Von der Soligruppe für Gefangene
Veröffentlich am 12 März 2017 in der Ausgabe Nummer 405 der Gefangenen Info
Die Isolationshaft und die Geschichte der Repression in Spanien | Teil 3
Die Vergessenen der Gefängnisse: Frau sein und Gefangene sein in FIES
Geschlechterrepression, Achtlosigkeit und Zerstreuung. Das spanische Knastsystem, wie ein Spiel mit Matrjoschkas, erhält in den Frauen seinen größten Ausdruck struktureller Gewalt aufrecht. Es existieren nur drei spezifische Knäste für Frauen im ganzen Staat, was bedeutet, dass 82,2% von ihnen in gemischten Knästen eingesperrt sind, wo sie zu einer unberücksichtigten Minderheit werden. Die wenigen Frauentrakte begünstigen daher auch die Zerstreuung. 54.09% der Gefangenen sitzen in Knästen, die außerhalb ihres ursprünglichen Bundeslandes sind. Die Situation wird um so schwerer wenn die Gefangenen Mütter sind und auch solche sein wollen. Das systematische Zuschließen der Zentren welche es ihnen erlauben, mit ihren Kindern zusammen zu sein, zwang über hundert Frauen im Jahr 2011 in andere Knäste verlegt zu werden. Zur Zeit gibt es im ganzen Staat nur noch drei solcher Einrichtungen. Die strukturelle Gewalt des Knastsystems wird einem anderen gebunden, was die FIES Gefangenen zusätzlich ertragen müssen. Und das trotz der Einstufung der Berichte von der UN-Antifolterkonvention, die dies als weiche Folter bewertet hat. Wie es der Fall von Noelia Cotelo war [1], Gefangene in FIES 1 [2] und Maria Osório [3] die als Gefangene in FIES 3 [4] sitzt.
In den spanischen Knästen sitzen über 5300 Frauen, eine Ziffer die nicht mal acht Prozent der gesamten Knastbevölkerung in Spanien ausmacht.
Spanien, Galizien – In den 90ern mobilisierte sich die Gefangenenbevölkerung um eine Verbesserung für den Umgang mit ihnen und ihre Lebensqualität zu verbessern, sowie um ununterbrochene Folterungen zu beenden. Diese Mobilisierung verursachte eine schnelle Reaktion des Staates welcher FIES gründete. Das FIES System wurde 1991 gegründet um eine bessere Überwachung und Kontrolle von Gefangenen zu haben. Mit dem Ziel, mehr Informationen über die Verbrechen und die Laufbahnen der Gefangenen im Knast zu haben. Damals wurde gesagt, es wird gegen jene wirken, die „konfliktiv und unangepasst“ seien.
Im Mai 2009, erklärte ein Urteil des Hohen Gerichts, dass FIES kein geeignetes Mittel für die Reglementierung der Rechte und Pflichten der Gefangene sei. Da es die Rechte der Gefangene verletzten würde, wäre es eine gesetzliche Frage.
Dieses Knastregime, welches seit 1996 offiziell im Gange ist, hat 5 verschiedene Kategorien – Einstufungen, von denen die am wenigsten restriktive FIES 5 ist. Das härteste ist FIES 1, wo sich die Mehrheit der Gefangenen befindet, die Gewalt gegen Gefängnisschließer angewendet haben. In diesem Regime befand sich Noelia Cotelo Riveiro.
FIES 1 Gefangene: der Fall von Noelia Cotelo – Schläge und sexuelle Übergriffe seitens der Schließer
“Gestern konnte meine Tochter nicht mit mir telefonieren. Sie wurde wieder mal fürchterlich zusammengeschlagen, ein Auge kann sie auch nicht mehr richtig aufmachen, ihr Körper war voller Blutergüsse aufgrund der Schläge mit den Schlagstöcken, mit denen sie verprügelt wurde. Sie wurde auch an der Wirbelsäule verletzt, sie kann gerade noch stehen. Aus einem Ohr kann sie quasi nicht mehr hören. Als sie mich heute angerufen hat, erzählte sie mir, sie würde um ihr Leben fürchten. Sie wurde nackt von Jesús und der Abteilungsleiterin aus der Dusche gezogen, dieser versuchte, sie zu vergewaltigen. Insgesamt waren es um die zehn SchließerInnen, glaubt sie. Ich fürchte um das Leben meiner Tochter, dem Arzt Juanjo ist sie egal. Es wurde versucht, einen Arzt von außerhalb des Knastes rein zubringen und dies wurde verhindert. Ich bitte um Hilfe falls irgendwer ihr helfen kann. Es wird mir nicht erlaubt, sie zu besuchen, ich will meine Tochter lebendig sehen. Es sei ein Befehl des Knastdirektors. Danke dennoch an alle, die mir zuhören, eine Umarmung.“
Die Worte von Lola Rivero, der Mutter, über Noelia Cotelo verbreiteten sich durch ganz A Coruña sowie den spanischen Staat um die Folter und Schikanierung, denen ihre Tochter ausgesetzt wurde, öffentlich anzuprangern. Sie wurde zu anderthalb Jahren wegen Diebstahls verurteilt, dieses Jahr wurde sie im Sommer entlassen, sie saß also über sechs Jahre länger als sie verurteilt wurde.
