Gefunden auf informativo anarquista, die Übersetzung ist von uns.
(Italien) Nein, wir haben unsere Lektion nicht gelernt. Schriftliche Erklärung von zwei Gefährt*innen, gegen die im Fall Scripta Scelera ermittelt wird.
29. August 2023
„Nein, wir haben unsere Lektion nicht gelernt“.
Beitrag zur Reflexion und Analyse der Art der jüngsten anti-anarchistischen Operationen.
Sie werden herabsteigen aus den schwarzen Wäldern unter dem kalten Nordwind tausend und dann tausend die kleinen Kobolde (baffardelli) um den Wirbelstürmen der Revolte Luft zu machen. Elia Vatteroni
Die Krise, in die uns der staatliche und kapitalistische Organismus immer schneller führt, bringt eine globale Neujustierung der demokratischen Hülle der westlichen Länder mit sich. In diesem Sinne werden die nationalistischen Bewegungen der letzten Jahre notwendig, da die Bedrohung durch einen permanenten Krieg immer konkreter wird, selbst an den Fronten, an denen fast achtzig Jahre lang „Frieden“ herrschte (d.h. ständige Kriege, aber in anderen Gebieten und natürlich ein unerbittlicher Klassenkampf gegen die Ausgebeuteten in allen Teilen der Welt). Ein starker, allgegenwärtiger Staat, der weniger von supranationalen Koordinationsstrukturen abhängig ist (siehe in diesem Sinne die Rolle, die die Europäische Union in den letzten Jahren übernommen hat), ist daher für die hypertechnologische Aktualisierung des Kapitalismus notwendig, um den Gegenangriffen widerstehen zu können.
Das Kapital hat keinen anderen Weg gefunden, sich auf seinem eigenen bankrotten System zu halten, als die Hyperdigitalisierung jeder Struktur und damit der gesamten sozialen Wirklichkeit. Während es den fauligen Saft in die Produktionskette einträufelt, ist es selbst die Ursache für neue Krisen oder besser gesagt für die Zerstörung der ganzen Welt durch die Plünderung der sogenannten „Ressourcen“, was in der Praxis bedeutet, dass es sich jeden Winkel der Erde, des Meeres und des Himmels aneignet. Anders kann es nicht funktionieren. Und dieser luzide, verheerende Wahnsinn hat nur ein mögliches Szenario, eine eindeutige Richtung: den Krieg.
Nach den Fortschritten der Telematik und der Computerlinguistik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die plötzliche Entwicklung der „neuen Technologien“, der konvergenten Wissenschaften – mit der Technik, der Digitalisierung, der Öffnung der Laborform für die ganze Welt in ihrem konstitutiven Bedürfnis, jedes Lebewesen anzugreifen – zum Kennzeichen des Prozesses der Ausgrenzung der proletarischen Massen aus dem Verständnis der Produktionskette selbst. Dieser Prozess erreichte seinen Höhepunkt während des Zyklus der proletarischen Kämpfe, der den revolutionären Kampf seit den 1960er Jahren kennzeichnete. Die damalige revolutionäre Initiative entwickelte sich zu Beginn dieses Ausgrenzungsprozesses. Und so wurde dank der „neuen Technologien“ die so genannte Krise der Globalisierung ausgelöst, die ihr ideologisches Substrat aus den wiederauflebenden Nationalismen zog und dazu führte, dass große Teile der Bevölkerung in den so genannten westlichen Ländern mit einer Verschärfung ihrer proletarischen Lage konfrontiert wurden oder, wie es bei bestimmten Teilen der Mittelschicht der Fall war, mit einem wachsenden Prozess der Proletarisierung.
