Gefunden auf dialectical delinquents, die Übersetzung ist von uns. Ein weiterer Text der sich mit den Kriegen des Kapitalismus auseinandersetzt.
Über deutsche Schuld (2016)
Das Massaker am St. Valentinstag: Dresden 1944
Der folgende Text wurde vor einiger Zeit geschrieben und dann in einem Austausch mit einem ehemaligen Parteigänger der „antideutschen“ Tendenz in Deutschland etwas weiterentwickelt und erst gestern (06.02.16) fertiggestellt. Obwohl die meisten Verallgemeinerungen für die heutige Zeit relevant sind, haben sie wenig Bezug zu den aktuellen Geschehnissen, aber ein Freund fand sie gut, also habe ich beschlossen, sie zu veröffentlichen.
Einige Überlegungen zur deutschen Schuld
(gefolgt von einigen Anmerkungen zur antideutschen Tendenz in Deutschland)
„dass zum Beispiel jener moralische Hauptbegriff „Schuld“ seine Herkunft aus dem sehr materiellen Begriff „Schulden“ genommen hat? (…) Woher diese uralte, tiefgewurzelte, vielleicht jetzt nicht mehr ausrottbare Idee ihre Macht genommen hat, die Idee einer Äquivalenz von Schaden und Schmerz? Ich habe es bereits verrathen: in dem Vertragsverhältniss zwischen Gläubiger und Schuldner , das so alt ist als es überhaupt „Rechtssubjekte“ giebt und seinerseits wieder auf die Grundformen von Kauf, Verkauf, Tausch, Handel und Wandel zurückweist. (…) um Vertrauen für sein Versprechen der Zurückbezahlung einzuflössen, um eine Bürgschaft für den Ernst und die Heiligkeit seines Versprechens zu geben, um bei sich selbst die Zurückbezahlung als Pflicht, Verpflichtung seinem Gewissen einzuschärfen, verpfändet Kraft eines Vertrags dem Gläubiger für den Fall, dass er nicht zahlt, Etwas, das er sonst noch „besitzt“, über das er sonst noch Gewalt hat, zum Beispiel seinen Leib (…) oder seine Freiheit oder auch sein Leben.“ Zur Genealogie der Moral, Nietzsche.
Die Niederlage der deutschen Seite gegen die Kräfte des Massenmordes am Ende des Ersten Imperialistischen Weltkriegs war zum Teil der eigenen Arbeiterklasse im sozialen Krieg gegen die Herrschenden zu verdanken. Aber die Deutschen bezahlten für diese Niederlage und die Niederlage der Form, die ihre herrschende Klasse am Ende des Ersten Weltkriegs annahm (und die Niederlage der halben-Revolution, an der die deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter beteiligt waren), indem sie als Teil ihrer Bestrafung durch den Versailler Vertrag mit massiven Schulden belastet wurden. Wie das berühmte Zitat von Saint-Just schon sagt: „Wer eine halbe Revolution macht, gräbt nichts als sein eigenes Grab“ (natürlich ist das für einige zu einer flüchtigen „Erklärung“ geworden, die oft dazu benutzt wird, um zu vermeiden, dass man sich genau ansieht, was unzureichend bekämpft wurde und warum). Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Deutschland mit einer Kollektivschuld für die Kriegsverbrechen seiner Machthaber bestraft, während es gleichzeitig im Rahmen des Marshallplans massiv subventioniert wurde. Sowohl Schulden als auch Schuld waren Mittel, mit denen der internationale Kapitalismus dem deutschen Kapital und den deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern in ganz unterschiedlichen Epochen seinen Willen aufzwang. Schuld war am Ende des Zweiten Weltkriegs ein grundlegender Aspekt der sozialen Kontrolle, den der Marshallplan mit massiver finanzieller Unterstützung für den Wiederaufbau Deutschlands zu einem modernen kapitalistischen Staat verband, nachdem die Idee des Morgenthau-Plans, das Land ins Mittelalter zurückzubomben, aufgegeben worden war (was unter anderem deshalb aufgegeben wurde, weil es den Widerstand der Deutschen gegen die Alliierten gestärkt hätte), ein Plan, der etwa zur Zeit der Bombardierung Dresdens ins Spiel gebracht worden war. Anstelle von Schulden und Verwüstung ermöglichten massive Subventionen (offiziellen Schätzungen zufolge wurden den Deutschen in den 50 Jahren seit Kriegsende 140 Milliarden Mark zur Verfügung gestellt) und die Auferlegung von Schuldgefühlen einer unterwürfigen Arbeiterklasse den Aufbau eines modernen Wohlfahrtsstaates inmitten des konsumorientierten Überflusses. Das lag zum Teil daran, dass klar war, dass die brutale Verarmung der Deutschen nach Versailles angesichts der Repression der Revolution und ihrer sozialistischen/kommunistischen Vision dazu beigetragen hatte, den „Sozialismus der Narren“, den der Nationalsozialismus zum Ausdruck brachte, und seine Form der imperialistischen deutschen Konkurrenz, die konkurrierende Imperialismen bedrohte, anzuheizen. Und niemand wollte eine weitere Wiederholung. Ein weiterer Grund war, die Anziehungskraft des „Kommunismus der Betrüger“ zu untergraben, den die kommunistischen Parteien des Ostblocks vertraten.
Schuld ist eine masochistisch deformierte Form der Verantwortung. Das Konzentrationslager Buchenwald lag in Sichtweite der Stadt Weimar und trotzdem behaupteten die Bewohner der Stadt, sie hätten nichts gewusst. Um sich nicht schuldig zu fühlen, gibt man vor, nichts zu wissen (doch wer fühlt sich heute schuldig an den Massakern, die der Geldterror des Kapitals vor den Augen der ganzen Welt anrichtet? – Diejenigen, die niemals so tun, als wüssten sie nichts von diesen Gräueln, sondern ihre Passivität angesichts dieser Gräueltaten mit einem Achselzucken der vermeintlichen Ohnmacht rechtfertigen). Je öffentlicher die Brutalität, desto resignierter und gleichgültiger sind die Menschen gegenüber ihrer Unvermeidlichkeit. In früheren Epochen, in denen die Proletarier nicht die Möglichkeit hatten, über solche Schrecken Bescheid zu wissen, waren sie im Allgemeinen massenhaft weitaus widerstandsfähiger gegenüber dem Elend, das sie direkt aus eigener Erfahrung kannten: Das Spektakel von noch schlimmerem Elend an anderen Orten im Namen der Aufklärung und der Bekämpfung von Unwissenheit existierte für die große Mehrheit kaum. Aber heutzutage wird solch ohnmächtiges „Wissen“ überall verbreitet, so dass proletarische Individuen angesichts des überwältigenden Irrsinns der Welt wie versteinert sind und sich so oft für ihr eigenes unbestrittenes Elend mit der Vorstellung entschädigen, dass es immer jemanden gibt, dem es noch viel schlechter geht als ihnen.