Lola Rivero erzählt wie am 23 Oktober 2012 mit ihrer Tochter per Telefon sprach. Mitten in der Unterhaltung, wurde Noelia von den Schließern gedrängt, aufzulegen, da sie aber noch Zeit hatte, weigerte sie sich. Fünf Schließer zwangen, sie den Hörer abzulegen und haben sie mit in die Zelle genommen. Ihre Mutter konnte alles noch über das Telefon hören. Später erfuhr sie, dass sie sie bis zum nächsten Tag mit Handschellen fixiert hatten.
„Diese Nacht hat sie in Handschellen im Bett in der Zelle geschlafen. Sie wurde wach als ein Schließer, der sie schon zuvor geschlagen hatte, er heißt Jesús, ihre Brüste und ihren ganzen Oberkörper anfasste. Als er sah, dass sie es bemerkt hatte, schüttete er ihr eine volle Flasche Wasser in Gesicht damit Noeloa ihn nicht identifizieren könne.“ Am nächsten Morgen wurde sie aufgrund der Empfehlung des Knastarztes in ein Krankenhaus überwiesen damit sie behandelt werden konnte.
Lola, wann fingen die Misshandlungen gegen Noelia an?
– Im Knast von Brieva, im Jahr 2008.
Ihrer Teilnahme bei “Knast = Folter”?
– Sobald die Initiative begann, das war im September 2012.
Was bedeutete die Gründung dieser Initiative und eure Beteiligung an ihr, sowohl für deine Tochter Noelia, als auch für dich?
– Eine Unterstützung, einen Ausweg, Hoffnung.
Deine Tochter ist seit fünf Jahren im Knast. War dies das Urteil welches vom Gericht gesprochen wurde?
– Nein, nicht mal ansatzweise. Ihr Urteil war zwei Jahren und sechs Monate.
Wurde die Verlängerung des Urteils übermittelt?
– Nein. Sie hatte während ihrer Zeit im Knast mehrere Verfahren. Mir wurde nie ein Grund oder eine Benachrichtigung gegeben, warum sie länger dort gehalten wird.
Was ist der Grund für die Verfahren?
– Sie wurde von den Schließern angezeigt, sie würde auf sie losgehen. Wie können sie erwarten, sie zu schlagen oder sexuell übergriffig zu sein, ohne, dass sie sich wehrt? Meine Tochter schweigt nicht vor der Ungerechtigkeit, deswegen lassen sie sie nicht aus dem Knast raus.
Stehen noch weitere Verfahren an?
– Ja, einer in A Coruña. Es sollte vor fünf Monaten stattfinden, aber da einer der Beteiligten sich im Krankenhaus befand, konnte es nicht stattfinden.
Weiß Noelia, wie lange sie noch im Knast sein wird?
– Vor einigen Tagen habe ich mit dem Anwalt gesprochen. Er erzählte mir, dass es bis 2016 sein könnte. Kannst du es fassen? Sie wäre über acht Jahre drinnen!
Aufgrund welches Vergehen sitzt deine Tochter im Knast?
– Aufgrund von Diebstahl.
Was für ein Diebstahl?
– Ein Auto.
Am 30 April 2013, wurde Noelia Cotelo in den Knast von Granada überstellt. „Sie hat sechs Stunden Hof mit einer anderen Gefangenen, drei morgens und drei abends“, erklärt Lola Rivero. „Sie ist so glücklich, viel besser als im Schlachthaus von Brieva [5]!“
Noelia Cotelo erfährt systematische Folter, die Verlängerung ihres Urteils, sexuelle Übergriffe, das Verbot von Kommunikation, Eingriff in die Kommunikation und die Zerstreuung über viele Knäste. Was verlangst du von der Gesellschaft?