Die Verankerung des Kapitals in der Dynamik, die wir gerade skizziert haben, bringt die Entwicklung einer historisch bedingten repressiven Offensive gegen Revolutionäre mit sich. Diese Herren zittern bei dem Gedanken, dass ihre eigenen scellerati [perversen] Pläne zu Aufständen und mehr noch zu allgemeinen Revolten führen könnten (es gibt viele Beispiele für aufständische Momente allein in den letzten Jahren) und damit zur Entwicklung radikaler Formen des sozialen Konflikts, ohne vermittelnde Strukturen, die ihre Existenz auf diesem Planeten in Frage stellen.
Die Demokratie, mit der sie sich so sehr gebrüstet haben, indem sie sie durch Massaker in die ganze Welt „exportiert“ haben, ist angesichts der Art und Weise, wie sie in den Schulen und den Massenmedien beschönigt wurde, kein geeignetes Instrument mehr. Der Aktualisierungsprozess sieht einen Staat mit stärkeren Strukturen, mächtigeren Waffen und einer immer umfassenderen sozialen Kontrolle vor. Die Generalprobe fand in den Jahren der Covid-19-Pandemie statt. Und sie verlief gut. In Zeiten des Notstands neigt die gesamte Gesellschaft zur Unterwerfung, wenn nicht sogar dazu, den Staat als einzig mögliche Antwort zu fordern.
Diese Umstrukturierung zur Stützung des Staatsapparats ist nicht so sehr wegen der innerkapitalistischen Kriege, die die Bosse gegeneinander führen, sondern um die Unmenge der Ausgebeuteten zu kontrollieren und zu verwalten, die das Kapital selbst mit seiner eigenen Führung zur Revolte anstiftet. In diesem Kontext des „work in progress“ in Richtung einer immer schrecklicheren nahen Zukunft bleiben revolutionäre anarchistische Ideen eine konkrete Gefahr, weil sie, indem sie sich ohne halbe Sachen auf die Seite des Lebens stellen, den einzig gehbaren Weg zur Befreiung gegen das von Staat und Kapital organisierte Regime des Todes darstellen. In diesen Kriegszeiten kann die theoretisch-praktische Vereinigung des Anarchismus ein potenzieller und mächtiger Impuls sein, der seine ganze Konsequenz in revolutionären Begriffen zum Ausdruck bringt, weil er den Defätismus, die Desertion, den direkten Angriff gegen die Verantwortlichen deutlich hervorheben kann.
Die repressiven Maßnahmen, die darauf abzielen, anarchistische Publikationen zu treffen, sind in dieser Perspektive angesiedelt. Dies sind keine Angriffe auf die „Meinungsfreiheit“. Revolutionärinnen und Revolutionäre äußern keine Meinungen, sondern haben Ideen, die sich in der Praxis des Angriffs wiederfinden und umgekehrt. Meinungs- und Pressefreiheit sind ebenso bedeutungslos wie die Bewegungsfreiheit, das Betreten von Blumenbeeten: Das Wort Freiheit wird missbraucht, zerlegt, in Parzellen aufgeteilt, damit man so tun kann, als würde sie großzügig verteilt wie Krümel für Tauben. Aber die Freiheit ist eins und unteilbar. Wir Anarchistinnen und Anarchisten sehen sie nur als ganzheitliche Freiheit. Diese repressiven Maßnahmen sind weder eine Neuheit der heutigen Zeit noch ein „faschistisches Abdriften“ der Demokratie, usw.. Wann immer Staaten mit der realen oder potenziellen Gefahr eines Aufstandes konfrontiert waren, haben sie schnell die Flucht ergriffen und gegen subversive Einzelpersonen und Gruppen sowie gegen revolutionäre Propaganda vorgegangen. Der Staat braucht seine Wahrheit, um exklusiv zu sein; alles andere, was eine echte Gefahr für sein eigenes Überleben darstellt, wird schnell ausgerottet, solange der Staat existiert.
