebenda, S. 177.

11Ebenda, S. 184.

12Ebenda, S. 185.

13Ebenda, S. 172.

14Karl Marx, Thesen über Feuerbach, in: T.B. Bottomore und Maximillien Rubel (Hrsg.), Karl Marx, Selected Writings in Sociology and Social Philosophy, New York: McGraw Hill, 1964, S. 68.

15Ebenda, S. 67.

16Karl Marx und Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, Moskau: Progress Publishers, 1964, S. 58–59.

17Aus „Excerpt-Notes of 1844” in Writings of the Young Marx on Philosophy and Society, übersetzt und herausgegeben von Loyd D. Easton und Kurt H. Guddat, Garden City: Anchor Books, 1967, S. 28 1. (kursiv im Original)

18Ebenda, S. 281–282.

19Blauner, Alienation and Freedom: The Factory Worker and his Industry, S. 15.

20Ebenda, S. 3

2121Aus „Excerpt-Notes of 1844”, loc. cit., S. 275–276.

2222Ebenda, S. 272.

2323Bottomore und Rubel, Hrsg., op. cit., S. 170.

24Ebenda, S. 171 und 170.

25Karl Marx, Economic and Philosophic Manuscripts of 1844, New York: International Publishers, 1964, S. 150.

26Veljko Korac, „In Search of Human Society“, in: Erich Fromm (Hrsg.), Socialist Humanism, Garden City: Anchor Books, 1966, S. 6. (Kursivschrift im Original.)

27Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahr 1844, S. 146.

28Bottomore und Rubel, Hrsg., op. cit., S. 243–244.

29Easton und Guddat, Writings of the Young Marx on Philosophy and Society, S. 262–263.

30Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, S. 169.

31Erich Fromm, Beyond the Chains of Illusion, New York: Pocket Books, Inc., 1962, S. 32.

32Ebenda, S. 49.

33Ebenda, S. 196–197.

34Marx und Engels, Die deutsche Ideologie, S. 23–24.

35Brief von Marx an P. V. Annenkov vom 28. Dezember 1846, in: Karl Marx, The Poverty of Philosophy, New York: International Publishers, 1963, S. 191.

36Marx und Engels, Die deutsche Ideologie, S. 32.

37Ebenda, S. 37.

38Marx, Das Elend der Philosophie, S. 109.

39Marx und Engels, Die deutsche Ideologie, S. 50.

40Brief von Marx an Annenkov, loc. cit., S. 181.

41Marx und Engels, Die deutsche Ideologie, S. 475.

42Karl Marx, Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie, Chicago: Charles H. Kerr & Co., 1904, S. 12. Es ist interessant zu sehen, dass Marx an dieser Stelle anfängt, eine allgemeine Theorie der kulturellen Entwicklung und des kulturellen Wandels zu entwickeln, oder was der Anthropologe Leslie White als „Wissenschaft der Kultur” bezeichnet hat. (Siehe Leslie A. White, The Science of Culture, New York: Grove Press, 1949.) Der Absatz, aus dem das oben zitierte Stück stammt, enthält auch die folgende Formulierung: „So wie unsere Meinung über ein Individuum nicht darauf basiert, was er selbst von sich denkt, können wir auch eine solche Transformationsphase nicht anhand seines eigenen Bewusstseins beurteilen; im Gegenteil, dieses Bewusstsein muss vielmehr aus den Widersprüchen des materiellen Lebens erklärt werden, aus dem bestehenden Konflikt zwischen den materiellen Produktionskräften und den Produktionsverhältnissen. Keine Gesellschaftsordnung verschwindet jemals, bevor nicht alle Produktivkräfte, für die in ihr Platz ist, entwickelt worden sind; und neue, höhere Produktionsverhältnisse treten niemals in Erscheinung, bevor nicht die materiellen Bedingungen für ihre Existenz im Schoß der alten Gesellschaft gereift sind. Deshalb nimmt sich die Menschheit immer nur solche Probleme vor, die sie lösen kann; denn wenn wir genauer hinschauen, werden wir immer feststellen, dass das Problem selbst erst dann auftaucht, wenn die für seine Lösung notwendigen materiellen Bedingungen schon da sind oder sich zumindest gerade entwickeln.“ (S. 12-13)

43Marx und Engels, Die deutsche Ideologie, S. 46.

44C. Wright Mills hat den Zusammenhang zwischen dem Begriff der Entfremdung und Marx‘ späterem Werk, nämlich den drei Bänden des Kapitals, nicht erkannt und daher die Frage der Entfremdung auf „die Frage der Einstellung der Menschen zu ihrer Arbeit” reduziert. Deshalb war Mills in dieser Hinsicht von Marx enttäuscht: „Gelinde gesagt ist der Zustand, in dem Marx das Konzept der Entfremdung hinterlassen hat, ziemlich unvollständig und brillant mehrdeutig.“ (C. Wright Mills, The Marxists, New York: Dell Publishing Co., 1962, S. 112.)

45Marx, Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 30.

46Ebenda.

47Samuelson, Volkswirtschaftslehre, S. 542.

48David Ricardo, The Principles of‘ Political Economy and Taxation, Homewood, Illinois: Richard D. Irwin. Inc., 1963, S. 45.