Der Sieg der Alliierten zwang die Menschen aus dieser besonderen Verstellung der Ignoranz heraus, indem er eine pauschale Schuld auferlegte, die für jeden Deutschen galt, unabhängig von seiner Position in der deutschen Kriegshierarchie. Diese Schuld blieb einfach eine Form der Selbstgeißelung für die eigene Feigheit – d.h. das Versagen, das Grauen aufzuhalten, was in Wirklichkeit das Versagen bedeutete, den fast sicheren Tod in Kauf zu nehmen, um das Grauen aufzuhalten. Anstatt sich gegen die materielle Basis der Ursachen eines bestimmten Grauens zu wehren, seine Geschichte und die eigene Beziehung zu ihr, die eigenen Schwächen sowie die der Arbeiterklasse insgesamt anzuerkennen, verinnerlicht ein solches masochistisches Schuldgefühl die Unterwerfung und schafft eine individualisierte Form von moralistischem „Gewissen“, das zu keinem praktischen Klassenbewusstsein fähig ist und Angst vor jeder Form der Selbstbehauptung hat. Schuld ist nicht dasselbe wie das Annehmen einer Teilverantwortung (z.B. in Form von Zögern oder Feigheit) und das anschließende Handeln, um diese Vergangenheit zu korrigieren. Es ist ein krankes, krebsartiges Bewusstsein, das dich in einer nagenden Irritation isoliert, die sich in deinem Kopf auf magische Weise in ein christliches „Ich leide, also bin ich erlöst“ verwandelt, das verlangt, dass du dich einfach in das Bett legst, das du anscheinend gemacht hast. Es hat nichts damit zu tun, die eigenen Fehler und die des Proletariats als Ganzes zu verstehen, um sie aktiv zu überwinden, sondern ist einfach ein passives „Bewusstsein“, das der herrschenden Klasse dient, indem es das kranke Gefühl des Unbehagens zu einer ausreichenden und reinigenden Reaktion ideologisiert und dich als subjektiven Ersatz für eine echte praktische Auseinandersetzung mit deiner Vergangenheit verprügelt. Auf diese Weise wurde die Unterwerfung unter die Autorität, die Teil des charakteristischen Bedürfnisses war, das den Nationalsozialismus auf fruchtbaren Boden fallen ließ, nicht ausgerottet, sondern lediglich auf die neuen, diffuseren Formen der Autorität übertragen, die für die Entwicklung der neuen Formen des Kapitals im Nachkriegsdeutschland notwendig waren. Das Gefühl der „Schuld“, das sich nicht mit größerer Klarheit gegen die herrschende Gesellschaft wendet, erliegt ihr immer. Es ist in der Regel einfacher, die Menschen durch das subjektive Schuldgefühl zu kontrollieren als durch die sehr objektive, äußere Autorität der Schuld, denn letztere kann – und hat – eine kollektive Reaktion hervorrufen, selbst wenn diese entsetzlich brutal war. Aber die Auferlegung einer Massenschuld auf die Deutschen nach dem Krieg beruhte auf dem ständigen Überlebenskampf in den Trümmern der Städte und dem absichtlichen Aushungern von Zehntausenden von Kriegsgefangenen durch die amerikanischen und französischen Streitkräfte (was die Deutschen während des Krieges nie mit den Kriegsgefangenen aus dem Westen gemacht haben). Siehe z.B. „Other losses“ (A.d.Ü., andere Verluste), das, obwohl es mit Sicherheit stark übertrieben ist (Übertreibungen verbessern den Verkauf), diese kaum bekannte Gräueltat aufdeckt.
Der Erste Weltkrieg endete mit der Zerstörung der deutschen Arbeiterklasse durch die Kollaboration der Sozialdemokratie mit den faschistischen Freikorps, der kollektiven Bestrafung durch den Versailler Vertrag, einschließlich der Schwächung ihrer industriellen Macht (Annexion des Rheinlandes, Besetzung des Ruhrgebiets), und den schrecklichen Verwüstungen der 20er Jahre (Hyperinflation, Massenarbeitslosigkeit usw.), die zum Teil auf der Niederlage der Aufstände von 1918-19 beruhten. Diese Niederlage wurde auch von der Arbeiterklasse selbst herbeigeführt, indem sie ihre Macht an die Sozialdemokratie abgab, eine Sozialdemokratie, die bereits an den Schrecken des Ersten Weltkriegs mitgewirkt hatte, Schrecken, die einer der Hauptgründe für diesen Aufstand waren (ein Aufstand, der den Krieg schneller beendete, als wenn es ihn nicht gegeben hätte). Während die Arbeiterklasse in den meisten Ländern dazu neigt, nach einer externen Lösung für ihr Elend zu suchen, könnte man argumentieren, dass diese hierarchische Mentalität im deutschen Charakter stärker verankert ist als in anderen nationalen Charakteren. In Russland zum Beispiel nahm dies damals zwar die Form des Glaubens an Lenin und die Bolschewiki an, aber die Enttäuschung führte auch zu bedeutenden Aufständen und Widerständen (die Mahkno-Bewegung, Kronstadt usw.), die weitaus antihierarchischer waren als alles, was in Deutschland zu dieser Zeit auch nur annähernd ähnlich war. Dieser Unterschied wirkt sich auch auf die Unterschiede im nationalen Charakter aus. Bei Deutschland ist dies zum Teil auf einen Militarismus zurückzuführen, der z. B. in Großbritannien und Frankreich seine Macht außerhalb Europas entwickeln konnte, während Deutschland sich diesem Wettlauf um die Kolonien zu spät anschloss. Der Militarismus als interne Methode zur Verankerung von Gehorsam war also stärker konditioniert als in Ländern, in denen sich das Kapital über einen längeren Zeitraum entwickelt hat und seine bösartigsten Formen des Autoritarismus in den weit entfernten Ländern seines Reiches praktizieren konnte. Sicher, es ist komplizierter als das – aber es spielt eine Rolle.