Um die repressive Warnung vor der Bewegung zu festigen, haben die Staatsorgane die Tendenz entwickelt, die Durchführung von Aktionen durch Gefährtinnen und Gefährten auf die vorherige „Anstiftung“ durch anarchistische Publikationen zurückzuführen. Dies zeigt einerseits, dass die Repressionskräfte nur begrenzt in der Lage sind, die Urheber der Aktionen ausfindig zu machen (trotz der eingesetzten Kapillarkontrollen), andererseits ist es ein Hinweis auf die Notwendigkeit, gegen die Publikationen als solche vorzugehen.
Die jüngsten Repressionsmaßnahmen gegen anarchistische Publikationen zeigen in dieser Hinsicht Parallelen zu dem, was vor mehr als hundert Jahren geschah. Die so genannten anti-anarchistischen Gesetze, wie die „lois scélérates“ [verruchte Gesetze], die Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich eingeführt wurden, haben große Ähnlichkeiten mit den jüngsten Verfahren, vor allem gegen „KNO3“, die letzte Ausgabe von „Croce Nera Anarchica“, „Vetriolo“ und kürzlich die internationalistische anarchistische Zweiwochenschrift „Bezmotivny“.
Die repressive Operation vom 8. August 2023, genannt Scripta Scelera, richtet sich gegen zehn Gefährten, die der Mitgliedschaft in einer subversiven Vereinigung mit dem Ziel des Terrorismus und des Umsturzes der demokratischen Ordnung (in Bezug auf die Informelle Anarchistische Föderation) und der Anstiftung zu Straftaten mit dem erschwerenden Umstand des Ziels des Terrorismus für die Veröffentlichung von „Bezmotivny“ beschuldigt werden. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen, die zu dieser Operation führten, hatte Staatsanwalt Manotti von der Direzione Distrettuale Antimafia e Antiterrorismo von Genua zweimal (Juli 2022 und März 2023) zehn Haftstrafen beantragt. Der zweite Antrag führte zu der Anordnung des Ermittlungsrichters, die zu der Aktion vom 8. August führte.
In der Scripta Scelera-Untersuchung lautet die polizeiliche Gleichung in etwa wie folgt, teilweise kopiert aus dem Sibilla-Verfahren gegen „Vetriolo“: Veröffentlichst du eine Zeitung oder unterstützt du sie, in der Bekennerbriefe veröffentlicht werden und die Gründe für den Angriff – nicht sporadisch, sondern von einem strategischen, revolutionären, internationalistischen Standpunkt aus verstanden – gegen Strukturen und Vertreter des Staates und des Kapitals bekräftigst? Dann setzt du die „aufstachelnde Propaganda“ in Gang, die hilft, die FAI-FRI am Leben zu erhalten, und die Zeitung wäre ein Instrument, mit dem sie am Leben gehalten wird. Der Staat muss, um die Anarchistinnen und Anarchisten „auszurotten“, „den Kampf gegen ihre Propagandamethoden intensivieren“.
Alfredo Cospito, der bereits für die Veröffentlichung von „KNO3“ und „Croce Nera Anarchica“ im Rahmen der Shadow-Prozesse in Perugia und Scripta Manent in Turin verurteilt wurde und kürzlich in die Sibilla-Ermittlungen involviert war, legte im Laufe des Turiner Prozesses die Art der Beteiligung der Gefährten an den Publikationen klar offen und zerlegte mit den Beweisen der Realität, was die Repressionskräfte instrumentell behaupteten:
„Heute bin ich im Gerichtssaal, um mich euren Repressalien zu widersetzen, eurem kleinlichen Versuch, „Croce Nera Anarchica“ auf die Anklagebank zu setzen, eine historische Zeitung der Bewegung, die, mit ihren Höhen und Tiefen, seit den 60er Jahren ihre Rolle als Unterstützung für anarchistische Kriegsgefangene spielt.
