Theorien der Dekadenz, Dekadenz der Theorie. Das schlimmste Produkt des Imperialismus: der Antiimperialismus (Teil 2)

Auf der Seite von Tridni Valka/Klassenkrieg gefunden, die Übersetzung ist von uns.


Theorien der Dekadenz, Dekadenz der Theorie. Das schlimmste Produkt des Imperialismus: der Antiimperialismus (Teil 2)

Quelle: Groupe Communiste Internationaliste, Le Communiste Nr. 25, November 1986

Im Rahmen unserer Kritik an der „Theorie der Dekadenz“ (décadentisme) als einer Reihe von Ideologien, die den historischen Antagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie verschleiern/aufbrechen, wollten wir eine seiner Varianten näher betrachten, die besonders von Linken (Trotzkisten, Stalinisten, Bordigisten, Maoisten …) vertreten wird: die Theorie vom Imperialismus als „höchster Stufe des Kapitalismus“. Es geht nicht darum, den Antiimperialismus als Kategorie der politischen Ökonomie zu kritisieren, die die Gefahr birgt, die Proletarier vom Weg der Revolution abzubringen, sondern darin, in ihm eine materielle Kraft zu sehen, die die Arbeiter in den Konkurrenzkämpfen zwischen den Fraktionen der Bourgeoisie in die Atomisierung und Zerstörung treibt. Den Imperialismus als höchste Stufe des Kapitalismus zu definieren, bedeutet, wie es jede Dekadenz-Theorie, der etwas auf sich hält, tut, einen Bruch im Programm des Kapitals herbeizuführen, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht. Eine imperialistische Phase in der Entwicklung des Kapitals zu theoretisieren und „neue“ Aufgaben vorzuschlagen, die durch den Beginn einer „neuen“ Periode gerechtfertigt sind, bedeutet vor allem, die „alte“ Praxis zu billigen… 1914 wollten die radikalsten Sozialdemokraten angesichts des konterrevolutionären Programms der II. Internationale „von vorne anfangen”, ohne jedoch Bilanz aus den vergangenen Jahren zu ziehen und ihre eigene Tätigkeit innerhalb der konterrevolutionären Organisation einer kritischen Prüfung/Bilanz zu unterziehen. Die Mediation, um diese kritische Bilanz zu vermeiden, bestand in der Ausarbeitung einer Reihe von Thesen, die darauf abzielten, einen Kapitalismus in seiner „höchsten Stufe“ darzustellen, um eine neue Ausrichtung zu theoretisieren, die darin bestand, die Aufgaben des Proletariats ab oder um das heilige Jahr 1914 herum zu übernehmen: für die Revolution durch die Reform (!) vor 1914, für die Revolution gegen die Reform nach 1914!! Die Sozialdemokraten können so weiterhin auf die „glorreiche Vergangenheit“ der II. Internationale verweisen und behaupten, der Reformismus vor 1914 sei nur ein Mittel zum Zweck gewesen: dem Kommunismus; aber die Realität ist das Gegenteil von dem, was es schien: Der Kommunismus – als Ideologie – war nur ein Mittel, um die Arbeiter dazu zu bringen, die reformistischen Ziele der Bourgeoisie zu verwirklichen. Diese Kritik nicht zu üben, bedeutet, nicht mit der sozialdemokratischen Praxis zu brechen!

Ein Bruch also in der Zeit, aber auch ein Bruch im Raum: Der Kampf gegen den Imperialismus impliziert, dass es imperialistischere Länder gibt als andere. Der Antiimperialismus ist somit der Inbegriff der Verteidigung des „schwächsten” Landes, der „unterdrücktesten” Nation . Vom Klassenkampf gleitet man zur interklassistischen (klassenübergreifende) Front zur Rettung der von der „feindlichen Finanzoligarchie” unterdrückten Nation, wobei der neue Sport der Linken darin besteht, in jedem Krieg die imperialistischste Nation zu bestimmen. Es gibt aber keine „imperialistischere“ Nation, weil es im Wesen jedes Nationalismus liegt, davon zu träumen, sich in ein Imperium zu verwandeln. Imperialismus ist nie eine Frage des Landes. Jede Nation ist per Definition imperialistisch. Die Linken nutzen eine Situation, in der einer der kapitalistischen Konkurrenten in einer schlechten Lage ist, um die Dummköpfe in den Krieg gegen die „aggressivste“ Nation zu treiben. Die linken Fraktionen sind so die perfekte Ergänzung zum „rechten“ Nationalismus; die Falle schließt sich und die Arbeiter werden ins Gemetzel geschickt.

Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ ist das Lieblingsbuch der Antiimperialisten: Es wurde von Lenin während des Ersten Weltkriegs im Frühjahr 1916 geschrieben. Lenin stützte sich dabei auf das Buch eines englischen Ökonomen, J.A. Hobson, der den Imperialismus aus einer Sicht anprangerte, die von den Sozialisten und insbesondere von Hilferding übernommen wurde. Die Sozialdemokraten hatten ihre konterrevolutionäre Natur offen gezeigt, indem sie die Arbeiter zur militärischen Mobilisierung hinter „ihre“ jeweiligen nationalen Fahnen aufriefen. Lenin konnte die „Gegenwart“ der sozialdemokratischen Praxis im Jahr 1914 leicht anprangern. Ganz anders war sein Verständnis vom historischen Klassencharakter (gestern-heute-morgen) der II. Internationale. Lenin sah, wie die meisten Anhänger der Dekadenz-Theorie, in der sozialdemokratischen Organisation den Ausdruck des Kampfes für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter im Rahmen der kapitalistischen Entwicklung und des kapitalistischen Fortschritts. Die Anhänger der Dekadenz-Theorie stellten diesen Rahmen nicht in Frage: Für sie ging es, wenn sozialer Frieden herrschte, der auf der vorherigen Unterdrückung des Proletariats und der darauf folgenden Phase der Kapitalverwertung beruhte, muss man für Reformen kämpfen, und in diesem Sinne konnten Parlamentarismus und Gewerkschaftswesen/Syndikalisus ihrer Ansicht nach eine historische Rechtfertigung finden. Die aktuellen leninistischen und Auffassungen der Dekadenz-Theorie unterscheiden sich in der Einschätzung der Dauer der Dekadenzphase nach 1914. Für Lenin bedeutete die höchste Stufe des Kapitalismus, die Monopolstufe, unter den Bedingungen, die sie für den Kommunismus schuf, den kurzfristigen Zusammenbruch der gesamten Gesellschaft. Der Imperialismus war für ihn die Sackgasse des Kapitalismus:

„… man muss ihn [den Imperialismus] als einen Übergangskapitalismus oder, genauer gesagt, als einen sterbenden Kapitalismus charakterisieren.“ (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium…“)

