Die Anti-Knast-Tage 2017 in Berlin – Eine Auswertung, wie sie waren, was fehlte, wie geht es weiter?
Die Orgagruppe der Anti-Knast-Tage 2017
Vom 6ten bis 8ten Oktober fanden die Anti-Knast-Tage in Berlin statt. Für uns, die Organisierenden, ist es sehr wichtig hier auch mal eine Auswertung zu machen und ein paar Fragen in den Raum zu werfen. Denn solche Ereignisse können immer besser gemacht werden, um auch mit den Gitterstäben eines politischen Ghettos zu brechen und revolutionäre Ideen im Alltag zu streuen. Um auch unser alltägliches Leben zu revolutionieren.
19 Veranstaltungen mitsamt Diskussionen fanden an drei Tagen statt. Es war uns von Anfang an klar, dass dies ein sehr ambitioniertes Programm sein würde, trotz der Vielfalt und der vielen Veranstaltungen. Der Schwerpunkt lag für uns auf der Qualität der Diskussionen. Das tiefere Auseinandersetzungen zwischen den Besucher*innen stattfinden würden, dafür das letztendlich sie die Protagonist*innen dieser Tage werden. Denn eine Veranstaltung ist immer nur dann so gut wie die der darauf folgende Diskussion/Auseinandersetzung. Wir wollten nicht ein Podium für irgendwelche „Expert*innen“ zum Thema Knast erschaffen, die die Besucher*innen die Realität zum Thema Knast erklärten, sondern um gemeinsam Perspektiven zu erschaffen wie kollektiv ein Kampf gegen die Knastgesellschaft stattfinden kann. Was dies bedeutet und wie dies ausschauen wird, wird die Zukunft zeigen.
Im großen und ganzen waren über die drei Tage mehr Leute da, als wir erwartet haben. Wir waren sehr erfreut, dass Menschen außerhalb der typischen Politkreise sich durch die Plakate, oder Flyer angesprochen gefühlt haben um vorbei zu kommen. Auch dass der Umgang mit Menschen die sich überhaupt noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sehr respektvoll war. Soweit wir erfahren haben, war auch Platz kontroverse Fragen zu stellen, ohne dass dies komisch rüber kam.
An dieser Stelle sollte gesagt werden, dass die Erfahrung vor den Knästen zu mobilisieren gescheitert ist. Von Anfang an war es uns wichtig und auch klar das Angehörige und Freund*innen von Gefangenen einen Platz bei den Tagen haben sollten. Dies kann aber auch nur effektiv werden, wenn regelmäßig und kontinuierlich vor den Knästen agitiert wird. Wenn Verbindungen mit den anderen Menschen entstehen, durch geteilte Erfahrungen, wie die Probleme die immer wieder auftreten wenn Gefangene besucht werden, etc. Nicht desto trotz, lernen auch wir für die Zukunft.
Während der Tage wurden fast alle Veranstaltungen sehr gut besucht und es wurde erstaunlicherweise viel diskutiert. Die eine oder andere Thematik hat viele Besucher*innen sehr gereizt, was uns zeigte, dass das Thema Knast nicht so sehr am Rande steht. Dass für einige Menschen diese Thematik doch wichtig ist.
Für uns selber als Orgagruppen, war es schade, dass wir selbst keine Veranstaltungen auf die Beine stellen konnten. Es hätte noch viele Themen zu Knästen gegeben, die wir gerne angesprochen hätten. Wie zum Beispiel eine allgemeine anarchistische Kritik an Knästen, oder über den Unsinn an der Aufteilung zwischen „politischen“ und „sozialen“ Gefangene, eine Veranstaltung zur verurteilten Anarchistin die wegen Bankraub in Aachen jetzt in Köln sitzt, über die Schuld- und Unschuldfrage und warum für uns dies nie ein Kriterium ist, um Menschen im Knast zu unterstützen, eine Veranstaltung zu 40 Jahren Stammheim, zum Jubiläum der Ermordung der beiden italienischen Anarchist*innen Sacco und Vanzetti und die, wie oben erwähnte, Auseinandersetzung zu Schuld und Unschuld und weitere Themen die in diese Richtung gehen.