In eurem faschistischen Wahn versucht ihr, „Croce Nera“ als das Presseorgan der FAI-FRI auszugeben. So weit kam es nicht einmal 1969, auf dem Höhepunkt der anti-anarchistischen Kampagne. Damals beschränkten sich eure Kollegen, nachdem sie mit der Ermordung des Gründers der italienischen „Crocenera“, Pinelli, ihren Anteil an Menschenfleisch erlangt hatten, darauf, Gefährten für bestimmte Taten zu belasten, und wir alle wissen, wie das ausging. Jetzt, wo das Blut knapp ist, beschränkt ihr euch nicht darauf, vier Gefährten für bestimmte Taten zu beschuldigen, sondern ihr geht noch weiter, bis hin zur Kriminalisierung eines ganzen Teils der Bewegung. All diejenigen, die an der Erstellung von „Croce Nera“ beteiligt waren, die darüber geschrieben oder an den öffentlichen Präsentationen teilgenommen haben, sind in eurer inquisitorischen Sichtweise alle Teil der FAI-FRI. Meine stolze Beteiligung an der Redaktion von „Croce Nera“ und anderen anarchistischen Zeitungen macht sie nicht zu Presseorganen der FAI-FRI. Meine Teilnahme ist individuell, jeder Anarchist ist eine Monade, eine Insel für sich, sein Beitrag ist immer individuell. […] Macht euch klar, dass die FAI-FRI, ohne die Gegeninformation zu schmälern, keine Zeitungen oder Blogs herausgibt. Sie braucht keine Zuschauer oder Fans oder Spezialisten der Gegeninformation, es reicht nicht, sie mit Sympathie zu betrachten, um Teil von ihr zu sein, man muss sich die Hände mit Aktionen schmutzig machen, sein Leben riskieren, es aufs Spiel setzen, wirklich daran glauben“ (Alfredo Cospito, „Erklärung zum Beginn des Scripta Manent-Prozesses“, Turin, in Videokonferenz aus dem Gefängnis Ferrara, 16. November 2017).
In diesem Sinne wird „Bezmotivny“ – wie schon bei der letzten Ausgabe von „Croce Nera Anarchica“ und „Vetriolo“ – zwanghaft als klandestin definiert, was die abgedroschene These der „doppelten Ebene“ unterstreicht (eine explizit, offensichtlich, die andere klandestin, illegal). Unter dieser Annahme wäre „hinter“ der Zeitung der Ausdruck einer spezifischen Organisation, die sich der Verwirklichung jener „aufstachelnden Propaganda“ widmet, die den Herren als Ausdruck jener „strategischen Konzepte in der Ausrichtung und im Mechanismus der aufstachelnden Propaganda“ Sorgen bereitet, die unser Handeln als Anarchistinnen und Anarchisten leiten würden. Nun haben wir es nicht nötig, die Anschuldigungen und Unterstellungen der Polizei zu widerlegen: Wir erkennen den Staat und seine Apparate nicht als Gesprächspartner an, unsere auf die Gefährtinnen und Gefährten und die Bewegung gerichteten Überlegungen sind das Prärogativ der Bewegung selbst und nicht das Objekt der Richter. Es ist jedoch klar, dass die Aktionen von Gefährtinnen und Gefährten – seien es Gruppen oder Einzelpersonen – nicht der „aufstachelnden Propaganda“ zugeschrieben werden sollten, die sich die Anti-Terror-Staatsanwälte und Geheimdienste vorstellen. Und es wäre sogar irrsinnig, dies erklären zu müssen. Ebenso ist es eine Tatsache, dass diese Zeitungen – nicht unsere, sondern Instrumente für die Bewegung und zur Vertiefung des revolutionären Konflikts – natürlich nicht klandestin sind, sie werden offen in Initiativen und Kreisen verteilt, sie werden per Post verschickt, manchmal in Treffen und Debatten diskutiert, und so weiter. Auf diese Feststellung sollte jedoch keine opportunistische Haltung folgen, die darauf abzielt, sich vor dem Vorwurf zu schützen, eine klandestine Zeitung zu veröffentlichen (um „seinen Arsch zu retten“). Die erklärte Absicht der repressiven Kräfte ist es, eine Warnung auszusprechen und uns zu zwingen, uns zu verstecken, indem sie Räume und Publikationen in eine Art erzwungene „Klandestinisierung“ drängen. Das akzeptieren wir nicht. Wir lehnen die Klandestinität nicht ab, und genau deshalb bleibt sie eine Möglichkeit, eine Wahl, manchmal sogar eine individuelle Notwendigkeit, die durch die Umstände auferlegt wird, aber sie ist sicherlich keine Bedingung, die durch die breitere repressive Offensive der letzten Jahre gegen revolutionäre Minderheiten geschaffen wurde.