– Dass sie uns helfen, dass sie ihr helfen, dass sie die ganze Korruption sehen, die frei stattfindet, unbestraft; und dass sie sehen, was sie meiner Tochter antun. Eine Jugendliche, die gesund rein kam. Und wie wird sie raus kommen? Wann? Dass sie mir helfen, sie mit Dringlichkeit dort rauszuholen. Ich muss sie wieder umarmen!
Maria Osório: Der Knast für Frauen im Régimen de Primer Grado [6]
Maria Osório wurde am 3. Dezember 2011 festgenommen. Mitsamt drei weiterer Personen wurde sie beschuldigt, Mitglied der Gruppe Resistencia Galega zu sein. Es war das erste mal, dass die Audiencia Nacional diese auch als terroristische Organisation einstufte.“ Es ist notwendig, im Auge zu behalten, dass ihr persönlich keine Art von gewalttätiger Aktion zugerechnet werden kann, oder dass sie irgendwelche gefährliche Instrumente oder Mittel besessen hat. Wenn überhaupt nur, Mitglied einer Gruppe zu sein, die eventuell terroristisch wäre“. Sie wurde zu zehn Jahren verurteilt und sitzt in FIES 3. Als dieser Interview gemacht wurde, war sie für einen kurzen Zeitraum aus U-Haft freigelassen um später wieder festgenommen zu werden.
Soto del Real: Einziger Übergangsknast für Frauen im Primer Grado
Im Zuge der Polizeioperation, durch die du festgenommen wurdest, nahm die Polizei sechs Personen fest, von denen vier in U-Haft inhaftiert wurden. Wie war der Weg zur Audiencia Nacional?
– Stell dir alle Ängste vor mit denen wir leben, sexuelle Übergriffe, Drohungen, männliche Gewalt… Und du befindest dich auf einer Reise nach Madrid, das Gesicht bedeckt, von Polizisten umzingelt. Du bist voller Spannung, voller Angst. Aber die Reise war am Ende ruhig, ich verweigerte die Aussage und ich wurde auch nicht verhört. Danach wurden wir, Männer und Frauen voneinander getrennt, je nach Geschlecht in die eine oder andere Richtung gebracht. In meinem Fall, habe ich auf den Schichtwechsel der Guardia Civil gewartet, die uns in den Knast bringen würde. Aufgrund der Kürzungen gibt es weniger und anstatt uns zeitgleich weg zubringen, wurden die anderen um sieben abends und ich um eins morgens verlegt.
Als du eingesperrt wurdest, war das gleich in den Primer Grado?
– Ja. Nach der Knastordnung musst du nicht gleich a priori in den Primer Grado. In meinem Fall, wie bei vielen anderen Frauen, wurde der Paragraph 75 angewandt. Auf illegale Art und Weise bei mir weil dies für Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation angewendet wird und ich befand mich noch in U-Haft und es gab keinen Urteil dafür. Ich wurde in den Primer Grado gebracht, ohne irgendwelche Sanktionen zu haben, ohne verurteilt zu sein, ohne, dass die Existenz von Resistencia Galega bewiesen wurde, angeblich die Gruppe, der ich zugehöre und die terroristisch sein soll.
Was bedeutet es, eine FIES Gefangene im Primer Grado zu sein?
– Es bedeutet wahrscheinlich, alleine Hofgang zu haben weil auf keine anderen Gefangenen der Paragraph 75 angewendet wird. Manchmal stößt eine dazu weil sie bestraft wurde. Bei den Männern gibt es schon mehr Leute, aber in meinem Knast gab es keine weil die anderen politischen Gefangenen, die dort sitzen, schon verurteilt waren und es wurde ihnen nicht erlaubt, mit mir Hofgang zu haben. Nicht mal am 24. Dezember als wir darum gebeten haben wurde es uns erlaubt. Soto del Real ist der einzige Übergangsknast für Frauen im Primer Grado, das heißt, sie bleiben hier solange bis ihr Bestimmungsort entschieden wird.
Was bedeutet es, dass Soto del Real für Frauen im Primer Grado in Isolation nur zum Übergang da ist?
– Es gibt nichts zu tun. Wir hatten nur ein verwahrlostes Puzzle und einen kaputten Tennisschläger. Wir haben uns beschwert, aber die Anforderungen werden nicht wahrgenommen,weil wir nur im Durchzug sind. Die Lebensbedingungen erfüllen nicht das Minimum für Primer Grado. Wir hatten nicht mal ein Kartenspiel. Es ist Zelle-Hof-Zelle-Hof-Zelle-Hof.
Du hattest doch vor allem den Hof fast immer für dich alleine. Wann hattest du Kontakt zu anderen Gefangenen?
– Wir redeten nachts zwischen den Zellen.
Wie lange warst du dort?