Genauso wie praktische Aspekte zu den Anti-Knast-Tagen gefehlt haben. Wie z.B., Demos vor den Knästen, oder andere Aktionen zum Thema Knast und Solidarität mit Gefangenen zu machen.
Die Abschlussdiskussion fand leider mit eher wenig Beteiligung im Sinne des Weitergehens der Bekämpfung von Knästen, im Sinne des Weitergehens der Anti-Knast-Tage statt, auch wenn sich Leute dafür bereit erklärt haben diese nächstes Jahr zu machen. Es fehlte von uns aus der Impuls um dies zu bewirken.
Die diesjährigen Anti-Knast-Tage wurden ohne Fördergelder auf die Beine gestellt. Mehrere Gruppen haben uns finanziell damit geholfen und dank der Unterstützung der Voküs und der Spenden ist sogar etwas Geld übrig geblieben, welches wir an Gefangene verteilen werden. Für uns war der Aspekt der Selbstverwaltung von Anfang an sehr wichtig, denn auch wenn dies eine sehr unangenehme Auseinandersetzung ist, sind wir klar der Meinung, dass unsere Projekte durch uns selbst finanziert werden sollten. Wir teilen nicht die inflationäre Meinung alles stattfinden zu lassen, weil das mit dem Geld ja immer irgendwie gelöst ist, damit dann hunderte von Plakate, Flyer oder Publikationen, die gratis waren, in irgendwelchen Kisten Staub sammeln, weil für viele nicht die direkte Verbindung zu ihnen durch ihre Anstrengungen oder Interesse vorhanden sind.
Wir bedanken uns auch ganz herzlich bei allen, die uns mit den Tagen geholfen haben, sei es beim Plakatieren, Flyern, Kochen, Veranstalter*innen, Infotische, Putzen, die Schichten an der Bar und bei allen Besucher*innen.
Bei wem wir uns auch sehr ausdrücklich bedanken wollen, ist der Journalist Peter Nowak. Dieser nämlich veröffentlichte einen Artikel in der Zeitung „Neues Deutschland“, „Zu kooperativ für Solidarität?1“ über die Anti-Knast-Tage in Berlin. Wir wollen mal ein paar Dinge klarstellen, erstens, die Anti-Knast-Tage waren nicht von einem „ Bündnis verschiedener libertärer Gruppen“ organisiert und es nahmen auch keine „Vertreterin*innen aus den Reihen (…) der Roten Hilfe“ teil. Einige von uns sind Anarchist*innen, aber andere eben nicht und wir wollen dies betonen. Die Rote Hilfe wurde nicht eingeladen, weil sie nicht für die Abschaffung der Knäste stehen kann und steht, dies bestätigten uns auch einige ihrer Mitglieder. Diese Einstellung teilen nicht alle Mitglieder der RH, weil es auch dort Menschen gibt, die für die Abschaffung von Knästen sind, aber unter dem Motto könnten sie die Tage nicht unterstützen. Genauso wenig ist die RH für die Freiheit aller Gefangenen und engagiert sich nur für „politische Gefangene“, was wir nicht teilen. Was nicht bedeutet, dass die Rote Hilfe nicht trotzdem einen Infotisch ab dem Samstag aufgebaut hatte und es auch klar war, dass sie dafür Platz hätten.