In Bezug auf die Zeitung macht der Untersuchungsrichter keinen Hehl daraus, dass er die vorsorglichen Maßnahmen für notwendig hält, um „sowohl die Tätigkeit, die zur Herstellung der jeweiligen Ausgabe führt, als auch die anderen damit zusammenhängenden Aktivitäten zu behindern“, womit er das juristische Verfahren in präventiver Hinsicht definiert, und zwar im Einklang mit einer Tendenz, die – weit davon entfernt, die des Richters zu sein – vor allem Ausdruck viel breiterer Koordinaten und Richtlinien ist, die von der Direzione Nazionale Antimafia e Antiterrorismo festgelegt wurden und die Frucht einer allgemeineren Tendenz zur Vernichtung jeder revolutionären Minderheit sind.
Auf der Ebene der historischen Kontinuität hatte der Staat neben der Repression schon immer das Bedürfnis, sich in einer offensichtlichen Mystifizierung der Realität zu zeigen, und das nicht weniger, wenn es darum geht, die Geschichte revolutionärer Aktionen oder Einzelpersonen zu schreiben, sowohl in seinen eigenen Medien als auch vor Gericht. Anarchistinnen und Anarchisten erst als „gewöhnliche Kriminelle“ und dann als „Mafiosi“ darzustellen, ist eine weitsichtige, vorsätzliche Entscheidung, die es ermöglicht hat, selbst die einfache Äußerung revolutionärer Ideen zu unterdrücken, ohne die Windschutzscheibe der „Meinungsfreiheit“ zu gefährden, sowie 41bis zu einem Repressionsinstrument gegen Revolutionäre zu machen.
Aus der gleichen Perspektive ist das unlogische Beharren auf der „apikalen und orientierenden Rolle“ von Alfredo Cospito keine zufällige Wahl, die von der intellektuellen Unzulänglichkeit der grauen Männer der Tribüne diktiert wird. Die Mystifizierung der Realität hat den doppelten Zweck, mit den ihnen zur Verfügung stehenden demokratischen Gesetzen leichter zuschlagen zu können, ohne die Akrobatik, sie in einem völlig autoritären Sinne zu verändern, sowie den offensichtlichen Wunsch, die revolutionäre Aktion zu schwächen.
Der Versuch der Mystifizierung und Schwächung geht weit über die Grenzen der Fantasie hinaus, so sehr, dass der Staatsanwalt sich vor dem Einschlafen die Geschichte von den fleißigen Herren der Staatsanwaltschaft erzählt, die mit repressiven Maßnahmen „Croce Nera Anarchica“ und „Vetriolo“ geschlossen haben und denen das mutige Unterfangen auch mit „Bezmotivny“ gelingen wird. Dieser Schwachkopf übersieht etwas: Die Moral der Fabeln ist die, in der die Bosse „alle glücklich und zufrieden“ leben, aber die Realität sieht anders aus. Tatsächlich haben die zitierten anarchistischen Publikationen nicht dichtgemacht, oder wenn sie beschlossen haben, das Projekt einzustellen, dann nicht aufgrund von Repressionen.
Gegen alle mystifizierenden und entmachtenden Narrative, auch die innerhalb der Bewegung, birgt „Bezmotivny“ in sich eine doppelte Gefahr für den Staat: Es hat eine klare revolutionäre Perspektive und unterstützt Angriffsaktionen, die sonst zum Schweigen gebracht oder mystifiziert würden. „Obwohl wir nicht vorgeben können, dass alle Gefährten mit revolutionären Methoden und Praktiken einverstanden sind (Hegemonie ist nicht unsere Sache!), wäre es für den Staat natürlich schwieriger, uns zu schlagen, wenn wir laut und deutlich die Praktiken verteidigen würden, für die die Anarchistinnen und Anarchisten im Gefängnis angeklagt sind (und auch die, die noch immer stattfinden) […]. Außerdem wurde in den letzten Jahren viel darüber geredet, dem Anarchismus seine Glaubwürdigkeit zurückzugeben. Nun, das erreichen wir nicht, indem wir die Würde einer durchgeführten Aktion herabsetzen […]. Warum also den zerstörerischen Wert derjenigen verachten, die Risiken eingehen? Was – und um was zu erreichen – wird gesagt, wenn den Tatsachen die Macht der Sprache genommen wird?“ (Luigi, „Schwächung der Propaganda und anarchistische Aktion“, „Bezmotivny“, Jahrgang II, Nr. 18, 26. September 2022).
Die Verantwortung für die Veröffentlichung von Kommuniques und Nachrichten über Aktionen und Angriffe auf die Strukturen des Staates und des Kapitals zu übernehmen, bedeutet, dem Leser die Möglichkeit zu lassen, sie ohne vorgefasste Meinungen zu interpretieren, aber vor allem – wie es auf den Seiten der Zeitung immer öffentlich getan wurde – den gerechten Charakter/Gültigkeit, die Gründe für den Angriff zu bekräftigen.
Die Anti-Terror-Staatsanwälte versuchen seit langem verzweifelt, Anarchistinnen und Anarchisten zu „verhaften“. Mit den Ermittlungen, die in den letzten Jahren gegen einige Zeitungen stattgefunden haben, wird uns im Grunde „vorgeworfen“, dass wir sind, was wir sind. Die Inquisitoren sind bei den Ermittlungen zügig vorgegangen und haben überraschende Entdeckungen gemacht: Anarchisten sind Anarchisten, sie beleben anarchistische Kreise, sie geben Zeitungen heraus, in denen die Gründe für den Anarchismus unterstützt werden, sie sind solidarisch mit den Ausgebeuteten auf der ganzen Welt und auch mit ihren inhaftierten Gefährten. Wir sind sicher, dass diese Verfahren weitergehen werden, mit neuen Verhaftungsanträgen und bombastischen Erklärungen. Trotzdem – die fleißigen Verfechter der Staatsraison sollen sich daran gewöhnen – werden wir nicht zögern, mit der Veröffentlichung der Zeitungen fortzufahren: Vitriol auf dem unbefleckten Gewissen des gewöhnlichen Feindes, Worte für einige sicherlich ohne Grund, angesichts von tausend Gründen, weiter zu kämpfen. Genauso werden wir weiter dafür kämpfen, die Versuche zu vereiteln, das theoretische und praktische Prinzip der Solidarität zu kriminalisieren: sowohl die internationalistische und revolutionäre Solidarität mit den Ausgebeuteten auf der ganzen Welt – gegen jeden Staat (angefangen hier mit dem italienischen) und gegen alle Kriege der Bosse – als auch die Solidarität mit den inhaftierten Gefährtinnen und Gefährten.