– Zweieinhalb Monate, in meinem Fall. Es gibt Leute, bei denen ihr „Bestimmungsknast“ nicht entschieden wird und sie verbleiben dort sehr lange. Eine baskische Frau, zum Beispiel, glaube ich, gehört zu haben, war dort zwei Jahre und sechs Monate. Sie kam dort mit einem Bandscheibenvorfall raus.
Warum werden eure Beschwerden ignoriert?
– Weil dies nur eine Übergangszeit beinhaltet. Wir sind wenige und nicht laut genug. Im Knast wird alles nach dem Stress, den du machst, übemessen. An uns wurde nie Interesse gezeigt.
Gab es denn irgendwas im Knast, das ok war?
-Es gab eine gute Frauenärztin! Die Gefangenen empfehlen sie immer. Es gibt in einigen Knästen keinen Frauenarztdienst und daher sollte dies ausgenutzt werden, denn du musst ansonsten einen Termin dafür beantragen. Das wichtigste von Soto del Real ist, dass es der erste Knast ist, in dem du landest und du erfährst nur Achtlosigkeit. Wenn du solidarische Gefangene triffst, die dir helfen, ich traf auch welche, bewegst du dich besser. Du härtest ab.
ÁVILA: Einer der drei spezifischen Knäste für Frauen, der noch steht.
– In diesem Knast sind die meisten politischen Gefangenen in U-Haft weil es in der Nähe von Madrid ist. Dies verbessert die Aufnahme. Es ist auch einer der wenigen Knäste, die übrigbleiben, wo es spezifische Teile für Frauen gibt. Die meisten haben die Trakte verkleinert um mehr Männer aufnehmen zu können.
Was beinhaltet dies?
– Das es eigentlich egal ist, warum du im Knast bist. Denn wenn es da, wo du herkommst, keinen Frauentrakt gibt, wirst du hunderte von Kilometern von der Familie getrennt. Die Zerstreuung aufgrund des Geschlechtes existiert. Das Sekretariat der spanischen Knastbehörden hat darauf hingewiesen, dass es nur drei Trakte für Mütter im ganzen spanischen Staatsgebiet gibt: die U.M. in Sevilla, die U.M. in Madrid und die U.M. in Mallorca. Das systematische Schließen dieser Trakte, allein im Jahr 2011, führte zur Verlegung von hunderten von Frauen in ganz Spanien.
Nach der Schließung mehrerer Frauenknäste wie dem von Brians und Wad Rass, gibt es nur noch drei spezifische Frauenknäste in ganz Spanien. Den Knast in Ávila, mit 162 Zellen und 18 Zusatzeinrichtungen, den Knast Madrid I für Frauen, mit 385 Zellen und 38 Zusatzeinrichtungen und den Knast in Alcalá de Guadaira in Sevilla mit 83 Zellen und 17 Zusatzeinrichtungen. Zusammengerechnet sind es 630 Zellen innerhalb der Frauenknäste mit einer Gefangenenbevölkerung von 5336 Frauen (Stand September 2012). Das heißt das nur 11,8% der gefangenen Frauen sitzen in Frauenknästen. 82,2% der Gefangenen sind in kleineren Trakten, die an Männergefängnisse gekoppelt sind. Was praktische bedeutet, dass die Dienste und die Infrastruktur für sie gekürzt sind. Im Bericht „Programm für eine zugängliche Gleichheit“, welches vom spanischen Staat veröffentlicht wurde, wird darauf eingegangen, dass „vielleicht mit der Absicht, auf der einen Seite die ökonomische Investition zu reduzieren und auf der anderen, auf die Ruhe in der mehrheitlichen männlichen und traditionell problematischeren Bevölkerung (im Knast) gegenüber der Leitung eine Priorität zu setzten“, „offensichtliche Differenzen“ gesehen werden können. Zum Beispiel im Fall des zukünftigen Knastes von Pamplona, von dem „Kapazitäten und moderne Ausstattung der Arbeitswerkstätte angegeben werden und auch ohne Scham aufgezeigt wird, dass diese im männlichen Bereich wären und die weibliche Bevölkerung keinen Zugang haben wird.“ Es sollte Pflicht sein, dass Frauen Zugang zu FrauenärztInnen im Knast haben.
Welchen Unterschied siehst du in einem Knast, der nur für Frauen ist?
– Meine Erfahrung ist von kurzer Dauer, ich war in drei Knästen. Ich kann aber dennoch sagen, dass es in Ávila, einem Knast nur für Frauen, die meisten Aktivitäten gab. Früher was es aufgrund der Nähe zu Madrid normal, dass es dort viele politische Gefangene gab. Es gibt immer noch ziemlich viele, aber im Vergleich zu anderen ist es kleiner und reduzierter. Jetzt wird die Strategie der persönliche Isolation verfolgt, was mit der Zerstreuung verbunden wird. Es werden nicht mehr als eine bestimmte Anzahl an politischen Gefangenen aus demselben Land oder Konflikt zusammengelegt.
Wird das System machiavellistisch [7]?
– Zerstreuung, Isolierung, Eingriffe, mit denen jede Intimität aufgehoben wird, ärztliche Achtlosigkeit… Ist dies alles nicht machiavellistisch?
Knast von Villabona: Wie ist, eine Gefängnisstrafe des Primer Grado in einem Trakt mit Kumpanen des Segundo Grado, abzusitzen?
– Der Knast von Villabona ist ein Knast, in dem es 10 Trakte gibt. Neun für Männer und einen für Frauen, in dem es einen Respekttrakt [8] gibt.
Hast du den Vertrag unterschrieben um die Strafe im Respekttrakt abzusitzen?
– Nein, ich unterschrieb nicht. Ich wurde zu einer Gefangenen des Primer Grado. Daher präsentierte sich das Räderwerk des Systems mir gegenüber folgenderweise: ohne Verfahren, U-Haft, zerstreut, im Primer Grado… ich werde nichts unterschreiben. Ich weigerte mich, mich in ein System zu integrieren, welches mich nicht integriert haben will. Normalerweise wirst du, wenn du nicht unterschreibst, wieder verlegt weil es keinen anderen Trakt mit einem anderen System gibt. Dies ist sehr ungerecht, weil es alle Gefangenen aus Asturien zwingt, dies zu unterschreiben, sonst werden sie wieder verlegt. Dies passiert mit den meisten Trakten im Staat.
Was ist denn für dich ein Respekttrakt?
– Der Versuch einen weniger gewalttätigen Trakt zu machen, welches auf der Selbstregulierung auf Kosten der Selbstzensur der gefangenen Personen basiert, weil an anderen Dienstleistungen und an Schließern gespart wird.
Da du nicht unterschrieben hattest aber du nicht verlegt wurdest, was ist dann passiert?
– Ich war im Primer Grado in einem Respekttrakt, welches aber eigentlich Segundo Grado war.
Du hast eine Strafe von Primer Grado in einem Trakt für Segundo Grado abgesessen?
– Eine Strafe nicht, weil ich ja in U-Haft war.
Ist die legal?
– Eigentlich nicht. Die Knastreglementierung ist eine Sache, die existiert, aber, wie meistens, nur in der Theorie.
Gab es denn keine Alternativen um deine Haftstrafe abzusitzen, die den legalen Rahmen entsprachen?
– Ja, sie hätten mich in einen Trakt vom Primer Grado schicken können, damit der Vollzug gestimmt hätte. Oder mich vom Vollzug herabgesetzt um mich mit dem Traktsystem gleichzusetzen. Aber es war auf keiner der beiden Arten, ich lebte in einem offenen Vollzug mit den Restriktionen eines Primer Grado.
Was bedeutete dies im Alltag?
– Ich konnte mit meinen Kumpaninnen Aktivitäten machen, damit waren sie nicht restriktiv. Aber es verursachte eine komplette Unkoordinierung. Ich hatte morgens Hofgang, sie aber konnten morgens und abends raus. Daher war ich immer in der Zelle während sie abends draußen waren.
Ohne Freiheit, zerstreut, isoliert und mit Einmischung in die Kommunikation leben
Was bedeutet es für eine Person, deren gesamte Kommunikation kontrolliert wird während sie in Isolation im Primer Grado ihr Leben lebt?
– Du musst die Gewissheit haben, dass du nichts sagen kannst ohne, dass es abgehört wird, was eine fürchterliche Einmischung ausmacht. Vor allem wenn du alleine in einem Trakt bist, wo niemand da ist, dem dasselbe passiert. Es ist viel Schutzlosigkeit. Du fühlst dich alleine, du bist alleine. Es gibt viele Nichtigkeiten, die du nicht beachtest wenn du außerhalb der Knastmauern lebst, aber dort… Wie hoch bewertest du diese auf einmal.. In diesem Aspekt ist die Isolierung präventiv und effektiv. Es wird erreicht, dass du nicht redest.
Was heißt es, dass du nicht redest?
– Du schluckst alles… Erst dann lernst du, wie du damit umgehen musst.
Wie schaffst du es, integer in solchen Knastbedingungen zu bleiben?
– Ich antworte durch meine kleine Erfahrung als eine politische Gefangene. Die Gründe im Kopf zu haben, warum du im Knast sitzt, viel Unterstützung von draußen zu bekommen, mittels Briefen oder Besuchen, dass die Isolierung nicht zugelassen wird und es nützt, sich zu bilden. Ich fand im Knast gut bestückte Bibliotheken. Genauso wichtig sind die Erfahrungen, die du dort mitnimmst. Das Knastsystem darf nicht naturalisiert werden, denn dies würde bedeuten, dass es existieren muss, aber es ist wichtig, über das, was es gibt, Bewusstsein zu erlangen. Und dies mit viel mehr Kraft zu machen, denn es wird daraus ein Geschäft mittels Kürzungen und Privatisierung. Die Solidarität, die in Bedingungen großer Repression stattfindet soll hervorgehoben werden. Es entstehen sogar Solidaritätsbindungen zwischen Menschen, von denen du es nicht erwarten würdest und es ist sehr wichtig, dass dies in einem System stattfindet, das so entmenschlicht, denn dies ist die Garantie um als Menschen zu bestehen. All dies zusammen ermöglicht es, dass das Knastsystem uns nicht verängstigt. Wir sollten wissen, was es ist, aber es darf uns nicht aufhalten. Es ist unentbehrlich, Kraft zu bewahren und Hoffnung zu sichern.
Hast du irgendwelche Unterschiede im Knast und im Prozess deiner Verhaftung erfahren, weil du eine Frau bist?
– Ja, es werden viele Unterschiede zwischen gefangenen Frauen und Männern gemacht. Als ob der Männerknast „der Richtige“ sei und der für Frauen nur „ein Spaziergang“. Sie verstehen nicht, dass es in den Knästen für Frauen Gewalt gibt, auch wenn nicht nach demselben Schema. Die Gewalt, die an uns ausgeübt wird und die, die Gefangenen unter sich ausüben, ist funktioneller, auch wenn es sehr körperlich sein kann. Und es gibt viel Gewalt. Die mutige Frau, welche nicht die Schnauze hält, wird als verrückt abgestempelt, sie bricht mit ihrem Schema der „Standardfrau“. z.B., als ich festgenommen wurde, während der Hausdurchsuchung: einer der Cops bittet mich beim raus gehen, ich solle keinen Wirbel oder jähe Bewegungen machen. Darauf meinte ein Kollege von ihm: „Die wird nichts machen“, du bist kein Held, denn davon gibt es genügend. Die Frauen spielen eine andere Rolle“. Es wird von vorhinein angenommen, dass Frauen keine Ideologie haben. Wir werden als „Freundin von“ behandelt, auch wenn wir nachher die selbe Haftstrafe absitzen.
Wie ist es, in das normale Leben zurückzukehren?
– Ich hatte eine große zeitliche Unordnung und konnte nicht schlafen. Die Zeit im Knast vergeht anders. Ich kann mich nicht an dieses Jahr und zwei Monate in meinem Leben erinnern, vor allem weil ich in unterschiedlichen Knästen war. Du wirst einer Routine unterworfen, in der du nichts entscheidest, aber wenn du wieder draußen bist, ist alles anders. Am Anfang kann es sehr überlastend wirken. Ich war ein Jahr und ein paar zerquetschte, was nichts ist, die Leute die zehn Jahre eingeknastet sind, zwanzig Jahre… Ich kann es mir nicht vorstellen.
Was hat dich im Knast am meisten getroffen?
– Am meisten waren es, in meinem sozialen Bewusstsein, die Bedingungen der FIES 1 Gefangenen. Der Knast ist wie eine russische Puppe, die Matroschka, es gibt eine innerhalb der anderen. Innerhalb der FIES Gefangenen war ich als angebliches Mitglied einer bewaffneten Gruppe bei FIES 3, aber es gibt auch jene in FIES 1, unter direkter Kontrolle, sie sind jene die ganz unten sind. In dieser Kategorie sind Frauen, die beschuldigt werden, einen ganz negativen Einfluss, Anführerschaft auf andere Gefangene zu haben. In der Theorie ist der Durchgang temporär, aber dies wird nicht respektiert. Diese Frauen, die in FIES 1 sind, sind die wirklichen Vergessenen im Knast. Sie wissen, in welchem Alter sie reinkommen, aber nicht wann sie raus kommen. Wie im Fall von Noelia Cotelo. Mit diesen Personen, die sich nicht beherrschen lassen, wird die Zerstreuung angewandt. Sie zerstreuen uns alle! Daher macht die Spaltung zwischen den Gefangenen keinen Sinn, weil wir alle dasselbe erleiden. Sie fangen an, gewisse Maßnahmen an einem Kollektiv anzuwenden, wie ein Experiment und nachher wird es auf die ganze Gesellschaft angewandt. Wenn du quer durch das Land zerstreut wirst, wird die Resozialisierung unmöglich gemacht, weil du von deiner Familie getrennt wirst. Es gibt zerstreute Menschen, die keine Besuche bekommen. Als die Besuchszeit stattfand, waren wir es die politischen Gefangenen und einige soziale Gefangene, die die Besuche bekamen. Aber wir waren eine Minderheit unter den Gefangenen. Und der Rest? Ohne genügend ökonomischen Mittel, ohne Kommunikation, zerstreut, in kürzester Zeit von einem Knast in den anderen verlegt. Dies ist die Realität der Knäste im Primer Grado, die im Fall der Frauen mit einer Achtlosigkeit an Ressourcen und Infrastruktur verbunden ist, was per-se schon nicht gut ist.
