Am 24. Dezember 2018 ist in Buenos Aires, im Alter von 91 Jahren, der Anarchist und Historiker Osvaldo Bayer gestorben. Seine Werke und Arbeiten, richteten sich auf die Geschichte der anarchistische Bewegung sowie auf die Arbeiter*innenbewegung in Argentinien und Uruguay. Seine Berichte deckten nicht nur die Kämpfe dieser Bewegungen auf, sondern ermöglichten einen Blick auf die Repression die sie erlitten und wurden so aus der Vergessenheit gerettet.
Herausragend war die Erforschung über die Rebellion in Patagonien, als sich die Landarbeiter*innen organisierten und der ländlichen Bourgeoisie das Terrain strittig machten. Genauso wie die Geschichte der anarchistischen Expropriationen die ihren Höhepunkt Mitte der 20er Jahre erreichten.
Aufgrund seiner Werke und politischen Agitation, musste er das Land 1975 verlassen – ein Jahr vor dem Militärputsch – und blieb in Westberlin bis 1983. Im Exil, war er eine von vielen Stimmen die die Militärdiktatur angriff, welche Tausenden in Argentinien das Leben kostete.
Sein Leben widmete er außerdem den Kämpfen der Arbeiter*innen, Landarbeiter*innen und den Indigenen Gemeinden.
Er ist am 18. Februar 1927 in der Provinz von Santa Fe geboren. Studierte auf der Universität von Hamburg. Beteiligte sich an mehreren Publikationen wie La Chispa (der Funke) und in verschiedenen Arbeiter*innenorganisationen. Für die Veröffentlichung des Buches, „Die Rächer des tragischen Patagoniens“, oder auch bekannt als „Rebellisches Patagonien“ – in Deutschland erschien das Buch unter dem Titel „Aufstand in Patagonien“ vom Trotzdem Verlag veröffentlicht – wurde er von der „Triple A“ (Antikommunistische Vereinigung Argentiniens) – einer faschistischen paramilitärischen Gruppe – verfolgt. Diese agierte während dem Regierungsamt von Isabel Perón und wurde von den damaligen Minister López Rega organisiert und aufgebaut. Die Triple A ermordete hunderte von Menschen bis 1976 das Militär putschte und die Macht an sich riss. Ab dem Moment war die Triple A nicht mehr notwendig, weil die Ermordung politischer Gegner*innen direkt vom Militär verwaltet und geleitet wurde. Während dieser Zeit wurden seine Werke verboten und seine Bücher – unter anderen – in der Öffentlichkeit verbrannt.
Unter seinen Werken zählen wir z.B., „die Enteignungsanarchisten“, „Severino di Giovanni – der Idealist der Gewalt-“, „Argentinischer Fußball – Rebellion und Hoffnung“, unter anderen. Er war auch der Drehbuchautor des Filmes „Rebellisches Patagonien“, welcher von Héctor Olivera gedreht wurde und die Ermordung der Landarbeiter*innen öffentlich verurteilte.
Eine traurige Nachricht für alle Anarchist*innen, egal welcher Strömung, weil Er der sich in Gewerkschaften organisierte, machte bei seiner Forschung keine Trennung zwischen irgendwelchen anarchistischen Strömungen, was jeder der es gelesen hat, ihn hoch anrechnet.
Mit der anarchistischen Geschichte in Argentinien haben sich weltweit viele Anarchist*innen selber schwer getan. Sie wollten sich nicht zu ihr bekennen, aber Osvaldo Bayer rief dazu auf, man sollte sie nicht vergessen und ignorieren. Er fragte sich selber warum die Welt die Figur eines Robin Hoods so gerne mochte, während diese doch in der Realität existiert haben. Jene Anarchist*innen die sich als Enteigner*innen bekannten, die sogar intensiver wie nirgends auf der Welt Banken ausraubten um damit nicht nur die anarchistische Bewegung zu finanzieren, sondern jene zu unterstützen die nichts hatten.
Wir werden uns an ihn immer durch seine Werke erinnern, durch diese wichtige Arbeit die er leistete. Hoffentlich wird bald auf Deutsch irgendwer seine Werke übersetzten, damit auch hier alle diese Geschichten kennenlernen werden.
Da die Geschichte des Anarchismus niemandem gehört, sondern für alle da ist, nehmen wir uns die Freiheit gewisse Auszüge frei zu übersetzten:
„Als Boris das Urteil verkündet wurde (erster Enteignungsanarchist von Argentinien), merkte dieser ohne Betroffenheit dazu: „Das Leben eines Ideen-Propagandisten wie ich, ist diesen Gefahren ausgestellt. Heute wie morgen. Ich weiß, dass ich nicht den Sieg meiner Ideen sehen werde, aber andere werden nachkommen, früher oder später.“ Seite 24.
Wörter von Roscigna: „Irgendwann wird den Anarchist*innen und ihren Methoden recht zu gesprochen: wir haben niemanden der uns unsere Aktivitäten finanziert, wie die Polizei durch den Staat finanziert wird, die Kirche die ihre eigene Gelder hat, oder der Kommunismus der hinter sich eine fremde Macht hat. Deswegen, um die Revolution zu machen, müssen wir die Mittel nehmen, auf die Straße tragend, den Kopf hinhalten.“ Seite 76.
„Die Enteignungsanarchist*innen, die während dieses kurzen Jahrzehntes der Gewalt handelten, schlossen sich immer mehr in einem engen Kreis der aus heutiger Sicht, als eine vergebliche Anstrengung, als eine sinnlose Opferung erscheint an. Mit einer Gewalt die mehr dazu diente um sich selber zu zerstören, als um die Idee zum Sieg zu führen: sie übten Überfälle aus, sowie den Umlauf gefälschten Geldes um sich um die Notwendigkeiten ihrer Bewegung zu kümmern, um Gefangene zu befreien, um die Familienangehörigen der Verfolgten zu unterstützen. Aber bei diesen Überfällen und Fälschungen fiel mehr als einer in Gefangenschaft (wenn sie nicht ermordet wurden) und dann mussten die Restlichen den Kreis ohne einen Ausgang zurücklegen und so weiter. Außer in außergewöhnlichen Fällen, egal was die Polizeiberichte, oder was die reinsten anarchistischen Intelektuellen und Syndikalistischen der Epoche behaupteten, keiner von ihnen nutzte für sich die Erzeugnisse der „Enteignung“. Die die nicht starben und den harten Knast von Ushuaia überlebten, kehrten zu ihren alten Berufen zurück. Einige als Maurer*innen, andere als Textilarbeiter*innen, andere als Mechaniker*innen. Sie erfüllten viele harte Arbeitsstunden, trotz ihres Alters. Das heißt, was falsch sein kann ist das Ideal und die Methoden für die sie sich entschieden auch umarmten, aber nicht die Ehrlichkeit bis zur letzten Konsequenz zu gehen.“ Seite 77. und 78.
„Wir kommen zum Ende dieses bitteren Kapitels, der aber in unserer Gesellschaft gelebt wurde. Der kriminelle Anarchismus existierte offensichtlich in dieser Epoche, weil die Bedingungen dafür vorhanden waren. Gewalt gegen Gewalt, gleich behandelte Gerechtigkeit durch die eigene Hand gegen einer herrschenden sozialen Ungerechtigkeit. Kann man die Enteignungsanarchist*innen rechtfertigen? Nein! Nur ihre Taten werden widerlegt. Sind ihre extremen Reaktionen gerechtfertigt? Das glauben wir ist unweigerlich persönlich: es gibt Angestellte und Bürokraten die ihr ganzes Leben Ungerechtigkeiten aushalten und es gibt Rebellen die gegenüber dem kleinsten Machtmissbrauch der Macht empfindlich reagieren. Es gibt jene die ihr Leben lang auf der Stelle marschieren und Uniformen tragen und andere die keine Zwänge akzeptieren wenn diese nicht auf Logik basieren, welche nicht immer mit der menschlichen Natur kompatibel sind. Wir haben dies bei den ländlichen Schnulzen der vergangenen Jahrhunderte gesehen: es gibt den Tagelöhner der die Peitschenhiebe seines Chefs akzeptiert, um mit Geduld vorwärts zu kommen und es gibt den anderen, der mit dem ersten Peitschenhieb das Messer zieht, es wird Recht gesprochen und wird zum Flüchtigen. Es gibt Rebellen dessen Rebellion nur dazu ausreicht, um sich lange Haare wachsen zu lassen, um ihre Freundin verblüffen zu lassen. Es gibt andere dessen Rebellion sie antreibt um sich auf einen fürchterlichen Kampf zu lancieren, von der Gesellschaft ausgestoßen, Bewohner*innen einer Unterwelt der Gewalt, Härte und Blutes. Hier haben wir diese Laufbahn beschrieben, gemein und episch zur gleichen Zeit, von Menschen die diesen letzten Weg aussuchten und diesen bis zum Ende liefen: bis zum steilen und endgültigen Ende…“ Seite 92. und 93.
„Der Anarchist ist ein Schlachtmensch. Die Raufereien sind sein Spiel, es ist die Arena auf die er am besten seine verhängnisvolle Wildheit hervorhebt. Oder es ist die See dessen bitteren Wellenkämme jubelnd er gipfelt. Die Niederlage oder der Sieg zählen nicht; diese sind Betrüger, die der Anarchist überwindet und verachtet, während dieser marschierend sein Schicksal erfüllt; sein Schicksal ist nicht so wenig wie eine Blumen- oder Dornenkrone, sondern viel mehr: kämpfend sterben, kämpfen um frei zu sein. Alles was keine Schlacht ist, wirkt klein oder kommt dem Anarchisten lächerlich vor. Er ist ein Schlachtmensch und nicht einer der Absprachen und Feinheiten. Bei ihm ist Hopfen und Malz verloren. Er verhandelt nicht und gibt nicht auf; er kämpft und behauptet sich. Neue Art für die Geschichte, Erzeuger einer anderen Menschenspezies, glühend und kraftvoll avanciert er, Liebe brüllend um das Leben innezuhaben.“ (Text von Rodolfo González Pachecho, Anarchisten!) Seite 125.
„Auch wenn die syndikalistische/gewerkschaftliche Bewegung sich mit dem vollkommenen nutzlosen Attributs des „revolutionärs“ beschmückt, ist und bleibt diese eine legale und konservative Bewegung, die nichts anderes verfolgt, als die Arbeitsbedingungen zu modifizieren, und dies wird sie kaum erreichen. Sie sucht kein anderes Beispiel wie das die großen Nordamerikanischen Gewerkschaften/Syndikate anbieten. Als sie noch schwach waren boten sie eine radikal-revolutionäre Position an, aber ab dem Moment wo ihre Macht und ihr Reichtum wuchs, wechselten sie zu konservativen Organisationen die nur noch sich darum kümmerten Privilegien für ihre Mitglieder zu suchen. Deswegen müssen Anarchist*innen in diese Gewerkschaften/Syndikate eintreten um gegen die Privilegien zu kämpfen, sowie gegen die Korruption der Anführer. „Der gewerkschaftliche/syndikalistische Funktionär ist für die Arbeiter*innenbewegung dieselbe Gefahr wie der Parlamentarier. Beide tragen die Korruption.“ Malatesta“ Seite 144.