Kronstadt Journal II
2. März
Im Erziehungshaus in Kronstadt wird eine Delegiertenkonferenz, bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Schiffe, der Garnison, der verschiedenen Sowjetinstitutionen, der Arbeitergesellschaften und Fabriken, mit etwa 300 Teilnehmern und Teilnehmerinnen abgehalten. Hauptzweck der Konferenz ist die Art der anstehenden Neuwahl des Kronstädter Sowjets zu diskutieren, sie soll aber auch für die Resolution des 1. März tätig sein sowie Wege finden dem Hunger und dem Mangel an Brennmaterial ein Ende zu setzen.
Auf der Konferenz sprechen als Vertreter der Regierung der Kommissär der Ostseeflotte Kusmin und der Vorsitzende des Kronstädter Sowjets Wassiljew. Ersterer spricht zuerst zur Versammlung und bestreitet in seiner Rede die Existenz von Arbeiterunruhen in Petrograd, stellt die revolutionären Motive von Kronstadt in Frage und droht mit Krieg: „Wenn ihr offenen Krieg wollt, so werdet ihr ihn bekommen, denn die Kommunisten werden die Zügel der Regierung nicht fahren lassen. Wir werden bis zum Äußersten kämpfen.“ Die Rede des zweiten Regierungsvertreters scheint aufgrund ihrer Farblosigkeit und Unbestimmtheit keinen Eindruck auf die Zuhörer und Zuhörerinnen zu machen. Im Verlauf der Konferenz stellen die Delegierten fest, dass die Hoffnung auf irgendeine freundliche Verständigung mit den Regierungsvertretern vergeblich ist. Da sie Kusmin und Wassiljew nicht mehr Vertrauen können und die Kommunisten Waffen besitzen, während die Versammlung keinen Zutritt zu den Telefonen hat, werden die beiden aus der Versammlung entfernt und unter Arrest gestellt. Ein Antrag, die übrigen Kommunisten und Kommunistinnen ebenfalls zu verhaften, wird mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Es wird die Resolution vom 1. März verlesen und von der Versammlung angenommen. Da das Gerücht, das sich alsbald als falsch herausstellt, die Runde macht, dass die Bolschewisten im Begriff seien die Versammlung anzugreifen, geht es nun um die Frage, wie die Verteidigung von Kronstadt gegen einen bolschewistischen Angriff zu organisieren sei. Das fünfköpfige Präsidium der Konferenz, das zu Beginn durch Zuruf gewählt wurde, wird in ein Provisorisches Revolutionäres Komitee verwandelt, das für Ruhe und Sicherheit der Stadt sorgen sowie die notwendigen Vorbereitungen zur Abhaltung der Neuwahlen zum Kronstädter Sowjet treffen soll.
In der Zwischenzeit verlieren die Bolschewisten keine Zeit und die Regierung gibt einen von Lenin und Trotzki unterzeichneten Befehl heraus, in welchem die Bewegung von Kronstadt als Meuterei gegen die kommunistischen Behörden und als Produkt von Interventionisten der Entente und französischer Spione denunziert wird und die Matrosen beschuldigt werden, Werkzeuge früherer zaristischer Generäle zu sein. Des Weiteren lautet der Befehl den früheren General Koslowsky, der bei den Ereignissen in Kronstadt gar keine gespielt hat, der aber von den Bolschewisten geschickt genutzt wird, um die Bewegung als konterrevolutionär zu denunzieren, und seine Helfer als „außerhalb des Gesetzes stehend zu erklären“, die Stadt und Provinz Petrograd unter Kriegsrecht zu stellen sowie die oberste Gewalt über den Petrograder Distrikt in die Hände des von Grigori Jewsejewitsch Sinowjew geleitete Petrograder Verteidigungskomitees zu legen.
In Petrograd werden zahlreiche verdächtige Soldaten und Matrosen verhaftet, Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen und Straßen verboten und als politisch unzuverlässig Regimenter der Armee an entfernte Orte verlegt. Die in Petrograd lebenden Familien der Kronstädter Matrosen werden von den Bolschewisten in Geiselhaft genommen.