Was alle Linken später theoretisieren werden, ist eine Ideologie, die selbst nur eine Fortsetzung der Theorien Lenins ist oder, genauer gesagt, eine Weiterentwicklung, die zu den aktuellen „antiimperialistischen“ Gerüsten mit ihrer Unterstützung für diesen oder jenen Block führt, kurz gesagt zum „Antiimperialismus “ als Strategie im Kampf gegen die „Großkapitalisten“ – verstanden als Reformprogramm (mit oder ohne Armee) des Kapitals auf der Grundlage der Polarisierung der Proletarier in gegnerische Lager. Wenn sich also Lenins Theorie in der Bewertung der Zeit, auf die sich sein Buch bezog, von der der linken Priester unterscheidet, so bleibt doch die Tatsache bestehen, dass seine allgemeine Sicht der Gesellschaft als Rechtfertigung seiner Praxis den späteren Hirngespinsten der „kleinen roten Bürokraten“ geliefert hat. Auf seine Weise drückt Lenin die sozialdemokratische Kontinuität aus. Durch seine Verurteilung des Bankrotts der II. Internationale betrachtet er die kriegerische Praxis der Sozialdemokratischen Internationale nur als Verrat, und genau das hindert ihn daran, den bourgeoisen Ursprung und Charakter der Sozialdemokratie zu kritisieren. Er kritisiert die Folgen und nicht das Wesen der Praxis der reformistischen Organisation; er weigert sich, darin die Entwicklung des politischen Apparats der herrschenden Klasse in einer Zeit zu sehen, in der die Unterdrückung der Kämpfe vorherrscht und Reformismus mit Progressismus und Positivismus als Ideologien einer Phase der Expansion des Kapitals einhergeht. Bücher sind das Produkt der Geschichte im weitesten Sinne, aber sie rechtfertigen oft auch die kleine Geschichte ihres Autors; Lenins Imperialismustheorie ist nur ein Versuch, Nationalismus, Krieg, Reformismus … das Verschwinden des Proletariats als Subjekt der Revolution in einem anderen (antiimperialistischen!) Licht zu rechtfertigen. Nachdem klar ist, dass die theoretischen Spitzfindigkeiten von Lenin, Hilferding, Kautsky, Luxemburg … in ihrer „linken“ sozialdemokratischen Praxis liegt, müssen die ökologisch-politischen Kategorien und Prinzipien, die alle Linken heute benutzen, um die Proletarier in immer nationalistischere Kriege zu treiben, untersucht und kritisiert – um sie zu zerstören – werden.

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Die leninistisch-dekadentistische Ideologie basiert auf einer festen Vorstellung von den widersprüchlichen Tendenzen der kapitalistischen Entwicklung. Lenin beobachtet eine Phase der zunehmenden Konzentration des Kapitals in Verbindung mit einer stärkeren Tendenz zur Bildung von Monopolen, aber er macht aus einem bestimmten Moment, indem er den Wettbewerb als dieser Bildung entgegenstehende Tendenz eliminiert, ein allgemeines Gesetz der weiteren Entwicklung des Kapitals. Er kündigt damit den katastrophalen Zusammenbruch des Kapitalismus auf der Grundlage eines permanenten (aber momentan stärker ausgeprägten) Phänomens der Wertsteigerung/Wertminderung an, und diese imperialistische Phase muss dann einen revolutionären Weg bestimmen, der den reformistischen Praktiken entgegensteht, die durch die „fortschrittliche Phase” des Kapitals gerechtfertigt werden. Der Imperialismus wird als äußerste Grenze des „ökonomisch” betrachteten Kapitalismus angeprangert, und als guter Dichotomist liefert uns Lenin das „politische” Äquivalent dieser Grenze: den Opportunismus als verfehlte politische Haltung der Anführer der II. Internationale. Abgerundet wird diese Aufteilung durch die „soziologische” Grundlage, die der Autor diesem politischen Opportunismus geben will: die Arbeiteraristokratie, diese „privilegierte Schicht des Proletariats der imperialistischen Mächte, die teilweise auf Kosten von Hunderten Millionen Menschen aus unzivilisierten Völkern lebt” (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium der Kapitalismus und Weg der Revolution“, Oktober 1916). Lenins gesamte politische These basiert auf einer Vorstellung vom Kommunismus, die mit der der Sozialdemokratie verbunden ist, die in der kapitalistischen Vergesellschaftung der Produktionsweise einen Schritt in Richtung Sozialismus und Fortschritt, die Wissenschaft und die kapitalistische Entwicklung als den Weg, der direkt in eine klassenlose Gesellschaft führt. Für Hilferding – diesen Sozialisten, auf den sich Lenin weitgehend stützte, um seine Thesen zu untermauern – konnte die monopolistische Tendenz zur Bildung eines allgemeinen Kartells führen, das bewusst die gesamte kapitalistische Produktion regulieren und so die „Anarchie“ der Produktionsweise überwinden könnte; diese Hypothese führte in seiner Vision eines ewigen Fortschritts natürlich dazu, dass die revolutionäre Lösung der Widersprüche der bestehenden Gesellschaftsordnung überflüssig wurde und ein friedlicher Übergang zum Sozialismus möglich wurde! Auch hier stellt Lenin, ohne die reformistischen Grundlagen und damit die politischen Implikationen einer solchen Hypothese im Geringsten in Frage zu stellen, lediglich eine linke Version davon vor, in der sich hinter der Beschreibung des Niedergangs des Kapitals, des Stillstands des Fortschritts, der Verwesung der Gesellschaft … die Apologie des Sozialismus verbirgt. Lenin kritisiert nicht den Fortschritt, sondern den Stillstand des Fortschritts. So gibt es eine echte Kontinuität zwischen Hilferding, der den „organisierten Kapitalismus” als erste Stufe des Sozialismus beschreibt, und der leninistischen Beschreibung der monopolistischen Stufe des Kapitals als Vorstufe und Voraussetzung für den Übergang zum Sozialismus.

„Mit anderen Worten: Der alte Kapitalismus, der Kapitalismus des freien Wettbewerbs, verschwindet für immer. An seine Stelle tritt ein neuer Kapitalismus, der offensichtliche Übergangselemente aufweist, eine Art Mischung aus freiem Wettbewerb und Monopol. Es stellt sich die Frage: Wohin führt dieser „Übergang“, den der moderne Kapitalismus darstellt? (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium…“)

„Zum Sozialismus“, antwortet Lenin selbst, weil „der Imperialismus […] objektiv alle Voraussetzungen für seine Verwirklichung geschaffen hat“ (Lenin, „Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, Januar 1916)1. Seine Vision eines Sozialismus, der durch die „Verstärkung des monopolistischen Charakters des Kapitals“, durch die „Vergesellschaftung der Produktionsmittel“, durch die Kraft des Fortschritts und der bourgeoisen Wissenschaft ermöglicht und erleichtert wird ihn erlauben – nachdem der proletarische Aufstand in Russland vorübergehend besiegt ist [sic! Tridni Valka/Klassenkrieg] – diesen Mangel an Bruch mit den reformistischen Projekten des Kapitals praktisch umzusetzen: Die Ausbreitung des Aufstands wurde (unter anderem) durch die düsteren Verträge von Brest-Litowsk gebrochen, Lenin wird die Entwicklung eines „Staatskapitalismus im Dienste des Volkes“ fordern und dabei insbesondere Deutschland als Beispiel für eine ökonomische Entwicklung nehmen, die durch ihre hohe Technisierung und Robustheit alle Garantien für einen schnellen Übergang zum Sozialismus bietet.

„Um die Frage noch besser zu verdeutlichen, wollen wir zunächst ein konkretes Beispiel für den Staatskapitalismus anführen. Dieses Beispiel ist allen bekannt: Es ist Deutschland. Hier finden wir das „letzte Wort” der modernen Technik der kapitalistischen Großindustrie und einer methodischen Organisation, die dem Imperialismus der Bourgeoisie und des Kleinadels untergeordnet ist. Streichen Sie die kursiv gedruckten Wörter, setzen Sie anstelle des Militärstaates, des Staates der Kleinadligen, Bourgeois, imperialistisch, einen Staat derselben Art, aber mit einer anderen sozialen Struktur, einer anderen Klassennatur, den sowjetischen Staat, d. h. den proletarischen Staat, und Sie erhalten die gesamte Summe der Faktoren, die der Sozialismus bietet. (Lenin, „Über die Naturalsteuer“, 1921)