Was uns auch sehr ärgerte ist das Peter Nowak, einen Veranstalter namentlich erwähnte. Und zuletzt die Einschätzung von Peter Nowak, dass während der Anti-Knast-Tage „die Frage des Umgangs mit Angeklagten (…), die vor Gericht kooperieren“ sehr viel Raum eingenommen hätte. Um diese Frage herum fand eine Veranstaltung statt, die von einer sehr langen Diskussion begleitet wurde. Aber es war nur eine von vielen. Dass daraus Peter Nowak die Schlussfolgerung zog, dass dies sich auf den Fall einer Person bezieht die in der Schweiz verurteilt wurde, war mehr als fragwürdig und nicht nachvollziehbar. Unseres Erachtens nach spielte es evtl. nur in kleinen Gesprächen eine Rolle, aber über diesen Fall wurde nicht in den Diskussionen geredet. Wir wollen nicht sagen, dass Peter Nowak absichtlich gelogen hat, aber er hat definitiv nicht wenig falsch veröffentlicht. Er hat auch in keinem Moment mit irgendwem von uns geredet, bzw. erwähnt, dass ein Artikel veröffentlicht werden würde. Dies hätten wir so oder so verneint, weil wir die Kooperation mit bürgerlichen Medien strikt verweigern. Für uns ist es wichtig, dies klarzustellen, weil es uns selber sehr überraschte einen Artikel darüber zu lesen und es uns sehr ärgerte was drin stand. Wir haben Peter Nowak ganz persönlich die Leviten gelesen. Diese Zeilen sollten ihn also auch nicht mehr überraschen.
Jetzt stellt sich nochmals die Frage, wie es dann weitergeht. Wir waren in keinem Moment arrogant, selbstsüchtig und waren dem Glauben verfallen, dass wir mit den Anti-Knast-Tagen in Berlin was voll aufreißen würden. Es ging uns auch niemals darum politisches Kapital daraus zu schlagen, unsere Projekte oder Gruppen zu profilieren, wie es meistens an solchen Tagen der Fall ist, sondern es war für uns wichtig dieser Thematik, mit der wir uns so oder so beschäftigen, wieder mal einen größeren Raum zu geben. Wieder der Notwendigkeit einer fehlenden kollektiven Auseinandersetzung einen Raum und einen Protagonismus zu schenken. Darüber hinaus haben wir nichts erwartet und uns auch nichts erhofft, außer das zu machen was uns wichtig ist.
Aber auch mit dem Bewusstsein, dass dies an sich kein Teilkampf ist, das wir die Rolle der Knäste als Hauptwiderspruch nicht sehen, sondern als einen Teil von einer Kette von gesellschaftlichen Widersprüchen die sich im hier und jetzt ständig ergänzen und bestätigen. Sowie viele andere Ausdrücke der herrschenden Klasse, sind die Knäste ein wichtiger Bestandteil für die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens, für einen „reibungslosen Ablauf“ der Herrschaft des Menschen durch den Menschen. Es ist nicht nur der Ort wo unsere Gefährt*innen und Genoss*innen landen, der Ort wo alle die gegen Ausbeutung, Krieg und Herrschaft kämpfen landen. Sondern ein weiterer Mechanismus, eine weitere Institution die einen andauernden Krieg gegen die Habenichtse und die Verdammten dieser Erde führt. Sowie in der Realität der Lohnarbeit die Arbeiter*innen, und nicht diese prostituierte und bestochene Arbeiteraristokratie, die erbärmlichen Hallen der Produktionsstätten füllen. Dieselben und jene die sogar außerhalb der Verwertung, des Mehrwertes sind, die füllen definitiv die Mauern der Gefängnisse.
In diesem und vielen anderen Sinnen, dass wir uns selber daher nicht als Antiknastgruppen sehen, sondern aus diesem Bereich heraus auf andere agieren. Denn nichts ist so verbunden wie die herrschenden Gedanken, die sich als Ideologien einzeln manifestieren, aber als eine Einheit agieren und zu verstehen sind. Denn darum geht es ja, die Gesamtheit der Herrschaft abzuschaffen, zerstören, überwinden und aufzuheben.
Daher sollen die Anti-Knast-Tage als ein bescheidener Beitrag gelesen werden. Wir freuen uns sehr auf die kommenden Auseinandersetzungen und die Schärfe der Waffen der Kritik.
Für eine Welt ohne Knäste, Schließer*innen, Kapitalismus und Herrschaft!
„Wir werden das ganze Porzellan der Welt kaputt schlagen um das Leben zu verändern. Ihr liebt zu sehr die Dinge und zu wenig den Menschen… Ihr liebt zu sehr die Menschen als Dinge und nicht genügend den Menschen“ Plünderer aus Razumovskoe