Was die Solidarität mit den inhaftierten Gefährtinnen und Gefährten angeht, so ist die Durchführung von Initiativen im Rahmen der internationalistischen Solidaritätsbewegung, die sich vor und während des Hungerstreiks gegen 41bis und den ergastolo ostativo von Alfredo Cospito entwickelt hat, sowie die Veröffentlichung von Texten mit Forderungen, Informationen und Analysen während der elfmonatigen Mobilisierung als erschwerender Faktor zu nennen. Wir haben die Mobilisierung unterstützt und stehen voll hinter den Gründen und der Perspektive. Zusammen mit dem großen Widerstand des Gefährten hat die Solidaritätsbewegung dafür gesorgt, dass der Staat sein Ziel, Alfredo vollständig zu vernichten, nicht erreicht hat, d.h. dass er zusätzlich zu 41bis zu irreduzibler lebenslanger Haft verurteilt werden musste (bis zum Urteil des Verfassungsgerichts vom 18. April war ein solches Urteil praktisch sicher, da das „politische Massaker“ die Mindeststrafe des ergastolo vorsieht). Außerdem hat die Mobilisierung der repressiven Offensive gegen Anarchistinnen und Anarchisten sowie Revolutionäre einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diese internationale Solidaritätsbewegung – mit ihrer radikal revolutionären Konnotation und trotz aller Grenzen, die innerhalb der zeitgenössischen anarchistischen Bewegung bestehen – war ein starkes Element der Störung des sozialen Friedens in diesem Land.
Nachdem wir festgestellt haben, dass der Staat als strukturierte Organisation sein eigenes Überleben als Hauptziel hat und dass er dazu, insbesondere in Kriegszeiten, notwendigerweise jeden „inneren Feind“ ausrotten muss, sehen wir repressive Maßnahmen gegen revolutionäre anarchistische Propaganda als selbstverständlich an. Wir berücksichtigen sie bei unseren Aktionen und werden deshalb auch weiterhin hartnäckig bleiben, ohne dabei die Gerechtigkeit des Angriffs oder die Notwendigkeit seiner Verbreitung und Propagierung zu leugnen. Der Staat hat die Absicht, angesichts von Aufständen und revolutionären Aktionen eine Warnung auszusprechen: entweder Schweigen oder Verurteilung. Wir für unseren Teil haben die Lektion nicht gelernt und werden sie auch nie lernen.
Die Gründe des Anarchismus schlagen keine Anpassung, Koexistenz oder Waffenstillstand vor. Sie sind nicht die der Enttäuschung angesichts des immer gleichen Feindes, der verächtlichen Resignation oder der verdrossenen Gleichgültigkeit. Es sind fragende Gründe, denn sie versuchen nicht, das Leben durch Abwarten zu bewahren, sondern den Schwung des Traums und das Risiko des Handelns, die Entschlossenheit des Willens und die Kraft der Notwendigkeit zu mischen. Und so haben wir uns im Laufe der Zeit einige unausweichliche Fragen gestellt. Darauf folgten oft schwierige Antworten, denen wir uns im Bewusstsein des eingeschlagenen Weges gestellt haben, in dem Bewusstsein, dass die Zerstörung der alten Welt niemals von einem unergründlichen Determinismus der Geschichte, von einer blinden oder unterirdischen Kraft des Schicksals, von einer elenden Abgehobenheit, die von einem noch elenderen Willen zur Selbsterhaltung diktiert wird, kommen wird. Deshalb beschränken wir unser Streben nicht auf ein paar „glückliche Inseln“, seien es bestimmte Orte oder Versammlungen von Intellektuellen, sondern verfolgen stets die Verwirklichung der unsagbaren Idee und wünschen uns sehnlichst die Zerstörung der Welt, deren Gefangene wir sind. Deshalb werden wir angesichts des schrecklichen Abgrunds der Gegenwart nicht teilnahmslos und wehrlos bleiben, sondern immer weiter für das kämpfen, woran wir glauben. Und denen, die klugerweise weiterhin behaupten, dass sich das Spiel nicht lohnt, denen, die ihre Bestürzung verallgemeinern wollen, indem sie sie als Bedingung demokratisch allen auferlegen, werden wir immer antworten, dass wir – angesichts eines Feindes, der spontan keinen Schritt zurückweichen wird – dem Kalkül schon lange abgeschworen haben. Deshalb sind alle Widrigkeiten und jedes Gefühl der Verwirrung nur Gespenster, die dazu bestimmt sind, zu verschwinden.
Veronica Francesco Carrara, 23. August 2023