Die falsche Reaktion auf diese auferlegte Schuld in Deutschland erfolgte in der Regel in Form von faschistischem Revisionismus/Holocaust-Leugnung und/oder dem Versuch, alle anderen Schrecken des Krieges gleichzusetzen. Schrecken auf allen Seiten gab es zweifellos: Dresden, Hiroshima, die Hungersnot, die Churchill den Bengalen auferlegte (mindestens 3 Millionen starben), etc. Aber obwohl Verhungern, Atombombenabwürfe oder Verbrennung bei lebendigem Leibe schreckliche Todesarten sind, wurde die Tatsache, dass die deutschen KZ-Kommandanten so offensichtlich und grob sadistisch, so kalt und „wissenschaftlich“ waren, benutzt, um der gesamten Arbeiterklasse die Schuld an diesem grundlosen Vergnügen an Brutalität zu geben, das in seiner unerbittlichen Intensität, zumindest in diesem industriellen Ausmaß, weitgehend beispiellos war.
Heute lässt das Kapital jedes Jahr 8 Millionen Kinder verhungern (oder tötet sie durch leicht heilbare Krankheiten), und trotzdem tun so wenige Menschen etwas, um sich wirklich dagegen zu wehren, obwohl ein solcher Widerstand – im Allgemeinen – nicht zu Folter und Tod führen würde, was ein solcher Widerstand mit Sicherheit bedeutet hätte, wenn irgendjemand in Nazideutschland etwas gegen die Nazis unternommen hätte (und trotzdem gab es unter Hitler Widerstand von Seiten der Arbeiterklasse in Deutschland – siehe zum Beispiel dass hier). Damit soll sicherlich nicht alles kapitalistische Elend gleichgesetzt werden – was jedes Elend so austauschbar und austauschbar wie eine Ware macht – wie z. B. „ein Viertel Weizen…getauscht gegen X schwarze Schuhcreme, Y Seide, Z Gold usw.“ (Marx, Das Kapital). Massenmord ist Massenmord, aber die Zahl der Toten verhindert, dass man die historische und subjektive Bedeutung des Lebens und des Todes der Beteiligten versteht. Aber auch eine Hierarchie aufzustellen, die die Ermordung von etwa 73 % der europäischen Juden an die Spitze stellt, die Ermordung von etwa 73 % der Hutus in Ruanda in die Mitte und das Massaker des belgischen Imperialismus an 50 bis 80 % der Bevölkerung des Kongo an das Ende, ist offensichtlich eine eurozentrische Arroganz. Ein radikaler Hass auf den Kapitalismus kann weder eine Hierarchie der Schrecken aufstellen noch im Namen einer sehr allgemeinen Kritik an der Totalität einen vereinfachenden „Objektivismus“ über die sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit Massenmord verhängen. Gleichwertigkeit und Hierarchie sind zwei Seiten desselben ideologischen Denkens, das durch die Warenform vermittelt wird.