Maria Osório und die drei weiteren Mitangeklagten wurde im Jahr 2013 zu Haftstrafen von über zehn Jahren wegen Mitgliedschaft einer terroristischen Gruppe verurteilt.
Síliva Casal: „Sie sagten mir, ich solle Geld für die Rückreise aus Madrid nehmen. Sie hätten nichts gegen mich! Und wussten auch, dass ich ein acht Monate altes Baby hatte!“
Am 29. Oktober 2012 hörte Silvia Casal, welche gerade ihr acht Monate altes Baby ins Bett bringen wollte, mehrere aufeinander folgende Schläge gegen die Tür. „Wir dachten, dass was im Gebäude passieren würde“. Als die Tür aufgemacht wurde, stürmte eine Flut von vermummten Cops, bis auf zwei, die nicht vermummt waren, die Wohnung.
„Sie schickten meinen Partner in ein Zimmer und mich mit dem Baby in ein anderes“.
Silvia Casal informierte die Cops, dass sie ein acht Monate altes Baby hatte. „Sie antworten darauf, dass sie es schon wissen würden und deswegen die Tür nicht eingetreten hätten“. Dennoch werden ihr ihre Rechte im Bezug auf ihren Sohn nicht verlesen. „Mir wurde gesagt, ich könnte nicht bei ihm bleiben und dass er dem Jugendamt überstellt werden würde. Wie das denn? Wer garantiert mir, dass es so ist? Im Falle des Antiterrorgesetzes wird jegliche Kommunikation verweigert. Die Stunden vergingen und mein Baby weinte weil es nicht zu essen hatte; es wird nach Bedarf gestillt. Und ich konnte nicht aufhören, an ihn zu denken. Weißt du, was dies für eine Mutter bedeutet? Daher wollte ich, dass sie mich über meine Rechte im Bezug auf meinen Sohn aufklären, was sie nicht taten“. Die Cops lieferten eine sporadische Alternative. „Sie sagten mir, dass mein Sohn bleiben dürfte und dass ich ihn alle vier Stunden zum Stillen bekommen würde. Aber ich gebe ihm doch nach Bedarf die Brust und wie kann ich wissen, dass es ihm gut geht?“ Fünf Stunden später, willigten die Cops ein, ihre Schwester anzurufen um das Baby mitzunehmen. Bevor die Wohnung verlassen werden durfte, wandte sich ein Cop an sie. „Ich war erstaunt, sie sagten mir, ich solle Geld mitnehmen um aus Madrid zurückfahren zu können. Sie wussten schon, dass sie nichts gegen mich hatten! Und dass ich ein acht Monate altes Baby hatte! Und ich wurde dennoch festgenommen!“
Nach der Hausdurchsuchung geht es in die Kerker in Ferrol. „Dort musste ich ihnen erklären, dass ich, falls ich keine Muttermilch abpumpen dürfte, an Mastitis erkranken könnte und daher meine Gesundheit gefährdet sei. Sie verstanden dies und ich durfte alle zwei Stunden die Zelle verlassen um Milch in einem Zimmer abzupumpen“. Nachher wurde ich zu der Audiencia Nacional verlegt.
Wie war die Verlegung?
– Mir wurde nicht erlaubt zu schlafen, sie befragten mich ständig zu den schwachsinnigsten Dingen oder irgendeinen Quatsch.
Wie war ihr Verhalten?
– Sehr paternalistisch. Falls sie mich ruhig sahen, wurden sie nervös. Aber ich war nicht ruhig. Ich konnte nicht aufhören mir, stundenlang Gedanken über meinen Sohn zu machen, der nicht schlafen konnte. Sie fragten mich auch, ob ich den wollen würde, dass mein Sohn „so“ aufwachsen solle. Sie versuchen dich fertig zu machen, verstehst du?
Hattest du das Gefühl das die Verhaftung anders war weil du eine Frau bist?
– Die Behandlung der Cops ist gleich schlecht auf der physiologischen Ebene für Frauen sowie für Männer. Aber ich merkte schon einen Unterschied im Ziel der Verhaftung.
Wie war das?
– Im Druck, dass du redest. Meinem Partner, zum Beispiel, wurde gesagt, dass er, falls er mich und unseren Sohn wiedersehen wollen würde, reden müsse. Mir wurde gesagt, dass ich, falls ich meinen Sohn wiedersehen wollen würde, Gefährten und Gefährtinnen verraten müsse. Ist denn Denken ein Verbrechen?
Was veränderte sich bei dir als du verhaftest wurdest?
– Als ich verhaftet wurde fühlte ich mich wie ein Stück Staub, mit dem man machen kann, was man will. Sie hin und her schieben bzw. auch wegradieren zu können. Wir haben viel Unterstützung in unserem Ort weil wir dort viel machen und die Leute uns unterstützen. Es gibt aber auch Leute, die die Straßenseite wechseln wenn sie dich sehen. Ich bin optimistisch und werde meine Ideen nicht aufgeben, oder aufhören, meine Leute zu verteidigen, oder für die Menschen zu arbeiten.
Silvia Casal war 36 Stunden unter dem spanischen Antiterrorgesetz verhaftet und wurde beschuldigt, Mitglied einer terroristischen Gruppe zu sein. Dies bedeutet bis zu 5 Tage Verhör und Isolierung, verlängerbar auf 13 Tage mit der Anordnung eines Richters. Ohne das Recht auf Anrufe, einen Anwalt oder einen Arzt. Ihre Anklage wurde mittlerweile fallen gelassen.
[1] Die anarchistische Gefangene Noelia Cotelo wurde am 10 September 2016 aus dem Knast von Ávila entlassen. Sie saß für acht Jahre aufgrund eines Diebstahles.
[2] „besonders gefährlich“ eingestufte Gefangene, d.h. mutmaßliche OrganisatorInnen von knastinternen Aufständen und Streiks, Fluchtversuche, im Allgemeinen rebellierende Gefangene
[3] Maria Osório, militante gallizische Separatistin. Sie wurde 2013 von der Audiencia Nacional zu 10 Jahren verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, Mitglied einer bewaffneten Gruppe zu sein, sowie Dokumente gefälscht zu haben. In ihrem Verfahren wurde zum ersten Mal das neue spanischen Antiterrorgesetz angewendet. Es werden nicht mehr „bewiesene Taten“ von Menschen verurteilt, sondern gegen jede Gruppe, jedes Individuum oder Initiative VORGEGANGEN, die versucht, „die herrschende sozio-ökönomische Ordnung zu stürzen“. Also wird jeder als Terrorist eingestuft, der das kapitalistische System in Spanien in Frage stellt.
[4] Mitglieder und UnterstützerInnen bewaffneter Gruppen
[5] Zwischen A Coruña und Ávila liegen 520 Km Autofahrt. Zwischen A Coruña und Granada sind es 1009 km mit dem Auto. Jährlich drängen die Behörden tausende von Familien und FreundInnen, hunderte von Kilometern mit dem Auto zu fahren um ihre Liebsten im Knast besuchen zu können. Nicht nur die horrende finanzielle Belastung, sondern auch, dass jährlich viele in Autounfällen ums Leben kommen ist, der Preis der Repression. So wird der/die Gefangene und sämtliches soziales Umfeld bestraft und schikaniert.
[6] In Spanien gibt es, was Knast angeht, drei Regime: geschlossenes, normales und offenes. Die werden in Primer Grado (geschlossenes, sehr restriktiv, viel mehr Überwachung), Segundo Grado (was in Deutschland Normalvollzug wäre) und Tercer Grado (was in Deutschland offener Vollzug wäre) unterteilt. Viele AnarchistInnen in Spanien sagen, dass es auch den Cuarto Grado gibt, dies wäre das Leben in der Knastgesellschaft außerhalb der Gefängnismauern.
[7] Machiavellismus, nach Niccolò Machiavelli (1469-1527), ist die Idee politische Macht mit jedem Mittel an sich zu reißen oder zu erhalten. Jedes Mittel ist dafür legitim.
[8] Was die Modulos de Respeto sind, wird im Verlauf der Interviews erklärt.
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