Geschrieben und veröffentlicht von Grupo Ruptura, die Übersetzung ist von uns.
(2008) Die Lohnsklaverei II
Der folgende Text ist ausdrücklich dazu gedacht, alle vermittelnden Institutionen zu kritisieren, die nicht nur die Natur der sozialen Ordnung nicht hinterfragen, sondern manchmal sogar eine integrierende Funktion in dieser Ordnung ausüben und manchmal die Arbeiterklasse unterdrücken. Die Gewerkschaften/Syndikate als Ausdruck dieser Vermittlung im Klassenkampf verdienen eine gründliche Analyse, und mit dieser Analyse wollen wir einen weiteren kleinen Beitrag zum Kampf ohne Vermittler leisten. Als Erben der revolutionären Arbeiterbewegung greifen wir die Kritik auf, die seit mehr als 30 Jahren vom kritischsten und radikalsten Teil des Proletariats an den sogenannten „Bürokraten”, „Arbeiterverrätern” oder „Streikbrechern”, den „Liquidatoren” der Arbeiterkämpfe, geübt wird. Heute, aufgrund der geringen sozialen Konflikte und des langen Schweigens, das nach der Transition verhängt wurde, werden diese Begriffe kaum noch verwendet, um die Prozesse und Instrumente zu beschreiben, die zur Beseitigung des Arbeiterwiderstands und seiner Assimilation in das derzeitige Disziplinarsystem beigetragen haben, wie beispielsweise die autonomen Kämpfe, die seit den 1970er Jahren entstanden sind. Für eine faire Analyse, die uns für den aktuellen Kampf nützlich ist, müssen wir aber eine Verherrlichung der Arbeiterklasse und ihrer angeblichen historischen Mission vermeiden, einen offenen Dialog mit der Vergangenheit führen und gleichzeitig alte Arbeiterklischees hinter uns lassen. Wie wir in der ersten Ausgabe der Publikation gesagt haben, schadet es nie, mit kritischem Blick zurückzuschauen, um aus den Fehlern und Erfolgen zu lernen. Ausgehend von der Realität, in der wir leben, werden wir verschiedene Themen behandeln, die natürlich zur Diskussion stehen.
Diese Kritik an den Gewerkschaften/Syndikaten soll kein Aufruf zu leichtem Spontaneismus oder zum Kult der Anti-Organisation sein, sondern ganz im Gegenteil ein Aufruf zur Organisation und zum Kampf gegen die kapitalistische Herrschaft und ihre Institutionen. Genau hier setzt diese Kritik an, bei der Organisation der Arbeiter, indem sie die Gesamtheit der kapitalistischen Verhältnisse in Frage stellt. Die Tätigkeit der Gewerkschaften/Syndikate zu unterstützen bedeutet, uns als Ausgebeutete der Entscheidungsfähigkeit und der Möglichkeit eines autonomen Kampfes ohne Vermittler zu berauben. Diejenigen von uns, die schon mal eine Arbeitervollversammlung erlebt haben, haben, mit wenigen Ausnahmen, danteske Szenen erlebt, in denen der Betriebsrat (die angeblichen Vertreter der Arbeiter) die Vorschläge des Unternehmens in den Tarifverhandlungen als seine eigenen übernommen hat. Wir haben sie am Vorabend des Streiks sagen hören: „Entweder so oder gar nicht“, in einer Geste der Verachtung gegenüber den eigenen Arbeitern, ihrer Intelligenz und ihren Möglichkeiten. Wir sagen Vollversammlung, obwohl wir manchmal ein anderes Wort verwenden sollten, um diese Farce zu bezeichnen, da zu keinem Zeitpunkt die Bedingungen gegeben waren, die eine Versammlung ausmachen.
Die Gewerkschaften/Syndikate waren in der Vergangenheit eine Bremse für den Widerstand während der ökonomischen Transition (Anfang der 70er Jahre) und der kapitalistischen Umstrukturierung, die mit der Konsolidierung der Demokratie gipfelte, wobei die Rechnung von den Arbeitern während der ökonomischen Krise bezahlt werden musste1. Heute haben sie andere Eigenschaften, zum Beispiel als Sprachrohr der politischen Parteien (bourgeoiser Parlamentarismus) und als Dienstleistungsunternehmen für Gewerkschaften/Syndikaten. Ihre doppelte politische und ökonomische Natur muss hinterfragt werden. Als Bürokraten halten sie sich an die aktuellen ökonomischen Gesetzen und politischen Formen und müssten viel klarstellen, zum Beispiel, warum die Reallöhne in Spanien seit Ende der 70er Jahre stagnieren (ganz zu schweigen davon, dass die Reallöhne zwischen 1999 und 2006 um 5 % gesunken sind, während die Unternehmensgewinne um 73 % gestiegen sind). Hier stellen wir einige ökonomische Konzepte vor, die wir kennen sollten, um ihre Rolle im kapitalistischen Kontext und im Rahmen der Unternehmensgewinne zu verstehen, die vielleicht zu den weniger bekannten gehören. Um das Verhalten der ökonomischen Variablen des kapitalistischen Systems, einschließlich der Löhne, zu erklären, muss man von der objektiven Dynamik der Kapitalakkumulation ausgehen. Es wäre ein Fehler zu glauben, dass dies eine Folge der politischen Ausrichtung der Regierung oder des politischen Systems insgesamt ist, egal ob es sich um eine rechte, eine linke oder sogar eine „sozialistische” Republik handelt (im Sinne der Bourgeoisie der Zweiten Republik). In dieser Dynamik der Kapitalakkumulation und Klassenteilung ist nicht der Wille der Politiker, Unternehmer oder gewerkschaftlichen/syndikalistischen Anführern entscheidend, da sie Teil eines Systems mit Gesetzen sind, die das Verhalten der daran beteiligten Akteure bestimmen. Gewerkschafter/Syndikalisten und Unternehmer sind Teil des Systems und gleichzeitig Teil davon. Aber das Grundgesetz ist das der Ausbeutung, deren erste Folge ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung gezwungen ist, ihre Arbeitskraft in eine Ware zu verwandeln2. Was sind heute die grundlegenden Funktionen dieser Institutionen im kapitalistischen Kontext? Die friedliche Neuordnung der Ausbeutung und die Aushandlung des Verkaufs der Lohnarbeit (der Preis für arbeitslose Frauen über 35 Jahre, für junge Arbeitslose oder für Menschen über 65 Jahre) in verschiedenen Bereichen: Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Renten (Löhne und Pensionen).
Ein wichtiger Faktor, der heute bei der Analyse der Lohnsklaverei berücksichtigt werden muss, ist das Fortbestehen alter Formen der Ausbeutung, die an die neuen Zeiten angepasst wurden und allgemein unter dem Begriff „Prekarität” zusammengefasst werden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse betreffen vor allem junge Menschen, breiten sich aber auf die gesamte Arbeiterklasse aus. Die Aktionen der Gewerkschaften/Syndikate haben in den meisten Fällen darin bestanden, die Rechte der privilegiertesten Arbeitergruppen zu schützen. Als Gegenleistung für die Arbeitgeber wurde die Ausweitung von Leiharbeit, Werkverträgen (Arbeiten und Dienstleistungen mit unbestimmter Dauer) und eine stärkere Ausbeutung derjenigen, die zum ersten Mal in den Arbeitsmarkt eintreten, zugelassen. Außerdem machen die Gewerkschaften/Syndikate unter dem Deckmantel der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie” Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen und verschaffen einigen die besten Schichten oder bestimmte Aufgaben und jede Menge Vorteile. Andererseits werden mit Stipendien und Praktikumsverträgen Arbeitsverhältnisse ohne Rechte verschleiert, wobei junge Menschen als billige Arbeitskräfte für produktive und nicht für Ausbildungszwecke eingesetzt werden. Letztendlich hat die Prekarität im Großen und Ganzen folgende gemeinsame Merkmale: befristete Verträge, niedrige Löhne, Arbeitsunfälle, Marathon-Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden… Die Gewerkschaften/Syndikate sind die Ausführenden, da in den Tarifverhandlungen befristete Verträge und Löhne berücksichtigt werden. Wir können also nicht sagen, dass die Unternehmer böse sind und einfach machen, was sie wollen, sondern wir müssen die Verantwortung bei denen suchen, die mit unserem Leben handeln und einen Teil der Jugend, zu der auch wir gehören, zu beschissenen Arbeitsbedingungen verdammen.
Was wir als prekär Beschäftigte erleben, ist in einigen Fällen bei Frauen noch ausgeprägter, da sie überwiegend in ökonomischen Bereichen wie dem Dienstleistungssektor beschäftigt sind, in denen solche Lebensbedingungen weit verbreitet sind, beispielsweise in der Reinigung, im Telemarketing, in Bars… Die Gewerkschaften/Syndikate versuchen in einer Zurschaustellung von Heuchelei und Zynismus, Geschlechterfragen als Diskriminierung von Frauen in Führungspositionen in Unternehmen oder in gewerkschaftlicher/syndikalistischer Vertretung in Betriebsräten anzugehen. So wirbt beispielsweise die Gewerkschaft/Syndikat CC.OO. in ihrer Funktion als gewerkschaftliche/syndikalistische Dienstleisterin für ihre Aktivitäten zur Ausbildung und Vertretung von Frauen und fördert mit ihren falschen Gleichstellungsplänen die gewerkschaftliche/syndikalistische Mitwirkung von Frauen durch Delegierte, um eine größere Anzahl von Frauen in Kandidaturen zu erreichen, die nicht unbedingt andere Werte vertreten müssen als Männer (sie können sogar sexistischer sein). Innerhalb des Patriarchats wirkt das eher wie eine liberale Maske für ihre ökonomischen und soziale Aufbürdung. Warum sagen wir das?