Das Kapital als „monopolistisch“ zu bezeichnen und in dieser ideologischen Einstufung einen Schritt in Richtung Sozialismus zu sehen, ist nur eine Möglichkeit, hinter einer neuen Kategorie der politischen Ökonomie die Verherrlichung des Kapitals zu verstecken, Punkt! Das sogenannte „monopolistische“ Kapital als Vorstufe des Kommunismus zu sehen, sowohl negativ – weil die Tendenz zum Monopol den Wettbewerb überflüssig machen und somit den katastrophalen Zusammenbruch des Kapitals verursachen würde – als auch positiv – weil der technologisch-wissenschaftliche Fortschritt und die Sozialisierung der Produktionsmittel durch das Kapital die Kommunisierung der Welt erleichtern würden – verwechselt Lenin die chronische Unfähigkeit des Kapitals, sich selbst zu verwalten, mit der proletarischen Revolution! Für die Kommunisten sind die Entwicklung der Produktivkräfte und die Schwierigkeiten bei der Verwaltung des Kapitals nur Bedingungen für die Revolution; der einzige revolutionäre Faktor, der einzige wahre Totengräber dieser Mumiengesellschaft, der einzige Träger des katastrophalen Zusammenbruchs des Kapitals ist das handelnde Proletariat. Der kapitalistische Fortschritt ist nur der Fortschritt der Zivilisation, der immer terroristischeren Umwandlung der Menschen in Staatsbürger. Fortschritt und Wissenschaft haben niemals die Entwicklung der Humanisierung der Gesellschaft zum Ziel; Fortschritt und Wissenschaft werden von der Wertsteigerung angetrieben, jeder wissenschaftliche Fortschritt, jeder zusätzliche Fortschritt, der den Menschen immer mehr an die Arbeit im Sinne einer ständigen Reform/Aufrechterhaltung des Lohnsystems bindet. Die Bourgeoisie gewährt nur dann Fortschritt, wenn sie weiß, dass sie dadurch die Möglichkeit gewinnt, die Kampfgelüste der Proletarier immer besser zu kontrollieren. Wissenschaft und Fortschritt haben nichts mit Wissen und dem bewussten Fortschritt der Gesellschaft zu tun. Genauso wie Religion und Reaktion sind Wissenschaft und Fortschritt weißer, antikommunistischer Terror. Lenin hat nie verstanden und entsprechend gehandelt, dass es eine Kluft, einen Bruch zwischen dem Kampf für den Kommunismus und der Entwicklung des kapitalistischen Fortschritts gibt. Er musste nicht erst die Einführung des Taylor-Systems abwarten, um von der Richtigkeit der Wissenschaft und des bourgeoisen Fortschritts überzeugt zu sein; 1905 äußerte er sich wie folgt:

„Aber wir Marxisten müssen wissen, dass es für das Proletariat […] keinen anderen Weg zur wahren Freiheit gibt und geben kann als den der bourgeoisen Freiheit und des bourgeoisen Fortschritts.“ (Lenin, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“)

Lenin und all diejenigen, die ihn – unabhängig von ihrer Ausrichtung (Maoisten, Bordigisten, Trotzkisten, Humanisten, Faschisten…) – verehren und als unantastbaren alten Mann heiligen, haben nie begriffen, dass sie den Kapitalismus unterstützen, indem sie eine Phase seiner Entwicklung einer anderen entgegenstellen, Fortschritt und Verfall, Aufstieg und Niedergang, Entstehung und Überalterung, indem sie besondere Aufgaben für die Zeit vor und nach dem „Jahr 1914“ festlegen, haben sie lediglich einen ganzen Teil der Reformarbeit des Kapitals gerechtfertigt und damit daran mitgewirkt. Organisatorisch und formal mit der Sozialdemokratie zu „brechen“, ohne programmatisch eine kritische Bilanz der konzeptionellen Vergangenheit zu ziehen, auf der dieser Bruch beruht, bedeutet, die Schwächen, die man durch die Tür geworfen zu haben glaubt, durch das Fenster wieder hereinzulassen.

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In der Definition des Imperialismus als höchster Stufe des Kapitalismus und in den neuen politischen Aufgaben, die er den Revolutionären dieser Zeit zuweist, legt Lenin von vornherein die Grenzen dar und begründet sie, die die Bolschewiki nach dem Aufstand bei der Organisation der Fortsetzung des revolutionären Kampfes exponentiell zeigen werden.

„[Wir müssen] den Imperialismus mit den folgenden fünf grundlegenden Merkmalen definieren:

1. Konzentration der Produktion und des Kapitals in einem so hohen Entwicklungsstadium, dass Monopole entstanden sind, die eine entscheidende Rolle im Wirtschaftsleben spielen; […] “ (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium…“)

Für Lenin bestimmt die entscheidende Rolle des Monopols eine besondere Phase des Kapitalismus: diejenige, die zu seinem katastrophalen Ende führt. Der „neue“ Kapitalismus unterscheidet sich von der vorherigen Epoche dadurch, dass er den freien Wettbewerb, ein spezifisches Merkmal des „alten Kapitalismus“, vollständig zu negieren sucht.

„Der alte Kapitalismus hat ausgedient. Der neue ist eine Übergangsform. Die Suche nach „festen Grundsätzen und einem konkreten Ziel“, um das Monopol und den freien Wettbewerb „in Einklang zu bringen“, ist offensichtlich ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.“ (Lenin, „Der Imperialismus, die höchste Stufe…“)

„Unvereinbarkeit“, „Bruch“ … sind also die Worte, die Lenin benutzt, um die Beziehungen zwischen der „Epoche des freien Wettbewerbs“ und der „monopolistischen Stufe“ zu beschreiben. Der Fehler ist vor allem methodisch: Lenin nimmt eine vorherrschende Tendenz zu einem bestimmten Zeitpunkt der kapitalistischen Entwicklung und verwandelt sie in ein konstantes und unwidersprochenes Gesetz, das einseitig die Zukunft der Gesellschaft bestimmt: „Der Wettbewerb hat sich in Monopolismus verwandelt“, und das soll (mit ein bisschen Hilfe vom Proletariat natürlich!) den Zusammenbruch des Systems bestimmen. Aber das Monopol einseitig dem Wettbewerb gegenüberzustellen, bedeutet zu vergessen, dass Letzterer der Motor der Wertsteigerung ist… und damit auch der Tendenz zum Monopol! Die Tendenz zum Monopol als höchsten Entwicklungszustand des Kapitalismus zu betrachten, bedeutet, die unmögliche Zukunft des Kapitals durch die Beseitigung seines Widerspruchs, seiner Bewegung, in Betracht zu ziehen. Kautsky hat diese Utopie vulgär beschrieben: Der Ultraimperialismus – die höchste „Höchststufe” des Kapitalismus! – würde das Ende der Kriege durch die bewusste und organisierte Aufteilung der Ausbeutung in der ganzen Welt auf der Grundlage eines „universellen Monopols”, eines „einzigen Weltkartells” ermöglichen. Lenin kritisiert diese Vision aus linker Sicht, also ohne das Feld der politischen Ökonomie zu verlassen. Kautsky drückt lediglich die Konsequenz der widerspruchsfreien kapitalistischen Entwicklung umgekehrt aus: Für ihn führt der Monopolismus zu einem Kapitalismus, der die „Anarchie der Produktion“ perfekt beherrscht, und für Lenin führt dieselbe reibungslose Tendenz zum Monopol zum fatalen Zusammenbruch des Systems. Kautsky und Lenin zeigen hinter ihrem Optimismus oder Pessimismus hinsichtlich der zu erwartenden Folgen dasselbe Unverständnis für die Beziehungen zwischen dem Spiel der Konkurrenz und der Tendenz zum Monopol. Wenn der Wettbewerb durch die Eliminierung der Schwächsten tatsächlich zu einer Konzentration der Produktion führt, wird die Konzentrationsbewegung selbst immer mehr durch den Wettbewerb negiert. Die Tendenz zum Monopol ist also immer relativ. So ging die Konzentration des Kapitals am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Gründung von Aktiengesellschaften einher, wo eine neue Zersplitterung des Eigentums zu anderen Ebenen des Wettbewerbs führte. Es ist also total absurd zu sagen, dass „der Wettbewerb sich in ein Monopol verwandelt hat“, denn wenn die Gründung riesiger Unternehmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Produktions- oder Vertriebsmonopol in einem bestimmten Sektor haben, eine Tatsache ist, so ist es ebenso sicher, dass die meisten dieser „Monopole” und die ihnen zugrunde liegenden Vereinbarungen zwischen Kapitalisten nicht ewig bestehen bleiben und sich durch neue Gegebenheiten, neue Märkte, die frühere Vereinbarungen in Frage stellen, neue Verträge erfordern und damit den Wettbewerb zwischen den Kapitalisten verschärfen! Wie Marx in „Das Elend der Philosophie“ betont, schließen sich Monopol und Wettbewerb nicht gegenseitig aus:

„Im praktischen Leben gibt es nicht nur Wettbewerb, Monopol und deren Antagonismus, sondern auch deren Synthese, die keine Formel, sondern eine Bewegung ist. Das Monopol erzeugt den Wettbewerb, der Wettbewerb erzeugt das Monopol. Die Monopolisten konkurrieren miteinander, die Konkurrenten werden zu Monopolisten. […] Die Synthese ist so beschaffen, dass das Monopol sich nur durch den ständigen Kampf des Wettbewerbs aufrechterhalten kann. “

Diese Konkurrenz gibt es auf allen Ebenen: zwischen Monopolen desselben oder verschiedener Länder, innerhalb der Monopole selbst… Alle Theorien über den Imperialismus, die mit einigen Abweichungen von allen zeitgenössischen Antiimperialisten aufgegriffen werden, haben gemeinsam, dass sie eine Tendenz zur Konzentration der Handelsunternehmen als eine unumkehrbare Entwicklung hin zu einer einzigen Form der Ökonomie interpretieren: dem Monopol. Sie verlieren dabei den einzigen revolutionären Faktor der Gesellschaft, das Proletariat, aus den Augen und „füllen“ diese Ausblendung der subversiven Kräfte durch die Schaffung einer neuen Kategorie der politischen Ökonomie: den Monopolismus als „dekadente“ Kraft, die das Kapital in den Untergang treibt. Die Linken träumen nicht: Sie wissen, dass das Kapital niemals aufgrund der „metaphysischen“ Widersprüche in sich zusammenbrechen wird. Die Tausenden von maoistischen Schmierblättern, die bei jedem Aufbäumen des Klassenkampfs wieder auftauchen, um anhand der Gedanken von „Mao Tse Tung“ didaktisch den bevorstehenden Zusammenbruch des kapitalistischen Systems zu erklären, haben nur eine Funktion: die historischen Aufgaben des Proletariats in die Unmittelbarkeit und Konkretheit des Reformismus zu verbannen/zu verlagern. Durch ihre Verherrlichung der Theorien vom letzten und sterbenden Stadium des Kapitals in ihrem „Citizen’s Digest“, in dem sie (danke für die Arbeit!) die schönsten Perlen Lenins ausgewählt haben, ermutigen die Linken umso mehr zu Aufständen für den endgültigen Kampf… Sie machen die Revolution kaputt, weil sie die Leute entmutigen, was bei den leichtgläubigen Rebellen nur passieren kann. Das Proletariat wird sich von den linken und ultralinken Priestern nicht in ihren heiligen Niedergang hineinreden lassen, und im Feuer des Klassenkampfs, durch bewaffnete Streiks und die Organisation der Subversion wird es zusammen mit den linken Bullen die ökonomischen Kategorien, die philosophischen Prinzipien, die religiösen Dogmen und andere wissenschaftliche Gesetze umstürzen. Der ganze ideologische Wust der Bourgeoisie hat nur eine einzige Funktion: mit einem groben Determinismus das Proletariat von der Unabänderlichkeit des „Schicksals” der Gesellschaft zu überzeugen und es vergessen zu lassen, dass die Revolution letztendlich vor allem das sein wird, was das Proletariat daraus macht!

„2. Verschmelzung von Bankkapital und Industriekapital und Schaffung einer Finanzoligarchie auf der Grundlage dieses „Finanzkapitals“; […]“ (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium…“)

Auch hier ist Lenin gezwungen, um jeden Preis Elemente zu finden, die es ihm ermöglichen, die „Epoche des Imperialismus“ von der „vorangegangenen Epoche“ abzugrenzen und findet bei Hilferding einen Fund: das Finanzkapital. Lenin nutzt diese neue Kategorie der Ökonomie, um die Herrschaft des Geldes über die Welt zu erklären, ohne zu sehen, dass diese Konzentration des Geldes als Herrschaftsfaktor seit den Anfängen des Warenaustauschs über den Menschen herrscht und dass die Geldgemeinschaft schon lange vor dem Kapital als Weltgemeinschaft existierte. Die Tatsache, dass sich diese Herrschaft der Handelsbeziehungen über die menschliche Spezies exponentiell entwickelt, stellt keine qualitative Veränderung in der Natur dieser Herrschaft dar und rechtfertigt daher in keiner Weise irgendwelche neuen Aufgaben für die Organisation des Kampfes gegen die kapitalistische Diktatur.

Was die Finanzoligarchie betrifft, so entspricht diese Vorstellung von einer kleinen Gruppe ökonomisch übermächtiger Kapitalisten, die den sozialen und politischen Lauf der „Nation“ bestimmen, gut der vulgären materialistischen Sichtweise Lenins vom Kapital. Letzteres wird als Summe von Maschinen, Menschen, Dingen, Werten usw. betrachtet und nicht als soziales Verhältnis. Die Bourgeois werden also nicht als durch die kapitalistischen sozialen Verhältnisse objektivierte Personifikationen verstanden, als Verwalter eines sie beherrschenden Gesellschaftssystems, sondern als schlechte Herren, die die Welt bewusst in den Untergang führen und den politischen Marionetten ihren finsteren Willen diktieren, mit allem, was dies an moralisierender und verwaltender Sicht der Realität mit sich bringt. Die monopolistischen Kapitalisten als die neuen Könige der (ökonomischen) Welt zu definieren, die den politischen Anführern ihre Gesetze aufzwingen, bedeutet erneut, eine Dichotomie in die ständige Interdependenz und Interaktion der verschiedenen Verwaltungsfunktionen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung einzuführen. Lenin betrachtet die Einflussverhältnisse zwischen dem, was er als „Finanzoligarchien” bezeichnet, und den sogenannten „politischen” Sphären einseitig und sieht nicht die immer stärkere Verflechtung der Interessen, die die Geschäfts- und Regierungskreise bewegen. Es gibt genauso wenig „neue” Kapitalisten wie einen neuen Kapitalismus. Diese flache soziologische Sicht auf die Realität hat natürlich tausend Implikationen: Die „Finanzoligarchie” als verantwortlich für das Elend der Arbeiter anzuprangern. Das bedeutet, den Kampf für die Zerstörung des Kapitals als soziales Verhältnis auf ein Problem der Kapitalverwaltung zu reduzieren: Die heutigen Linken haben dieses Thema aktualisiert, indem sie die Arbeiter dazu aufgerufen haben, die 100 reichsten Familien jedes Landes als verantwortlich für die „ökonomische Ungleichheit” anzuprangern. Die Bolschewiki hatten ebenfalls ihre politische Version: Ihre Parole bei den Demonstrationen vor dem Oktoberaufstand lautete: „Nieder mit den 10 kapitalistischen Ministern“ … als ob mit deren Sturz das Geld abgeschafft wäre. Wir sind überzeugt, dass die „100 Familien“ und die „10 Minister“ den Weg zur Organisation einer klassenlosen Gesellschaft versperren werden. Aber das Wesen der Diktatur des Kapitals lässt sich nicht auf einige wenige Personen reduzieren, die sie verkörpern: Der bourgeoise Staat ist vor allem Ausdruck der Herrschaft des Werts als tiefstes Wesen der Gesellschaft, das die Organisation der Bourgeoisie als Macht bestimmt. Das Gesetz des Werts muss zerstört werden, und dafür reicht es nicht aus, seine Verwalter anzuprangern noch sie durch „Revolutionäre” oder „Arbeiter” zu ersetzen , wie überzeugt sie auch von der Richtigkeit ihrer Absichten sein mögen, denn diese könnten, indem sie einfach den Staat besetzen, nur den Anweisungen der Klasse gehorchen, die sich dort organisiert hat, und würden ihr letztlich nur eine radikalere Legitimation verschaffen. Die Zerstörung des bourgeoisen Staates ist die einzige revolutionäre Perspektive, und das hat nichts mit den Problemen der guten oder schlechten Verteilung des Reichtums zu tun. Die Zerstörung des Staates kann nur die Organisation der Zerstörung des Werts durch die schrittweise Abschaffung der Lohnarbeit sein! Das Proletariat greift den Staat wirklich an, wenn es diese Perspektive in seinen Kampf einbringt, wenn es streikt, ohne Rücksicht auf die nationale Ökonomie (d. h. indem es sie sabotiert), und wenn es sich weigert, das Kapital mit seiner Lebenskraft zu ernähren; in diesem Moment wackeln alle Grundlagen der kapitalistischen Gesellschaft, von den „100 Familien“ über die Gewerkschafter/Syndikalisten und Linken bis hin zu allen Kräften, die versuchen, den bourgeoisen Staat aufrechtzuerhalten. Indem es außerhalb und gegen jede staatliche Struktur kämpft, den Warenaustausch angreift und alle bourgeoisen Fraktionen bekämpft, die die nationale Ökonomie verteidigen, zerreißt das Proletariat das Seil, mit dem die Linken es festzuhalten versuchen, nämlich das einer besseren Arbeitsverwaltung und einer gerechteren Verteilung des Arbeitsergebnisses. Die Notwendigkeiten des Kampfes selbst machen deutlich, dass das Proletariat nicht darauf abzielt, einige Verteidiger der Lohnabhängigen zu beseitigen, sondern die Lohnarbeit selbst abzuschaffen!