49Marx, Ökonomische und philosophische Manuskripte von 1844, S. 150.

50Karl Marx, Das Kapital: Eine Kritik der politischen Ökonomie, Band III, Moskau: Progress Publishers, 1966, S. 819.

51Marx, Das Kapital, III, S. 819.

52Samuelson, Volkswirtschaftslehre, S. 591.52

53Marx, Das Kapital, III, S. 816.

54Marx, Ökonomische und philosophische Manuskripte von 1844, S. 169.

55Samuelson, Volkswirtschaftslehre, S. 572.

56Marx, Das Kapital, III, S. 830, wo der letzte Teil dieser Passage lautet: „… in dem Monsieur le Capital und Madame la Terre als soziale Charaktere und gleichzeitig direkt als bloße Dinge ihren Geistergang machen.“ Die oben zitierte Version stammt aus Marx on Economics, herausgegeben von Robert Freedman, New York: Harcourt, Brace & World, 1961, S. 65.

57Karl Marx, Das Kapital, Band 1, Moskau: Progress Publishers, 1965, S. 72; New York: Random House, Ausgabe von 1906, S. 83.

58Samuelson, Volkswirtschaftslehre, S. 591.

59Marx, Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 31.

60Marx, Das Kapital, III, S. 824.

61Samuelson, Volkswirtschaftslehre, S. 602.

62Marx, Ökonomische und philosophische Manuskripte von 1844, S. 108; die oben angeführte Passage ist aus Bottomore und Rubell, op. cit., S. 170-171, zitiert.

63Daniel R. Fusfeld, The Age of the Economist, Glenview, Illinois: Scott. Foresman & Co., 1966, S. 74.

64Jean Baptiste Say, Traite d’Economie politique, erstmals veröffentlicht 1803. Augustin Cournot, Recherches sur les principes mathematiques de la theorie des richesses, 1838. Die Wiederbelebung erfolgte in den 1870er Jahren durch Karl Menger, William Stanley Jevons und Leon Walras, und die Arbeit wurde in den 1890er Jahren von Alfred Marshall „synthetisiert”.

65Op. cit., S. 73.

66Robert Campbell, „Marxian Analysis, Mathematical Methods, and Scientific Ökonomisch Planning”, in Shaffer, op. cit., S. 352.

67Fusfeld, op. cit., S. 74.

68Campbell, loc. cit.

69Ebenda.

70Fusfeld, op. cit., S. 74.

71Ebenda, S. 75.

72Volkswirtschaftslehre, S. 601–602; schon vorher zitiert.

73Oskar Lange, On the Economic Theory of Socialism, New York: McGraw Hill, 1964 (zusammen mit einem Aufsatz von Fred M. Taylor veröffentlicht), S. 141.

74Ebenda, S. 132–133.

75Ebenda, S. 133.

76Fred M. Gottheil, Marx’s Economic Predictions, Evanston: Northwestern University Press, 1966, S. 27.

77Joan Robinson, Economic Philosophie, Garden City: Anchor Books, 1964, S. 35.

78Ebenda, S. 37, Kursivschrift im Original.

79Ebenda.

80Thorstein Veblen, „The Socialist Economics of Karl Marx“, The Quarterly Journal of Economics. Band: XX, Aug. 1906, nachgedruckt in The Portable Veblen, herausgegeben von Max Lerner, New York: Viking Press, 1948, S. 284. In einer Fußnote fügt Veblen hinzu, dass „im Marxschen Sprachgebrauch ‚kapitalistische Produktion‘ die Produktion von Gütern/Waren für den Markt durch Lohnarbeiter unter der Leitung von Arbeitgebern bedeutet, die die Produktionsmittel besitzen (oder kontrollieren) und aus Profitgründen in der Industrie tätig sind”.

81Ebenda, S. 287–288.

82Samuelson, Economics, S. 27.

83Ebenda, S. 29.

84Ebenda, Kursivschrift von Samuelson.

85Ebenda

86Aus Samuelsons Erklärung des Gesetzes des komparativen Vorteils: „In Amerika kostet eine Einheit Lebensmittel 1 Tag Arbeit und eine Einheit Kleidung 2 Tage Arbeit. In Europa kostet eine Einheit Lebensmittel 3 Tage Arbeit und eine Einheit Kleidung 4 Tage Arbeit“ usw. Ebenda, S. 649.

87Ebenda, S. 648.

88Ebenda, S. 8. Kursivschrift von Samuelson.

89Ebenda, S. 50.

90Ebenda, S. 602.

91Rubin geht nicht auf Fälle ein, in denen die Annahmen des perfekten Wettbewerbs und der perfekten Mobilität des Kapitals nicht zutreffen. Deshalb geht er in seiner Analyse nicht auf Probleme wie Imperialismus, Monopol, Militarismus und Binnenkolonien (die heute unter den Begriff Rassismus fallen würden) ein. Rubin befasst sich auch nicht mit den Veränderungen in den Produktionsverhältnissen, die durch die zunehmende Größe und Macht der Produktivkräfte verursacht wurden und die Marx teilweise im dritten Band von Das Kapital untersucht hatte, und er geht auch nicht auf deren Entwicklung oder Transformationen ein.

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