Die soziale und berufliche Anerkennung einer Arbeiterin im Kapitalismus hängt von ihrer Bereitschaft ab, sich produktiv, friedlich und diszipliniert zu verhalten. Wenn diese Arbeiterin zudem in Machtpositionen ist, scheint es logisch, dass eine konfliktreiche Vertreterin in diesem Unternehmensrahmen wenig ausrichten kann. So heißt es beispielsweise in dem viel gepriesenen „Gesetz zur Abhängigkeit”3 ganz klar, dass „Professionalität eine unverzichtbare Voraussetzung in dieser Art von Unternehmen sein muss, in denen das Humankapital den wichtigsten und größten Vermögenswert darstellt”. Diese Arbeiterinnen unterliegen also Werten von zweifelhaftem ideologischem Charakter. Während oben in den Unternehmen die Beförderung von Frauen in Führungspositionen gefördert werden soll, wird unten weiterhin mit der Peitsche gezüchtigt.
Was ist das Problem daran, über „Prekarität” zu sprechen? Prekarität ist eine weitere Form der ökonomischen Ausbeutung, die modernste und auf der Straße am deutlichsten sichtbare Form. Aber für einige linke Proteste ist es die „light“-Version, um den Anführern, die uns ausbeuten und etwas tun müssen, die Stirn zu bieten. Gegen Prekarität zu protestieren ist logisch, aber wenn man den Blick für das Ganze verliert und die Ausbeutung zu einer gängigen Konvention wird, um strukturelle Probleme und den Klassenkampf nicht anzugehen, ist das nicht sinnvoll. Die Prekarisierung des Lebens und der Arbeitsbedingungen muss daher als eine Entwicklung und nicht als ein neues Phänomen gesehen werden.
Abschließend möchten wir betonen, dass das Wichtigste an den theoretischen Analysen über Gewerkschaften/Syndikate und integrative Diskurse darin besteht, alle ideologischen und physischen Barrieren und Schutzpanzer abzubauen, die uns daran hindern, uns schrittweise zu organisieren und ein Bewusstsein zu entwickeln, um die Einheit und Solidarität der Ausgebeuteten zu erreichen. Die Bürokraten brauchen eine leicht zu kontrollierende Masse, Arbeiter, die an bourgeoisen Illusionen festhalten, und keine Arbeiter mit Klassenbewusstsein. Der Sozialpakt besteht heute darin, alle möglichen Kämpfe zu verhindern und zu bremsen, damit die Arbeiter sich mit ihrem Lohn zufrieden geben und ohne Widerrede die Tarifverträge unterschreiben, um ihre eigene Existenz und ihre Machtposition zu sichern, und dafür brauchen sie die Fortsetzung der Ausbeutung. Die Gewerkschaften/Syndikate sind heute dafür verantwortlich, dass die Löhne eingefroren werden und Preiserhöhungen durchgehen4, was wir im Fernsehen nie hören werden. Das sind keine zufälligen Phänomene der Ökonomie. Die verschiedenen Regierungen haben immer vertrauenswürdige Gesprächspartner gebraucht, und deshalb wurden die Gewerkschaften/Syndikate legalisiert und die Schaffung von Bürokratien gefördert. Wir denken, dass die Akzeptanz der Integration durch die Gewerkschaften/Syndikate heute einer der Grundpfeiler des Kapitals für seine historische Herrschaft über unsere Klasse ist.
1Das bezieht sich auf die ständigen Aufrufe der Gewerkschaften/Syndikate, „die nationale Wirtschaft zu retten”.
2Der Verkauf unserer Ware Arbeitskraft ermöglicht uns theoretisch den Erwerb der zum Leben notwendigen Waren, vorausgesetzt, dass die Akkumulation nicht unter den Folgen der periodischen kapitalistischen Krisen leidet und die Arbeitslosigkeit nicht übermäßig ansteigt und die Löhne nach unten drückt. Aber die relative Armut einer wachsenden Mehrheit der Bevölkerung wird immer größer, die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich zusehends und die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen werden immer miserabler. Am Ende zahlen wir wie immer die Zeche für die Krisen.
3Das Pflegegesetz ist eines der Marketingprodukte der sozialistischen Regierung. Es wurde in dieser Legislaturperiode verabschiedet und soll zusammen mit dem Gesetz zur historischen Erinnerung die linke Wählerschaft zufriedenstellen.
4Jüngste Preiserhöhungen bei verschiedenen Grundnahrungsmitteln wie Milch und Brot.