1953 erhob sich die ostdeutsche Arbeiterklasse gegen die Mächte des Staatskapitalismus und wurde brutal unterdrückt, ohne dass es irgendwelche Solidaritätsbekundungen von außen gab (Brecht weigerte sich bekanntlich, sie zu unterstützen, selbst wenn sie sich direkt an ihn wandten). Das lag zum Teil daran, dass sie schuldige Deutsche waren und daher der Solidarität nicht würdig. Seitdem hat es in Deutschland zwar bedeutende Kämpfe der Arbeiterklasse gegeben – vor allem von Einwanderern und „Gastarbeitern“ -, aber die deutsche Arbeiterklasse hat die herrschende Gesellschaft nie bedroht, außer in sehr geringem Maße: Der größte Teil der Arbeiterklasse ist den Gewerkschaften/Syndikate oder politischen Parteien gefolgt und hat sich nie eigenständig behauptet, eine oberflächlich sichere, oberflächlich zufriedene, abgefederte konservative Kraft, die von den wirklich schrecklichen Niederlagen und auferlegten Schuldgefühlen aus der Vergangenheit so erschüttert ist und dennoch sehr auf Arbeit Arbeit Arbeit steht, Arbeit macht frei, während sie von den betäubenden Annehmlichkeiten und Kompensationen des Konsums betäubt ist, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeiterinnen und Arbeiter nie von ihren Knien aufgestanden ist.
Ein Resümee meiner Schlussfolgerungen aus einem E-Mail-Dialog, den ich mit einem ehemaligen Teilnehmer der antideutschen Bewegung führte
Dies war eine Diskussion mit jemandem, der diesen Text von mir ins Deutsche übersetzt hat und der auch bei der Erstellung der deutschen Originalversion dieses Flugblatts geholfen hat und meine nicht sehr gute Übersetzung ins Englische korrigiert hat.
Die antideutsche Tendenz ist ein deutsches Phänomen, das auf Schuldgefühlen wegen der deutschen Nazi-Vergangenheit beruht. Sie bezeichnet sich selbst gerne als „kommunistisch“ im ultralinken und nicht im traditionellen staatskapitalistischen Sinne des Begriffs, obwohl sie mit praktisch allen anderen ultralinken Strömungen sehr wenig zu tun hat. Ein Teil meines Interesses an der Bewegung rührt von den Einstellungen verschiedener Teilnehmer/innen der Mischung aus ultralinken Kommunistinnen und Kommunisten und Anarchistinnen und Anarchisten her, die an verschiedenen einwöchigen Sommercamps vor allem in Frankreich und Deutschland teilgenommen haben. Ich habe an drei dieser Sommercamps teilgenommen – 2011 an einem dreitägigen in der wunderschönen Landschaft des Jura (Frankreich), 2012 an einem dreitägigen in einem ebenso schönen Waldgebiet vor den Toren Berlins und 2014 erneut an einem ganzwöchigen im Jura. 2011 besuchte ich hauptsächlich Freunde aus der griechischen TPTG-Gruppe, die ich schon kannte, bevor es die TPTG überhaupt gab, und zwar unter anderem, um über das zu diskutieren, was später zu Aufhebengate wurde. Die TPTG war über die Jahre einer der wichtigsten Teilnehmer an diesen Sommercamps und das nächste wird in Griechenland stattfinden und – soweit ich weiß – von ihnen ausgerichtet (obwohl es einige Kontroversen und offensichtliche Konflikte über verschiedene wichtige Kritiken zu geben scheint, die teilweise durch meine Kritik an einigen Teilnehmern entstanden sind, die, wie sich nach den Morden an Charlie Hebdo im Januar 2015 herausstellte, für eine antideutsche Wochenzeitung namens Jungle World arbeiteten, von denen sich einer als einer der drei Chefredakteure entpuppte (siehe dieses Video mit einem lustigen Monty Pythonesque-Video, in dem die Redaktion dieser Zeitung die Marseillaise singt).
Wie auch immer, das Folgende ist, wie der Titel dieses Unterabschnitts deutlich macht, eine Zusammenfassung meiner Schlussfolgerungen aus einem E-Mail-Dialog, den ich mit einem ehemaligen Teilnehmer der deutschen antideutschen Bewegung geführt habe, der aus meinen Konflikten mit dieser speziellen Tendenz beim Sommercamp resultierte, an dem ich im Sommer 2015 nicht teilgenommen habe.