„3. Der Export von Kapital ist im Gegensatz zum Export von Waren besonders wichtig; […]“ (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium…“)

Indem er den „alten Kapitalismus, in dem freie Konkurrenz herrschte“, durch den „Export von Waren“ und den „neuen“ Kapitalismus, „in dem Monopole herrschen“, durch den „Export von Kapital“ charakterisiert, setzt Lenin lediglich seine unermüdliche Suche nach Neuheiten fort, die für die Zeit des Imperialismus charakteristisch sein sollen und letztlich nur die Vergangenheit, das 19. Jahrhundert, idealisieren, um auf diese Weise den unveränderlichen Inhalt der Selbstorganisation Proletariat/Bourgeoisie besser zu verschleiern. Der gesamte Prozess der Ausbreitung der kapitalistischen Entwicklung auf die ganze Welt zeigt aber, dass das Kapital von Natur aus imperialistisch ist: Die Anziehungskraft des Werts auf Orte, an denen die Verwertungsmöglichkeiten größer sind, ist ein ständiges Merkmal des Kapitals. Der Wert hasst, wie die Natur, das Vakuum: Er investiert dort, wo die Bedingungen für die Verwertung des neu gewonnenen Kapitals am interessantesten erscheinen. Diese Tendenz zur Vergrößerung des Anfangskapitals, dieses Streben nach Monopol (und die Konkurrenz, die es unter den Kapitalisten mit sich bringt!) hat es schon immer gegeben und ist keineswegs charakteristisch für eine „fortschrittliche” Phase des sogenannten „Freihandelskapitalismus”.. Das Kapital hat sich nie erst in einem Land und dann im Ausland entwickelt, sodass es unmöglich ist, Kapital aus nationaler Sicht zu definieren, auch wenn die Widersprüche zwischen konkurrierenden Kapitalisten die „nationalen” Regierungen dazu bringen, die einen oder anderen mit protektionistischen Maßnahmen zu verteidigen, die darauf abzielen, die „natürliche” Expansion des Großkapitals zu unterdrücken. Der Export von Kapital ist also nichts anderes als die Entwicklung des Kapitals selbst seit seinen Anfängen!

„Wenn Kapital ins Ausland geschickt wird, dann nicht, weil es unmöglich wäre, es im Inland zu verwenden. Sondern weil es im Ausland mit einer höheren Profitrate eingesetzt werden kann. “ (K. Marx, Das Kapital III)2

Das Streben nach Profit hat das Kapital immer dazu gebracht, ins Ausland zu gehen und dort zu investieren, wo es die besten Chancen hatte, sich zu vermehren. Das Kapital war schon immer imperialistisch. Sein Terrorismus geht von Natur aus über alle nationalen Grenzen hinaus.

„4. Bildung internationaler monopolistischer Vereinigungen von Kapitalisten, die sich die Welt aufteilen,

5. Ende der territorialen Aufteilung der Welt unter den größten kapitalistischen Mächten. […]” (Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium…”)

Die Geschichte hat selbst entschieden: Die Bildung kapitalistischer Monopole, die sich die Welt aufteilen, führte zu neuen Kriegen zwischen den verschiedenen Monopolen und damit zu einer Neuaufteilung des Kapitals zwischen den verschiedenen kleinen und großen kapitalistischen Fraktionen. Auch hier konnte es nicht anders kommen, denn der Motor der kapitalistischen Konzentration ist die Konkurrenz, und die Bedürfnisse des Kapitals sind unersättlich. Die Entwicklung des Kapitals in dem, was Lenin als seine „höchste Stufe“ bezeichnet – den Imperialismus – einzufrieren, bedeutet, die Notwendigkeit eines Kampfes gegen und damit auch zwischen den Großmächten herbeizuführen. Eine solche Vorstellung drückt implizit den Übergang vom Kampf der Klasse gegen die Klasse zur Unterstützung des Krieges der Nation gegen die Nation aus. Das Buch, das Lenin und all seine zeitgenössischen linken Apologeten uns als populärwissenschaftliches Werk präsentieren, ist nichts anderes als eine Selbstrechtfertigung seiner veränderten Position zum Krieg und zum Klassenkampf. Es ist ziemlich bemerkenswert, dass er es geschafft hat, ein Buch über die Entwicklung des Kapitalismus und sein katastrophales Ende zu schreiben, ohne auch nur ein einziges Mal über das Proletariat zu sprechen. Seine ganze These wirkt wie eine Rechtfertigung dafür, das Proletariat als Subjekt der Revolution verschwinden zu lassen, die dann vom Zustand der Kräfte des Feindes, von ökonomischen Politik und seiner politischen Ökonomie abhängt. Lenin indetifiziert das Proletariat in den zivilisierten Arbeitern der großen europäischen Industriezentren, den Kommunismus in der nationalen Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die Revolution … in einem Frieden ohne Annexion. Mit der Forderung nach einem „gerechten“ Frieden wird ganz einfach ein imperialistischer Frieden vorgeschlagen, also ein weißer Frieden, der jeder Nation auf der Grundlage der durch den Krieg verursachten Trümmer die gleichen Möglichkeiten zum „Wiederaufbau des Landes“ – sprich: zur Ausbeutung des Proletariats – lässt. Ebenso die Parole vom „freien Selbstbestimmungsrecht der Nationen“ ist nichts anderes als die Forderung nach der Möglichkeit jeder einzelnen kapitalistischen Gruppe, „ihre“ Proletarier frei auszubeuten. Bevor er komplett „stalinisiert“ wurde, hatte Radek 1907 gegen Lenin die einzige klassenbewusste Position zur Nationalen Frage verteidigt: Er hatte daran erinnert, dass angesichts jeder Positionierung für die Errichtung neuer Grenzposten unter dem Deckmantel der nationalen Selbstbestimmung die einzige akzeptable Parole für das Proletariat laute: „Weg mit den Grenzen!“ Sich „das Ende der territorialen Aufteilung der Welt unter den größten kapitalistischen Mächten“ vorzustellen bedeutet, den Wettbewerb, die Bewegung der Konzentrationspole des Kapitals, den Klassenkampf zu leugnen… der Imperialismus, d. h. den permanenten Willen jeder kapitalistischen Gruppierung, ihre Grenzen und ihre ökonomische Macht über die durch frühere Kriege festgelegten Grenzen hinaus auszudehnen. Es ist absurd, die letzte Aufteilung, die die kapitalistischen Raubtiere erreicht haben, als endgültig festzuschreiben. Kapital ist Bewegung: Es bewegt sich, investiert sich und konzentriert sich entsprechend den bestehenden Verwertungsmöglichkeiten. Die Großmächte bleiben nur so lange mächtig, wie sie eine ausreichend hohe Profitrate aufrechterhalten können, um ihre Expansion, ihren Imperialismus, weiter voranzutreiben! Kapital, so stark es auch sein mag, bricht, wenn es nicht am richtigen Ort zur richtigen Zeit investiert wird, genauso schnell zusammen, wie es gewachsen ist. Da es nicht in der Lage ist, in einen Markt zu investieren und die Produktivkräfte zur Förderung der Wertsteigerung zu entwickeln, wandert das Kapital ab und verbreitet anderswo den makabren Geruch des Geldes. So konnte das Kapital Portugal, das im 15. und 16. Jahrhundert eine der größten Mächte war, in eine ökonomische Wüste verwandeln, während es andererseits in einer Wüste die mächtige kapitalistische Fraktion Israels errichtete! Eine Wüste zu einem Ort der Konzentration/Zentralisierung des Kapitals zu machen und eine ökonomische Macht in Ruinen zu verwandeln, das ist die sich ständig verändernde Realität, der die Welt durch das unerbittliche Gesetz der Wertentwicklung unterworfen ist. Die Verteidigung und Unterstützung der „kleinen kapitalistischen Länder“, die von den „imperialistischen Mammuts“ erdrückt werden, ist nichts anderes als die Stärkung des Kapitals als globale soziale Beziehung. Das Proletariat hat auf dem Terrain des kapitalistischen Wettbewerbs nichts zu suchen; eine Clique von Ausbeutern zu unterstützen, die von anderen, stärkeren Kapitalisten Schläge einstecken muss, bedeutet in erster Linie, die eigene Ausbeutung als Klasse zu unterstützen, auch wenn sie von „kleinen“ Bossen ausgeht. Die Proletarier in Nicaragua hatten Zeit, dies zu erkennen, denn sie haben sich hinter den Kampf der bourgeoisen Fraktion gegen Somoza gestellt und bezahlen heute für ihre Fehler, indem sie mehr denn je dem Terror der neuen „roten“ Generäle unterworfen sind, die an die Macht gekommen sind und ihnen als Belohnung (neben Fotos von Sandino und roten Fahnen) samstags unbezahlte Arbeit zum Wiederaufbau des „Landes“, „Vaterland oder Tod“ … Die Konkurrenz zwischen Kapitalisten ist nicht das Terrain des Klassenkampfs. Aber die Antiimperialisten haben eine ziemlich spezielle Vorstellung von Konkurrenz: Sie sprechen nur dann von Konkurrenz, wenn die verschiedenen Fraktionen im Kampf relativ gleiche Chancen haben, und wenn das nicht der Fall ist, wird der innerkapitalistische Konflikt als ein Phänomen der Herrschaft eines Landes über ein anderes beschrieben, als nationale Unterdrückung eines ganzen Volkes, die daher spezifische Aufgaben für das lokale Proletariat mit sich bringt! Der Trick ist damit gelaufen: Ohne die Existenz der innerkapitalistischen Konkurrenz zu leugnen, in der das Proletariat nicht die eine Seite mehr unterstützen muss als die andere, wird die Beteiligung der Arbeiter am Krieg auf Konflikte verlagert, in denen der offensichtliche Nachteil eines Konkurrenten gegenüber dem anderen eine Unterstützung durch das Proletariat erfordern würde! Je nach Ideologie stellen die verschiedenen antiimperialistischen Sekten diese Unterstützung als mehr oder weniger kritisch, vorübergehend, taktisch dar… und dass das Proletariat, sobald die neue Macht etabliert ist, seinen autonomen Kampf gegen den Ausbeuter wieder aufnehmen kann. Die unzähligen Befreiungskriege haben praktisch gezeigt, dass die in das progressive Lager eingegliederten Proletarier, sobald die neue Organisation des kapitalistischen Staates etabliert ist, nicht in der Lage sind, sich ihm zu widersetzen, da sie der antiimperialistischen Ideologie und dem Terror unterworfen sind, die sie nun zwingen, am Wiederaufbau ihrer „neuen“ nationalen Scheinwirtschaft mitzuwirken!

Alle Kriege sind gegen das Proletariat! Egal, welche Märtyrer uns die Linken vorhalten, um uns zu ihrer heiligen Sache zu bewegen (Allende, Romero, Sandino, Lumumba, Aquino, Ali Bhutto usw.), es geht immer darum, Arbeiter dazu zu bringen, für Interessen zu kämpfen, die nicht ihre eigenen sind. Die Perspektive des Proletariats ist die Abschaffung der Ausbeutung und nicht deren, wenn auch nur vorübergehende, Übertragung in die Hände neuer Verwalter. Algerien, Vietnam, Nicaragua, Angola, Simbabwe, Kambodscha, Portugal, die Philippinen … sind Beispiele für nationale Befreiungskriege, die zur Errichtung neuer roter Regime geführt haben, die das Proletariat terrorisieren und zudem von dem wunderbaren Vorwand/der Erpressung profitieren: Wenn ihr nicht Hand in Hand mit der „Volksdemokratie” marschiert, kämpft ihr gegen den Sozialismus! Wer kann einen nationalen Befreiungskrieg nennen, in dem das Proletariat etwas gewonnen hat? Den Antiimperialismus zu einer separaten Frage zu machen, kann nur dazu führen, dass sich die Arbeiter den nationalistischen Wölfen in die Höhle werfen. Weg mit den Linken!

Antiimperialismus: das schlimmste Produkt des Imperialismus!

Der Imperialismus existiert seit der Entstehung des Handels und dem Aufkommen von Klassengesellschaften. Der Wille der privaten Eigentümer, den Reichtum ihrer Nachbarn zu erobern, ist untrennbar mit der Existenz und der Entwicklung des Geldes verbunden. Der Imperialismus ist keineswegs ein besonderes Merkmal des Kapitalismus; das Kapital hat lediglich den brutalen Willen des Werts, sich zu verwerten und mit allen Mitteln dort zu investieren, wo seine Herrschaft am besten funktioniert, verallgemeinert. Der Imperialismus ist kein Laster des Kapitals, genauso wenig wie er eine unangenehme Ausprägung der Exzesse einiger seiner grausamsten Verwalter ist. Wenn man ihn nicht auf eine Kategorie der politischen Ökonomie beschränkt, drückt der Imperialismus das Wesen des Kapitalismus aus, indem er gnadenlose Konkurrenz zwischen den Kapitalien ist und die Konkurrenz der wesentliche Motor der Wertsteigerung, ihre Lebensform, ist.

« Konzeptionell ist Konkurrenz nichts anderes als die innere Natur des Kapitals, dessen wesentliche Bestimmung als Wechselwirkung der verschiedenen Kapitalien erscheint und verwirklicht wird; sie ist die innere Tendenz des Kapitals, die als äußere Notwendigkeit auftritt.“ (Karl Marx, Grundrisse I)

Das globale Wesen des Kapitals führt zu seinem direkt imperialistischen Charakter. Der Weltmarkt ist das Ausbreitungsfeld des Kapitals und gleichzeitig seine Grenze; die Kriege, die in diesem Rahmen stattfinden, drücken den Ausbreitungs- und Wertsteigerungswillen der verschiedenen Kapitalien aus und versuchen gleichzeitig im Wesentlichen, das Proletariat als einzige revolutionäre Grenze der ohnehin imperialistischen Entwicklung des Kapitals zu zerstören. Der Antiimperialismus, wie er sowohl von den Liberalen als auch von den Linken konzipiert wird, beschränkt sich auf eine Kritik der Konkurrenz, wenn einer der Protagonisten sich in einem zu günstigen Kräfteverhältnis befindet. Der Antiimperialismus erscheint dann als ideologische Rechtfertigung des besiegten Konkurrenten, um die Unterdrückung des Proletariats in und durch die kriegerische Beziehung aller Bourgeois im Krieg, ob sie nun gleich stark sind oder nicht, besser zu verschleiern! Die Bourgeoisie von links und rechts schließt ihre Falle, indem sie uns zwingt, uns zwischen den vorhandenen kapitalistischen Lagern zu entscheiden. Aber zwischen zwei Gangs gibt es kein „kleineres Übel“; das schwache Kapital (opportun „antiimperialistisch“) bleibt der Mörder des Proletariats! Das Schlimmste zwischen zwei bourgeoisen Lagern ist, sich für eines zu entscheiden! Der ganze Antiimperialismus lässt sich in der ständigen Verlagerung des Widerspruchs zwischen den Klassen auf den zwischen nationalistischen Banden zusammenfassen; die antiimperialistische Kritik verstärkt und stützt die Vorherrschaft des innerbourgeoisischen Widerspruchs, um die Zersplitterung/Zerstörung des Proletariats im und durch den Krieg, Nation gegen Nation, besser zu verwirklichen. Die Antiimperialisten verstecken mit dem „Rot“ ihrer Reden die einzige proletarische Perspektive gegenüber dem Krieg: den revolutionären Defätismus.

Der Antiimperialismus geht von einer reformistischen Kritik der Auswüchse des Kapitals aus, egal ob bewaffnet oder nicht: Wir kämpfen nicht dafür, die brutalsten Ausprägungen der kapitalistischen Hölle zu zerstören, sondern gegen die ihr innewohnenden sozialen Verhältnisse, gegen die Ausbeutung des Proletariats durch den weltweiten bourgeoisen Staat, gegen das terroristische Gesetz des Werts. Imperialismus und Antiimperialismus sind die rechte und linke Brust des Kapitals. Es ist sein Versuch, die ihm vorgebrachte Kritik im Rahmen der ständigen Anpassung/Aufrechterhaltung der Lohnabhängigkeit zu bewahren. Dem Imperialismus „entgegensetzt“ das Kapital den Rahmen seiner eigenen Alternative und bietet seine öko-politischen Kategorien an, um ihn zu verstehen und zu reformieren. Den Faschisten, den konservativen Protektionisten, den Falken, den Imperialisten, den Reaktionären … hält das Kapital das umgekehrte, aber leider komplementäre Bild seiner blökenden Tauben, seiner zynischen Humanisten, seines pragmatischen Progressismus, kurz gesagt … seiner linken Cops entgegen. Die reformistische Kritik an den Auswüchsen des Kapitals hat sich in tausend und einer Theorie behauptet, die alle gleichermaßen überholt sind. Der Antiimperialismus als Kategorie der politischen Ökonomie hat seinen Ursprung bei Sismondi. Für ihn führt Konkurrenz nicht zu Gleichgewicht und Wohlstand, sondern verursacht das Elend der Überproduktion. Da sich das Kapital nur an bestimmten Orten der Welt konzentriert und investiert, führt diese „ungleiche Verteilung des Reichtums” zu einem Unterkonsum, der wiederum Ursache der Überproduktion ist. Sismondi ist der Begründer dieser heute weit verbreiteten Vorstellung vom ungleichen Austausch, die zu suggerieren versucht, dass die Proletarier der Länder, in denen sich riesiges Kapital konzentriert, die Proletarier der „unterentwickelten” Länder durch den Mechanismus eines angeblich ungleichen Austauschs ausbeuten. Die Dritte-Weltismus-Anhänger und Antiimperialisten sind die Hauptvertreter dieser These. Sie „vergessen“ dabei zwei Dinge: dass Waren immer zu ihrem Wert verkauft werden, also im Verhältnis zur Menge der in ihnen enthaltenen menschlichen, sozialen und abstrakten Arbeit, und dass es der Weltmarkt ist, der die konkret in dieser oder jener Ware enthaltenen Arbeitsmengen abstrahiert.

Die „modernen“ Antiimperialisten haben die Theorien von Sismondi aufgegriffen und auf das angewendet, was sie „entwickelten Kapitalismus“ nennen: Die ungleiche Verteilung und die immer weiter zunehmende Akkumulation des Kapitals führen zu einem Rückgang der Nachfrage und der Expansionsrate des Kapitals; da es keine zahlungsfähigen Konsumenten mehr gibt, entsteht der Imperialismus als Ausdruck des Wunsches nach der Eroberung neuer Märkte. Dieser ganze ideologische Wirrwarr, dieser Putz für ideologiehungrige Linke, basiert auf Vorstellungen, die, wie wir im Laufe dieses Textes gesehen haben, sich auf eine Kritik des Kapitals in und zur Verteidigung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse beschränken. Hinter ihrer tränenreichen Kritik oder bewaffnet mit der Aggressivität des Kapitals führen die Linken die Proletarier in die Schützengräben und verstärken so den Druck der Gewehre, die die Polizei auf sie richtet. In dieser Zwickmühle haben die Arbeiter nur eine Perspektive: die Gewehre gegen alle ihre Feinde zu richten, egal ob sie Uniform tragen oder sich als „Kommunisten“ verkleiden. Antiimperialismus ist kein Krieg gegen den Krieg, sondern eine andere Art, am imperialistischen Krieg teilzunehmen.

Die Dekadenz-Theorie: eine senile Krankheit der Sozialdemokratie!

„Die Zimmerwalder Bewegung hatte schon gesagt, dass die Weltkrise vom Imperialismus bestimmt wird, und erklärt, dass „Imperialismus“ eine historische Phase nationaler und internationaler Monopole ist, dass Imperialismus genau die Überwindung der freien individuellen Initiative bedeutet. Die ganze Bewegung, die darauf folgt und in der Gründung und Ausbreitung der Kommunistischen Internationale gipfelt, basiert auf dieser grundlegenden These, dem ökonomischen Charakter eines im Wesentlichen marxistischen Wertes. Wenn man diese These nicht akzeptiert, kann man nicht zur Internationale gehören, kann man weder Kommunist noch Revolutionär sein. Die Behauptung dieser These ist die Behauptung der weltweiten Existenz der ökonomischen Voraussetzungen, der objektiven Bedingungen, die für das Aufkommen des Kommunismus notwendig und unverzichtbar sind. […] Die Kapitalisten wollen die aus der imperialistischen Phase hervorgegangene soziale Organisation zerstören, insofern sie den Lebensimpuls zum Kommunismus in sich trägt. (Gramsci, „Die Niederlage“ in „L’Ordine Nuovo“, 5. April 1921)

Diese dekadente Perle von Gramsci erinnert an Lenins Vorstellungen vom Imperialismus, indem sie dessen Unsinn nur etwas plumper wiederholt. Wir finden hier die in der Sozialdemokratie weit verbreitete Vorstellung eines Kapitalismus, der die „objektiven Voraussetzungen für den Kommunismus“ geschaffen hat. Die Revolution ist nur noch eine „subjektive“ Frage. Die (bewaffnete oder unbewaffnete) Eroberung der Macht durch die „Partei“ und die Verwaltung der bestehenden Produktionsweise durch die Arbeiterräte. Die Entwicklung der materiellen Kräfte der Menschheit macht immer deutlicher, wie absurd eine Welt ist, die immer weniger in der Lage ist, die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Aber diese Gesellschaft lässt sich nicht auf diesen eiskalten „Objektivismus” reduzieren, mit dem die Stalinisten uns immer die Entwicklung der Produktivkräfte des Kapitals erklären. Der Kommunismus erfordert die Zerstörung der „objektiven“ Kräfte des Kapitalismus. Diese sind nur insofern „Bedingungen“ für die Revolution, als sie Hindernisse darstellen! Der bourgeoise Fortschritt (der unter anderem durch die Entwicklung der Produktionskapazitäten für das Kapital vorangetrieben wird) steht im Widerspruch zum Kommunismus! Indem sie den bourgeoisen Fortschritt verherrlichen, verfallen die verschiedenen Schulen der Dekadenz-Theorie schon vor 1914 (!) unweigerlich in die Verherrlichung des Verwaltungsismus, des Progressismus, des Gradualismus und des Positivismus. Indem sie den formellen Bruch mit der Sozialdemokratie mit einer neuen Periode rechtfertigen, die neue Aufgaben aufzeigt – „endlich revolutionäre“ (!) – brachten die Anhänger der Dekandez-Theorie ihre Unterstützung für die Entwicklung des Kapitals in den langen Nächten der Konterrevolution zum Ausdruck und verhinderten eine echte Bilanz der revolutionären Tätigkeit in den Jahren der sozialen Befriedung vor 1917–1921. So konnte die Bourgeoisie in und durch ihre Unterstützung der Sozialdemokratie ihren politischen Apparat gegen den sozialen Krieg ausbauen. Die Einbindung der kämpferischen Arbeiter durch die Reformisten zerstört die Bestrebungen des Proletariats, sich als Klasse zu organisieren. Im Gegensatz zu den Anhängern der Dekadenz-Theorie aller Couleur bekräftigen wir mit Nachdruck, dass der Bruch in den Aufgaben der revolutionären Bewegung weder „periodisch” noch „geografisch” ist; sie ist im Wesentlichen und dauerhaft sozial und programmatisch. Der Kampf zwischen zwei Klassen mit antagonistischen Projekten und Bedürfnissen führt zu einer Opposition, einem ständigen Krieg, in dem das Proletariat zu keinem Zeitpunkt, weder in einer revolutionären Phase noch in einer Zeit des sozialen Friedens, ein Interesse daran hat, einen Teil des Programms seines Feindes zu unterstützen: Der bourgeoise Progressismus ist nur Fortschritt in der Konterrevolution. Die Strukturen, mit denen der bourgeoise Staat gestern, heute und morgen die Arbeiter kontrolliert, dürfen nicht unterstützt werden (weder taktisch, kritisch noch sonst wie). Jedes soziale Bedürfnis – und das Bedürfnis nach Kampf ist für das Proletariat lebenswichtig – muss von der Bourgeoisie in ihrem Interesse befriedigt werden. Die ganze Kraft des Kapitals liegt darin, dass es die revolutionären Symbole, Strukturen, Fahnen, Parolen, Energien usw. für sich gewinnen und in ihr Gegenteil verwandeln konnte. Die Notwendigkeit der Bourgeoisie, die Ausbeutung zu organisieren und mit allen Mitteln auf die Revolte gegen diese Ausbeutung zu reagieren, ist ebenso dauerhaft wie diese Revolte. Die Sozialdemokratie, die mitten in der Konterrevolution entstanden ist, hat sofort und systematisch auf die Verpflichtung des Kapitals reagiert, das Bedürfnis des Proletariats nach Kampf zu zerstören, indem sie ihn in Gewerkschaften/Syndikate und Parlamentarismus eingesperrt und den „Kampf“ auf die unmittelbare, ökonomische Verwaltung der Arbeitskraft reduziert hat, indem sie die Arbeiter immer mehr in das Spinnennetz der Verhandlungen und Kompromisse mit ihren Feinden getrieben hat. Die reformistische Praxis veranlasste Bernstein, laut auszusprechen, was die Sozialdemokraten „im Stillen“ taten: Die (Reform-)Bewegung ist alles, das (revolutionäre) Endziel ist nichts. Kautsky und die ganze reformistische Clique, die ihm folgte, haben hysterisch damit gedroht, Bernstein wegen seiner „Häresien“ auszuschließen, und damit nur versucht, das Offensichtliche zu verschleiern: das konterrevolutionäre Wesen des sozialdemokratischen Programms. Aus all diesen Gründen bekennen sich die Kommunisten in keiner Weise zu dem, was die Grundlage der bourgeois-sozialdemokratischen Linken bildete, einer falschen Alternative des „Kampfes“ für allzu leichtgläubige Arbeiter. Sie bekräftigen die Kontinuität der kommunistischen Bewegung in allem, was mit der sozialdemokratischen Praxis gebrochen hat, und die Forderung nach einem Bruch kann nicht auf das politische Leben dieses oder jenes Individuums oder dieser oder jener politischen Strömung reduziert werden.

Wir versuchen nicht, den Ursprung der Klassenbrüche der Revolutionäre zu erklären, indem wir ihren Kampf innerhalb konterrevolutionärer Organisationen im Nachhinein rechtfertigen (um dann die Praxis der Organisation selbst zu rechtfertigen!). Kommunisten haben kein Problem mit „Urheberschaft“, die Verbundenheit mit der revolutionären „Familie“ ist eine Art, die Unpersönlichkeit des Programms zu leugnen. Der historische Faden, an dem sich die kommunistische Strömung orientiert, ist weder eine Frage der „Person” noch der formalen Organisation, sondern eine Frage der Praxis, die mal von diesem, mal von jenem Individuum, mal von dieser, mal von jener Organisation getragen wird. Überlassen wir also den senilen Anhängern der Dekadenz-Theorie das Geschwätz über ihre Stammbäume auf der Suche nach ihren Vätern. Kümmern wir uns um die Revolution! Die Sozialdemokratie hat sich als Organisation zur Verteidigung der Lohnabhängigen gebildet, indem sie die Verteidigung der Löhne als Vorwand nahm! Die Kommunisten haben nirgendwo und zu keiner Zeit die Entwicklung des politischen Apparats der Bourgeoisie zu unterstützen. Ob antiimperialistisch oder luxemburgistisch, die Theorie der Dekadenzt ist nur eine bourgeoise Wissenschaft, die die Schwäche des Proletariats in seinem Kampf für eine Welt ohne Wert ideologisch rechtfertigen will.


1Das genaue Zitat am Anfang des Textes lautet: „Der Imperialismus ist die höchste Entwicklungsstufe des Kapitalismus. In den fortgeschrittenen Ländern ist das Kapital über den Rahmen der Nationalstaaten hinausgewachsen und hat die Konkurrenz durch Monopole ersetzt, wodurch alle objektiven Voraussetzungen für die Verwirklichung des Sozialismus geschaffen wurden.“

2Dieses Zitat stammt aus Pannekoeks Buch „Die Theorie vom Zusammenbruch des Kapitalismus“, 1934. Das genaue Zitat lautet: „Wenn man Kapital ins Ausland schickt, tut man das nicht, weil es im eigenen Land absolut unmöglich ist, es zu verwenden, sondern weil man dort eine höhere Profitrate erzielen kann.“ (K. Marx, Das Kapital III)

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