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Für mich hatte das antideutsche Phänomen einige interessante subversive Aspekte, lange bevor es zu einer ekelhaften politischen Tendenz wurde. So war es für Johann Herzfeld im Ersten Weltkrieg eindeutig ein radikales Risiko, seinen Namen in Johnny Heartfield (den dadaistischen Schöpfer der politischen Fotomontage) zu ändern – es war originell und schockierend für die deutsche militaristische Mentalität jener Zeit. Natürlich gab es so etwas wie deutsche „antideutsche“ Tendenzen, zum Beispiel in der radikalen Kultur und der antimilitaristischen Politik vor Hitler. Aber seit damals….?
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Ich habe einen halbdeutschen Hintergrund – mein Vater wurde in Hamburg geboren und verließ die Stadt 1933 (meine Mutter war Jüdin aus London; sie lernten sich im Zweiten Weltkrieg kennen). Mein Onkel, der Fotograf Bill Brandt, war so antideutsch, dass er zeitlebens behauptete, er sei in Sydenham am Rande Londons geboren und habe einen englischen Akzent, der ihn dazu zwang, immer in leisen, fast geflüsterten Tönen zu sprechen, um jede Andeutung von Deutsch zu verbergen. In allen Veröffentlichungen, die er zu Lebzeiten veröffentlichte, hieß es, er sei „in England geboren“, was technisch korrekt war, da sein Vater – mein Großvater – Engländer war (die Mutter seines Vaters hatte seinen Vater im Urlaub in London geboren) und man damals in Deutschland die Nationalität seines Vaters annahm. Er sagte immer, er könne sich an nichts aus seinem Leben bis zum Alter von 16 Jahren erinnern, als er Deutschland verließ. Als ich 17 Jahre alt war, ging ich für ein paar Monate nach Berlin, um Deutsch zu lernen (obwohl jeder sein Englisch an mir übte, so dass ich nicht viel lernte – gerade so viel, dass ich danach mein Abitur machen konnte). Als mein Onkel hörte, dass ich nach Berlin gegangen war, fragte er meinen Vater, was ich getan hatte, um so bestraft zu werden. Wegen des antideutschen Tabus nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ich zu Hause nicht auf Deutsch erzogen, was ein großer Fehler war, da es sinnvoll ist, zweisprachig aufzuwachsen. Und man sollte nicht vergessen, dass die englische Sprache auf der Sprache der Angeln und Sachsen basiert, die beide zu Germanien gehören.
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Der ganze antideutsche Kram ist absolut dumm und reaktiv – so viele intellektuelle Anti-dies und Anti-das und Anti-Anti-Gymnastik, die zeigt, wie sehr sie von dem Bedürfnis beherrscht wird, sich gegen andere Linke zu stellen, ohne eine distanzierte Sicht der Dinge und ohne ein anderes Ziel, als sich mit den falschen Entscheidungen dieser Gesellschaft zu versöhnen. Einige antideutsche Tendenzen bejubeln sogar Bomber Harris, den Kommandeur der RAF, der zusammen mit der USAF 1945 Dresden zerstörte, als Helden. Als reaktionäre Reaktion auf den Nationalismus nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 scheint sie nur symptomatisch für die Abstraktion von Ideen zu sein, die in Deutschland möglicherweise stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Ländern, weil es dort – zumindest seit dem Aufstand von 1953 im Osten – nur sehr wenige Fälle von Klassenkampf gibt. Aufgrund des antidialektischen Charakters des Spektakels werden die Ideen so weit von der konkreten praktischen Realität abgekoppelt, dass die Menschen sich durch ihre Ideen in reaktiver Opposition zu anderen Ideen definieren und so jeden Sinn für Menschlichkeit und Realität verlieren. Die Antideutschen werden so reaktiv antilinks, dass sie am Ende die Massenmorde der USA und Israels in Afghanistan, Irak und Palästina unterstützen. Man fragt sich ernsthaft, wie die Organisatoren der „kommunistischen“ Sommercamps es rechtfertigen können, so offensichtlich kranke, bezahlte Ideologen unter den Eingeladenen zu haben (von denen einige zwar wussten, sich aber nicht die Mühe machten, sie zu erwähnen) – aber ich nehme an, solange man sich selbst „Kommunist“ mit einem kleinen „k“ nennt, ist es egal, was für einen widerlichen Kotzbrocken man tatsächlich produziert. Lang lebe die Abstraktion!
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Einer der führenden Theoretiker der antideutschen Strömung ist Joachim Bruhn; das hier verlinkte Interview mit ihm ist bezeichnend für die Dummheit der marxistischen intellektuellen Verrenkungen und die besonders dumme Form des umgekehrten Nationalismus, für die das antideutsche Phänomen steht. Was er sagt, ist ein Haufen verworrenen Mülls, typisches intellektuelles Drehen und Wenden – voller Begriffe von Ideen, die an Ideen abprallen, mit dem ständigen Bedürfnis, Marx als Bezugspunkt zu verwenden, als ob das Argumentieren in der Marxschen Sprache irgendwie theoretische Raffinesse vermitteln würde. Wenn man dann noch ein paar „ontologische“ Begriffe hinzufügt, ein bisschen „Homogenisierung“ und „Subsumtion“, und sich dabei auf Adorno beruft, wirkt das Ganze wie Haute Cuisine aus einem marxistischen 5-Sterne-Restaurant.
Diese Akrobatik basiert auf einem typischen Klischee der Mittelklasse – dem Gefühl, von der Arbeiterklasse verraten worden zu sein, die sie, die Welt und ihr Leben vor den Schrecken des Kapitals retten sollte (anscheinend stammt diese Aussage von Adorno, der berühmt dafür ist, dass er die Bullen auf die Studenten hetzte, die ’68 die Universität besetzten). Aber sie sehen nie ihre eigene Position innerhalb des Kapitals, ihre eigene Komplizenschaft mit dem System, die letztendlich sicherlich genauso fest verankert ist wie die der „Arbeiterklasse“ (die Bruhn als eine Abstraktion betrachtet, als etwas Separates – da draußen; eine Klasse, die nicht für sich selbst steht, eine Reihe von sozialen Beziehungen, die von ihm und den eigenen konkreten Widersprüchen seiner kleinen Sekte abstrahiert). Da er sich selbst nicht als Proletarier sehen kann – vor allem, weil er ständig die Rolle des Intellektuellen spielt und Theorie für einen rein intellektuellen Prozess hält – ist er absolut blind für die praktische Revolte der Enteigneten und betrachtet seine Clique nur wegen ihrer widerlichen Ideen als „subversiv“ (und man muss schon sehr krank sein, um den israelischen oder den US-Staat zu unterstützen). Daher kann dieser Typ ernsthaft denken, dass „die Arbeiterklasse – auf eigenen Wunsch – vollständig in das deutsche Massenmordkollektiv integriert wurde“, während er selbst dieses Massenmordkollektiv unterstützt, wenn es von den IDF oder der USAF begangen wird. In Wirklichkeit ist das der typische Müll, sich für überlegen zu halten, weil man kultiviert und modern ist und all der Unsinn, der hierarchische Trennungen aufrechterhält. Ich meine, wie bizarr kann man sein, wenn man sagt: „Meiner Meinung nach scheint das (symbolische) Datum dieses Verrats der 20. Januar 1942 zu sein, der Tag der Wannseekonferenz – ein Tag, an dem die ultimative Notwendigkeit der Weltrevolution der Arbeiterinnen und Arbeiter mit der totalen Abwesenheit der Arbeiterklasse zusammenfiel, was auf ihre vollständige Integration in das System der „Volksgemeinschaft“ hindeutet.“ Einerseits ist das bestenfalls deutschlandzentriert – schließlich gibt es die Arbeiterklasse international und 1942 war der Klassenkampf überall auf einem extrem niedrigen Niveau (aus offensichtlichen Gründen). Aber zu sagen: „Seitdem ist der Klassenkampf eine Ideologie“ ist eine zutiefst ignorante Aussage, von der nur jemand, der völlig in der Logik seines engen Milieus und seiner engen Geschichte versunken ist, glauben kann, dass sie auch nur im Entferntesten etwas mit der Realität zu tun hat. Es ist eine politisch linke Form des Blödsinns, den Sekten von sich geben, um tiefgründig zu klingen, der aber nur für sie und ihre geschlossene, versteinerte Welt eine gewisse Bedeutung hat. Mit diesem Satz werden nicht nur all die konkreten Risiken abgetan, die in Ereignissen wie Berlin ’53, Ungarn ’56, Mai ’68, Italien ’69- ’78, dem britischen Bergarbeiterstreik usw. zum Ausdruck kamen (die mit der typischen Arroganz von Intellektuellen aus der Mittelklasse, die nie etwas anderes tun, als politische Positionen zu vertreten, abgetan werden können), sondern auch all die täglichen Beispiele des Klassenkampfes der letzten 73 Jahre, einschließlich derer, die gerade in diesem Moment stattfinden. Offensichtlich versteht dieser Typ unter Kampf etwas, bei dem es darum geht, wie man die durch und durch konservative Unterstützung der israelischen und amerikanischen Staatspolitik als „kommunistisch“ oder „marxistisch“ oder was auch immer für „subversive“ Farben diese praktisch mitschuldigen Dolce Gabbanas meinen, in die sie ihre ekelhaften, unmenschlichen Überlegungen kleiden können, während sie ihre eigene intellektuelle Nische in der Arbeitsteilung der deutschen Pseudo-Opposition stärken.
Das Bruhn-Interview zeigt, dass hinter den „tiefgründigen“ Taschenspielertricks, die eine solche Politik irgendwie magisch anders klingen lassen, antideutsch ist die typische anti-leben Politik – d.h. eine Rechtfertigung für Aspekte der Welt der Herrschaft und Unterwerfung, des Massenmords und ihrer ideologischen Stützen. Obwohl der Weg zum Ende der Entfremdung dem geraden und schmalen Pfad der Entfremdung selbst folgt, ist es unmöglich, diesem intellektuellen antideutschen Labyrinth mit intellektuellen Mitteln zu entkommen, wenn man es einmal durchwandert hat. Man kann seinen Anhängern nicht beweisen, dass es Blödsinn ist. Diejenigen, die außerhalb des Labyrinths stehen, sehen es viel klarer als diejenigen, die darin feststecken und versuchen, es zu verstehen. Entweder man entdeckt einen emotionalen Hass auf das System, das solch ein deformiertes Denken unterstützt, und wettert dagegen, oder man versucht ständig, etwas Sinnvolles darin zu finden, das so offensichtlich eine Art ist, sich selbst zu belügen.
Wenn man schon eine ideologische Karriere machen muss, dann sollte man wenigstens eine gewisse Bescheidenheit an den Tag legen, die es einem ermöglicht, konkrete, bodenständige Forschung zu betreiben, die denjenigen von Nutzen sein könnte, die wirklich gegen die Kolonisierung des Lebens durch die Ökonomie und ihre Rollen kämpfen. So finde ich zum Beispiel Hannah Arendts Analyse des Antisemitismus und insbesondere des deutschen Antisemitismus und der Klassenbeziehungen unter Juden im ersten Abschnitt von „The origins of Totalitarianism“1 von echtem Nutzen für diejenigen, die gegen alle Formen religiöser, rassischer oder nationaler Identitäten oder deren „Anti-“Formen der Identität kämpfen wollen, auch wenn sie – angesichts der Zeit, in der sie geschrieben wurde (1951) – zwangsläufig teilweise veraltet…. (hinzugefügt am 29.2.16:) Obwohl es im Fall dieses Buches, das während der MacCarthy-Ära in den USA veröffentlicht wurde, verständlich ist, warum ihre Klassenkritik nur angedeutet und nicht offen ausgesprochen wurde. Anscheinend (ich habe es noch nicht gelesen) ist ihr Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil (Ein Bericht über die Banalität des Bösen) ist viel deutlicher, was den Klassencharakter reicher Juden und ihre Kollaboration mit der Nazi-Hierarchie angeht. Und viel zugänglicher.
1A.d.Ü., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft